Kitabı oku: «Es darf gelacht werden Von Männern ohne Nerven und Vätern der Klamotte», sayfa 8
Charly Dühlmeyer
Schwiers Auftritte als Film-Erklärer in der Tradition von Walter Jerven und Friedrich Martin in der ersten Hälfte der 1950er-Jahre haben einen anderen Stadthagener beeinflusst, es Schwier und Elfers gleich zu tun. Karl Wilhelm Dühlmeyer wurde am 5. November 1925 in Stadthagen geboren und sollte nach den Plänen seines Vaters dessen örtliches Textilgeschäft übernehmen. Für den künstlerisch interessierten Karl Wilhelm, genannt Charly, deckte sich das nicht mit seinen Berufswünschen. Schon als Kind fühlte er sich zum Theater hingezogen. Wie Schwier besuchte er in Stadthagen die Volksschule und das Gymnasium. Das Abitur konnte er dort nicht ablegen, weil er 1942 zum Kriegsdienst in die Bretagne einberufen wurde, wo er am 8. Mai 1945 in Kriegsgefangenschaft geriet. 1947 gründete er im Kriegsgefangenenlager Lorient (in der Nähe des U-Boot Hafens) eine Kulturgruppe, die auch Theaterstücke aufführte. Dühlmeyer sehnte sich danach, Schauspieler zu sein. Zeitlebens ein Autodidakt begann er in dem Metier auch ohne Abschluss des Gymnasiums und ohne Berufsausbildung seine ersten Erfahrungen zu sammeln. Da es im Lager keine Frauen gab, mussten im Gefangenentheater Frauenrollen von Männern gespielt werden.
Am Tag der Währungsreform 1948 kehrte Dühlmeyer aus der französischen Kriegsgefangenschaft zurück und trat in Hannover als Chorsänger dem 1947 gegründeten Thalia-Operettentheater bei. Das war der Beginn einer ähnlich selbstbestimmten Nachkriegskarriere wie die von Schwier. Dühlmeyers wohlklingende Gesangstimme und seine schauspielerischen Fähigkeiten ließen ihn schon bald zum Operetten-Buffo aufsteigen, der beim Theaterpublikum sehr beliebt war. 1949 spielte er in Produktionen wie DER VOGELHÄNDLER den Geheimkanzlisten Schnurpel. Es folgten zahlreiche weitere Operetten-Rollen, so Fridolin in DIE ROSE VON STAMBUL, Leiblakei Iwan in DER ZAREWITSCH, Obereunuch in LAND DES LÄCHELNS, Kriminalinspektor Valdivio in CLIVIA, Kunstmaler Seppl in MASKE IN BLAU und Egon von Wildehagen in DER VETTER AUS DINGSDA, um nur einige zu nennen. Hin und wieder führte Dühlmeyer auch Regie (zahlreiche Programmhefte von Ende der 1940er-Jahre bis 1954 im Nachlass).
Im Thalia-Theater lernte Dühlmeyer die Tänzerin Christine Menzel kennen, die er später heiratete. Mit ihr bezog er 1958 in Stadthagen ein eigenes Haus, dessen Dachgeschoss er für seine andere Leidenschaft neben seiner Tätigkeit als Schauspieler zum Studio ausbaute: Film und Filmtechnik. Dort konnte er mit einem 16-mm-Projektor aus einem Vorführraum Filme auf eine Leinwand projizieren. In Zeiten, als es noch keine Filmhochschulen gab, war er auch auf dem Gebiet Autodidakt, sodass er sich unter anderem Kameratechnik selbst beibrachte. Mit seiner Arriflex-Kamera experimentierte er viel. Dühlmeyers Anfänge im Filmwesen war die Schaumburger Monatsschau, abgekürzt SMS. Er produzierte sie fürs Vorprogramm der Kinos in der Stadthagener Umgebung. Sie berichteten zum Beispiel über Einschulungen und Konfirmationen. Da Dühlmeyer sich auch im Stadthagener Filmclub engagierte, besorgte er fürs Kino gute Filme. 1959 gründete er eine Filmfirma zur Herstellung und zum Vertrieb von Filmen aller Art nebst dazugehörigen Werbefotos und Diapositiv-Serien (Bundesanzeiger vom 18. Juni 1959).
