Kitabı oku: «Ein Leben für die Freiheit», sayfa 4
Ein indianisches Volk ohne eigenes Territorium ist kein indianisches Volk mehr. Die Sprache und diese Dinge zerfallen allmählich, aber wenn das Land zerstört wird, dann haben wir keine Wurzeln mehr. Es ist so, als würden sie unsere ganze Familie töten … Es ist, als würden sie dir die Seele herausreißen.36
Oder wie es die Anishinabe-Aktivistin Winona LaDuke formulierte: „Wenn ein Volk keine Kontrolle über sein Land hat, hat es auch keine Kontrolle über sein Schicksal.“
Es war der Black Power- und Black Panther-Aktivist und -Theoretiker Kwame Turé alias Stokely Carmichael, der dies in seiner Konsequenz so ausdrückte: „Wenn von Befreiung gesprochen wird, von wahrer Befreiung, dann ist vom Land die Rede. Und wenn vom Land in dieser Hemisphäre die Rede ist, dann ist auch von den amerikanischen Indianern die Rede.“37 Am Ende des vorliegenden Buches wird dieser Aspekt indianischen Widerstands anhand anhaltender Konflikte und Kämpfe um die Zerstörung und profitorientierte Nutzung von Land nochmals deutlich. Und auch hier wird sich wieder zeigen, dass vor allem Indigene ins Fadenkreuz beauftragter Killer geraten, sobald sie sich für Umweltschutz und Menschenrechte engagieren (Kap. 8).
______________
2 Zum Problem der Kolonialisierung indianischen Widerstands z. B. durch die Kategorien materialistischen Denkens s. a. Kap. 3: Von Red Power zu AIM …
3 hierzu ausführlicher Kap. 4 ff.
4 Charles C. Mann: Amerika vor Kolumbus, S. 38 f, 2016
5 unterschiedliche Quellen benennen 9.629.091 km2 bzw. 9.809.000 km2
6 E. Frey: Schwarzbuch USA, 2008, S. 25
7 L. L. Mathias: Die Kehrseite der USA, 1971, S. 287
8 Claus Biegert: 200 Jahre ohne Verfassung. 1976. S. 21
9 V. Hopkins: USA Der Südwesten, 1998, S. 34
10 Claus Biegert: a.a.O., S. 19
11 R. Winter: Ami Go Home. 1989. S. 138
12 ebd., S. 140
13 zitiert nach Charles C. Mann, Amerika vor Kolumbus, S. 36
14 siehe Kapitel 3 „Treaty Council“
15 http://de.wikipedia.org/wiki/Langer_Marsch
16 C. Biegert: a. a. O., S.23
17 R. Winter: a. a. O., S. 140 f
18 http://de.wikipedia.org/wiki/Angriff_am_Washita
19 W. Haberland: 2014, S.21; 1986, S. 17 f und H.& H. Koch: 2014
20 General Philip Sheridan, zitiert nach Michael S. Sample: Bison. Symbol of the American West, 1987, S. 32
21 zit. nach Fotowand im „Museum of American Bison“, Rapid City 2014
22 Michael S. Sample, a. a. O.; Sample, H. & H. Koch: 2014, S.,90, 127; Jörg Michel TAZ 4.5.2017, S. 9.
23 M. Seiller: COYOTE, 100/2013-14
24 E. Frey. a. a. O. S. 36
25 S. a. Subcomandante Marcus: Kassensturz. 2009
26 American Indian Movement Support Group Hamburg, 1975, S. 8
27 http://de.wikipedia.org/wiki/Termination_(Indianerpolitik
28 L. Peltier: Mein Leben ist mein Sonnentanz. 2000. S. 113
29 in Deutschland erschienen bei Trikont „Unsere Stimme“ Schallplatten GmbH, München
30 „Ihr habt mich in euer Internat gebracht, mir eure Regeln beigebracht, einen Idioten aus mir gemacht“
31 D. Banks: a.a.O., S. 28
32 u. a. M. Seiller: COYOTE 100/2013-14
33 zit. nach: U. Wolf: Mein Name ist Ich Lebe. 1980, S. 161 f
34 Quelle: u. a. M. Seiller, COYOTE 92/2011
35 ebd. S. 154
36 Subcomandante Marcos, a. a. O., S. 45
37 zit. nach W. LaDuke: Vom Natürlichen zum Synthetischen und wieder zum Natürlichen zurück, in: W. Churchill (Hrsg.) Das indigene Amerika und die marxistische Tradition, 1993, S. 36
2. Von Red Power zu AIM – eine kurze Chronologie indianischen Widerstands (Michael Koch)
Prolog zu einer fortlaufenden Kontroverse
Wer diese hier nur rudimentär dargestellte Geschichte des Genozids, Ethnozids und Ökozids an der indigenen Bevölkerung Nordamerikas nicht nur zur faktisch zur Kenntnis genommen hat, sondern auch ansatzweise in all ihren Implikationen versteht und emotional in sie hineinversetzt, der wird auch erahnen, weshalb der indigene Widerstand des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts sich gegenüber unseren Diskussionen und Diskursen zu Revolution, Emanzipation, dialektischem Materialismus und europäisch geprägten Spielformen linksrevolutionärer Ideen und Theorien sperrt.
