Kitabı oku: «Goldstück-Variationen», sayfa 6

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13. Februar

Fürs Lesen bezahlt werden – selbstverständlich nur fürs Lesen von Büchern meiner Wahl –, das wäre ein Traum. Wenn die Summe stimmte, ich würde sogar darüber nachdenken, das Schreiben einzustellen. Doch, doch …


Auf das Wohnhaus von Uta Ogilvie, der Initiatorin der Hamburger »Merkel muss weg«-Demo, wurde gestern Nacht ein Anschlag verübt. Auf Indymedia brüsteten sich die üblichen namenlosen Verdächtigen damit. Wenn die Informationen stimmen, haben die Täter nicht nur die Hausfassade und zwei Pkw mit Farbe beschmiert sowie deren Reifen zerstochen, sondern auch einen massiven Glasbehälter voller Farbe durch das Fenster des Kinderzimmers geschmissen. Die Qualitätsmedien beschwiegen den Vorfall auf bewährte Weise.

Unsere glorreichen Antifanten, die sich selbst keck »Autonome« nennen, sind nichts weniger als das. Sie fungieren längst als die Bodentruppe der erweiterten Groko. Ihr Metier ist die Fortsetzung der von allen Parteien, Medien, Gewerkschaften, Kirchen, NGOs, Universitäten, Theatern, Kabaretts etc. pp. betriebenen Oppositionskritik mit gewalttätigen Mitteln. Sie sind Büttel des Establishments – mit jenem durch den »Kampf gegen rechts« gleichsam osmotisch verbunden – im Einsatz gegen ungehorsame Bürger.


Wenn rot-grüne Bildungspolitik und Willkommenskultur sich zum Pas de deux vereinen: »Berlins Drittklässler können nicht schreiben«, meldet der Tagesspiegel. »Die Vergleichsarbeiten der Berliner Grundschüler sollten geheim bleiben. Ein SPD-Abgeordneter hat sie dennoch bekommen.«


In der Sauna bin ich damit beschäftigt, den Inhalt des Wassereimers über den heißen Steinen zu verteilen, als eine Frau späteren mittleren Alters die Kammer betritt. Folgender Dialog entspinnt sich:

»Ah, Sie machen einen Aufguss.« – Sie setzt sich. – »Aber da ist ja gar kein Zusatz drin.«

»Tut mir leid, ich habe so etwas nie dabei. Mit genügt es, wenn die Luftfeuchtigkeit steigt.«

»Es ist aber nicht gesund, wenn bloß Wasserverdampft.« »Warum? Mit Zusatz wäre es doch immer noch dasselbe Wasser.«

»Aber es ist voller Keime, und die verteilen sich jetzt in der Luft.«

»Das ist Münchner Leitungswasser, da sind keine Keime drin, und selbst wenn sich im Eimer ein paar gebildet haben sollten, werden sie sofort getötet. Die Steine sind mehrere hundert Grad heiß.«

Unwilliges Gebrummel. Dialogende.

Die deutsche Frau bei einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen: der Suche nach Umweltgiften.

12. Februar

Regelmäßig sehen sich Konservative in Talkrunden mit der Frage konfrontiert, was denn für sie eigentlich deutsch bzw. ein Deutscher sei, vorgetragen meist im Duktus eines höheren Kindergärtners, der es an der Zeit findet, über die Nichtexistenz des Weihnachtsmannes aufzuklären. Zunächst ist die Antwort recht einfach: Deutsch ist – nein, falsch – ein Deutscher ist, wer einen deutschen Pass besitzt. Ein Deutscher muss demzufolge gar nicht deutsch sein. Menschen, die einen deutschen Pass besitzen, können jeder beliebigen Ethnie angehören. Wenn umgekehrt zum Beispiel Heribert P. aus München in den Sudan auswanderte, worüber viele traurig wären, ganz besonders der Verfasser dieses Diariums, und dort brav die Staatsbürgerschaft annähme, könnte er von sich behaupten, er sei sudanesischer Staatsbürger. In gewissem Sinne könnte er sogar sagen, er sei jetzt ein Sudanese, auch wenn das einiges Schmunzeln auslösen dürfte. Aber nimmermehr, er sei sudanesisch. Dergleichen dauert Generationen.