Über seinen Bruder Hermann, der das väterliche Textilgeschäft übernahm, lernte er Schwier und dessen Liebe zum Film kennen. Daher wusste er auch um Schwiers und Elfers gemeinsame Auftritte mit Stummfilmen. Man kannte einander und traf sich zu den jährlichen Stadthagener Schützenfesten. Schwier und Elfers gehörten auch zu den Hochzeitsgästen, als Dühlmeyer und Christine Menzel Ende 1956 heirateten (Interview Christine Dühlmeyer vom 26. Mai und 4. August 2015).

Charly Dühlmeyer und Werner Schwier, Schützenfest Stadthagen (Mitte der 1950er-Jahre)
Raritäten aus der Flimmerkiste leben weiter
Als Dühlmeyer sich 1954 bei einer Aufführung von IM WEISSEN RÖSSL in der Rolle des Sigismund Sülzheimer das rechte Knie verletzte und es operiert werden musste, war dies das Ende seiner Bühnenkarriere. Er musste sich nach etwas anderem umsehen. In dieser Situation brachte Schwier ihn als Schauspieler mit komödiantischem Talent und Filmliebhaber auf die Idee, ebenfalls mit Stummfilmen und einem Pianisten in Kinos und Theatern als Film-Erklärer aufzutreten. Und damit begann eine neue Karriere, mit der Dühlmeyer die Präsenz des Kintopps neben Schwier und Elfers verstärkte und schließlich bis 1963 fortführte, als Schwiers TV-Serie ES DARF GELACHT WERDEN in die zweite Staffel ging. Damit gehört auch Dühlmeyer zu den Wegbereitern des endgültigen Formats von Schwiers Serie.
Mittlerweile war Friedrich Martin verstorben, und dessen Witwe Dorothee Martin in Frankfurt a. M. besaß die Filme für das Programm RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE im Format 16 mm. Zu ihr nahm Dühlmeyer Kontakt auf. Sie stellte ihm die Filme ihres verstorbenen Mannes zur Verfügung. Ab Jahresbeginn 1955 präsentierte nun Dühlmeyer das Programm (Angaben Dühlmeyers in Handzetteln und gegenüber der Hannoverschen Presse vom 24. August 1957). Sein Pianist während der ersten Vorstellungen war Hellmut Pape, Repetitor und dritter Kapellmeister am Hannoveraner Opernhaus. Bald aber schon löste ihn Hartwig Bernstorf ab, mit dem Dühlmeyer befreundet war. Dühlmeyer, Pape bzw. Bernstorf, Kinobetreiber und Billetteusen/Platzanweiserinnen trugen Kleidung sowie Haartracht aus der Großväterzeit. Die Akteure wurden in einem Ford-T-Modell 1906 «mit Comfort ungeheuren Ausmaßes» chauffiert, das es gerade noch auf 20 km/h brachte (Interview Christine Dühlmeyer und Dühlmeyers Geleitwort im Programmheft UND DAS IST AUCH GUT SO). Wie Jerven hatte Dühlmeyer als Film-Erklärer einen großen Zeigestock dabei und zog kabarettistisch-parodistisch alle Register seines schauspielerischen Könnens. Manchmal spielte er dazu auch eine Drehorgel. Das «kabarettistische Vergnügen» und die umfangreiche «Sonder-Monster-Schau mit schaurig-schönen Dramen» wie VOM BAUERNFÄNGER ZUM VATERMÖDER, SEELISCH GEHEMMT. ROMAN EINES ARZTES und ein Sittengemäldenamens DRAMA AN DER RIVIERA wurden mit Handzetteln, Plakaten, Programmzetteln und Zeitungsannoncen angekündigt. Man tourte durch Volkshochschulen, Volksbildungswerke, Filmclubs, Kulturvereine, Bäder, Filmkunsttheater und Universitäten. Besonders gut kamen die RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE in Filmkunsttheatern und kulturellen Einrichtungen an, wie zur Eröffnung des VII. Internationalen Filmtreffens in Bad Ems im Oktober des Jahres. Aber auch in kleinen und mittleren Städten des Bundesgebietes ließen «Wanderschausteller» Dühlmeyer und Bernstorf als «genialer Begleiter auf dem Pianoforte» ihr Publikum bei rund 100 Auftritten über das Jahr 1955 kräftig lachen. Presse, Radio, Fernsehen (NWDR) und die Neue Deutsche Wochenschau berichteten.

