Kitabı oku: «Goldstück-Variationen», sayfa 7

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25. Februar

Eine wirkliche Preziose des Qualitätsjournalismus muss ich hier noch preisen, bevor sie in den unendlichen Weiten der Erinnerungskultur verschwindet. Der Washington-Korrespondent des Süddeutschen Beobachters kommentierte die Anklageschrift des US-Sonderermittlers Robert Mueller gegen 13 Russen, denen vorgeworfen wird, sie hätten versucht, die amerikanische Präsidentschaftswahl zu manipulieren, zunächst einmal mit der korrekten Feststellung:

»Trump hat im November 2016 aus vielerlei Gründen gewonnen, und welchen Anteil russische Facebook-Trolle daran hatten, lässt sich kaum feststellen.«

Das ist immer so, bei jeder Wahl: Der Anteil der Trolle ist schwer feststellbar. Nie werden wir herausbekommen, wie stark die Atlantik-Brücke deutsche Wähler beeinflusst. Aber da wir im Falle Trump gelernt haben, dass dessen Wählerschaft praktisch debil ist, jedenfalls weder Argumente noch Gründe für ihr Votum besaß, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Trolle diese Leute gesteuert haben, ins Höchstwahrscheinliche, denn:

»Die hetzerische Internet-Kampagne der Russen zugunsten von Trump erreichte Facebook zufolge bis zu 150 Millionen Amerikaner.«

Während die friedliebende, grundgütige und allzeit vertrauenswürdige Hillary Clinton zwar unter anderem Geld von den Saudis bekam (sofern hinter dieser Meldung nicht die Russen stecken), aber damit unmöglich 150 Millionen Amerikaner erreichen konnte.

»Das Ziel war zunächst vage« – also das der Russen, nicht das der Saudis –, nämlich »den Hass in der amerikanischen Gesellschaft zu schüren, die Risse zu verbreitern, Misstrauen und Chaos zu säen. Amerika sollte gespalten und schwach sein. Später, als die Kandidaten feststanden, wurde das Ziel konkreter. Die Russen sollten jenem Bewerber helfen, der Hass, Spaltung und Chaos zu seinem Programm gemacht hatte: Donald Trump.«

Wer sich gegen die Hillary-Barack-Brave New World stellt und den White trash wieder mit Jobs versorgen will, sät Hass, ist ein Spalter und Chaosdrache, was denn sonst?

»Das gesellschaftliche Klima im Land war schon vor Trump vergiftet, das soziale Geflecht, an dem die Russen zerrten, war schon vorher brüchig.«

Circa dreizehn Russen zerren am sozialen Geflecht der USA; gottlob, aus russischer Sicht, war es schon vorher brüchig, aber man weiß ja seit Alexander Karelin, wie sogar einzelne Russen zerren und aushebeln können. Aber nie, ich gelobe: nie haben sich amerikanische Trolle oder CIA-Agenten oder wohlmeinende NGOs in die inneren Angelegenheiten anderer Länder eingemischt, am wenigsten vor der russischen Haustür, in Malorossia bzw. der Ukraine, nie und nimmer.

»Die Propaganda der russischen Trolle, die den Amerikanern erzählten, dass sie ihre Landsleute verachten sollen, weil sie eine andere Hautfarbe haben, an einen anderen Gott glauben oder das gleiche Geschlecht lieben, wurde von vielen Bürgern begierig aufgesogen.«

Wenn ein russischer Troll sagt, verachte deine Landsleute, dann kann der durchschnittliche Trump-Wähler einfach nicht Nein sagen. Inwieweit bei Trumps Wahlkampf Menschen, die das gleiche Geschlecht lieben, attackiert wurden, vermag ich nur in einem Fall zu belegen, nämlich anhand der Ausschreitungen an der Universität Berkeley, wo linke Randalierer einen Auftritt des schwulen Trump-Unterstützers Milo Yiannopoulos verhinderten. Wie die pejorative Anspielung auf Leute, die all diejenigen verachten (und solche auch regelmäßig in die verdiente Hölle befördern), welche an einen anderen Gott glauben, in den seit 1933 islamfreundlichen Beobachter kommen konnte, wird die Schriftleitung hoffentlich prüfen und ahnden.

