Kitabı oku: «Die Eucharistie als Opfer der Kirche», sayfa 9

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4.5 Casels Zeitverständnis und Geschichtsdeutung

Geschichte ist in der Caselschen Denkform nur ein Aufscheinen göttlicher Gedanken. Sie wird zum Abbild des ewigen Urbildes, so dass man sagen kann, dass die biblische Heilsgeschichte zugunsten eines platonisch geprägten Geschichts- und Wirklichkeitsverständnis beiseitegelegt wird. Eine positive heilsgeschichtliche Christologie ist so kaum möglich. Dass bedeutet, dass sein Ansatz nicht bei der konkreten Geschichte ansetzt, sondern in der Ewigkeit Gottes. Also versteht er die Geschichte als Verwirklichungsraum der ewigen Ideen Gottes.274

Dies hat Konsequenzen für die Zeitauffassung Casels, die man in drei Kategorien einteilen kann. Einmal verwendet er einen antiken Zeitbegriff eines Kreislaufs der Zeit, ein Rad des Werdens, das in sich zurückläuft, ein ewig sich drehendes Rad, gleichsam eine „Zeitschlange, die sich in den Schwanz beißt“. Eine weitere Zeitauffassung, die Casel dem Spätmittelalter entlehnt, ist eine sich stets fortsetzende Zeit, ohne Umkehr oder Rückkehr. Schließlich kennt Casel eine dritte Zeitauffassung, die er den Ausführungen von Friedrich Nietzsche entlehnt. Sie definiert er als eine Art ewiger Wiederkehr des Gleichen. Letztlich favorisiert Casel jedoch keine dieser Konzeptionen, sondern er zieht es vor, eine eigene Auffassung von Zeit zu entwickeln, die er auf dem christlichen Glauben gründet. Die Basis bildet das Kirchenjahr, in dem Casel sowohl das Kreisförmige bzw. Wiederkehrende, als auch das sich Entwickelnde vereint sieht. Beide Spielarten bestehen hier in- und miteinander. Es erfolgt gleichzeitig, die Vorbereitung auf die Ewigkeit, ewigkeitsträchtige Zeit durch das Christusmysterium, wodurch wiederum die Geschichte transzendiert wird und sich göttliche Gegenwart ereignet.275 Casels Geschichtsverständnis ist christozentrisch auf das Christusereignis als prägende Mitte ausgerichtet. Geschichte bekommt hier eine soteriologische Dimension verliehen. Diese kommt dem Menschen mysteriologisch nahe, weil das Christusmysterium unter den kultischen Zeichen anwesend ist. Dass bedeutet, dass das historische Christusereignis zusammen mit dem bleibenden Christusmysterium im Kult der Kirche die Mitte und das Ziel der Caselschen Geschichtsauffassung bildet. In Christus begründet und eröffnet sich die Heilsgeschichte. Mit dieser Geschichtsbegründung überschreitet Casel zugleich die Grenze zum Übergeschichtlichen, denn für ihn ist die eschatologische Wirklichkeit nicht nach der Zeit, sondern in der Zeit und Geschichte bereits verborgene Tatsache der Endgültigkeit von Geschichte, die durch die pneumatische Anwesenheit des Christus verbürgt wird. Es gibt also keine Heilsgeschichte ohne das Material von Weltgeschichte. Sehen wir zur Verdeutlichung dieser Caselschen Geschichtsauffassung auf das konkrete Verständnis der Auferstehung Christi. Die Auferstehung Jesu Christi sprengt als pure Heilsgeschichte den Rahmen von Zeit und Geschichte und wird zum Wendepunkt von Weltgeschichte. Das Erscheinen Christi ist das entscheidende Faktum in Zeit und Geschichte. Die Anwesenheit Christi ist für Casel das Ineinanderfallen von Geschichte und Eschatologie. Durch den Ursprung aller geschichtlichen Ereignisse im ewigen Heilsplan Gottes in Christus wird zugleich die Möglichkeit eröffnet, dass jede Zeit dem Eschaton gleich nahe bzw. fern ist.276 Auf dieser Grundlage wird verständlich, dass Casel zwei Formen von Feiern der Heilstat Jesu unterscheidet: Die historische und die metaphysisch-pneumatische Form. Erstere betrachtet die Heilsereignisse in ihrem geschichtlichen Ablauf von der menschlichen Perspektive her, die zweite Form fokussiert die Gesamtheit der Heilsgeschichte in einen Blickpunkt wie in einer Synopse. Diese Betrachtungsweise findet er im biblischen Bereich bei Paulus und Johannes. So baut er seine pneumatologische Grundlegung der zusammenfassenden Schau der Heilsgeschichte in der Mysterientheologie auch auf Paulus auf.277 Wie lässt sich nun Casels Theologieentwurf ansatzweise definieren. Versuchen wir dies im nächsten Schritt zu beantworten, um es uns für unser Thema klar zu machen, mit welcher Intention Casel seine Mysterientheologie entwickelt.

