Kitabı oku: «Empathie», sayfa 4

Yazı tipi:

Gelebte Formen der Empathie
Empathiefreie Zone

Im täglichen Leben begegnet uns Empathie auf unterschiedlichste Weise – oder eben auch nicht. Daher können wir unterschiedliche Intensitäten von Empathie feststellen und beschreiben. Beginnen wir dort, wo man Empathie vergebens sucht. Es gibt immer wieder Situationen, in denen wir Menschen begegnen, die uns auf die Palme bringen, weil sie es nicht einmal versuchen, sich in andere hineinzufühlen.

Eine gute Freundin (45) will im Bettenladen eine Decke kaufen. Der Tipp der Verkäuferin: »Denken Sie daran, im Klimakterium sollte man eine leichte Decke benutzen.« Autsch!

Ein Freund macht Pause beim Motorradfahren, auf seinem Ledersitz prangt sein eingraviertes Geburtsjahr, 1972. Kommt ein anderer Biker vorbei und fragt: »Dein Geburtsjahr?« »Ja!« »Na, du hast aber auch nichts ausgelassen, so wie du aussiehst, was?« Autsch!

Das sind doch schöne kleine Beispiele für eine empathiefreie Zone, oder? Und die findet man jeden Tag, an so vielen Orten. Wir könnten uns doch eigentlich denken, dass solche Bemerkungen irritierend bis verletzend sind, oder? Und gerade im Verkauf sollten wir solche Patzer auslassen! Natürlich kauft meine Freundin nun keine Decke in diesem Bettenfachgeschäft mehr und natürlich hat der andere Biker nun seine Chance auf ein nettes Gespräch verwirkt. Vielleicht ging es ja auch nie darum, etwas zu verkaufen oder ein nettes Gespräch zu beginnen, sondern nur darum, jemanden zu provozieren oder seine schlechte Laune rauszulassen.

Hand aufs Herz: Es kann fürchterlich nervig sein, mit jemandem ins Gespräch zu kommen, dem es augenscheinlich völlig egal ist, wie andere Menschen auf ihn und sein Handeln reagieren. Das kann ein Elternteil sein, dem gleichgültig zu sein scheint, ob sich das Kind bei ihm wohlfühlt, und der über dessen Gefühlsäußerungen hinweggeht. Das kann ein Ehepartner sein, der sich in der Trennungsphase offenbar nicht dafür interessiert, dass der andere Partner sich sehr um eine Lösung bemüht, und der diese Bemühungen schlicht mit Schweigen quittiert. Oder eine Führungskraft, die so besessen davon ist, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, dass sie übersieht, wie die Mitarbeiter auf dem Weg dorthin verloren gehen. Solche und viele weitere Fälle nenne ich die empathiefreie Zone.

Mir ist bewusst, dass man jemanden auch zu Unrecht mit diesem Begriff belegen kann. Manches Mal bleiben uns die Motive des scheinbar empathielosen Menschen verborgen, und es gelingt uns nicht, das Verhalten dieses Menschen zu verstehen. Es kann zum Beispiel sein, dass Menschen tatsächlich nicht daran gewöhnt sind, sich in andere einzufühlen. Es gibt Menschen, denen das schwerfällt. Menschen, die sich schon auf ihrer eigenen Landkarte nicht besonders gut auskennen. Menschen, denen Gefühle anderer und vielleicht vor allem auch die eigenen Gefühle Angst machen. Vielleicht ist es aber auch einfach so, dass wir uns täuschen und ein Urteil fällen, das ungerecht ausfällt, weil wir selbst es nicht geschafft haben, uns auf die Landkarte des anderen zu hangeln. Es ist eben nicht möglich, vollkommen ins Erleben eines anderen Menschen einzutauchen!