»Doch die Russen hoben die Wut und die Paranoia immer wieder auf ein höheres Niveau. Sie pumpten Sauerstoff in jedes Glutnest der Angst und der Zwietracht, das irgendwo im Land glimmte, bis es hell aufloderte.«

Und säten als leicht entzündliche Keimzelle der flammenden Drehscheibe im Netzwerk der Zwietracht den lodernden Flächenbrand, der als Feuerwalze des Hasses die Angst bis ins Weiße Haus trug. – Majestätisch lodert der Verdacht auf, dass lustige russische Hacker diesen Seim platziert haben.

26. Februar

Mein Achtjähriger hört gestern in der Aktuellen Kamera, dass die Ministerposten für das neue Kabinett vergeben seien und Frau von der Leyen Verteidigungsministerin bleibe. »Und wer«, fragt er, »ist zuständig für Angriff?«


Viele Leser haben mich durchaus erregt auf das Interview hingewiesen, das der in Harvard lehrende Politikwissenschaftler Yascha Mounk vor ein paar Tagen den Tagesthemen gegeben hat, und nachdem ich es mir angehört hatte, verstand ich die allgemeine Empörung. Ein als liberaler Jude auftretender gebürtiger Deutscher, der 2017 die amerikanische Staatsbürgerschaft erworben hat, um nach eigener Auskunft besser oder zumindest effektvoller gegen Trump kämpfen zu können, weil er sich als Zuspätgeborener nicht auf den originalen Donald mit dem Schnauzbärtchen stürzen durfte, verkündet zur besten Sendezeit im deutschen Premium-fernsehen rechtsextremistische, rassistische, fremdenfeindliche Verschwörungstheorien – die angebliche Umvolkung und den noch angeblicheren Großen Bevölkerungsaustausch (Le grand remplacement) –, und die Moderatorin lässt ihn einspruchslos gewähren! Wahrscheinlich war Frau Miosga eingelullt, weil Mounk in seinen Eingangssätzen schlau den Nationalismus und den Rechtspopulismus verurteilt hatte, um dann die Sau raus oder vielmehr reinzulassen mit Worten, die inzwischen landauf, landab rauschen, nämlich »dass wir« – wer auch immer dieses »Wir« sein mag, welches ein amerikanischer Politikwissenschaftler im deutschen TV gebraucht – »hier« – dito – »ein historisch einzigartiges Experiment wagen, und zwar eine monoethnische und monokulturelle Demokratie in eine multiethnische zu verwandeln. Das kann klappen, das wird, glaube ich, auch klappen, dabei kommt es aber natürlich auch zu vielen Verwerfungen.« Der Interviewpartner der Tagesthemen sagt also genau das, was diese rechten Spinner und AfD-Typen uns immer einreden wollen: Die Deutschen würden durch Einwanderer verdrängt und sukzessive ausgetauscht, sie würden fremd im eigenen Land, die Flüchtlinge seien gar keine Flüchtlinge, sondern Eindringlinge und dergleichen Fakehetze mehr. Welch ein Skandal! Der Sender freilich scheint keinerlei Konsequenzen aus dem Schurkenstück ziehen zu wollen.

Was dieses Experiment – speziell im Hinblick auf die begleitenden »Verwerfungen« – für die in Deutschland bzw. in den Nachbarländern lebenden Juden bedeutet, auch das muss u.a. in den Tagesthemen täglich neu ausgehandelt werden, gern einmal wieder mit dem während einer seiner Kampfpausen aus Übersee zugeschalteten Herrn Mounk.

2. März

»Was ich an Menschen am meisten bewundere, ist eine heitere Gemütsverfassung, eine Abneigung gegenüber moralischen Werturteilen und eine allumfassende Toleranz – kurz, eine sportlich faire Einstellung. (…) ein solcher Mensch wacht immer über seinen amour propre, indem er zunächst immer annimmt, dass sein Gegner ein genauso anständiger Kerl ist wie er selbst und am Ende vielleicht sogar recht haben könnte. Eine derartige Einstellung ist für einen Demokraten unvorstellbar. Sein Merkmal ist es geradezu, dass er seinen Gegner grundsätzlich nicht nur mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln angreift, sondern auch seine moralische Verachtung deutlich zum Ausdruck bringt. (…) Ich kann solche Burschen nicht ausstehen. In ihre Gefühle kann ich mich nicht hineinversetzen, ich kann ihre moralische Entrüstung nicht verstehen, ebensowenig wie ihr cholerisches Temperament. Ganz unbegreiflich ist mir ihr Neid – deshalb bin ich gegen sie.« Henry Louis Mencken