5. Theologie als Mysterientheologie

Mit dem Zentralbegriff „Mysterium“ meint Casel nicht das Geheimnisvolle oder Mystische, das mit dem Verstand nicht erfassbar ist. Er meint auch nicht die Dimension von naturhaften Riten, in dessen Verstehensweisen der Begriff Mysterium gerade heute in so vielerlei Hinsicht in den verschiedensten Weltanschauungen gebraucht wird.278 Wie Casel Mysterium verstanden wissen will, zeigt sich beispielsweise in seiner ablehnenden Haltung gegenüber der Übersetzung des „mysterium fidei“ im eucharistischen Kanon mit „Geheimnis des Glaubens“, da ein Geheimnis keine Handlung ist, sondern das, was der Mensch nicht kennt. Mysterium will Casel jedoch als Handlung verstanden wissen, als Handlung Gottes, die unter der Gestalt eines Ritus Gegenwart ist und im Glauben erkannt wird. Was aber von den Gläubigen erkannt werden kann, kann kein Geheimnis sein. „Mysterium fidei“ steht bei Casel für die Verbindung von Glauben und Mysterium, d.h., bis zur Parusie des Herrn feiert die Kirche das Mysterium als kultisches Tun und erblickt darin im Glauben den gegenwärtigen Kyrios.279 Wenn man fragt, was demnach der Inhalt des Mysteriums ist, gibt Casel dazu die Definition, dass es die hinter dem Bild des Kultes stehende Wirklichkeit ist, die dem Mysterium den Inhalt verleiht.280 Mysterium ist folglich eine Abbildung der Wirklichkeit.281 Dieses abbilden soll nicht abstrakt verstanden werden, d.h., das Mysterium besitzt in seiner Grundkonzeption eine Realität. Göttliche Wirklichkeit bricht hier in die Welt ein und wird sinnlich erfahrbar. Diese sinnlich wahrnehmbare Gestalt ist für den Liturgiker Casel notwendig, weil die Gläubigen die göttliche Wahrheit noch nicht in reiner Geistigkeit schauen können, sondern innerweltlich eines Symbols, eines Zeichens bedürfen.282 Hier bringt Casel beispielsweise seine Kritik an der Destruktionstheorie (vgl. oben im Prolog) an. Er sieht nämlich gerade in der Trennung von Eucharistie und Mysterium letztlich deren Scheitern grundgelegt.283 Er will mit seinem Ansatz diese Trennung zu überwinden suchen.

In welcher Art ist im Symbol des Ritus, wenn ihr Inhalt die Abbildung der göttlichen Wirklichkeit ist, nun das Heilswerk Christi gegenwärtig? Casel definiert, dass im Mysterium nicht das Heilswerk in der geschichtlichen Gestalt, sondern vielmehr in übergeschichtlicher, d.h. in dessen ewiger Bedeutung gegenwärtig wird. Damit ist es Gottes Werk am Menschen zur Gründung der Gottesherrschaft, d.h. die Menschen erhalten durch das Mysterium die Möglichkeit zum Eintritt in die übergeschichtliche Wirklichkeit, die durch den Tod und die Auferstehung Jesu erschlossen ist. Eine Einschränkung macht Casel allerdings wenn er sagt, dass das Mysterium noch nicht vollkommener Besitz des Menschen ist, sondern ihm bisher allein im Glauben gegeben ist. Darum definiert er den Terminus „mysterium fidei“ in der Weise, dass allein im Glauben die Wahrhaftigkeit des Mysteriums voll zu erfassen ist.284