Es kann also sein, dass sich der lieblos erscheinende Vater durchaus darüber bewusst ist, dass die Tochter oder der Sohn Probleme mit der neuen Lebenspartnerin hat – er kann es aber einfach nicht bewältigen oder vernünftig darüber sprechen. Also spielt er den Fröhlichen, in der Hoffnung, dass es einfach so vorbeigeht. Dem zugrunde liegt hier vielleicht ein Ohnmachtsgefühl oder gar die Angst, einen lieben Menschen zu verlieren. Der schweigende Ehepartner ist vielleicht einfach überfordert von der Wucht der Scheidung, dass ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Spucke wegbleibt, wenn der Expartner mit großen Schritten auf die Regelungen zusteuert. Die Führungskraft steht womöglich unter so hohem Druck von oben, dass sie den Blick nicht weiten kann, um auf alle zu achten.

Was haben wir gerade getan? Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, was in den Beispielen dazu geführt haben könnte, dass die Betroffenen in einer Situation empathielos reagierten. »Vielleicht ist es ja so, dass …« ist sehr geeignet, wenn wir auf solche Menschen treffen. Durch diese neugierige Haltung, unterstützt durch unsere Fantasie, entdecken wir neue Möglichkeiten, die uns davon abhalten, den anderen einfach nur doof zu finden.

Bevor wir Menschen in den Bereich der empathiefreien Zone einsortieren, hinterfragen wir doch erst einmal selbst mit Empathie, was dazu führen könnte, dass derjenige so handelt, wie er handelt. Es könnte sein, dass uns dann ein kleines Licht aufgeht. Oder es bleibt dunkel, weil wir es einfach nicht nachvollziehen können, was da geschieht. Sollte uns also einmal jemand begegnen, der die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben scheint, der stets alles besser weiß und meint, sich nicht um die Ansichten und Gefühle anderer kümmern zu müssen, dann kann das viele Gründe haben, die wir uns im zweiten Teil des Buchs genauer ansehen werden. Denn es gibt so einige Mechanismen, die uns die Fähigkeit zur Empathie buchstäblich klauen.

Unbewusste Empathie

Für viele Menschen ist Empathie ein hoher Wert, obwohl es ihnen zunächst gar nicht bewusst ist. Lange erging es mir so, dass mir gar nicht klar war, wenn ich empathisch gehandelt hatte. Mir war nicht bewusst, dass es mir überhaupt wichtig ist, empathisch zu handeln. Irgendwann sagte einmal jemand zu mir: »Du bist aber empathisch.« Ach, wirklich? Hätte ich selbst das auch über mich gesagt? Ist Empathie nicht vielmehr etwas, was uns durch andere zugesprochen wird? Und wenn ja, warum erscheint es uns so seltsam, wenn wir das über uns selbst behaupten? Es klingt wie ein Eigenlob, und Eigenlob stinkt, sagt man ja.

Wir haben so unendlich viele blinde Flecken in unserer Selbstwahrnehmung, und dann sagt auf einmal jemand etwas über uns und wir denken: »Toll! Das klingt gut, ich bin empathisch!« Aber was genau meint der andere eigentlich damit? Der Begriff wird oft mit sympathisch, warmherzig, freundlich und vielem mehr gleichgesetzt. Und es ist ja richtig – vieles davon steckt auch in der Empathie.

Einmal veröffentlichte eine Seminarteilnehmerin einen Post mit einem Feedback über mein offenes Training für Frauen auf Facebook. Sie schrieb, ich sei sehr empathisch mit den Teilnehmerinnen umgegangen. Ich las, was da stand, und erlebte diesen Moment, den viele kennen: Das Fremdbild passte nicht ganz zum Selbstbild. Ich selbst war tatsächlich gar nicht so zufrieden gewesen mit dem Tagesseminar, und nun kam dieses Wort ins Spiel: empathisch.

Unbewusste Empathie zeichnet sich dadurch aus, dass wir Dinge tun, die wir für selbstverständlich halten.

Ich glaube, viele Menschen zeigen ein empathisches Verhalten, das für sie ein ganz selbstverständliches Handeln ist. Sie tun Gutes, sind empathisch und sind sich darüber nicht ausdrücklich im Klaren.