Nun beginnt es also. Nach dem jahrelang von bewaffneten schwarzen Banden gewissermaßen auf Raten veranstalteten Massaker an weißen Farmern hat das südafrikanische Parlament beschlossen, weiße Bauernfamilien, die ihr Land teilweise schon seit Generationen bewirtschaften, entschädigungslos zu enteignen.

Die Abgeordnete Thandeka Mbabama von der Democratic Alliance Party, die gegen den Beschluss stimmte, sagte: »Making this argument lets the ANC off the hook on the real impediments — corruption, bad policy and chronic under-funding. Expropriation without compensation would severely undermine the national economy, only hurting poor black people even further.« Doch dass sich Südafrika damit wirtschaftlich massiv schadet, wird den Neid und die Gier nicht stoppen. Die schwarzen Kommunisten Südafrikas haben stets mit dem Rassenhass kokettiert – in einem Video sieht man den ANC-Chef und langjährigen südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma vor großem Publikum »Shoot the Boer« (»Erschieße den Buren«) singen. Aber was werden die westlichen Medien schreiben, wenn nach den Enteignungen und Bandenmorden weiße Farmer jetzt systematisch und praktisch mit staatlichem Segen misshandelt, getötet und außer Landes gejagt werden sollten? Wird es der Rassismus des weißen Mannes sein, der auch daran schuld ist? Werden sie die Vertreibung, von der man ja bereits jetzt sprechen kann, moralisch legitimieren?

Die Globalisten und Weißenhasser im Westen tragen durch ihre Selbstbezichtigungspropaganda eine Mitschuld an der nunmehrigen Diskriminierung der Weißen am Kap und in anderen Ländern auf dem schwarzen Kontinent, etwa in Simbabwe. Sie haben den schwarzen Rassisten die Argumente geradezu aufgenötigt. In Umkehrung einer bekannten Kanzlerinnenforderung hat diese Propaganda Fluchtursachen geschaffen. In allen afrikanischen Ländern nimmt die weiße Population ab. Was wird passieren, wenn weiße Farmer in Deutschland Asyl beantragen, wo doch verfolgte Weiße im Weltbild der Progressisten nicht vorkommen?

Am 14. Februar lief in der ARD der Film »Aufbruch ins Ungewisse«, eine deutsch-südafrikanische Co-Produktion. Witzigerweise fliehen die Protagonisten des Propagandastücks aus Deutschland, wo sie von Nationalisten und Rassisten verfolgt werden, nachdem die Rechtspopulisten die Macht übernommen haben, ausgerechnet in den Süden Afrikas.

4. März

Mitunter fallen einem Bücher in die Hände, bei denen man sich wundert, dass es sie nicht schon lange gibt. Vor kurzem ist im Verlag »Das kulturelle Gedächtnis« – diese Wortprägung dürfte von Jan Assmann stammen – ein Opus mit dem Titel Ungemein eigensinnige Auswahl unbekannter Wortschönheiten aus dem Grimmschen Wörterbuch erschienen, das ich seit drei Tagen auswendig zu lernen versuche. Ich gestehe, das Grimmsche Wörterbuch ist in meiner Bibliothek nicht vorrätig; ich benutze die Online-Versionzum Stöbern. Aber die 351 Seiten umfassende Auswahl von Peter Graf, eines Mannes, der so bescheiden ist, dass sich weder im Buch noch auf der Verlagswebseite irgendeine Information zu ihm findet, lässt nun gewisse Entschlüsse in mir reifen. Diese Sammlung ist eine Art Trockenbeerenauslese, ach was: ein Eiswein aus dem Weinberg der deutschen Sprache, auf jeder Seite entdeckt man neue Düfte und Geschmacksnoten, es ist ein berauschendes Vergnügen. Vor allem aber erinnert das Buch daran, dass die Worte im Volke entstehen, im Munde ihrer exponierten Sprecher Gestalt annehmen und so die Sprache wächst und immer neue Blüten treibt.