Aus dieser Definition von Mysterium ergibt sich für sein Liturgieverständnis, dass Liturgie nicht geschichtliche Erinnerung ist, sondern die Gegenwart des Mysteriums.285 Sie bezeichnet den Ort, an dem die Herrlichkeit Christi in der Verborgenheit des Mysteriums geschaut werden kann.286 Beginnen wir daher zunächst bei der grundlegenden Frage nach dem Liturgieverständnis Casels, als der Basis seiner Mysterientheologie.

5.1 Mysterientheologie als liturgisch-praktische Theologie

Zunächst müssen wir uns einige Gedanken zum Verständnis der Theologie als „praktische Theologie“ bei Casel machen. „Praktisch“ bedeutet für ihn zugleich liturgisch, den vollzogenen Kult betreffend. Wegen seiner ablehnender Haltung zur Neuscholastik, die wir schon erwähnten, kommt es diesbezüglich zur Auseinandersetzung287 mit K. Prümm. Es geht dabei um das wahre Verständnis des biblisch-patristischen Begriffs „Mysterium“, eben den Zentralbegriff der Theologie Casels. Prümm will diesen als geheime Wahrheitslehre verstanden wissen, die den Intellektuellen vorbehalten ist und rational dargelegt und ausgelegt werden kann.288

Im Grunde strebt Casel die Rückkehr zu einer sehr einfachen Denkform an, Schilson spricht sogar dabei von „primitivem Denken“. Die Wissenschaftskrise seiner Zeit lässt Casel eine Brücke zum Anfang des Christentums schlagen, um eine Erneuerung des theologischen Denkens mittels Ursprungsdidaktik anzustreben. Die im Ursprung vorherrschende einfache Geisteshaltung bekommt zusätzlich durch ihre Ursprungsnähe zum Offenbarungsereignis Normativität zugesprochen. Die Ursprungsnähe wird zugleich für das Kultverständnis in Anspruch genommen. Da in dieser Konzeption der ganze Mensch in das kultische Tun einbezogen wird, kann von einer symbolisch-praktisch-orientierten Denkform gesprochen werden.289 Schilson fasst treffend zusammen, wie Casel für seine symbolisch-kultisch orientierte Theologie ein wissenschaftliches Fundament legen will:

„Hier findet er [Casel] im noch unverdorbenen Anfang der Menschheitsgeschichte, in dessen Nachhall im ursprünglichen religiösen Bewusstsein der Menschheit und schließlich in der Einheit stiftenden Funktion des Kreuzes Christi das einzig angemessene Wirklichkeitsbewusstsein – ein synthetisches Denken, hinter dem alles analytische Forschen der Wissenschaft weit zurückbleibt.“290

Aufgrund des „primitiven“ Denkens, das Casel auf den Kult, als den Ort der Wahrheitserscheinung aller Dinge, bezieht, versteht er die dort vollzogene Handlung als ein ernstes Spiel. Gerade ein solches spielerisches Handeln sieht er als gemeinschaftlich-symbolisches Tun an und damit zugleich als praktische Wissenschaft, weil sie durch den Vollzug ermöglicht, zur Erkenntnis der Wahrheit zu gelangen. Casel baut in diesem Gedankengang wiederum auf Platon auf291, und koppelt drei Kategorien, nämlich die des Mythischen, des Symbolischen und des Dramatischen an- und ineinander, um sie in seiner Denkform untrennbar zu verbinden. Konkret meint dies: Mythos wird im Kult gelebt bzw. Kult ist lebendiger Mythos. Der Mythos verweist zurück auf das Symbolische des Kultes. Hier meint Casel den urchristlichen Symbolbegriff, dass nämlich im Symbol die Wirklichkeit aufscheint. Der Mythos beinhaltet in seinem Symbolcharakter die Urzusammenhänge bzw. Urwirklichkeiten, die im Kultischen, d.h. dramatischen „Spiel“ erfahren werden. Die drei Kategorien beschreiben somit die ganzheitliche Auffassung einer symbolischen Handlung. Die Teilnehmer der sakramentalen Handlung öffnen sich für die darin vermittelte Wahrheit. Man kann sagen, dass Liturgie und Sakrament für Casel das Zentrum des Christseins bilden. Das Prinzip „lex orandi – lex credendi“ beschreibt dabei die praktische Ausrichtung Caselscher Theologie. Die kultische Praxis bildet für ihn die normative Quelle für die christliche Wahrheit. Dennoch hat umgekehrt die Glaubenslehre normativen Charakter für das liturgische Tun, da das liturgische Tun an den Glauben gebunden sein muss.292 Um das Denken und die Theologie des Liturgikers Casel noch genauer verstehen zu können, müssen wir, gerade im Hinblick auf die Opferthematik, sein Liturgieverständnis noch genauer ergründen.