Sie lassen zum Beispiel andere an der Kasse vor, wenn diese nur einen Artikel in der Hand haben, sie selbst aber 27. Ein klarer Fall von Mikro-Empathie: Sie kennen das ungeduldige Gefühl, warten zu müssen, also ersparen sie es einem anderen. Oder sie helfen der alten Dame über die Straße oder aus dem Bus. Im Bus selbst bieten sie ihren Platz jemanden an, der ihn nötiger braucht als sie. Kleine, wunderschöne empathische Momente. Weil sie wissen, wie ungut sich manches anfühlt, ersparen sie es dem anderen.

Über diese Momente sollten wir uns freuen, wir sollten sie feiern, denn sie sind kleine Schätze in unserem schnellen Alltag. Die Realität aber ist: Wir schauen lieber aufs Smartphone und verpassen jede Chance auf Mikro-Empathie.

Ich erlebe oft beides: einerseits eine riesengroße Empathie und Herzlichkeit im Alltag, die mich beflügeln und froh machen, insbesondere von jungen Menschen! Andererseits eine genauso große Abgestumpftheit und geistige sowie emotionale Abwesenheit von Menschen – ich nehme mich da nicht aus –, die zeigt, dass es zunehmend schwerfällt, empathisch zu reagieren, sich in Situationen einzufühlen. Das macht traurig und müde. In unserer Gesellschaft ist beides stark spürbar, beide Pole sind vertreten und werfen uns emotional oft von einer Ecke in die andere. In welche Richtung werden wir uns entwickeln?

Erworbene Empathie

Manchmal ist es so, dass wir uns Empathie im Laufe der Zeit angeeignet haben, ohne das wirklich im Sinn gehabt zu haben. Wenn wir einander Schritt für Schritt kennenlernen, wenn wir verstehen, wie der andere tickt, und dementsprechend Verständnis und Einfühlung aufbringen, wo anderen, fremden Menschen längst der Geduldsfaden gerissen wäre, entsteht im Laufe dieses Prozesses Empathie. Der Umgang miteinander wird dann geprägt von erworbener Empathie.

Wenn wir uns auf Menschen einlassen, uns mit ihnen anfreunden, dann erscheinen uns vielleicht zunächst bestimmte Verhaltensmuster des anderen seltsam, nicht nachvollziehbar, fremd. In dem Maße, in dem wir bereit sind, uns für neue Ideen zu öffnen und unsere eigenen Werte und Muster zu hinterfragen, sind wir auch bereit, uns auf diesen Menschen einzulassen. Wenn unsere Werte und Ideen oder schlicht unsere Gewohnheiten sehr weit voneinander entfernt liegen, werden wir uns wahrscheinlich nicht anfreunden, das ist ein ganz natürlicher Prozess. Wenn sich schließlich genügend Facetten der Persönlichkeit und des Lebens überschneiden, bleiben trotzdem noch Verhaltensweisen, die uns unverständlich erscheinen, doch wir lernen, mit ihnen zu leben und umzugehen.

In diesen Verbindungen, seien es Freundschaften oder auch feste Beziehungen, können wir irgendwann mit einem Augenzwinkern sagen: »Ah, das kenne ich schon von ihm oder ihr – das geht vorüber.« Denn diese Erfahrung haben wir bereits gemacht. Ich weiß zum Beispiel, dass ein bestimmtes männliches Verhaltensmuster eine gute Freundin von mir wahnsinnig macht. Sie wird dann immer ein wenig grimmig und möchte sofort die Veranstaltung verlassen, auf der sie ein solches Verhalten erlebt. Da mir das aber schon vertraut ist und ich ihre Blicke kenne, reicht schon ein einziges Wort aus, um uns zu verständigen. Dann kann ich sie bremsen, aus der Situation befreien oder sie einfach zum Lachen bringen. Manchmal genügt dafür sogar schon ein Blick. Alle anderen um uns herum verstehen nur Bahnhof, aber wir beide wissen sofort, worüber wir uns gerade austauschen. So habe ich ihre unnachgiebige Facette kennengelernt und kann liebevoll damit umgehen – so ist sie eben.

