Kitabı oku: «Es darf gelacht werden Von Männern ohne Nerven und Vätern der Klamotte», sayfa 7

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Kintopp anno dazumal

Aus der ersten «völligen Pleite» zog Schwier die Konsequenzen. Als bei der Göttinger Filmaufbau GmbH ein Atelier-Fest stattfand, wagte er mit Elfers und einem neuen Konzept einen neuen Anlauf. Mit Augenzwinkern servierten sie ihrem Publikum ein Programm wie im Gasthaus-Milieu, als es kaum ortsfeste Lichtspieltheater gab und Wanderkinos die Attraktion waren. Unter der Überschrift KINTOPP ANNO DAZUMAL trafen sie nun genau den Geschmack der Gäste, die vor Begeisterung tobten. Unterlagen über die seit 1949 rechtlich selbstständigen Atelierbetriebe der Göttinger Filmaufbau GmbH und ihre Atelier-Feste sind in ihrem Nachlass, der sich im Filminstitut Hannover befindet, nicht überliefert. Bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit wiederholten Schwier und Elfers ihren Auftritt. Anschließend gingen sie in der ersten Hälfte der 1950er-Jahre mit einer bunten Mischung aus dokumentarischen, dramatischen und komischen Stummfilmen auf Tournee durch Filmclubs, Kinos und Universitäten bundesdeutscher Städte (Interview mit Ernst Liesenhoff vom 17. November 1999). Auch die Gilde deutscher Filmkunsttheater wurde auf Schwier und Elfers aufmerksam und brachte KINTOPP ANNO DAZUMAL mit wechselnden Streifen aus Fidelius’ Archiv in die Kinos ihrer Mitglieder.

Daraufhin nahm Fidelius Ende Juni 1954 ersten Kontakt zur Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) auf. Er teilte ihr mit, dass die öffentlich gezeigten Filme aus seinem rund 180 000 Meter Film umfassenden Bestand alle zwischen 1910 und 1930 von der damaligen Filmzensur zugelassen worden seien und sie nun in etwa 30 Filmkunsttheatern nur einem kleinen Personenkreis vorgeführt würden. Unter anderem ging es um die deutschen Stummfilme DIRNENTRAGÖDIE und DIE HOSE von 1927 sowie um fünf Chaplin-Mutuals von 1916 und 1917: CHAPLIN ALS KULISSENSCHIEBER (BEHIND THE SCREEN), CHAPLIN IM WARENHAUS (THE FLOOR-WALKER), AUF DER WALZE (THE VAGABOND), CHAPLIN LÄUFT ROLLSCHUH (THE RINK) und CHAPLIN ALS STRÄFLING (THE ADVENTURER). Zu den Chaplin-Streifen behauptete Fidelius, seit 1931 die alleinigen deutschen Aufführungsrechte zu besitzen (Schreiben vom 28. Juni und 19. Juli 1954 in FSK-Akten Nr. 10 009). Die FSK ließ Fidelius wissen, dass allein die Inhaberschaft an Filmen noch nicht zu ihrer öffentlichen Aufführung berechtige. Sie beobachtete seine Aktivitäten in der Öffentlichkeit. Gegen eine Aufführung der Streifen im Münchner Kino Studio im September 1954 wandte man allerdings nichts ein (Vermerke FSK vom 9. und 10. August 1954 sowie Schreiben an Fidelius vom 7. September 1954). Auch 1955 tourten Schwier und Elfers mit KINTOPP ANNO DAZUMAL. Im April 1955 schrieb das Fachblatt Filmwoche im Beitrag «Geglücktes Stummfilm-Experiment» (Nr. 15. vom 9. April 1955, S. 336): «Wider alle Unkenrufe […] ein so gutes Geschäft, dass aus den vorgesehenen drei Tagen sieben wurden. […] Wenn der Sprecher nicht heiser geworden wäre, würde der Film wohl heute noch laufen.»

Als Fidelius der FSK Anfang April 1955 ankündigte, dass vom 19. bis 28. April ein völlig neues Stummfilm-Programm KINTOPP ANNO DAZUMAL in den Freiburger und Heidelberger Kinos Kamera stattfinden werde, kam Bewegung in die Angelegenheit Die FSK teilte ihm per Telegramm mit, dass sie dem ohne Freigabebescheinigung nicht zustimmen werde. Daraufhin nahm Schwier in Fidelius’ Auftrag die Sache in die Hand. Er rief bei der FSK an, dass der Termin in der Freiburger Kamera nicht mehr abgesagt werden könne (Telegramm FSK vom 16. April und Vermerk über Schwiers Anruf vom 18. April 1955).