Das Besondere am Deutschen ist bekanntlich die Möglichkeit, Begriffe unendlich zu kombinieren, ob nun zum »Netzwerkdurchsetzungsgesetz« (Maas) oder zum »Kulturbegleitgeschwafel« (Henscheid). Gut die Hälfte der Sammlung besteht aus solchen Schöpfungen, etwa das göttliche getümmelmüde (Campe) oder Heines dämmersüchtig (»es ward mir so selig dabei zu Sinne, so dämmersüchtig, so sterbefaul«). Oder schnellgeschenkelt (»die schnellgeschenkelten Rosse«, Bürger) schnellherschmetternd (»gleich schnellherschmetternden Donnern«, Klopstock) oder schnellknallendstark (»wan durch schnell-knallend-starcken dunder sein zorn und grim wird offenbar«, Weckherlin).

Oder aber die Prägungen:

deutschkomisch (Goethe)

schlangenumringelt (Voss)

edeldreist (Herder)

gesichtertrunken (Campe)

schlechtgehirnt (Hofmannswaldau)

kartätschensicher (Seume)

In substantivierter Form:

Glossenglauben (Luther; nicht zu verwechseln mit dem Genossenglauben, auf den sein Werk letztlich hinausgelaufen ist) Zwingburgbrecher (Rückert)

Frühlingsduftgestiebe (derselbe)

Ehrsuchtskitzel (Goeckingk)

Ehekitt (Jean Paul)

Igelseele (derselbe)

Und natürlich die Gurgelfreude (»die epicureischen bauchknechte, suchen nur die elende gurgelfreude«; L. Pollio 1583)

Egal, welche Seite man aufschlägt, überall springen einem unbekannte Begriffe ins Auge. Die Schlampodien zum Beispiel, »bei allen tafeln, hochzeiten, gastereien, kirchtägen und schlampodien« (Albertinus, »Narrenhatz«, 1617), wenn das schlubbische Bierluder ins Schwampeln (Straucheln) kommt und alles schwabbetzt (verschüttet). Man ist Bierheld oder Weinritter (Luther), Hauptsache schönbeweibt (Bürger), schönheitsfroh (Treitschke) und kummerverlächelnd (nochmals Bürger).

Viele Worte sind aus der mundartlichen Lautmalerei entstanden, sie haben keine namentlich bekannten Schöpfer, und das ist die andere Hälfte der Kollektion, man muss nur einen beliebigen Anlaut nehmen, und auf geht’s: knaupeln (anfressen), knoppern (hörbar nagen), knötern (verstricken), köckern (keckern), kolzen (schnattern), kolpern (rülpsen), kolollen (prassen) und kötern (wie ein Hund herumlaufen). Oder kaudern (mäkeln). Oder eben, einige Seiten weiter: lickern, liedeln, lippeln, lotteln und ludeln. Kribbeskrabbes ist seit 1573 bezeugt; wenig später schrieb Prätorius: »Es dirdirdirliret die Lerche«.

Den aktuellen Bezug stellen Wortschöpfungen wie Deutschverderber (Helfrich Peter Sturz), Karsumpel (statt Gesindel) oder klemmärschig her. Den dickhirnschaligen (Goethe) Pressbengeln gewährt das Lügenglück (Körner) eine Lumpenbeschäftigung (Goethe). Letzterer steuerte auch den schönen Begriff Quälodram bei (»Man martert sich nun mit einem neuen Quälodram«; an Zelter). In einer Zwielichtstimmung (Hebbel) betrat ich den Buchladen, Mutterherzensfülle (Jacobi) stellte sich unverhofft ein, und es wäre unedelherzig (Campe), empföhle ich das Werklein nicht weiter. Dalderaldei!