Werbeprospekt RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE, 1955: Helmut Pape (links) und Charly Dühlmeyer
Die ersten nachgewiesenen Kritiken datieren vom Februar 1955 aus Nordrhein-Westfalen, wo Programm und Präsentation gleich als Bereicherung des Faschings gefeiert wurden: «[…] Dann kam der Wanderschausteller selber, eine urkomische Karikatur, Kreuzung etwa zwischen dem Schmierentheaterdirektor Striese [aus DER RAUB DER SABINERINNEN] und einem schnoddrig-zackigen Reserveleutnant aus dem kaiserlichen ‹Balin›. Man weiß nicht, was mehr zu bewundern war, diese fast ununterbrochenen zwei Stunden ‹erläuternde› Kodderklappe erschütternd monotonen Vortrags oder der treffsichere Begleitwitz zu den Erzeugnissen aus der Steinzeit der Cinematographie. […] Zeitweilig wieherte der ganze [ausverkaufte] Kinoraum vor Vergnügen.» (Rheinische Post, Düsseldorf vom 19. Februar 1955) Landauf, landab war man begeistert von Dühlmeyers «markt schreierischer Wichtigtuerei» voller «treffsicherer Bonmots», die aus der «Verkleidung doch immer wieder den Könner hervorlugen» ließen, sodass es «Bombenerfolge» und ausverkaufte Säle gab (Kieler Nachrichten vom 29. April, Westfalenpost vom 6. Mai und Hannoversche Presse vom 25. Mai 1955). Im «Zeitalter der Television und der Düsenflugzeuge, der H- und X-Linie [staunte man] über Autorennen mit 20 km Staub in der Kurve und die ersten Flugversuche von Lilienthal», und das alles «zeitecht» begleitet «am dezent verstimmten Klavier», was «schon allein immer wieder Applaus hervorruft». «Wie herrlich weit haben wir es gebracht», hätte Goethe sich wohl ausgedrückt (Lübecker Freie Presse vom 14. November, nld und Rheinische Post, Düsseldorf, vom 15. und 17. Dezember 1955).
1956 ging es weiter, aber Pianist Bernstorf sah sich wegen seines Lehramtsstudiums bis auf Weiteres am ständigen Tourneebetrieb gehindert. An seine Stelle trat Gerhard Holtze, mit dem Dühlmeyer nicht im gleichen Maße harmonierte und deshalb Bernstorf nachtrauerte. Der Pressespiegel im Programmheft für 1956 war ein Beleg für die andauernde Beliebtheit der RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE. Die Trierische Landeszeitung brachte es auf den Punkt: «Der wesentliche Reiz der Darstellungen lag in ihrer Doppelbödigkeit. Einmal vermittelten die alten Filme und Schnappschüsse aus dem Straßen- und Gesellschaftsleben der Jahrhundertwende ein entschwundenes kulturelles Bild, und zum anderen waren Ansage und Klavierbegleitung eine Verulkung der Naivität des damaligen Geschmacks, aber auch eine spritzige Selbstverspottung und gleichzeitig geistreiche Glossierung so mancher Zeiterscheinung von heute.» Als im Juni des Jahres ein Auftritt im Wiesbadener Ufa-Theater im Park anstand, fiel dem Betreiber auf, dass den Filmen für RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE keine Freigabekarte beilag. Deswegen wandte er sich am 16. Juni 1956 an die dort ansässige FSK, die wiederum Dühlmeyer informierte. Er reagierte am selben Tag, entschuldigte sich und bat um Freigabe seiner Filme für die kabarettistische Veranstaltung (Aktenvermerk FSK und Schreiben in Akten Nr. 12 387). Die wurde ihm befristet erteilt. In der Freigabekarte wurden jedoch Friedrich und Dorothee Martin als Verleiher und Hersteller des Programms genannt. Darüber entspann sich ein längerer Schriftverkehr, wer als Hersteller gelte. Hinzu kam, dass der Vertrag zwischen Dühlmeyer und Martins Witwe zum 31. Juli 1956 auslief. Nachdem er mit ihr einen neuen Verleihvertrag abgeschlossen hatte, kam die Angelegenheit im Dezember 1956 zur Ruhe, und nun stand Dühlmeyers SMS als Verleiher in der Freigabekarte (Schreiben vom 4. Dezember 1956). Die FSK hatte die RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE als Kulturfilm für jugendgeeignet und jugendfördernd erklärt. Argwöhnisch beäugte der Verband der Filmverleiher e. V. in Frankfurt a. M. Dühlmeyers Ankündigung, mit seinem Programm in der Main-Metropole aufzutreten. Deswegen fragte er bei der FSK nach, ob sie die gezeigten Filme freigegeben habe (Schreiben vom 17. September 1957).