Zwar boten sich Bilder von mit Gewehren und Schnellfeuer-Waffen ausgerüsteten Indianern in Wounded Knee, Chiapas und Oka oder indianischer Hausbesetzer als revolutionäre Projektionsfläche für viele 1968 sozialisierte Politaktivisten in den Metropolen dies- und jenseits des Atlantiks an. Auch adaptierten spontaneistische Straßenkämpfer in europäischen Großstädten für sich den Begriff „Stadtindianer“ und unterzeichneten mit „Mescalero“ eine kritisch-distanzierte Erklärung zum Attentat auf Generalbundesanwalt Buback.
Und Stirnband, Fransenjacke sowie indianischer Schmuck zählten immer mehr zum Outfit der Hippie- und Rockgeneration. Doch viele von uns reagierten dann aber umso irritierter, verstörter und verständnisloser auf die Angriffe einzelner AIM-Aktivisten auf die Politik der nicaraguanischen Sandinisten. Für viele von uns bekam die Solidarität und Sympathie mit den indianischen Widerständlern Nordamerikas Sprünge und Risse. Wie konnte Russell Means, einer der bekanntesten AIM-Führungsfiguren, sich gegen die Revolutionäre Nicaraguas stellen und damit drohen, die Truppen der durch die CIA finanzierten Contras zu unterstützen? Wie konnten Means und andere indianische Widerstandsaktivisten marxistische und anarchistische Gruppen und deren revolutionäre Strategie massiv kritisieren? Ging es dem indianischen Widerstand eher um Rassen- denn um Klassenkampf? War der indianische Widerstand überhaupt bündnisfähig? (eine Frage, die einige mexikanische und andere Linke in den letzten Jahren auch bezüglich der indigenen zapatistischen Befreiungsbewegung in Süd-Mexiko stellten).
Ohne eine annähernde Kenntnis von der schier unvorstellbaren Dimension der Vertreibung, Unterwerfung, Erniedrigung und letztlich auch versuchten Ausrottung der nordamerikanischen Indianer durch die europäischen Siedler; ohne eine annähernde Kenntnis über die Kontinuität der längsten Völkermordgeschichte der Welt bis in die heutige Zeit und ohne eine Kenntnis der Folgen der Unterjochung indianischer Philosophie und Spiritualität durch die christliche Religion und durch materialistisches Denken europäischer Prägung bleiben uns die Grundlagen indigenen Widerstands verschlossen. Bemessen wir AIM und andere Gruppen und deren Aktionen und Aussagen an den Kriterien und der Logik sozialer und sozialrevolutionärer Bewegungen europäisch-(dialektisch) materialistischer Prägung, dann drohen wir den seit knapp 50 Jahren wieder erwachten indianischen Kampf für indigene Rechte, Wiedererlangung von Würde und Souveränität erneut zu kolonialisieren.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Dies ist kein Plädoyer gegen eine konstruktiv-kritische und solidarische Auseinandersetzung über unterschiedliche Fragen und Formen widerständigen Denkens und widerständiger Praxis. Doch es gilt sich dabei klar zu machen, dass dies ein sehr sensibler Bereich ist, der zur Wiederholung seit Jahrhunderten gemachter Erfahrung mit der europäisch-weißen Besserwisserei und Bevormundung führen kann. Unverständnis, Arroganz oder verächtliche Kritik manch „weißer Linker“ hat hier in der Vergangenheit neue Gräben entstehen lassen und den Versuch auf beiden Seiten erschwert, unterschiedliche Befreiungsdiskurse miteinander zu verbinden. Die für den indianischen Widerstand zentralen Elemente wie „Spiritualität“, „Heimat“ und „Land“ wurden oftmals vorschnell in Denkklischees von „New Age“ sowie „Blut und Boden“ einsortiert. Ohne die Gefahr herunterspielen zu wollen, dass es auch im indigenen Widerstand vereinzelt faschistoid-nationalistische, rassistisch-antisemitische Tendenzen und Organisationen gibt (siehe hierzu die Website der „Mexican Jaguars“ oder die rassistisch konnotierte Ausgrenzungspolitik der Cherokee gegenüber schwarzen Stammesangehörigen, Nachfahren ehemaliger Sklaven der Cherokee, die nach fast 170 Jahren Stammeszugehörigkeit nun ausgeschlossen werden sollen), so sind solche Meinungen, Ideologien und Gruppen nicht nur minoritär, sondern stehen klar im Gegensatz zu anti-rassistischen, -sexistischen, -nationalistischen, -homophoben Positionen innerhalb des indigenen Widerstands (vgl. hierzu Statements der Zapatisten, der politisch engagierten indianischen Punkrock-Band „Blackfire“ u. v. a.).
Unbestritten jedoch hat die lange Geschichte der Kolonisation durch die Europäer bis heute bei vielen Natives tiefgreifende emotionale Spuren hinterlassen. Der indianische Sänger und Songwriter Mitch Walking Elk formulierte dies kürzlich in einem Gespräch mit deutschen Jugendlichen, die an einer Reise in die Pine Ridge Reservation teilnehmen wollen, wie folgt: „Ja, ihr werdet vielleicht nicht bei allen Menschen dort wirklich willkommen sein. Manche mögen einfach keine Weißen, die haben uns zu viel angetan.“
Und im politischen Diskurs beschreibt dies Frank Black Elk, Oglala Lakota und früherer Leiter des AIM Colorado, den ich an dieser Stelle etwas ausführlicher zitieren möchte:
Christen, Kapitalisten, Marxisten – alles, was sie letztlich von mir wollen, ist meine Identität als Lakota, die eine „andere“ ist: Alles, was sie letztlich von den Lakota wollen, ist ihre Identität als Volk, die eine „andere“ ist als das Verständnis (oder Missverständnis) von Volk in Europa. Ich und mein Volk, wir sind nur noch mehr Material, das es anzuhäufen und in etwas umzuwandeln gilt, was wir nie waren und nie sein wollten … Mag sein, dass ich letztendlich doch als Futter für eine andere europäische Machtgruppe herhalten muss, die nach weiteren Dingen Ausschau hält, mit denen sie spielen kann, aber nicht freiwillig, nein danke. Und was das „Unrealistische“ an meiner Entscheidung angeht, zu versuchen, an der Fortsetzung der Traditionen der Lakota teilzuhaben, an ihren Werten und der nichtmaterialistischen Spiritualität, will ich einen der Marxisten zitieren, der mich fasziniert hat (und es auf eine Art noch immer tut): „Sei realistisch, fordere das Unmögliche.“ Ich glaube, das hat Dany Cohn-Bendit einmal gesagt. Das Unmögliche ist jedenfalls nicht unmöglich.38
Nach der Geschichte der christlichen Missionierung und deren Folgen brauchen die Native Americans am allerwenigsten nun noch die Missionierung durch besserwisserische, mehrheitlich weiße Revolutionsspezialisten, seien diese auch noch so wohlwollend oder in ihren Analysen stellenweise richtig. Das AIM und aktuell gerade die indigenen zapatistischen Revolutionäre in Chiapas machen seit vielen Jahren immer wieder deutlich, dass indigener Widerstand untrennbar verbunden ist mit der Frage, Suche und Wiederentdeckung der jeweils eigenen Identität, Kultur, Philosophie und auch Spiritualität.