Ohne dass die FSK einschritt, fanden die Auftritte statt, und nicht nur in den genannten Kinos, sondern vom 26. bis zum 28. April 1955 auch im Heidelberger Studio Fauler Pelz. Die Zuschauer waren begeistert von der «großartigen Posse», man bescheinigte Schwier eine «großartige Leistung», und die US-amerikanischen Gäste im Publikum fanden Schwiers und Elfers’ «Show einmalig» (Der Gildendienst Nr. 22, Mai 1955, S. 9). Nach einigem Hin und Her stellte Schwier Ende Mai 1955 für Fidelius endlich einen Antrag auf Zulassung von KINTOPP ANNO DAZUMAL. Zum Programm gehörten unter anderem Filme von Asta Nielsen, Max Linder, Henny Porten, Gösta Ekman, La Jana, Hans Albers, Emil Jannings, Erika Glässner, Charlie Chaplin und Buster Keaton. Am 9. Mai 1955 ließ die FSK das knapp 2 500 m lange Programm als jugendgeeignet auch für Jugendliche von 10 bis 16 Jahren zu – eine damals übliche Altersbegrenzung vor der Neuregelung des Jugendschutzgesetzes von 1957.

Am 9. Juni 1955 fand die offizielle Premiere von KINTOPP ANNO DAZUMAL im Münsteraner Filmkunsttheater Gertrudenhof-Lichtspiele statt (Freigabekarte und FSK-Vermerk vom 8. Juni 1955 über den Einsatz). Es wurde von Eckelkamp und seinem Vater betrieben und mittlerweile von Liesenhoff geleitet. Das Programm kam so gut an, dass Schwier und Elfers als Wanderschausteller Werner und Kapellmeister Konrad am Pianoforte durch die Filmkunsttheater zogen. In Göttingen veranstalteten sie im Studio der Filmkunst für Angehörige der Universität an vier Tagen ein «Attraktions-, Fest- und Galaprogramm». Sie baten, in der Nähe des Operateurs wegen der Feuergefährlichkeit der Streifen nicht zu rauchen. Andere freundliche Hinweise lauteten: «Schlüssel zur Toilette und Erfrischungen am Büfett» und «Sitzenbleiben mehrere Vorstellungen hindurch strengstens untersagt». Das «fast total neue» Programm enthielt nach dem Handzettel Bilder aus dem Leben einer Probiermamsell, DAS MÄDCHEN OHNE VATERLAND mit Asta Nielsen, Rührstücke, wieder einmal DER AVIATIKER UND DIE FRAU DES JOURNALISTEN aus den «Sümpfen der Weltpresse» wie schon bei Friedrich Martin, je einen Film mit Linder, Chaplin und Keaton. Und schließlich als besondere Attraktion der dokumentarische Streifen JUNGDEUTSCHLAND AUF GELÄNDEÜBUNG – «wem schlüge da das Herz nicht höher?» Vom 26. bis zum 29. Oktober 1955 nahmen Schwier und Elfers mit KINTOPP ANNO DAZUMAL an den II. Westdeutschen Kulturfilmtagen in Oberhausen teil, die unter der Überschrift «Bildungsmacht Kulturfilm» stattfanden. Zu ihrem 93-minütigen Programm gehörte dieses Mal FATTY GEHT INS THEATER, womöglich ein US-Slapstickfilm mit Roscoe «Fatty» Arbuckle.

Inwieweit Fidelius, Schwier und Elfers auf korrekte Abspielgeschwindigkeiten geachtet haben, ist unbekannt und eher zweifelhaft. Wahrscheinlich hatten dies vor ihnen auch Jerven, Althoff und Martin nicht im Blick. Als im Frühjahr 1957 der Programminhalt von KINTOPP ANNO DAZUMAL wieder gewechselt hatte, empfahl der FD die «amüsante Programmfolge aus den Anfängen der Filmgeschichte […] mit Ansager und Klavierspieler» für Interessierte ab 16 Jahren (Nr. 14 vom 4. April 1957, Nr. 5 750): «Heute etwas über den Wert oder Unwert der hier gesammelten Streifen zu sagen, ist ziemlich schwer. Schon die ruckenden, zuckenden Bewegungen der Schauspieler auf der Leinwand, die in der damaligen geringeren Anzahl ihrer Einzelbilder ihre Ursache haben, rufen bei dramatischen Szenen, die seinerzeit Tränenströme erzeugten, hellste Heiterkeit hervor, die durch die von der Bühne übernommene Mimik noch gesteigert wird. Historischen Wert, nicht nur für die Filmgeschichte, haben allerdings noch kleine Dokumentarfilme wie DAS KAISERRENNEN IM TAUNUS. Asta Nielsen und Werner Krauss stellen sich uns in ihren ersten Filmrollen unter den Titeln DIE SÜNDEN DER VÄTER und WEG INS VERDERBEN vor. Überhaupt kann man feststellen, dass die Titel des Kintopps anno dazumal sich heute noch großer Beliebtheit erfreuen. Auch die beiden Dänen in ZIRKUS PAT UND PATACHON [TAKT, TONE OG TOSSER, 1925] und Chaplin CHARLIE REGELT DEN VERKEHR [A DAY’S PLEASURE, 1919] haben nichts an Publikumswirkung eingebüßt.»