Dühlmeyer setzte seine Erfolgsserie mit seinem «kinematographischen Ur-Zeit-Cabaret» 1957 als «Buffo und Explikateur im Ton des ‹schrägen Ottos›» fort (Westdeutsche Allgemeine vom 25. Januar 1957 und Wolfsburger Nachrichten vom 31. Januar 1957). Ende August des Jahres fand in den Hannoveraner Uhlenhorst-Filmstudios die 500. Vorstellung der RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE statt, und zumindest dort war wieder der Pianist Bernstorf. Die Hannoversche Presse berichtete am 24. August 1957, dass Dühlmeyer seit 1955 mit seinem Programm durch das Bundesgebiet reise und den Bürgern der Stadt als beliebter Buffo des Thalia-Theaters in Erinnerung sei. Über die Jubiläumsvorstellung berichtete auch eine Hörfunk-Reportage des NDR: «Schon die Ouvertüre des raschelnden, verstimmten Pianofortes ist ein Kabinettstück. […] Und dann kommt der Beweis, dass Charly Dühlmeyer mit seinem Pianofortisten erstklassiges Kabarett macht. Eine Verbindung mit Kintopp-Zeit-Satire auf 1907 ebenso gut wie auf 1957, von heiter demonstrierter Kulturgeschichte, von Glossen auf den Geschmack der guten alten Zeit. Das Ganze doppelbödig, sodass auch unsere Zeit persifliert ist, und das […] sogar unterlegt mit Gemüt. […] Der Herr Direktor in seiner unermesslichen Güte sollte die zweite Folge […] ‹… UND DAS IST AUCH GUT SO!› bald aus der Flimmerkiste holen, denn nach diesem ersten Gang rufen die Liebhaber von geistigem Eisbein mit Kraut ebenso wie die intellektuellen Gourmands mit ihrer ‹omelette soufflée› einhellig und im Chorus noch mehr!»
… UND DAS IST AUCH GUT SO!
Seit 1955 war Dühlmeyer ständig auf der Suche nach Stummfilmen, Werbematerialien für alte Filme wie Plakate und Aushangfotos sowie Schallplatten, die sich für seine Auftritte verwenden ließen. Im Laufe der Zeit hatte er einen beträchtlichen Fundus zusammengetragen und dadurch genügend Material für ein eigenes Programm neben Martins RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE. Wie angekündigt nannte er es … UND DAS IST AUCH GUT SO! Die Geschäfte waren bisher schon ausgezeichnet gelaufen. Ab November 1957 nahmen sie mit … UND DAS IST AUCH GUT SO! weiter zu, viele Termine mussten wahrgenommen werden. Daher organisierte mittlerweile Hans Werner Block aus Wesel, den Dühlmeyer bei einem seiner Auftritte kennengelernt hatte, die Tourneen. Als Pianist sollte Heinrich Müller III–IV Dühlmeyer auf der Bühne tatkräftig unterstützen (Werbung für … UND DAS IST AUCH GUT SO!). Das war aber niemand anderes als Bernstorf (Interview Christine Dühlmeyer). Er spielte nicht nur Klavier, sondern auch ein Harmonium «im Kleinstformat zur Untermalung der traurigen Piecen». Zum Programm wurden auch zeitgenössische Schallplatten zum Beispiel von Caruso auf ein altes Grammophon gelegt.