Umgekehrt kennt sie meine Macke, ein Sprach-Nerd zu sein und alles Mögliche zu analysieren, was für andere anstrengend sein kann. Wenn ich dann mal wieder loslege, grinst sie mich an und ich fühle mich einen kleinen Moment lang veräppelt, aber mit einer lustigen Bemerkung entschärft sie die Situation. Und ich weiß: Ich bin trotz und mit meiner Macke verstanden worden.

Wenn wir mit dem, was wir in einer engen Freundschaft über den anderen lernen, in einer liebevollen Form umgehen, zeigen wir erworbene Empathie. In Familien findet so etwas über Jahre und Jahrzehnte statt. Wir kennen die Eigenschaften der Schwester, der Mutter, des Onkels.

Entscheidend ist: Begegnen wir den menschlichen Facetten, die wir vielleicht nicht auf Anhieb verstehen, mit einem Verdrehen der Augen, hat das wenig mit Einfühlung zu tun, sondern eher mit einer Verurteilung. Führen wir uns jedoch vor Augen, dass diese Facetten Ausdruck eines Bedürfnisses sind, das wir zwar nicht teilen, aber dem wir liebevoll begegnen, dann ist unser Umgang ein empathischer Umgang. Wir haben dann gelernt, die Eigenheiten des anderen liebevoll anzunehmen und zu integrieren.

Eine schöne Wahl fürs Zusammenleben und für die Zusammenarbeit, denn natürlich gibt es die erworbene Empathie auch im Job. Wenn wir hinterfragen, warum der Kollege so oder so reagiert, anstatt sein Verhalten gleich zu verurteilen, handeln wir empathisch. Fragen wir nach seinen Bedürfnissen, handeln wir empathisch. Wenn er dann das nächste Mal vor Wut rot anläuft und laut wird, wissen wir, dass es vorbeigehen wird und dass nur ein bestimmtes Bedürfnis nicht gestillt wurde. Dann fühlen wir mit ihm mit. Selbst wenn wir es nicht verstehen können.

Doch dafür nehmen sich viele nicht die Zeit.

Bewusste Empathie

Bewusste Empathie ist eine Entscheidung. Eine Entscheidung dafür, dass ich mich wenigstens bemühe, in die Köpfe und Herzen der anderen hineinzuhorchen. Das gelingt nicht immer, aber der Wille ist immerhin da. Diese Entscheidung kann ich jeden Tag neu treffen. Ich kann immer wieder überprüfen, ob ich mir das vollständigere Bild anschaue oder ob ich nur meinen eigenen Gefühlen nachgehe. Natürlich ist es gar nicht verkehrt, auf die eigenen Gefühle zu hören und auf sie zu vertrauen, doch häufig basieren diese auf voreiligen Schlüssen und nicht zuletzt auf Angst.

Thero, der Mönch aus Sri Lanka, sagte zu mir: »Traue nie deinen Gefühlen. Sie kommen und gehen.« Und so ist es auch: Mein eigenes Gefühl hat häufig gar nichts damit zu tun, wie es einem anderen Menschen geht. Wenn ich es schaffe, mir dies bewusst zu machen, dann kann ich auch den nächsten Schritt gehen und mich ebenso bewusst dafür entscheiden, ins Herz des anderen zu horchen. Wenn ich diese Entscheidung oft genug getroffen habe, wird die Empathie zu einer starken inneren Haltung.

Auch diese ist kein Garant dafür, dass wir es immer schaffen können, empathisch zu sein. Doch wir können unseren Empathiemuskel trainieren und uns darüber klar sein, dass das, was wir fühlen, nicht immer auch wahr ist. Dass das, was wir fühlen, auf einer alten, anderen Erfahrung basieren kann, die mit der Gegenwart gar nichts zu tun hat. Kommen wir auf diese Idee, dass wir gerade etwas Altes auf die Gegenwart projizieren, dann treffen wir die Entscheidung, dieses Gefühl zu prüfen. Je mehr wir uns mit unseren eigenen Gefühlen beschäftigen und damit auskennen (ein hehres Ziel!) und je mehr wir Mitgefühl für uns selbst entwickeln, desto mehr schaffen wir es auch, empathisch mit anderen umzugehen. Es gibt also diesen inneren Empathiemuskel, den wir trainieren können, den wir ausbauen können. Mit dem wir lernen können, unseren Radius zu erweitern. Mit dem es auf der sicheren Basis, uns selbst zu kennen, möglich wird, auch die Gefühle anderer zu verstehen. Oder sie zumindest zu achten, wenn wir sie nicht ganz nachvollziehen können.