Wenn Achmed oder Mustafa sagen, sie seien Deutsche, weil sie einen deutschen Pass besitzen, ist das rechtlich korrekt; deutsch im Sinne eines Bündels von über Generationen tradierten und vererbten Eigenschaften sind sie damit (noch) keineswegs geworden. Das ist kein Werturteil, sondern eine Beschreibung; im umgekehrten Falle wäre es nicht anders. Haben Achmed und Mustafa zugleich noch ihren türkischen Pass, sind sie weder Deutsche noch deutsch, sondern etwas Drittes – sofern sie nicht zu jener stattlichen Schar türkischer Einwanderer oder Einwandererkinder gehören, die sich ohne Einschränkung als Türken empfinden.

Unsere Bestmenschen würden jetzt einwenden, dieses Dritte sei das Fundament für die Zukunft, es sei gut, dass nationale Loyalitäten porös werden, und bald sei dies Thema nur noch ein Spuk aus der Vergangenheit. Die Stichhaltigkeit dieser These würde sich im Konfliktfall zeigen – ich halte es hier mit Carl Schmitt, dass nur der Ernstfall in Betracht kommt, weil der Normalfall banal ist –, aber der Definition, was deutsch ist, kommen wir mit solchen Erwägungen nicht näher.

Die Frage danach wird in der Regel gestellt, um den Gefragten lächerlich zu machen, weil er an so etwas Absurdes oder Überholtes überhaupt glaubt. Deutschsein, deutsches Volk, deutsche Nationalität, all das sind bloß Konstrukte, die zwar im Grundgesetz auftauchen, aber auf den historischen Müll gehören, weil sie dem Fortschritt in die multiethnische, »bunte« Gesellschaft im Wege stehen, lautet die korrekte Antwort.

Was aber soll denn nun deutsch sein? In gebotener Kürze und mit aller Bereitschaft zum Fragmentarischen sei eine Antwort skizziert. Wilhelm Busch etwa ist deutsch, diese Mischung aus Gemütlichkeit, Schadenfreude, Boshaftigkeit und Geist. »Ordnung muss sein« ist deutsch. Ingenieurskunst und Made in Germany als weltweites Gütesiegel sind deutsch. Deutsch ist die Mentalität, eine Sache zu Ende zu führen. Es ist deutsch, zu viel zu arbeiten, und eine gewisse Unfähigkeit, die Früchte dieser Arbeit zu genießen, ist es ebenso. Die ewige Frage, was deutsch sei, ist deutsch. Deutsch sind der Tiefsinn, die Pflichtethik und die Neigung zum Prinzipiellen, zu Kehrwoche und Metaphysik. Deutsch sind eine gewisse Provinzialität, die Neigung zum Konformismus und ein unverwüstlicher Untertanengeist, alles Folgen des jahrhundertelangen Umgebenseins von unfreundlichen Nachbarn. Der Sozialismus ist deutsch, die deutsche Seele ist im Innersten sozialistisch. Deutsch ist es, »die Elementa zu spekulieren« und für alles Nichtspekulative technische Lösungen zu finden. Deutsch sind die Brüder Humboldt als Mitbegründer jener Leitkultur, deren Leidenschaft der Erforschung fremder Kulturen gilt, sowie die Idee der Universität als Ort universeller Bildung. Deutsch ist die Treue zu einer Idee bis zur Idiotie. Deutsch sind der Riesling und die Burgen am Rhein, »Eine feste Burg ist unser Gott«, das Meistersinger-Vorspiel und der Einzug der Gäste in die Wartburg im Tannhäuser, der Mond der Romantik, die Begriffsmühlen des deutschen Idealismus, aber auch jene des Amtsschimmels, gehaltene Versprechen und das völlige Fehlen von Eleganz im täglichen Umgang … – ich breche hier ab.

Das alles seien keine verwertbaren Kriterien, wird mancher einwenden. Sie seien weder verallgemeinerbar noch besonders aktuell. Viele deutsche »Jetztsassen« (Th. Kapielski) könnten mit alldem nicht das Geringste anfangen. Im Grunde legte ich mit diesem Sammelsurium bloß offen, dass ich in der Vergangenheit lebe. All diese Charakteristika seien vergänglich und würden früher oder später in den Mühlen der Globalisierung mit hinein gemahlen werden ins Mehl der ultimativen Buntheit.