In die erste Abteilung des neuen Programms gehörten dokumentarische Streifen über ein Ruderfahrrad, bemannte Raketen-Startversuche, eine Modenschau mit Damen-Tandem, dazu einer der ersten Handlungsfilme aus der Produktion «Projektion für alle», DIE FLIEGENJAGD ODER DIE RACHE DER FRAU SCHULZE mit Eugen Skladanowsky. In der zweiten Abteilung wurde das Staraufgebot der RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE um Schauspieler wie Marcella Albani, Fern Andra, Fritzi Massari, Albert Bassermann, Max Landa und Lupu Pick erweitert. Die dritte Abteilung stellte den Slapstick in den Mittelpunkt mit Ferdinand Guillaumes italienischen Filmen TONTOLINI GEWINNT DAS GROSSE LOS und TONTOLINI IM ZIRKUS und einer anderen Produktion mit dem Titel DER BRÄUTIGAM IM MÜLLKASTEN. Abgerundet wurden Dühlmeyers Streifzüge durch den Kintopp mit Sittenbildern, Dramen und politischem Opfergang in Filmen wie DAS VERSTOSSENE HAREMSWEIB, DER LIEBENDE GREIS, VERKAUFT und ADELE, DIE DIRNE. Mit IM BAUCHE DES ALLIGATORS ODER DIE WUNDERSAME RETTUNG EINER SCHWIEGERMUTTER mussten sich die Zuschauer auf «fingernägelzerfressende Hoch-spannung» einstellen (insgesamt: Werbematerial für Dühlmeyers neues Programm). Wie bisher wurden die Streifen mit einem 16-mm-Projektor vorgeführt.

… UND DAS IST AUCH GUT SO!, 1957 Werbefoto Hartwich Bernstorf (vorn) und Charly Dühlmeyer
Nachdem Dühlmeyer und Bernstorf Monate mit … UND DAS IST AUCH GUT SO! durch das Bundesgebiet getourt waren, war die FSK auch darauf aufmerksam geworden. Anfang Juni 1958 forderte sie ihn auf, die Filme des Programms zur Prüfung vorzulegen. Daraufhin meldete sich Block für ihn, aber monatelang geschah nichts. Die Schreiben der FSK wurden immer bestimmter und erreichten, dass der Prüfantrag Ende November 1958 gestellt wurde. Ende Dezember wurde … UND DAS IST AUCH GUT SO! als Kulturfilm für Kinder ab sechs Jahren freigegeben (Schriftverkehr ab Juni 1958, Antrag und Freigabebescheinigung in FSK-Akten Nr. 18 729-S).
Der Zuspruch der Zuschauer war groß. Mit beiden Programmen setzte Dühlmeyer den Tournee-Betrieb bis 1963 fort. Rückenwind bekam er möglicherweise durch Schwiers TV-Serie ES DARF GELACHT WERDEN, die seit September 1961 in einem Ambiente auf den Bildschirmen zu sehen war, das zu den Live-Auftritten passte. Bei den jahrelangen Tourneen waren Ermüdungserscheinungen jedoch nicht ausgeblieben. Dühlmeyer suchte nach Möglichkeiten, sein filmisches Interesse vielfältiger ausleben zu können und auch nach mehr beruflicher Sicherheit. Daher gab er das Tourneeleben auf und wurde freier Mitarbeiter des NDR in Hannover. Für den Sender drehte er fortan kleine Filme und Reportagen. Dabei war zum Beispiel seine Ein-Mann-Schau DIE MODERNEN MÄRCHENERZÄHLER, mit dem er in 16 Kapiteln die heutige Werbung auf die Schippe nahm (gesendet im ARD-Hauptprogramm am 14. Juni 1970). 1973 wurde er Produktionsleiter im Funkhaus Hannover, arbeitete aber auch weiterhin als Regisseur regionaler und überregionaler TV-Produktionen. Trotz jahrelanger Tätigkeit für den NDR war er auch jetzt immer noch freier Mitarbeiter, und der Sender sperrte sich gegen seine Festanstellung. Um diese musste Dühlmeyer kämpfen. Er erreichte sie nur durch einen Arbeitsgerichtsprozess, der bis in die zweite Instanz zum Landesarbeitsgericht Niedersachsen geführt wurde. 1984 sollte er die Leitung des Funkhauses Hannover übernehmen und einen sogenannten Ier-Vertrag des NDR erhalten. Dazu kam es nicht mehr. Dühlmeyer starb am 12. Februar überraschend während einer Kur in Bad Wiessee im Alter von nur 58 Jahren (Interview Christine Dühlmeyer nebst Unterlagen).