5.2 Liturgie als Opus Dei zur objektiven Vergegenwärtigung des Heilsgeschehens

Die Liturgie ist für Casel durch Objektivität ausgezeichnet. Er sieht sie vom Grundgedanken her als „Opus Dei“, d.h. als Gottestat (Theurgie). Besonders bei den Sakramenten hat er diese Sicht, denn dem Menschen wird darin eine Form angeboten, in die er sich hineingeben kann. Im Sakrament ist die Heilstat Christi, wie etwa in der Eucharistie der Opfertod, objektiv und sachlich gegenwärtig. Sie ist logisch-sachlich vor dem Mitdenken und Mitleben der Gläubigen, fordert jedoch deren Mittun. Es existiert demnach die Möglichkeit für ein Mitwirken des Menschen im sakramentalen Heilswerk. Das geforderte Mittun findet Casel analog schon in den heidnischen Mysterien. Die tätige Teilnahme im Heilswerk Christi versteht er passiv, da sie vom Herrn am Gläubigen gewirkt wird. Das aktive Tätigkeitsmoment findet sich jedoch zugleich dort und insofern Casel es eben auf jene Handlung bezieht, durch die an der Heilstat Christi teilgenommen wird. Dem göttlichen Handeln am Menschen soll in dieser Denkform das vom Menschen in Gott gnadenhaft vollzogene Mittun entsprechen, d.h. dem opus operatum soll das opus operantis entsprechen. Das Gotteswerk der sakramentalen Liturgie setzt in dieser Theologiekonzeption die Aktivität für die menschliche Freiheit frei, sich im liturgischen Handeln das ihr ermöglichte Betätigungsfeld auszufüllen. Gott und Mensch sieht Casel als Mitarbeiter, ein Ansatz aus der analogischen Analyse antiker Mysterien: Gott ist der Träger des liturgischen Spiels, die Menschen werden Mitspieler. Auch der platonische Kontext begünstigt diese Konzeption. Auf den christlichen Kult bezogen, unter Berücksichtigung der radikalen Christozentrik und Theozentrik bei Casel, heißt dies, dass der eigentlich Handelnde Gott ist und bleibt. Das Sakrament ist „Opus Dei“, das sich der Mensch zunächst nur gefallen lassen kann. Die christliche Liturgie ist zunächst einmal ganz auf das Christusmysterium ausgerichtet, die in sich göttliche Heilstat ist.293

Zugleich beinhaltet die Liturgie für Casel jedoch zugleich eine ungeheuere Anthropozentrik. Die Liturgie erfasst sozusagen den ganzen Menschen in seiner je eigenen Lebenssituation und verwandelt ihn durch und in Christus.294 Der Mensch wird demnach in der Liturgie in das Heilgeschehen hineingenommen. Welche Rolle bekommt dieser dadurch zugewiesen? Hier zeigt sich für unser Thema Eucharistie als Opfers der Kirche ein erster denkbarer Ansatz, den wir aber an dieser Stelle noch nicht weiterverfolgen wollen, sondern uns erst noch mit grundsätzlichen Gedanken Casels befassen.