Schon möglich. Aber noch sind sie wirkmächtig, auch im Denken und Verhalten derjenigen, die keine Ahnung davon haben, was ich hier vortrage. Diese Charakteristika genügen vollauf, um die gravierenden Unterschiede zu denjenigen zu beschreiben, die in hellen Scharen zu uns strömen, nichts davon mit sich tragen und angeblich integriert werden müssen. Sie genügen vollauf, um jedem Unverbohrten vor Augen zu führen, wie lange eine solche Integration sogar dann dauern würde, wenn die andere Seite bereit wäre, sich maßvoll anzupassen. Im Übrigen handelt es sich bei der deutschen Mentalität, ökonomisch gesprochen, um eine Ressource, die wiederum Parameter wie Verlässlichkeit, Pünktlichkeit, Pflichtbewusstsein, Vertragstreue, Rechtsvertrauen und Rechtssicherheit einschließt. Es dauert Jahrhunderte, bis sich ein solches gesellschaftliches Klima ausbildet, aber auch Ressourcen dieser Art können verbraucht werden und kehren nicht wieder.

9. Februar

»Es gibt kein Grundrecht auf innere Sicherheit«, tat unser führender Jurist Heiko Maas, er lebe hoch! Hoch! Hoch!, bereits vor zwei Sündenjährchen schenkelklopfend kund und zu wissen. Heute sendet mir ein Leser einen Artikel aus einem Provinzblatt, welchem zufolge Rita Haverkamp, »Stiftungsprofessorin für Kriminalprävention und Risikomanagement an der staatlichen Eberhard-Karls-Universität Tübingen«, auf irgendeiner Veranstaltung der baden-württembergischen Grünen im Dezember geechot hat: »Es gibt kein Grundrecht auf Sicherheit.«

Da sind die rechtspopulistischen Grundgesetzfundamentalisten natürlich baff. Weil sie zwar knallrechts, aber eben rechtshermeneutisch total ungeschult sind. Artikel 2 Abs. 2 GG lautet nämlich: »Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.«

Das Recht auf körperliche Unversehrtheit steht im Grundgesetz. Also befinden sich sowohl der Genosse Maas als auch seine Rechtspflegerin vollkommen im Bilde. Kein Wort von »Sicherheit« – und von einem »Grundrecht« ebensowenig. Die Kryptonazis können nicht mal Grundrechte vom Grundgesetz unterscheiden! (Nun gut, Artikel 1 bis 19 GG werden gemeinhin als die Grundrechte bezeichnet, in jedem juristischen Kommentar und jedem Lexikon, aber auch dort steht nichts von Sicherheit; wer sein Recht auf körperliche Unversehrtheit wahrnehmen will, muss sich zuvor eben in Sicherheit bringen.)

Ungefähr zwei Fragen bleiben dennoch offen. Die erste: Woher leitet der Genosse Maas, Heil und Segen seien auf ihm, sein eigenes, zu Lasten des Steuerzahlers erschnorrtes Recht auf Sicherheit ab? Wenn es kein Grundrecht auf Sicherheit gibt, müsste er da seine gepanzerten Limousinen und Personenbzw. Persönchenschützer nicht selber bezahlen? Die zweite: Unsere beiden Spitzenjuristen haben gewiss da und dort einem Proseminar Naturrecht und/oder einer Vorlesung über die Hobbes’sche Staatstheorie beigewohnt; sie sollten genau wissen, dass aus ihrer Aussage zwingend eine Folgerung resultiert: Wenn es kein (Grund-)Recht auf Sicherheit gibt, dann besitzt jeder Bürger das Recht auf Selbstschutz, selbstverständlich mit einer seiner Situation angemessenen Bewaffnung.

Nachtrag: Leser *** weist darauf hin, dass Artikel 3 der »Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte« der Vereinten Nationen von 1948 lautet: »Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.« Diese Erklärung ist zwar keine verbindliche Rechtsquelle, doch als Quelle feiler Rhetorik sei sie hier zitiert.