Gerd F. Reetz: RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE im Kino
Nachdem Dühlmeyer 1963 freier Mitarbeiter des NDR geworden war, gab es weiterhin Anfragen, ob er nicht mit RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE auftreten wolle. Aus Zeitgründen lehnte er ab. Es ergab sich jedoch ein Kontakt zu Gerd F. Reetz aus München-Grünwald (Interview Christine Dühlmeyer). Im Ergebnis konnte Reetz Friedrich Martins Programm fortführen. Ob Martins Witwe dabei eine Rolle spielte und womöglich ihr Vertrag mit Dühlmeyer ausgelaufen war, hat sich nicht klären lassen.
Anders als vor ihm Jerven, Martin und Dühlmeyer hatte Reetz nicht die Absicht, mit den Stummfilmen auf Tournee zu gehen. Vielmehr wollte er nach dem Vorbild von CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE ein Programm mit Rahmenhandlung, Conférencen und Musik am Kintopp-Piano filmen und in die Kinos bringen. Dafür tat er sich mit dem Produzenten Hans-Theo Fusswinkel zusammen. Die Regie für das Unternehmen übertrug man dem ungarischen Filmregisseur Ákos von Ráthonyi, von dem zuletzt Streifen wie der Edgar-Wallace-Film DAS GEHEIMNIS DER GELBEN NARZISSEN (1961) und der deutsch-jugoslawische Horror-Streifen DER FLUCH DER GRÜNEN AUGEN (1963) mit Adrian Hoven und Wolfgang Preiss stammten. In keiner Filmografie taucht bisher von Ráthonyis Arbeit an RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE auf. Das Filmwerk stand nicht zur Besichtigung zur Verfügung. Die inhaltlichen Hinweise ergeben sich lediglich aus der Publikation Der deutsche Film 1964 aus dem Verlag der Berliner Filmblätter, dem Werberatschlag zu dem Programm und den Akten der FSK, die den Film am 15. März 1965 für Kinder ab sechs Jahren freigab (Nr. 33 641).
Produziert wurde diese Ausgabe von RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE von der Firma Refu-Film GmbH. Reetz und Fusswinkel hatten sie durch Gesellschaftsvertrag vom 27. November 1964 gegründet, und die Firma wurde am 20. Januar 1965 ins Handelsregister eingetragen (Bundesanzeiger vom 3. Februar 1965). Außenaufnahmen für die Rahmenhandlung, die 280 m des insgesamt 2 050 m oder 76 Minuten langen Streifens ausmachten (Schreiben Reetz an FSK vom 10. April 1965), sollen 1964 in London, Paris, Kopenhagen, Venedig, Berlin, Friedrichshafen und an der Riviera gedreht worden sein. Die Studio-Aufnahmen hingegen fanden im selben Jahr bei der RIVA-film und lichttechnische Betriebe GmbH in München-Unterföhring statt, bevor diese ihre verbliebenen Ateliers 1966 an das ZDF verkaufte. Reetz übernahm die Rolle des Film-Erklärers Alois Bimslechner, das Kintopp-Piano spielte Dr. Peter Wehle als Mario Klimpernelli, und Heinz Plate war als Operateur Otto Zickendraht zu sehen, alle in großväterlicher Aufmachung und Reetz dazu mit Zeigestock.