Handzettel KINTOPP ANNO DAZUMAL, 1955

Dieses Mal schwieg der EFB. Dafür berichtete er ausgesprochen angetan von der Vorführung eines Stummfilm-Programms STUMMFILMZAUBER anlässlich der 4. Internationalen Filmfestspiele im Münchner Rex-Filmkunsttheater (Folge 34 vom 23. August 1956, Nr. 593–601). Mit einer Sondergenehmigung der FSK wurden acht US-Slapstickfilme mit Roscoe «Fatty» Arbuckle, Charlie Chaplin, Buster Keaton, Harold Lloyd, Pat und Patachon und Bobby Vernon gezeigt. Es waren durchweg Ausschnittsfassungen von rund zehn Minuten Dauer pro Film, die der «Kinobesitzer […] in fast immer glücklicher Weise [mit] Dixieland-Platten aus den zwanziger Jahren unterlegte». Schwier dürfte an STUMMFILMZAUBER nicht beteiligt gewesen sein, da er als Film-Erklärer live mit Elfers am Klavier auftrat. Die Zuspielung von Schallplattenmusik hätte wohl nicht zum gemeinsamen Konzept gepasst.

Über zwei Jahrzehnte darauf reaktivierte Schwier KINTOPP ANNO DAZUMAL noch einmal. 1977 war die Festwoche «München Kultur» ins Leben gerufen worden. In den ersten beiden Auflagen der Festwoche war er mit dem Programm aus den 1950er-Jahren aufgetreten (mit Elfers?) und hatte das Publikum wieder begeistern können. Das nährte seine Hoffnung, damit wie früher auf Tournee gehen zu können – sobald er sein mehrfach angekündigtes Buch ES DARF GELACHT WERDEN für den Münchner Hanser-Verlag abgeschlossen habe (General-Anzeiger für Stadthagen und den Landkreis Schaumburg vom 5. Januar 1979, Interview von Karlheinz Poll). Vor Schwiers frühem Tod 1982 hat sich die Hoffnung nicht mehr erfüllt, und das Buch kam nie heraus. Ein Manuskript existierte wohl auch nicht.

Exkurs: MENSCH, SO’N KINTOPP! EIN FERNSEHKABARETT

Seit dem 21. Dezember 1952 sendete das DDR-Fernsehzentrum Berlin-Adlershof sein Versuchsprogramm werktags von 20:00 bis 22:00 Uhr. In dessen Frühphase herrschte Knappheit an Programmen. Improvisationstalent war gefragt. Als Redakteur für Theater, Film und Literatur war Wolfgang Stemmler im November 1952 ins Fernsehzentrum Berlin-Adlershof versetzt worden und versuchte, aus den vorhandenen bescheidenen Mitteln das Beste zu machen. Am 2. April 1953 erschien aus heiterem Himmel der Schauspieler Ludwig Trautmann (1885 bis 1957) aus West-Berlin und bot Stemmler Stummfilme zum Kauf an, die bei ihm im Keller lagerten. Stemmler griff zu, ersetzte die alten Zwischentitel durch neue, witzigere und ließ den Berliner Schauspieler Gerhard Wollner (von 1975 bis 1978 Sketchpartner in Dieter Hallervordens ARD-Serie NON-STOP NONSENS) im Kostüm und in der Maske eines zeitgenössischen Film-Erklärers die unfreiwillig komischen Stummfilme nach lustigen Texten von Gerhard Rentzsch kommentieren. Für die musikalische Untermalung sorgte Hans-Hendrik Wehding. Der Titel der etwa 25 Minuten langen Sendung lautete MENSCH, SO’N KINTOPP! EIN FILMKABARETT. Wollner präsentierte die Streifen in dem nachempfundenen Admirals-Kinematographentheater und versorgte die Fernsehzuschauer mit Wissenswertem über die ersten Berliner Kinos, die Lage von Filmateliers und den Sitz der Komparsenbörse (Stemmler in: Riedel, S. 79). Das Admirals-Kino bzw. die Admirals-Lichstpiele hatte es noch mindestens bis 1942 in der Berliner Friedrichstr. 101/102 gegeben (Reichs-Kino Adressbuch 1933, S. 313, und 1942, Ostdeutschland/Groß-Berlin, S. 3).