Lauschen wir noch etwas unserer »Stiftungsprofessorin« – dieser höchste akademische Rang entspricht etwa dem einer Generalissima – für Kriminalprävention. Welche Methoden derselben sie wohl präferiert? Dem Artikel zufolge nur eine: »Früherziehung«. (Deswegen ist ja auch der Familiennachzug so wichtig, damit man endlich die Jüngsten erreicht!) Praktisch null Effekte gegen die Kriminalität, führte die Rechtsmaid aus, erziele der Staat dagegen mit Gefängnissen, Polizeipräsenz, Videoüberwachung. Denn Sicherheit sei letztlich bloß ein Gefühl. Bei den Grünen-Wählern fühlten sich 92 Prozent »sicher« oder »eher sicher«, bei den Linken sogar 94 Prozent. Bei den Schlingeln, die der AfD ihre Stimme geben, seien es aber nur 34 Prozent. (Deshalb wählen sie ja AfD.) Aber: Bei der Angst vor Kriminalität handele es sich häufig um »Projektionen«. (Anders als bei der Angst vor Kohlendioxid, Atomkraftwerken, sterbenden Wäldern, Pegida, grapschenden Vorgesetzten, marodierenden Neonazis und Glyphosat, um nur ein kleines Potpourri begründeter Sorgen auszubreiten.) –

Ich gestatte mir, den folgenden Passus zu zitieren, damit Sie nicht meinen, ich sei schon bei der Aschermittwochsrede:

»Um das Gefühl der Sicherheit unter den Bürgern zu erhöhen, empfahl sie eine gebremste Kommunikation über Kriminalität. Wenn man nicht wisse, so Haverkamp, dass in der Nachbarschaft eingebrochen worden sei, fühle man sich auch nicht verunsichert.«

Davon einmal abgesehen, dass die ganze »Kommunikation« über Harvey Weinstein, Dieter Wedel et al. dann ja wohl ziemlich kontraproduktiv sein muss, weil seither gerade junge Miminnen verunsichert sind, befällt den zunächst beglückten grünen Hörer dieser Argumentation am Ende das flaue Gefühl, es gebe hier einen »verfluchten Bruch in der Logik« (so bekanntlich mehrfach Peter Jackopp in E. Henscheids Roman Die Vollidioten): Sollten nicht gerade Claudia und Anton Mustergrün ganz besonders sensibel, ja empathisch auf sogar allerfernstes Elend reagieren? Und nun, wenn die Nachbarstochter zwecks Willkommensdankabstattung beim Joggen ins Gebüsch gezerrt und dortselbst grün und blau gemauselt worden ist, mit »gebremster Kommunikation« reagieren? Die ganze Messerei, Treterei, Grapscherei, die vielen neuen Gruppenaktivitäten auf Bahnhöfen und in Schwimmbädern komplett ignorieren, bis man selber an der Reihe ist – und dann der geschulte Nachbar ein Gleiches tut? – Na was denn sonst! Und was den »Bruch in der Logik« angeht: Hat die Frau Hochstiftsprofessorin nicht empfohlen, die Videoaufzeichnungen zu reduzieren? Ist das nicht logisch genug?

22. Februar

Es wird nicht mehr lange dauern, bis sich die Leute zu wundern anfangen, dass früher fotografiert wurde, während das Objektiv vom einem wegzeigte.


Heute das erste Mal den sanft hysterischen Harpyiensang von Frau Katrin Göring-Eckardt live im Bundestag gehört. Dass eine Person von solch monströser Schlichtheit in diesem Land eine politische Karriere hinlegen kann, indem sie jahrein jahraus die immergleichen anklagenden Worthülsen möglichst lauthals in jedes verfügbare Mikrophon schalmeit, mag einen Scherzbold mit dem deprimierenden Mangel an Humor im sogenannten Hohen Haus versöhnen. (Ich läse gar zu gern eine Studie über die Korrelation von IQ und Lautstärke bei öffentlich Redenden; ich bin sicher, dass es sie, also die Korrelation, gibt.) Es ging heute um Europa, angeblich; tatsächlich drehte sich die Debatte wie stets bloß um die EU. Das semantische Schurkenstück unserer Tage besteht ja darin, dass die Eurokraten und Zentralisten es geschafft haben, EU und Europa in eins zu setzen und die Verteidiger der europäischen Vielfalt zu Europafeinden zu erklären.