Überzogene Empathie

Wenn wir bemerken, dass Menschen sich für andere aufgeben, hat das nicht mehr viel mit Empathie zu tun. Wenn uns die Sorgen der anderen auffressen, wenn wir vor lauter Anteilnahme und Mitgefühl unser eigenes Leben nicht mehr im Blick haben, dann wäre dies zu viel für unsere Seele. Wir würden uns selbst auflösen und nicht mehr wahrnehmen. Menschen verlieren sich selbst aus dem Fokus, spüren sich nicht mehr, geraten in Gedankenstrudel und verbiegen sich. Das ist dann eine Form der Empathie, die uns schadet und bei der wir sehr auf uns aufpassen müssen.

Wenn wir die ganze Nacht wach liegen, weil jemand aus der Familie krank ist und wir uns sorgen, helfen wir damit niemandem. Am nächsten Tag sind wir nur fix und fertig. Wenn wir uns nicht mehr auf unsere Arbeit konzentrieren können, weil uns der Bettler an der Ecke nicht aus dem Kopf geht, dann helfen wir auch damit niemandem. Wenn wir weinend vor dem Fernseher sitzen, weil die hungernden Menschen in Afrika uns so berühren, dann ist auch damit keinem geholfen. Auch dann nicht, wenn wir unser ganzes Erspartes hergeben und als Folge davon selbst arm sind.

Überzogene Empathie vergisst das Selbst und gibt es komplett auf. Die überzogene Empathie übernimmt damit die Steuerung über das eigene Leben. Die eigene Seele nimmt das Leid anderer auf und kann nichts anderes mehr sehen.

Ein mögliches Resultat davon ist eine emotionale Erschöpfung und eine Abkehr von allem, was uns betreffen könnte. Wir verschließen uns emotional und stehen nicht mehr zur Verfügung. Von außen betrachtet wirkt ein Mensch in diesem Zustand der Resignation kalt, erschöpft und unnahbar. Doch in Wirklichkeit ist es diese starke seelische Betroffenheit, die ihn regelrecht verschlossen hat. Er kann das Übermaß an Emotionen nicht mehr verarbeiten und schaltet sich selbst komplett aus.

Dieser gedämpfte Zustand ist schwer zu ertragen, denn der Mensch steht weder in Kontakt mit seinen eigenen Emotionen noch mit denen der anderen. Der Rückzug aus dem Leben ist ein Schutzmechanismus, der den Menschen davor bewahrt, unterzugehen. Eine Härte in der Kommunikation tritt ein, der Mensch wird zynisch und verschließt sich. Er kommuniziert möglicherweise nur noch auf der Sachebene, obwohl er sehr sensibel ist, weil er so viel auf der Beziehungsebene empfangen hat, dass er überwältigt ist.

Andere werden depressiv und traurig, sie nehmen nicht mehr richtig am Leben teil und weinen viel. Die emotionale Erschöpfung mündet nicht in Härte, sondern in völliger Hilflosigkeit.

Was würde Thero dazu sagen? Er würde sagen, dass die Empathie mit sich selbst wichtig ist, um aus diesem Strudel wieder aufzutauchen. Sich selbst zu hören, zu schützen, sich selbst wahrzunehmen, seine Grenzen zu kennen, das wäre wohl sein Rat. Er würde raten, klug mit der Fähigkeit zur Empathie umzugehen und dafür zu sorgen, dass es uns trotzdem gut geht. Denn nur dann können wir für andere wirklich da sein.