Dennis Banks, Mitbegründer des AIM, formulierte dies einmal wie folgt: „Wir gingen nicht nach Wounded Knee, nur um vom Hunger befreit zu werden, sondern um uns von allen Mächten zu befreien, die unsere natürliche, wirtschaftliche, soziale und politische Lebensordnung unterdrücken.“39
Das Recht auf Selbstbestimmung ist dabei nicht nur ein zentrales Ziel indianischer Forderungen. Selbstbestimmung und das Wiedererlangen von Würde sind wesentliche dialektische Voraussetzungen für eine selbstreflexive und selbstbestimmte Transformation indigener Kultur und Politik in das 21. Jahrhundert, eine selbstkritische Hinterfragung des kulturellen sowie individuellen Identitätsbegriffes und eine Auseinandersetzung mit anderen Befreiungsideen auf gleicher Augenhöhe.
Winona LaDuke, Anashinabe-Aktivistin, formulierte hierzu: „Dieser Austausch kann dazu beitragen, eine Strategie zu entwickeln, eine Utopie, durch die natürliche Ordnung zurückzugewinnen ist: vom Natürlichen zum Synthetischen und wieder zum Natürlichen zurück.“40 Und gerade vor dem Hintergrund einer ungebremsten globalen Ausbeutungs- und Ausplünderungspolitik von Mensch und Natur könnten wir hieraus wichtige Hinweise für unsere Frage nach der „Gesellschaft von morgen“ erhalten.
*****
In den folgenden Unterkapiteln kann es in diesem Buch lediglich einen skizzenhaften Anriss zur Entwicklung des indianischen Widerstands geben. Einzelne Aktionen, wie z. B. die Besetzung der ehemaligen Gefängnisinsel Alcatraz oder die Besetzung und Belagerung Wounded Knees böten ausreichend Material, um selbst jeweils ein eigenes Buch zu füllen. An dieser Stelle können sie nur in Kürze beschrieben werden (ausführlichere Beschreibungen zu Wounded Knee 1973 finden sich u. a. in Claus Biegerts Buch „Seit 200 Jahren ohne Verfassung“, Mary Crow Dogs „Lakota Woman“, Peter Matthiessens „In the Spirit Of Crazy Horse“, Russell Means „Where White Men Fear to Tread“, Dennis Banks „Ojibwa Warrior“ oder dem Band „Voices from Wounded Knee“, herausgegeben von der Redaktion der Zeitung Akwesasne Notes).
Andere Aktionen, wie z. B. die Besetzungen von Fort Lawton, des Mount Rushmore Monuments und einer Abtei in Gresham, Wisconsin, durch die Menominee Warrior Society in den 70er Jahren sowie der zweieinhalbmonatige Konflikt in Oka zwischen kanadischer Polizei und Armee einerseits und Mohawk-Aktivisten andererseits werden in diesem Buch lediglich erwähnt oder kurz beschrieben. Und unzählige, vielleicht weniger spektakuläre, aber nicht minder bedeutsame Aktionen indianischen Widerstands bleiben an dieser Stelle gar unerwähnt. Es sei hier daran erinnert, dass im Verlauf all dieser Konflikte viele indianische Aktivistinnen und Aktivisten sowie deren nicht-indianische Bündnispartner und Mitkämpfer verletzt, festgenommen, verurteilt und in Haft genommen, gefoltert oder getötet wurden oder in den Untergrund gehen mussten.
So wurde Leonard Crow Dog, spiritueller Führer des AIM, im Rahmen der Fahndung nach Leonard Peltier im September 1975 festgenommen, wegen diverser Delikte verurteilt und für fast zwei Jahre inhaftiert. John Trudell verlor bei einem Brandanschlag auf das Haus seiner Familie fast sämtliche Familienangehörigen. Dennis Banks musste Mitte der 70er Jahre für lange Zeit untertauchen und seine Familie alleine lassen. Leonard Peltier ist seit der gleichen Zeit inhaftiert und wird seit über 40 Jahren dem alltäglichen Haftterror ausgesetzt. Dies sind nur einige Namen, die hier stellvertretend genannt seien. All diesen Menschen gelten an dieser Stelle unser Gedenken und unsere Solidarität. Ebenfalls all den indigenen Kämpfern und deren Unterstützern, die seit den 80er Jahren von Alaska bis Feuerland gegen Landraub, Waldrodungen, Kohle-, Teersand- und Uranabbau, nukleare Endlager, überdimensionierte Tourismusprojekte, Ausbeutung oder für die Freiheit ihrer politischen Gefangenen kämpfen, sich für ihre Kultur und zahlreiche Grassroots-Projekte in den Bereichen Frauen-, Kinder- und allgemeine Menschenrechte, Gesundheit, Soziales, Bildung, Umweltschutz oder indigene Selbstbestimmung engagieren.