Nun wäre natürlich die große Frage, wie viele Bundestagsabgeordnete überhaupt noch über ein Sensorium für diese Vielfaltverfügen, die ja aus geistigen, kulturellen, lebensartlichen, ästhetischen, kulinarischen und, warum nicht, spirituellen Unterschieden besteht, aus unterschiedlichen Landschaften, Sprachen, Mentalitäten, Architekturen, Musiken, Traditionen, Küchen, aus einem Kosmos von Konkurrenz, Konvergenz und Kontrapunkt. Doch bei der grünen Spitzentörin fallen als Attribute Europas zuerst Begriffe wie »solidarisch« und »sozial«, auch »Freiheit«, wobei man nicht recht weiß, was Grüne darunter verstehen, wie sie ja auch ihre Solidarität möglichst auf die gesamte Menschengattung ausdehnen wollen, solange sie für diese Forderung angemessen honoriert und beklatscht werden und nicht gerade alte weiße Männer davon profitieren. Der Begriff »Recht« kommt dem späten Mädel (bei einem Bento-Komsomolzen las ich, dass man Nazis daran erkenne, dass sie »Mädel« sagen) nicht in den Sinn. Den Grünen oder Roten den Gedanken zu vermitteln, dass das, was sie Rassismus und Abschottung nennen, womöglich der einzige Weg ist, die europäische Freiheit und Vielfalt – und meinetwegen auch den Sozialstaat – zu erhalten, dürfte dem Versuch gleichkommen, einem Ameisenhaufen das Evangelium zu predigen.


Wiederholte Lektüre von Emmanuel Macrons Rede zur »Neubegründung Europas« an der Sorbonne. Neben den hinreichend thematisierten Vorschlägen des französischen Präsidenten zur weiteren Vergemeinschaftung und Zentralisierung europäischer Institutionen fallen mir ein paar Dinge auf, die bislang weniger Aufmerksamkeit fanden.

Erstens: Macron hat nicht ein Mal die Begriffe »Christentum« oder »christlich« erwähnt.

Zweitens: Er verbreitete passagenweise im Göring-EckardtStil Hass, Spaltung und Abschottung, etwa: »Ich überlasse nichts denen, die Hass, Spaltung oder nationale Abschottung versprechen. Ich überlasse ihnen keinen einzigen Vorschlag.« Ross und Reiter nannte er nicht.

Drittens: Er sprach, wie zuletzt auch Merkel, im Margot-Honecker-Duktus von »unseren Bevölkerungen«.

Viertens: Er klagte tatsächlich, die Befürworter der Vereinigten Staaten von Europa hätten »zugelassen«, dass sich in besagten Bevölkerungen gegenüber ihrem Projekt »Zweifel einnisten«.

Fünftens: Er erklärte »die kohlenstofffreie und kostengünstige Atomenergie« für »unerlässlich«.

Sechstens: Er verteidigte mit Verve die Urheberrechte von Autoren im Zeitalter der Digitalisierung, und dies mit Worten, wie sie wohl nur ein Franzose sprechen kann: »Diejenigen, die die etymologischen Boten dessen sind, was uns wirklich zusammenhält, die wahre Autorität in Europa, das sind die Autoren.« (Je ne vous crois pas, Monsieur le Président, mais mille fois merci.)

Siebentens: Anders als selbstvergessene und bildungsferne deutsche Eurokraten will Macron die Vielfalt der europäischen Sprachen erhalten und forderte, dass jedes europäische Schulkind mindestens zwei europäische Sprachen beherrschen soll.

Achtens: Macron hat sich dafür ausgesprochen, die frei werdenden 73 Sitze der britischen EU-Abgeordneten »als europäische Antwort auf den Brexit« einer transnationalen Liste zur Verfügung zu stellen. »Ich setze mich dafür ein, 2019« – also bei den Europawahlen – »transnationale Listen zu haben«, erklärte er. Und nach Macrons Willen soll »bei den darauffolgenden Wahlen die Hälfte des europäischen Parlaments über diese transnationalen Listen gewählt« werden. Die Brüder meinen es ernst.