Empathie-Hopping

Wenn wir uns diese verschiedenen Erscheinungsformen von Empathie anschauen, dann können wir sagen: Wir alle hüpfen zwischen ihnen hin und her, versuchen, das Richtige zu tun, und landen je nach Situation bei einem der Punkte. Kein Mensch kann von sich behaupten, immer empathisch zu handeln; so etwas gibt es nicht, dann trügen wir einen Heiligenschein mit uns herum. Wenn jemand vorgibt, er oder sie könne das, dann schreckt uns das eher ab.

Was passiert, wenn wir auf die beiden am weitesten voneinander entfernten Punkte hüpfen, kann man zurzeit exemplarisch an der heftigen Diskussion beobachten zwischen denen, die eine Willkommenskultur für Flüchtende leben, sich dabei selbstlos aufopfern und ohne Rücksicht auf sich selbst für andere einsetzen, und denen, die diese Menschen als »Gutmenschen« beschimpfen, alles abwehren, was irgendwie fremd ist, und es möglichst umfassend aussperren wollen. Es herrscht großes Unverständnis füreinander, weil der eine sich mit seiner ganzen Kraft für etwas einsetzt, was der andere als Gefahr betrachtet. Das schafft Unfrieden. Wenn es nur diese beiden Pole gibt, geht die Mitte verloren, die darin bestünde, dass Menschen zum Beispiel an der Umsetzung der Willkommenskultur in den Alltag Kritik üben und damit den Prozess letztendlich stärken und den Vertretern beider Pole entgegenkommen könnten.

Wenn wir Menschen nur noch als »gut« oder »schlecht« qualifizieren, wenn wir Handlungen und Meinungen als »richtig« und »falsch« deklarieren, dann bekommen wir große Verständigungsprobleme.

Nun, genau das haben wir erreicht. So ist es heute. Dagegen hilft nur, täglich eine bewusste und kluge Entscheidung für die Empathie zu treffen.

Als ich Thero auf der Veranda seines Holzhauses auf Sri Lanka dazu befragte, wie es sich mit der Empathie verhält und wie man sie definieren kann, sagte er, dass Empathie im Buddhismus wie der Leerlauf einer Gangschaltung betrachtet wird. Sie ist die Grundeinstellung für jedes weitere Handeln. Sie gehört zum Menschen, ist angeboren, wir können demnach gar nicht anders, als zu fühlen, wenn es jemandem schlecht geht, er Schmerzen hat oder auch wenn sich jemand freut. Der nächste Schritt ist dann, nach diesem ersten Wahrnehmen, den richtigen Gang einzulegen, sprich zu handeln und bewusst mit der Empathie umzugehen.

Bedürfnisse erkennen: Empathie und gewaltfreie Kommunikation

Von dem bewussten Umgehen mit der Empathie und von der Verbindung mit den Bedürfnissen eines anderen Menschen spricht die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Marshall B. Rosenberg. Ich finde diesen Namen manchmal etwas sperrig. Er löst auch des Öfteren Belustigung bei Seminarteilnehmern aus. Doch wenn man sich wirklich mit diesem Ansatz befasst, dann wird diese Haltung Menschen gegenüber sehr faszinierend. Wir kommen nicht um die GFK herum, wenn wir auf der Suche nach praktischer Empathie sind.

Die GFK geht weit über eine Methode hinaus, sie wird zu einer Haltung gegenüber Menschen und betrifft die Fragen, wie ich andere wirklich mit ihren Bedürfnissen wahrnehme, wie ich sie annehme, und nicht zuletzt auch, wie ich mich selbst annehme. Gefühle von Menschen entwickeln sich laut der GFK aus den Bedürfnissen. Ganz einfach gesagt: Bleiben meine Bedürfnisse unerfüllt, so entstehen unangenehme Gefühle. Sind sie erfüllt, dann steigen in mir wohlige Gefühle der Geborgenheit und Sicherheit hoch. Alle Menschen teilen ähnliche Bedürfnisse.