Red Power Dawn – Die frühen Jahre
Die Souveränität indianischer Völker war im Bewusstsein vieler nordamerikanischer Indianer auch im 20. Jahrhundert erhalten geblieben. Als unabhängige Nationen hatten sie zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert Verträge mit Engländern, Franzosen und den Vereinigten Staaten von Amerika oder Kanada unterzeichnet, deren Gültigkeit sie heute noch einfordern. Dieses Verständnis drückt sich häufig auch in der Nutzung von Stammesausweisen bei der Ein- und Ausreise aus den USA und Kanada aus, bietet dies doch die symbolische Möglichkeit darauf hinzuweisen, sich zu allererst als Angehöriger einer indianischen Nation zu definieren. Nachdem sie sich bereits in den 1920er Jahren vergeblich um Anerkennung als souveräne Nation beim damaligen Völkerbund, dem „Vorläufer“ der Vereinten Nationen in Genf bemüht hatten, baten die Six Nations des Irokesen-Völkerbundes41 Ende der 50er Jahre den neuen kubanischen Staatschef Fidel Castro in einer auf Hirschhaut niedergeschrieben Botschaft, sie bei ihrem Versuch zu unterstützen, als unabhängige Nation bei der UNO anerkannt zu werden. Castro lud daraufhin im Sommer 1959 eine Delegation unter Führung des Tuscarora Wallace „Mad Bear“ Anderson, der bereits in früheren Jahren Protestaktionen der Six Nations organisierte, nach Kuba ein und empfing diese in Havanna als Vertreter einer eigenständigen Nation.
„Mad Bear“ Anderson, der bis zu seinem Tod 1985 ein engagierter Kämpfer für indianische Angelegenheiten blieb, gründete 1967 den „North American Indian Unity Caravan“, der über sechs Jahre lang durch die USA fuhr, um die aufbrechenden Kämpfe für indianische Rechte und Belange zu unterstützen. Auch bei der Besetzung der Gefängnisinsel Alcatraz war Anderson mitbeteiligt.
Wie aktuell die Problematik der Nutzung von Stammesausweisen und somit der Hinweis auf die Zugehörigkeit zu einer souveränen indianischen Nation heute noch ist, musste das Nationalteam der Irokesen (Haudenosaunee) 2010 anlässlich der Lacrosse-Weltmeisterschaft in Manchester, England, erfahren. Lacrosse ist eine dem Hockey verwandte Sportart, die vor über 1.000 Jahren von den Irokesen erfunden wurde und sich derzeit in Kanada und den USA, aber auch weltweit zunehmender Beliebtheit erfreut. Zuerst scheiterte das Lacrosse-Team der Irokesen bereits bei der Ausreise, da man sie aufgrund ihrer Haudenossaunee-Ausweise nicht ausreisen lassen wollte. Erst nach Intervention durch Außenministerin Hillary Clinton erhielt das Team eine Ausnahmeregelung, um dann allerdings bei der Einreise in England aufgrund dieser Ausweise abgewiesen zu werden.
Anfang der 60er gründete der Ponca-Aktivist Clyde Warrior (1939 - 1968) gemeinsam mit indianischen Studenten in Gallup, Neu-Mexiko, das National Indian Youth Council (NIYC) als Alternative zu dem 1944 gegründeten, seinerzeit gerade von jungen Natives eher als zu konservativ erachteten National Congress of American Indians (NCAI). Warrior und das NIYC kritisierten den „Ausverkauf” von Bürgerrechten und Selbstbestimmungsinteressen der nordamerikanischen Indianer durch den NCAI und das Bureau of Indian Affairs (BIA) und problematisierten die Diskriminierung sowie die Lebensbedingungen der indianischen Bevölkerung.