Der deutsche Film 1964 druckte für RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE einen Werbetext der Refu-Film ab (S. 32): «Hereinspaziert! Hier sehen Sie, was die Welt bewegte, die Gemüter erschütterte, Aufsehen erregte. Das Zelluloid als Geschichtsbuch: Wochenschauen aus der Zeit der Jahrhundertwende, Berichte von den ersten Automobilrennen und epochemachenden Flugversuchen. Sie erleben die frühen Dramen der Leinwand, Sie werden gebannt sein und zu Tränen gerührt von KINDERRAUB, DRAMA AN DER RIVIERA und CLEOPATRA. Liebe alte Bekannte steigen heraus aus der Flimmerkiste: Hans Albers und Asta Nielsen, Marlene Dietrich, Willy Forst, Adele Sandrock – die Großen des Films, die längst Vergessenen, die ewig Jungen. Kommen Sie näher, meine Herrschaften! Unser Raritätenkabinett lädt Sie ein zu einem Spaziergang durch die Kindheitstage des Films …»
Präsentiert wurde das von Hans-Joachim Boldt in München vertriebene Werk laut Werberatschlag «zum 70. Geburtstag des Films». Die Aushänge für die Schaukästen der Kinos waren ungewöhnlich: keine Fotos, sondern ein Verleihsatz von 25 Karikaturen. Sie stammten vom Zeichner Peter Großkreuz, der unter anderem Witzseiten für Illustrierte gestaltete, und stellten verschiedene Stummfilmkünstler oder dokumentarische Ereignisse der RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE dar, außerdem Reetz und Wehle. Asta Nielsen war «die Dämonische», Adele Sandrock wurde «aber meine Damen …!» in den Mund gelegt, Harry Liedtke gab sich als «ungetreuer Husar», und auf dem Bild mit vollbekleideten Damen auf Startblöcken eines Schwimmbades stand: «Doch der Sport für alle Schlimmen war schon damals: Damenschwimmen.» Zu den originellsten Ergebnissen der Filmwerbung hat dieser Verleihsatz vermutlich 1964/65 nicht gehört.
Als Reetz und Fusswinkel am 23. Januar 1965 den Prüfantrag bei der FSK für ihr Programm einreichten, holte diese Erkundigungen ein und nahm nach der Freigabe vom 15. März 1965 mit Dühlmeyer Kontakt auf. Er war damit einverstanden, dass die Firma sowohl den Titel RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE als auch Teile daraus verwendete. Aus … UND DAS IST AUCH GUT SO! durfte sie sich nicht bedienen, aber dafür besaß ohnehin er die Negative (Vermerk FSK über Telefonat vom 19. März 1965 mit Dühlmeyer). Daraufhin forderte die FSK die Refu-Film auf mitzuteilen, dass ihr Programm ausschließlich auf Martins Programmfassung zurückgehe, für die Dühlmeyer als Verleiher galt. Dies bestätigte Reetz der FSK (Schreiben FSK vom 22. März und 5. April 1965 an Refu-Film GmbH und deren Antwort vom 10. April 1965).

RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE: Mario Klimpernelli (Dr. Peter Wehle, links) und Alois Bimslechner (Gerd F. Reetz)
Ein nennenswerter Erfolg, der an Martins und Dühlmeyers Auftritte anknüpfen konnte, dürfte die Kinofassung RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE nicht gewesen sein. Filmkritiken haben sich weder im Schriftgutarchiv der Stiftung Deutsche Kinemathek in Berlin noch beim Deutschen Filminstitut und Filmmuseum in Frankfurt a. M. finden lassen. Der Streifen wurde auch weder von den beiden damals noch erscheinenden Branchenblättern film-echo/Filmwoche und Filmblätter erwähnt, geschweige denn besprochen. Lediglich im Verleih-Katalog film-echo / Filmwoche von 1966/67 ist vermerkt (S. 64): «Umarbeitung des gleichnamigen 1956 hergestellten Films unter Verwendung von Archivmaterial».
War die abgefilmte Version weniger zündend und attraktiv als Präsentationen von Martin, Schwier und Dühlmeyer? Lag es vielleicht am Fehlen der echten Live-Atmosphäre? Denkbar ist auch, dass die Produktion gegen die Konkurrenz von Schwiers Serie ES DARF GELACHT WERDEN wenig Chancen besaß, auch wenn diese am 8. September 1965 eingestellt wurde. So verschwand Jervens GLANZ UND ELEND DER FLIMMERKISTE, von Martin nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges umgetauft in RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE, rund 30 Jahre nach der Entstehung sang- und klanglos von der Kinoleinwand und aus dem Bewusstsein des Publikums. Reetz schied am 7. Februar 1966 als Geschäftsführer der Refu-Film aus (Bundesanzeiger vom 23. Februar 1966). Nach einer Reorganisation im Jahr 1974 befasste sie sich weiter mit der Herstellung und Produktion von Filmen für Kino und Fernsehen oder der Beteiligung daran (Bundesanzeiger vom 20. Dezember 1974). Der Film-Erklärer Alois Bimslechner alias Reetz gehörte damit auch der Vergangenheit an.