Da Casel der Scholastik wenig abgewinnt, richtet sich sein Blick auf die Väterzeit. Der dort gebräuchliche Begriff „Mysterion“ ist einer der Zentralbegriffe seiner Denkform, wie wir zuvor schon feststellten. „Mysterion“ bezeichnet in der frühen Kirche die liturgische Vergegenwärtigung der gesamten Heilsgeschehnisse. Dabei fasziniert Casel die darin enthaltene Weite und Wirklichkeitsfülle, was ihm einen Weg aufzeigt, wie er die mittlerweile komplementär verstandenen Begriffe „Sacramentum“ und „Mysterion“ in Beziehung setzen könnte. Die ganze Liturgie begreift er darum fortan als Mysterium in umfassendem Sinn, wobei sein Augenmerk auf den sacramenta maiora liegt.295

Welche Bedeutung kommt also den besonderen Zeichen der Sakramente innerhalb der Mysterientheologie zu?

5.3 Liturgie zur Vergegenwärtigung des Heilsgeschehen Christi

Vom platonischen Bilddenken herkommend, versteht Casel die Liturgie im Allgemeinen und die Sakramente im Besonderen als sichtbare Symbole der unsichtbaren Heilstat, so wie Christus selbst das sichtbare Symbol des unsichtbaren Gottes ist. Sakramente sind somit Real-Symbole bzw. die Mysteriengegenwart des Heils in Christus. In den Sakramenten findet sich ein Drama, ein heiliges Spiel, in dem die Empfänger Mitspieler sind,296 wie wir zuvor schon bei Casel sahen. Mit dem Begriff der Mysteriengegenwart bezeichnet Casel die Möglichkeit der Reaktualisierung der Heilsmysterien in der Liturgie. Zur Erinnerung: Die Mysteriengegenwart meint eine vom Menschen unabhängige Gegenwart, die eine reale Wirklichkeit in der Gegenwart ist. Es geht dabei nicht um eine historische Wiedergestaltwerdung eines vergangenen Heilsereignisses, sondern um die sakramentale Gegenwärtigsetzung eines historischen Heilsereignisses. Darum wird unterschieden zwischen „historisch-real“ und mystisch-real.297 Das Mysterium gliedert sich folglich auf in Christusmysterium und Kultmysterium, wobei das Kultmysterium die Verleiblichung des Christusmysteriums darstellt und eine innere Verbindung impliziert.298

Unter dem Christusmysterium versteht Casel zunächst einmal die Ur-Heilstat Christi, wobei seine platonische Verstehensweise in die Lesart der paulinischen Schriften hineinspielt. Die heilsgeschichtlichen Handlungen sind Urbilder mit ewiger Bedeutung und werden nicht in geschichtlicher Kontingenz, sondern in seinsmäßiger Notwendigkeit gesehen. Die sakramentale Symbolhandlung ermöglicht das Gleichzeitigwerden mit der in der Ewigkeit Gottes existierenden Urheilstat Christi. Bei der liturgischen Feier des historischen Christusmysteriums wächst im feiernden Menschen der Bezug zum Christus des Glaubens. Casel versucht also auf liturgisch-mysteriologischer Ebene die Brücke zwischen dem historischen Christus und dem Christus des Glaubens zu spannen.299 Das Kultmysterium ist die rituelle Wiederhinstellung und Darstellung des einen Christusmysteriums. Somit stellt dieses Kultmysterium ein Mittel dar, um dem Christ das Leben im einmaligen Christusmysterium zu ermöglichen und als „Mittäter“ hineinzutreten. Daher sieht die Denkform Casels die Liturgie notwendig für die Wiederhinstellung der Ur-Heilstat. Durch liturgisch-rituelles Handeln kann die Heilstat Christi objektiv vollzogen werden. Casel versucht so, das eigentliche Wesen eines Sakramentes darzustellen. Der Weg, den er einschlägt, versteht allein die Verbindung von Mysteriologie und (patrologischer) Christologie als die einzige Möglichkeit dazu. Das Problem, das dabei heraufbeschworen wird, charakterisiert Schilson als eine Zweistufen-Christologie, da Casel im Sakrament allein die Verbindung mit dem verklärten Christus gelten lässt, jedoch nicht den historischen Christus im Mittelpunkt der Liturgie sieht. Damit verliert der geschichtliche Christus in seiner Denkform massiv an Bedeutung.300