Das NIYC, somit zweitälteste nationale indianische Organisation, setzte und setzt sich vor allem für die unterschiedlichsten Rechtsansprüche der Native Americans ein, wie z. B. für die aus den früheren Verträgen resultierenden Rechtsansprüche (treaty rights; s. a. auch treaty councils), Stammesrechte (tribal rights) auf Selbstbestimmung, Verzicht auf die Ausbeutung von Ressourcen in indianischen Reservationen und überhaupt sämtlicher indianischer Ressourcen (indianische Symbole, Namen, Kultur …) und Zugang zu den durch die Bundesregierung vertraglich garantierten Gesundheits-, Berufsbildungs- und Bildungsprogrammen. War das NIYC in den 60er Jahren vorwiegend eine sich zunehmend radikalisierende Bürgerrechtsorganisation, die sich z. B. lange vor der Gründung des AIM für die vertraglich garantierten Fischereirechte der indianischen Völker und gegen die Verarmung der indianischen Bevölkerung (Poor People‘s Campaign, 1968) einsetzte, war es in den 70er Jahren vor allem in Kampf um Umweltbelange im Kontext mit indianischen Angelegenheiten involviert (Kohle- und Uranabbau, Atommülllagerung). Dabei verstand sich das NIYC nicht nur als Organisation, die sich für die Belange der indigenen Bevölkerung Nordamerikas einsetzte, sondern engagierte sich in seiner 50-jährigen Geschichte zunehmend für die Rechte der Indigenen in der gesamten westlichen Hemisphäre.
Der Kampf um die Fischereirechte
Der Kampf um die Fischereirechte der indianischen Völker wirft bis heute immer wieder juristische und politische Konflikte auf und mündet seit über 50 Jahren in direkte Aktionen indianischen Protests und Widerstands. Dabei sind die Jagd- und Fischereirechte mit die letzten Reste der ehemals wirtschaftlichen Autarkie der indianischen Bevölkerung, die diese bis heute gegen die Lobby weißer Fischer und Sportfischer sowie gegen weiße (Pseudo-)Umwelt- und Tierschützer verteidigen muss. Dabei lenken deren Argumente medienwirksam von den Tatsachen ab, dass die eigentliche Überfischung durch weiße Fischer erfolgt, dass die Dezimierung der Fischbestände der industriellen Vergiftung der Flüsse und der Denaturierung der Flussläufe geschuldet ist (so kann in Wisconsin der Stör aufgrund von Staustufen am Wolf River nicht mehr in sein ursprüngliches Laichgebiet in der Menominee-Reservationzurückkehren) und dass Eingriffe wie z. B. Staudamm-Projekte entweder zur Austrocknung indianischer Reservate oder auch zu deren Überflutung beitragen – beides mit verheerenden Folgen für die Wasserversorgung und den Fischfang für die dort lebenden Natives. Anhand der Auseinandersetzungen im Bundesstaat Washington vor allem in den 50er bis 70er Jahren des 20. Jahrhunderts soll die Bedeutung dieses Konfliktes für das Erstarken des indianischen Widerstands in den USA aufgezeigt werden.
Entgegen den Verträgen von Medicine Creek (1854) und Point Elliot (1855), die der Gouverneur des Territoriums „Washington“ für die Bundesregierung abschloss und die in ihren Artikeln zwar einerseits besagten, dass die Stämme der Nisqually und Puyallup und somit der Vorfahren der Muckleshoot zwar ihre Länder an die Regierung der Vereinigten Staaten abzugeben haben, anderseits den Angehörigen dieser Stämme aber wiederum das Recht, inner- sowie außerhalb ihrer Reservationen zu fischen, zusprach, begann 1955 der Staat Washington, den Fischfang der Indianer am Puyallup River zu kontrollieren. Hintergrund waren insbesondere die Interessen weißer Sportfischer und deren Lobby in Wirtschaft, Verbänden (z. B. National Wildlife Federation und Trout Unlimited), Medien, Staat und Ministerien. Ausgelöst wurde dies vor allem durch Medienberichte über illegale Netzfischerei von zwei indianischen Fischern am Skagit River. Den indianischen Fischern wurden dabei unerlaubte und tierquälerische Fangmethoden und eine völlig unkontrollierte Überfischung der Flüsse unterstellt, wobei sie sich auch noch auf Rechte berufen würden, die aufgrund der veränderten Bedingungen längst hinfällig wären.