6. März

Nichts hassen die Kommissare der Buntheit mehr als individuelle Farben. Eines der auffälligsten Gewächse der hiesigen Publizistik soll nun sein Abendsonnenplätzchen am äußersten Rande der Plantage verlieren. Via Twitter teilt FAZ.net mit: »Die Blogs von Don Alphonso laufen seit vielen Jahren. Jetzt wird es Zeit für Neues. Wir wollen die Blogplattform wieder stärker als Experimentierfeld für neue journalistische Formate nutzen, d.h. kreativen Ansätzen größeren Raum geben, auch häufiger neue Themen ausprobieren.« Es seien keine neuen Formate des wahrscheinlich mit Abstand am häufigsten geklickten FAZ-Schreibers geplant, denn der war leider thematisch und mit seiner bajuwarisch-besitzbürgerlichen, bildungsstolzen Attitüde ein Pfahl im Fleische eines unter falscher Flagge segelnden merkelfromm-grünsozialistischen, jeder Art Diversity entgegenseufzenden, antisexistischen Tendenzmediums. (Das gefinkelte Marketing-Deutsch kenne ich übrigens gut von den überzähligen Hochbegabten, die sich in den Wasserkopfetagen des Burda-Verlags gegenseitig Tortengrafiken und Flipcharts zeigen.)

Die FAZ entledigt sich eines elitären Störenfrieds und verkauft diesen Niveausturz als Renovierung. All das kennt man zur Genüge. Worauf die «Zeitung für Deutschland» mit ihren fortwährenden Kniefällen vor Merkel und den Systemparteien hinauswill, habe ich mehrfach thematisiert: Wenn diese Gazetten pleite sind, was in absehbarer Zeit der Fall sein wird, wollen sie wie die Öffentlich-Rechtlichen auch staatlich alimentiert werden dürfen. Außer dem üblichen Schwarmverhalten dieses charakterlich schnell seine Grenzen touchierenden Berufsstandes kenne ich zumindest kein belastbareres Motiv. Allzu «kreative» Autoren stören dabei eher. Gehen wir davon aus, dass es sich um ein weiteres Symptom eines Verfallsprozesses handelt, der von einem Leser dieses Diariums mit den Worten «Mediensterben von seiner schönsten Seite» diagnostisch zufriedenstellend fixiert wurde.

Mehrere Leser haben mich darauf hingewiesen, dass Peter Graf, der Herausgeber des Buches Ungemein eigensinnige Auswahl unbekannter Wortschönheiten aus dem Grimmschen Wörterbuch (Acta diurna vom 4. März), zu denjenigen zählt, die sich tapfer und unter Inkaufnahme hoher persönlicher Risiken »gegen rechts« zu Wort melden. Das verdient eine Erwähnung.

Zunächst einmal bleibt die Qualität des Buches davon unberührt. Bereits in dessen Vorwort moniert Graf freilich, dass er im Grimmschen Wörterbuch nur neutrale oder abwertende, aber keinerlei positive Begriffe über die Juden und das Judentum gefunden habe. Es habe ihn »beschämt«, dort »über solch infame Wortschöpfungen zu stolpern, die den über Jahrhunderte gewachsenen Antisemitismus deutscher Prägung vor Augen führen«, sagte er in einem Interview. Derer drei führt Graf als Beispiele seines Beschämtseins an, nämlich: »Judenlümmel«, »Judenmauschel« und »Schacherjudenpack«. Was an den beiden ersten Beispielen erschütternd sein soll, erschließt sich wahrscheinlich nur einem bis zum bitteren Ende aufgeklärten Deutschenlümmel; das dritte Wort, eine – vom konkreten Gegenstand gelöst und ins Zeitgenössische gewendet – rhetorische Mischung aus Poggenburg und Gabriel, verdient scharfe Kritik, fürwahr.

Ich unterstelle allerdings, dass in nahezu jeder Sprache die abwertenden Bezeichnungen über andere Völker, Volksgruppen und Religionsgemeinschaften die preisenden stark überwiegen. »Alle Völker verachten einander, und alle haben recht«, notierte Karl Kraus mit der thematisch gebotenen Zartheit. Nahezu sämtliche Völker haben Leichen in ihren Kellern, viele von ihnen haben Minderheiten oder Nachbarvölker drangsaliert, verfolgt, ermordet, aber nur ein Volk hat den Mord so gründlich organisiert und danach ebenso gründlich »bewältigt«, dass einzelne exponierte Sichgebesserthabende bis heute beifallheischend nach noch nicht entdeckten Spuren der schlimmen Zeit fahnden. Es ist weniger eine Frage des Rechthabens (ein sehr deutsches Bedürfnis) als vielmehr eine des guten Geschmacks, ob man dabei mittut.