An dieser Stelle können wir als Zwischenresümee zusammenfassend eine dreifache Herkunft und Bedeutung des Wortes „Mysterium“ systematisch festhalten: 1. Gott selbst ist Mysterium als der unendlich Ferne und Heiligste und immer Verborgene. 2. Mysterium meint das persönliche Mysterium des Gottmenschen301 Jesus, in dem Gottes Sein im Fleisch geoffenbart wurde. 3. Mysterien sind die Zeichen, in denen Christus seine Heilstat unter einem Symbol gegenwärtig und zugänglich hinstellt. „Mysterium“ hat somit einen theologischen, heilsgeschichtlichen und kultischen Bedeutungsinhalt.302 Gerade die letzte, dritte Bedeutungsweise von „Mysterium“ bezieht Casel gezielt auf die christlichen Sakramente. Im sakramentalen Abbild der Ur-Heilstat Christi ist diese selbst pneumatisch, d.h. als Geschichte mit Ewigkeitswert zugegen. Casel gesteht nur den Lebensabschnitten des historischen Jesus Bedeutung und das Gegenwärtigwerden zu, die er als heilsrelevant einstuft, d.h. die Credoaussagen des Lebens Jesu.303 Mit Papst Leo dem Großen verbindet sich Casel in der Aussage, dass der Vollzug der Riten, d.h. der Sakramente, der Zeit angehört, ihr Inhalt aber ausdrücklich nicht. Die einmalige Erlösungstat Christi ist zeitlich einmal in der Vergangenheit geschehen und somit vergangen, ihre Gültigkeit gehört jedoch nicht der Zeit an, sondern entfaltet sich im Zeitlosen, d.h. bei Gott. Darin gründet letztlich für Casel die Möglichkeit der Gegenwärtigsetzung der Heilstaten.304 Bereitet dieses Mysterienverständnis in Bezug auf die Sakramente nicht ungelöste Probleme? Blicken wir darum hier nochmals dezidiert auf das Sakramentenverständnis der Mysterientheologie.

5.4 Sakramenten-Symbolverständnis der Mysterientheologie

Als gegnerischer Theologieentwurf zu einer Leben-Jesu-Frömmigkeit steht Casels Denkform einer liberalen Theologie und damit z.B. auch Adolf von Harnacks Theologie entgegen.305 Casels Sakramentenverständnis basiert, wegen seiner schon mehrfach erwähnten ablehnenden Haltung der Scholastik, auf dem platonisch geprägten Bildverständnis. In diesem Verständnis holt er sich einen prominenten Theologen als Paten: Thomas von Aquin, der in der Summa Theologica (III q.60a.1) vermeintlich in dieser Richtung denkt. Casel erkennt, dass der Mensch auf Grund seiner Stellung als „Geist in Welt“ für die Vermittlung göttlicher Dinge auf die Dinge dieser Welt angewiesen ist. Das Symbol vereinigt die Elemente des Geistigen mit denen des Materiellen und bezeichnet eine geistige Wahrheit, eine Wirklichkeit, die „dahinter“ steht, eben die göttliche Wirklichkeit. Dieses Symboldenken versteht das Sakrament als Abbild eines Urbildes. Auf dieses Verständnis will Casel wieder zurückkommen, da es durch den Neuplatonismus und den Einfluss des germanischen Denkens zu einer Wandlung des Bilddenkens gekommen ist.306 J.M. Krahe schreibt dazu:

„Worum es Casel in all seinen Symbolforschungen ging, das ist die christliche Bildidee, die letztlich weder kosmologisch noch religionswissenschaftlich-ethnologisch begründet werden kann – Analogien aus diesen Gebieten können hilfreich sein – ‚sondern einzig christologisch und pneumatologisch. Die christliche Bildidee, d[ass] h[eißt] das christliche Symbol, setzt ontologisch die Menschwerdung Gottes, gnoseologisch ein ganzheitliches Denken und dieses überbietend wie in sich begreifend den Glauben als Gnosis verstanden voraus. Eine solche Schau pflegt Casel als ‚pneumatisch’ zu bezeichnen, eine Aussage, die ohne eine gewisse Kenntnis der Caselschen Geistlehre mehr oder weniger unverständlich bleibt. Die christliche Bildidee, die Casel mit Hilfe bestimmter Vorformen ganzheitlich-menschlichen Denkens beschreiben wollte, hat schließlich im Sinne der Mysterientheologie kein kosmisches, sondern ein ‚pneumatisches’ Geschehen – d[ass] h[eißt] die Mysterien oder Sakramente des Heils – in seiner inneren Wirklichkeit zu deuten.“307