In den kommenden Jahren musste dann sogar der Tier- und Umweltschutz als propagandistisches Argument der Gegner der indianischen Fischereirechte herhalten. Dabei waren die Argumente, z. B. der Sportfischer-Lobby und der National Wildlife Federation, kaum an Absurdität zu überbieten. Sid Mills, Yakama-Indianer und Vietnam-Veteran, der seinen weiteren Militärdienst mit dem Hinweis verweigerte, nun „zuerst dem Kampf des indianischen Volkes um die vertraglich gesicherten Fischrechte … des Nordwestens verpflichtet“ zu sein, brachte es in einer Erklärung des Informationsdienstes der Survival American Indian Association (SAIA) auf den Punkt: Die meisten Lachse, nämlich 11 Millionen, also 80 % der Gesamtmenge der Lachse, würden von nicht-indianischen Fischern gefangen, davon knapp eine Million durch Sportfischer. Dem gegenüber ständen ein paar hunderttausend Lachse, die von den Indianern gefangen würden.42
Nach den ersten indianischen Protesten bestätigten allerdings „weiße Gerichte“ die vertraglichen Fangrechte der Indianer, auch außerhalb der Reservationen. Obwohl 1963 das Appellationsgericht der Vereinigten Staaten von Amerika (United States Court of Appeals) diese richterlichen Entscheidungen bestätigte, erließ im gleichen Jahr die Regierung des Staates Washington ein Fischverbot für die Indianer. Das Fischen im Green River und ab 1964 auch im Nisqually River wurde vor allem für den Netzfischfang der Indianer verboten. Daraufhin gründete sich 1964 die SAIA, um die Fischrechte vor allem außerhalb der Reservationen offensiv zu verteidigen. Dabei bemängelte die SAIA die fehlende Unterstützung durch die offiziellen Stammesregierungen und positionierte sich öffentlich als „fighting Indians“ und als „the most militant Indian organization in America today“.43
Es folgten als spektakuläre Protestaktionen erste „Fish-Ins“ am Nisqually River an einem Ort namens „Frank‘s Landing“, in deren Verlauf indianische Fischer durch die Polizei misshandelt und festgenommen wurden. Diese Proteste stellten für viele Native Americans eine Art Wendepunkt ihrer Strategien und Auseinandersetzungsformen für die Durchsetzung ihrer Rechte dar. Parallel zum juristischen Kampf trat nun die direkte Aktion. An Popularität gewannen diese Aktionen nicht zuletzt aufgrund der Festnahme des Oskar-prämierten Hollywood-Stars Marlon Brando am 2. März 1964, der bei einer Fish-In-Aktion des SAIA am Puyallup River beteiligt war. Zwar wurde Brando nach zwei Stunden wieder entlassen, obwohl er auf seine Überführung in ein Gefängnis bestand, doch viele indianische Aktivisten wurden tatsächlich inhaftiert.
Gemeinsam mit dem National Indian Youth Council (NIYC), dem National Congress of American Indians (NCAI), der Civil Rights Union (CRU) und der 1909 in Folge von anhaltender Lynchjustiz gegründeten National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) organisierte die SAIA nun im Staat Washington einen Tag später eine Großdemonstration für die Anerkennung der indianischen Fischereirechte und als Protest gegen das polizeiliche Vorgehen, an der über 1.000 Native Americans und deren Unterstützer teilnahmen. Auch Marlon Brando, der sich in den kommenden Jahren immer stärker für die aufkommende Bürgerrechtsbewegung des „schwarzen und roten Amerikas“ einsetzen sollte, war wieder dabei.
Die Situation verschärfte sich noch dadurch, dass laut einem Gerichtsentscheid aus dem Jahre 1965 die Stämme der Puyallup, Nisqually und Muckleshoot nicht mehr existieren würden und das Fischereiverbot nun auch auf den Puyallup River ausgedehnt wurde. Es folgte eine Jahrzehnte andauernde juristische und auch politische Auseinandersetzung, die bis heute nicht endgültig beigelegt wurde und immer wieder aufbricht. Dabei wurde Frank‘s Landing am Nisqually River zum symbolträchtigen Ort der anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen indianischen Fischern und deren Sympathisanten einerseits und Sportfischern sowie staatlichen und örtlichen Polizisten andererseits. Am 5. Oktober 1965 zerstörten Regierungsbeamte das Kanu zweier indianischer Fischer und warfen diese anschließend ins kalte Wasser des Nisqually River.