23. Februar

Der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio hatte gestern den für Bundestagsverhältnisse ungewöhnlich subtilen Antrag gestellt, das Parlament möge selbstverständlich die Befreiung des Journalisten Deniz Yücel aus dem türkischen Knast gutheißen, aber parallel dazu deutlich aussprechen, dass dieser zu einem noch nicht öffentlich gemachten Preis erfolgte Freikauf als Verteidigung der Meinungsfreiheit und keineswegs als Gutheißung der deutschen- und bisweilen sogar menschenfeindlichen Kommentare des zuletzt für die Welt geifernden Deutschtürken zu verstehen sei, auf dass diese Verteidigung seiner Rechte nicht mit jener seiner Positionen verwechselt werde. Sagte ich »subtil«? Nun, was heißt subtil, es ist erstes Semester Diplomatie, aber in einem smarten Gesinnungsstaat, wo sich eine von nahezu sämtlichen Medien unterstützte Allparteienkoalition gegen einen neuen Mitbewerber verbündet hat – Tagesspiegel: »Bundestag wehrt AfD-Angriff auf Deniz Yücel ab« –, löst ein solcher Vorschlag autoritäre Beißreflexe aus, die sich nach den hier täglich auszuhandelnden Bedingungen einstweilen noch mit den beliebten menschenfreundlichen Phrasen à la »Wir verteidigen die Demokratie/die Meinungsfreiheit gegen ihre Feinde« drapieren müssen, aber das gewalttätige Bodenpersonal der Humanität ist ja bei jeder AfD-Veranstaltung unterwegs.

Also, Freunde, Autokraten und Ähnlichäugige: Wer nach diesen Bildern aus dem Parlament, wer angesichts dieser hasserfüllt brodelnden Sportpalaststimmung links der Teufelsbrüder nicht begriffen hat, wer hier Meuten bildet, wer hier hetzt, wer hier gerne verbieten und verfolgen lassen würde, von wem hier die Bedrohung der Freiheit ausgeht, der gewinnt eine Traumreise mit H. Maas und Claudi R. an Bord der »Habermas« zu den Teufelsinseln.


Ein Wort in diesem Zusammenhang zu Cem Özdemir. Ich habe mich bereits zu denjenigen geäußert, die beim Politischen Aschermittwoch in Poggenburgien und Höckistan bei der Nennung seines Namens »Abschieben! Abschieben!« skandiert haben, und will das passende Wort gern wiederholen: Gesindel. Dass unser grüner Schwabe diese Steilvorlage weidlich ausgenutzt hat, sei ihm unbenommen. Ansonsten hat der Bub natürlich schwer einen an der Waffel – resp., um es etwas angemessener zu formulieren: Da ist der kleine grüne Nazi mal gewaltig mit ihm durchgegangen. Was Özdemir unter Berufung auf nicht im Saal Anwesende den AfD-Bundestagsabgeordneten zu unterstellen geruhte, nämlich dass sie »Rassisten« und Kandidaten für »Neonazi«-Aussteigerprogramme seien, das zeigt, wie perfekt eingedeutscht der Herr Özdemir ist (ich meine in jenes kranke Deutschland seit ca. 1918 ff.), welch kern- und knalldeutsche Denunziationskompetenzen er bei seiner Integration erworben hat. Hail Cem!

Am Rande: Özdemir rief in Richtung AfD-Fraktion, dass dort diejenigen säßen, die Deutschland hassten, zumindest jenes Deutschland, für das der Herr Özdemir und seine grünen Mitpatrioten stünden. Und was fiel ihm als preiswürdiger Kernbestandteil dieses grünen Deutschlands ein? »Unsere Erinnerungskultur, um die uns die ganze Welt beneidet.« Das sind zwei Märchen in einem Halbsatz. Zum einen gibt es keine deutsche Erinnerungskultur, sondern lediglich einen auf zwölf Jahre beschränkten Erinnerungstotemismus, Erinnerungsexorzismus, Erinnerungshexensabbat. Und um diesen herum eine komplette Erinnerungsamnesie, um nicht zu sagen: Erinnerungsdemenz. Ein kultureller Filmriss. Zum anderen gibt es nirgendwo auf der Erde ein Land, das uns um diese kollektive Neurose beneidet, warum auch? Darauf aber endlich einen Joint!

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