Das christliche Symbol, wie es in den Sakramenten begegnet, will Casel als durch Christuspneuma vermittelte Heilsgegenwart verstanden wissen, also eine christologische und pneumatologische Grundlegung der Auffassung der Symbolwirklichkeit setzen.308

Überhaupt bildet die Sakramententheologie als konkrete Christologie bei Casel den Zentralpunkt, um den herum er alle übrigen theologischen Themenbereiche anordnet. Allein behandelt er nie die Sakramente, sondern alles erscheint miteinander verzahnt. Darin zeigt sich wiederum sein unsystematischer Ansatz, wie schon Schilson betont.309

Das Sakrament wird vor dem Wort, dem rein geistigen, verortet, um der leib-geistigen Verankerung des Menschen und damit zugleich der inkarnatorischen Wirklichkeit gerecht werden zu können. Der Mensch ist demnach Geist in Welt. Das Sakrament wird durch die irdisch-pneumatische Struktur bei Casel zur Vermittlungsinstanz zwischen Spiritualismus und Materialismus. Die Welt wird gleichsam Bestandteil der Liturgie, die von sich aus „opus Dei“ und Mysteriengedächtnis ist. Wort und Sakrament müssen in Gleichberechtigung im Mysterium, in der kultischen Gegenwart Christi (der Logos und Mensch ist), vorhanden sein.310 Das Wort hat auch im Sakrament seine spezifische Funktion, d.h. das Sakrament ist eine Einheit von Zeichen und Worten. Der ganze Wortgottesdienst ist Bestandteil des Sakramentes. Es zeigt sich aber eine Stufung von Wort und Sakrament. Schilson merkt dazu an:

„Indem Casel den Intellektualismus und Rationalismus im Christentum bekämpft und stattdessen im Kultmysterium die lebendige Christuswirklichkeit als eigentliche Mitte des Christseins bestimmt, misslingt ihm offenkundig eine positive Würdigung des ‚Wortes’ im Kontext des christlichen Glaubens.“311

Das Sakrament als Ganzes repräsentiert in seinem Symbol die göttliche Idee, d.h. das zeitlose Urbild, das so jeder Zeit gleich nahe ist. Darin zeigt sich erneut, dass die tatsächliche Geschichte Jesu bei Casel als ein Abbild des im ewigen Leben Gottes existierenden Urbildes verstanden wird. Damit zerbricht jedoch Casels Absicht, Symbol und Geschichte gegenseitig zuzuordnen, weil das „Instrument“ des Pneumas es dem Christen unmittelbar die Einsicht in die göttliche Idee ermöglicht, was das Symbol überflüssig erscheinen lässt. Diese Umkehrung des eigentlichen Ansatzes verdankt sich dem übermäßigen Einfluss des platonischen Denkens in dieser Denkform. Gott wird jenseits aller Geschichte gesehen. Die Theozentrik, die durchbricht, hebt letztlich die Christozentrik auf. Die pneumatische Gnosis überspringt die konkrete Heilsgestalt Christi, die das Symbol eigentlich repräsentieren sollte, zur Unmittelbarkeit Gottes hin. Das sakramentale Ziel der Repräsentation der Heilstat Christi wird durch diese Symboltheologie mit ihrer zeitlosen Idee des Göttlichen aufgehoben.312

Casel gelangt letztlich zu einem differenzierten dreifachen Mysterienverständnis: Zunächst Christus als persönliches Mysterium, der Offenbarung Gottes; als weitere Bedeutung das verkündete Mysterium Christi in der Kirche und als dritte Bedeutung die Kultmysterien der Kirche.313

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