Vier Tage später wurden nachts zwei indianische Kinder durch Regierungsbeamte verhaftet, weil sie auf dem Fluss waren. Als Erwachsene zur Hilfe kommen wollten, wurden Polizeieinheiten aus den umliegenden Orten angefordert. Weitere vier Tage später eskalierte die Situation bei einem angekündigten Fish-In von 27 Indianern (davon 19 Frauen und Kinder) vollends. Örtliche Polizei und an die 100 Bundesmarshals zerstörten Boote und Netze, prügelten mit Schlagstöcken und Stahlrohren auf die Protestierenden ein und nahmen die acht beteiligten Männer fest. Es waren unter anderem gerade diese Ereignisse der Jahre 1964/1965, die zur Politisierung vieler Natives beitrugen. Einer von ihnen war der damals zwanzigjährige Leonard Peltier.
Unterstützung erhielten die indianischen Fischer nun verstärkt auch von außen. Hank Adams, in früheren Jahren beim NIYC und seit 1968 Führungsfigur des SAIA, gelang es 1968, nichtindianische Unterstützer u. a. aus der Washington Peace and Freedom Party, der Students for a Democratic Society, der Socialist Workers Party und den Black Panthers zu den Aktionen am Nisqually River zu holen, auch um eine breitere Öffentlichkeit herzustellen.
Am 4. September setzten einige indianische Fischer und ihre 55 nicht-indianischen Unterstützer vier Fischernetze in den Nisqually River. In den folgenden Tagen kam es immer wieder zu Festnahmen. Vor allem die Anwesenheit eines einzigen Black-Panther-Aktivisten löste bei der Polizei erhöhte Alarmbereitschaft aus. Die wiederholten Festnahmen von Adams machte die Auseinandersetzungen bei den Natives in den USA noch bekannter, handelte es sich bei Adams doch nicht um einen Angehörigen der lokalen Stämme, sondern um einen Sioux-Assiniboine-Aktivisten, der ursprünglich aus Montana stammte. Lokale indianische Proteste wurden mehr und mehr zur stammesübergreifenden (intertribal) indianischen Angelegenheit.
1969 gestattete das Washingtoner Fischereigericht den Nisqually dann doch das Fischen auch außerhalb ihrer Reservation, untersagte dabei aber deren traditionelle Form des Fischfangs. Die Konflikte waren somit aber längst noch nicht beendet. Ein Jahr später, 1970, kam es am Puyallup River zu Konfrontationen, als Mitglieder des Puyallup-Stammes Fischernetze in den Fluss setzten. Die anrückende Polizei stieß auf massiven Widerstand. Einige der Indianer waren laut Angaben von Polizei und Medien mit Gewehren und Messern bewaffnet und versuchten die mit Tränengas und Schlagstöcken bewaffneten Polizeikräfte aufzuhalten, indem sie die Eisenbahnbrücke, über die die Polizei gelangen musste, mit einer Brandbombe zerstörten. Es seien seitens der indianischen Demonstranten auch vier Warnschüsse gegen anrückende Polizeiboote abgegeben worden, ohne die Absicht, dabei jemanden zu verletzen.44 60 Personen, darunter drei Jugendliche, wurden verhaftet.
Ein weiteres Jahr später wurde Hank Adams bei einer Aktion durch einen Schuss in den Bauch schwer verletzt. Als Täter zeigte Adams zwei weiße Sportfischer an. Ein anwesender indianischer Polizist bestätigte diese Darstellung. Die Polizei von Tacoma jedoch stellte die Untersuchung mit der Bemerkung ein, möglicherweise habe sich Adams ja selbst in den Unterleib geschossen. Adams selbst sollte bei den späteren Aktionen des AIM in Washington D. C. (March of Broken Treaties) und Wounded Knee einer der entscheidenden Verhandlungsführer auf indianischer Seite werden. Unter seiner Führung baute die Survival of All Indian Asssociation Kontakte zu den wichtigsten amerikanischen Civil Rights-Bewegungen auf, was für alle Bewegungen in ihren jeweiligen Kämpfen für Freiheit und Gleichberechtigung eine wichtige Unterstützung darstellte.