Außerdem moniert Graf, dass sich im »Grimm« die Lingua Tertii Imperii (Victor Klemperer) niedergeschlagen habe. »Fassungslos machte mich, dass ich in den Bänden, die im Nationalsozialismus erarbeitet wurden, immer wieder auch auf Einträge aus Adolf Hitlers Mein Kampf, aus dem Völkischen Beobachter oder Zitate von Hermann Göring stieß.«

Auch hier hat er, vom Interviewer aufgefordert, rasch Exempel zur Hand: »Zum Eintrag ›Tropenglut‹ heißt es etwa, ›die nun kommende zeit lag wie ein schwerer albdruck auf den Menschen, brütend wie fiebrige tropenglut‹. Die dazugehörige Quelle lautet ›Hitler, mein kampf (1933)‹. Oder bei ›Glücksritter‹: ›dieser jeder anständigen soldatischen gesinnung bare glücksritter (Churchill)‹. Quelle: ›völkischer beobachter. 31. mai 1941‹. Und so geht das fort.«

»Was hätte man an einem fotomechanischen Nachdruck ändern können?«, hakt der Interviewer nach. »Und wie wollen Sie jetzt mit diesem Fund umgehen?«

Antwort: »Im Duktus der Sprachverderber könnte man fordern, man müsse alle zwischen 1933 und 1945 bearbeiteten sechs Bände durchsehen und die entsprechenden Stellen ›ausmerzen‹. Und es ist fraglos skandalös, dass sie nach wie vor völlig unkommentiert Bestandteil des Deutschen Wörterbuches sind, sowohl im digitalen Grimm als auch in den derzeit nur antiquarisch verfügbaren Printausgaben. Und zumindest diese erklärende Einordnung müsste umgehend geschehen.«

Er plädiert also für eine Art Apotheken-Beipackzettel, weil das Grimmsche Wörterbuch ja zunehmend von Menschen genutzt wird, die der Rechtleitung bedürftig sind.

»Ich glaube, man muss einfach darauf hinweisen, was das für Quellen sind«, präzisierte Graf später im Interview mit dem Deutschlandfunk. »Jeder weiß zum Glück noch, wer Joseph Goebbels und Hermann Göring und Adolf Hitler war. Bei Hans Grimm und Hermann Stehr und anderen kann man sich da nicht so sicher sein. Aber man kann nicht einfach unkommentiert aus dem Völkischen Beobachter Zitate in dieses Wortmuseum, in diesen Wortschatz der deutschen Sprache übernehmen – das geht einfach nicht.«

Die halbwegs pikante Frage stellt sich ein: Was aber, wenn die Führungsnazis oder die Redakteure des VB Wortschöpfer von hohen Gnaden gewesen wären? Müsste dann jedes betreffende Wort im »Grimm« mit einem oberlippenbärtigen, seitengescheitelten Emojiversehen werden? Ist das »Wortmuseum« eine Erziehungs- und Besserungsanstalt für unbedarfte Erbsünder? Am »Molotow-Cocktail« stößt sich ja auch niemand. An den »Blitzkrieg« haben wir uns gewöhnt, seit die Deutschen ihn nicht mehr führen können, die »Fliegerasse« sind ausgestorben, jedenfalls auf deutsch, der »Schienenwolf« ist zwar seit Jahren im Einsatz, gegen die Familie, die Geschlechtszuschreibungen, die Atomenergie, die Gentechnik, die Automobilindustrie, die Bildung etc. pp., heißt aber heute »Gleichstellung«, »Dekarbonisierung«, »Energiewende«, »Gender«, »Diversity«, »Schreiben nach Gehör« usf. Auch die »Gleichschaltung« war niemals smarter als heute, nennt sich aber anders. Und die Gouvernanten bleiben wachsam!