Es geht in der gewaltfreien Kommunikation also darum, viel mehr die Gefühle zu äußern, die aufgrund von Bedürfnissen entstehen. Diese zu erklären sowie dem anderen die seinen zuzugestehen, bewahrt uns vor verbalen Übergriffen und Schuldzuweisungen. Wenn Menschen sich wirklich um die Bedürfnisse des anderen Menschen kümmern, dann entsteht ein friedvolles Miteinander ohne Zorn und ohne Schuld. Das heißt, wir verbinden uns mit diesen Bedürfnissen und achten und schützen auch die eigenen.

Jeder ist zunächst für seine Bedürfnisse zuständig und kann versuchen, sich diese zu erfüllen, indem er sie äußert. Wenn das Gegenüber möchte, kann es die Bedürfnisse des anderen freiwillig erfüllen, sofern sie nicht mit den eigenen kollidieren. Das hört sich vielleicht kompliziert an, und in der Tat braucht es etwas Übung.

Dafür gibt es zahlreiche Trainerinnen und Trainer für GFK, mit denen Menschen genau das trainieren können. Da ich diese Arbeit wirklich bemerkenswert finde, habe ich den Kontakt zu eben jenem ersten Freund und einem weiteren Trainer hier in Hamburg gesucht. Die Gespräche verhalfen mir zu einem tieferen Eintauchen in diese respektvolle Art des Denkens und die immer wiederkehrenden Versuche, die Bedürfnisse des anderen zu erkennen und deswegen besser auf Gefühle eingehen zu können.

Jürgen Engel beschreibt Empathie folgendermaßen:

»Da existiert eine Schwingung: Wir betreten einen empathischen Raum wie eine andere Dimension, in der eine neue Tiefe im Kontakt möglich ist. Diese Tiefe ist weit weg von einem intellektuellen Treffen. Empathie bedeutet für mich: Ich interessiere mich tiefer für dich, will dich sehen: Wer bist du? Worum geht es dir?

Empathie kann ich bewusst steuern. Ich kann entscheiden: Ich möchte wirklich empathisch sein. Ich will dich verstehen, will dich sehen, will empathisch hören, will zwischen den Zeilen hören. Wenn du mich angreifst, versuche ich das zu hören, was du nicht sagst. Ich frage mich: Was hast du gerade für einen Schmerz? Was kannst du gerade nicht sagen?«

Matthias Albers, Empathietrainer und Psychotherapeut, definiert:

»Empathie ist für mich eine Art Sammelbegriff für vier Begriffe: Resonanz, Spiegelung, Gehörtwerden, Gesehenwerden. Zusammengefasst bedeutet das: Ich kriege dich mit und kriege auch mit, dass du mitkriegst, dass ich dich mitkriege.

Für mich ist Empathie der relationale Aspekt vom Mitgefühl, quasi ›Mitgefühl in Aktion‹. Empathie entsteht dann, wenn es ein ›Ich‹ und ein ›Du‹ gibt. Mitgefühl ist eine Herzensqualität, es ist der Empathie übergeordnet: Das Herz fühlt mit.

Für Empathie braucht man ein ›Du‹. Ich mag die Formulierung ›zu Gast in deiner Wirklichkeit‹. Wenn ich im empathischen Kontakt bin, bin ich in Verbindung mit dir und deiner Wirklichkeit. Ich sage zu dir: Geht es dir gerade so, weil du das oder jenes brauchst? Wenn deine Antwort lautet: ›Ja, genau!‹, dann bin ich in Kontakt, zu Gast in deiner Wirklichkeit. Es entsteht eine echte Verbindung zwischen uns. Dafür nutzen wir die Sprache, um in etwa zu zeigen, was in uns los ist.«

• Empathie ist ein Prozess der Persönlichkeitsentwicklung.

• Empathie klappt mal und klappt mal auch nicht.

• Empathisch zu handeln, ist nicht immer einfach.

• Empathie erfordert immer wieder eine bewusste Entscheidung.

• Empathie ist, sich mit den Bedürfnissen anderer ehrlich und ohne Urteil zu verbinden.

• Empathie ist ein Raum, in dem »du« und »ich« echten Kontakt herstellen.

• Empathie erfordert die Neugierde auf die Wirklichkeit des anderen.

₺748,24