SZ: »Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus für den Umgang mit der gegenwärtigen Sprache?«

Graf: »Die ideologischen ›Stirnarbeiter‹ (Alfred Rosenberg) der neuen Rechten in Deutschland reden wieder ungeniert von ›Volksverrätern‹, vom ›Denkmal der Schande‹. Sie wollen den Begriff ›völkisch‹ wieder positiv besetzt wissen, oder sie erfinden Wörter wie ›Umvolkung‹, die es im Grimm nicht gibt, die aber alt klingen. Was man der Verrohung der deutschen Sprache und Gesellschaft entgegensetzen muss, steht ebenfalls im Wörterbuch der Brüder Grimm: ›Sprachmenschwerdung‹ heißt darin das von Jean Paul geprägte Zauberwort.«

Da scheint der Gevatter Graf wohl zu meinen, er habe diese Menschwerdung bereits vollzogen, obwohl er sie Satz für Satz dementiert. Zunächst einmal ist es eines Hetzers Art und Wesen, präludierend mit einem Nazi-Zitat zu fuchteln, bevor man den Finger auf irgendwelche Zeitgenossen weist.

Sodann: Von einem »Mahnmal unserer fortwährenden Schande« sprach unter anderem Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein, der sich den Neuen Rechten erst postum anzuschließen vermochte, und bei Lichte besehen handelt es sich bei diesem Denkmal um genau das: Der fortwährenden Schande wurde ein Mal gesetzt (also strenggenommen gilt das Denkmal, wie ich hier mehrfach ausführte, weniger der Tat und noch weniger den Opfern als vielmehr der Selbstfeier seiner Erbauer, der trainingsfleißigsten Gedenk-Athleten der Geschichte).

Desweiteren: »Volksverräter« muss eigentlich, da hat der Mann recht, »Verräter derer, die schon länger hier leben« heißen. Und was den Terminus »völkisch« betrifft, das ist ein verbranntes Wort, das habe ich damals auch der Frau Petry gesagt, die sich von zwei journalistischen Hyänen ins semantisch Sumpfige hatte locken lassen, doch die possierlichen Aasfresser verteidigten ihre Beute gegen meine nachträgliche Intervention.

Zuletzt: Der Begriff »Umvolkung« beschreibt den derzeit laufenden Prozess der Verwandlung von »monoethnischen, monokulturellen und monoreligiösen Nationen« in »multiethnische«, multikulturelle und multireligiöse (das Letztere aber nur für eine kurze Übergangszeit, dann gehen wir zurück auf Monoreligiosität), wie ihn der Harvard-Schelm Yascha Mounk unlängst in den Tagesthemen, aber bereits anno 2015 im Spiegel verkündet hat, der Begriff »Umvolkung«, sage ich, beschreibt diesen Prozess auf das Plastischste und Allerexakteste. Er ist tadellos grimmwürdig; gerade Jean Paul würde ihn zu schätzen wissen.


»Es ist sehr gut, daß es gelbe, schwarze und braune Franzosen gibt. Sie zeigen, daß Frankreich offen ist für alle Rassen und daß es eine universelle Bedeutung hat. Aber unter der Bedingung, daß sie eine Minderheit bleiben. Sonst wäre Frankreich nicht mehr Frankreich. Wir sind vor allem ein europäisches Volk von weißer Rasse, griechischer und römischer Kultur und christlicher Religion. (…) Die Leute, die die Integration anpreisen, haben ein Kolibrihirn, auch wenn sie sonst viel wissen mögen. Versuchen Sie einmal, Essig und Öl miteinander zu mischen. Schütteln Sie die Flasche. Binnen kurzer Zeit werden sie sich wieder trennen. Araber sind Araber, Franzosen sind Franzosen. Glauben Sie denn wirklich, daß der französiche Volkskörper zehn Millionen Muslime aufnehmen kann, die morgen zwanzig Millionen und übermorgen vierzig Millionen sein werden? (…) mein Heimatdorf wird dann bald nicht mehr Colombey-les-DeuxÉglises, sondern Colombey-les-Deux-Mosquées heißen!« Charles de Gaulle am 5. März 1959. (Aus: Alain Peyrefitte, C’était de Gaulle, Paris 1994, zitiert nach: Renaud Camus, Revolte gegen den Großen Austausch, Schnellroda 2016)

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