Es entstanden zwei Folgen von MENSCH, SO’N KINTOPP! EIN FILMKABARETT, die an den Montagen 6. und 20. April 1953 gegen 21:30 Uhr zum Schluss des Tagesprogramms gesendet wurden. Zur ersten Sendung druckte die Zeitschrift Unser Rundfunk folgenden Text ab: «Erinnern Sie sich noch an die Filme, die uns heute so unfreiwillig komisch anmuten? Sie heißen ES FIEL EIN REIF IN DER FRÜHLINGSNACHT oder EINE MOTTE FLOG ZUM LICHT. Wir wollen Ihnen heute auch einen solchen Film zeigen, nämlich DIE RACHE DER FRAU SCHULZE. In westdeutschen und West-Berliner Kinos gibt es auch heute noch ‹Kintopp›. Aber sehen Sie sich unser Filmkabarett einmal an. Bitte Platz nehmen, die Herrschaften. Rücken Sie ruhig ein bisschen dichter zusammen. Nur keine Bange. Hier tut keiner dem anderen nischt.» Mit dem «Kintopp» in West-Berliner Kinos könnten Laurel-und-Hardysowie Chaplin-Filme gemeint sein, die seit 1948 in der Tri- und Bizone und dann in der Bundesrepublik liefen.

Über den Inhalt der zweiten Folge ist nichts bekannt. Ein Teil der ersten Folge wurde am 2. September 1953 im Rahmen des Messe-Sonderprogramms zur Leipziger Messe vom 30. August bis 10. September 1953 gesendet. Da ein internationales Publikum in Leipzig weilte, fiel das TV-Programm üppiger aus. Pausen eingerechnet lief es täglich von 9:00 bis manchmal 22:00 Uhr. Nach Unser Rundfunk war die Sendung ein «Super-Gala-Monster-Programm von Wolfgang Stemmler». Aus der ersten Folge von MENSCH, SO’N KINTOPP! stammte DIE RACHE DER FRAU SCHULZE mit Gerhard Wollner. Aus anderen Sendungen wurden KITSCH-AS-KITSCHCAN, HALLO, CHRISTIAN sowie BIANKA MARIA UND DER TRIEFENDE DOLCH (mit Werner Peters) entnommen.

Weitere Folgen von MENSCH, SO’N KINTOPP! haben sich in Unser Rundfunk nicht finden lassen. Der Fernsehdienst des DDR-Fernsehens wurde erst ab 1962 herausgegeben. Ob der 1920 geborene Stemmler Auftritte von Jerven, Althoff oder Martin miterlebt hatte, oder bis Frühjahr 1953 auch solche von Schwier und Elfers, lässt sich nicht nachvollziehen. Jedenfalls war mit MENSCH, SO’N KINTOPP! der Film-Erklärer schon vor den bundesdeutschen Slapstickserien ins Fernsehen gekommen und karikierte vor der ARD-Serie HEUTE LACHT MAN DARÜBER (1962/63) dramatische Stummfilme. Umgekehrt dürften Stemmlers beide Folgen kaum eine Inspiration für Schwier und Elfers gewesen sein. Sie hatten bereits zu ihrem Konzept gefunden. Fernsehgeräte, mit denen man das DDR-Versuchsprogramm im Frühjahr und Spätsommer 1953 im so genannten Zonenrandgebiet hätte empfangen können, waren auch in der Bundesrepublik Deutschland bei einer Bevölkerung von gut 50 Millionen Bürgern noch rar gesät. Nach Angaben der Deutschen Bundespost waren für das Bundesgebiet einschließlich West-Berlin im April 1953 erst 1 524 Fernsehteilnehmer angemeldet. Bis September des Jahres stieg die Zahl auf 3 961 an (http://www.fernsehmuseum.info/fernsehzuschauer-statistiken.html).

CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE

Der jahrelange Zuspruch, dessen Schwier und Elfers sich mit Filmen von Fidelius erfreuten, mündete in den Plan, ihren Auftritt in einem eigens produzierten Film festzuhalten. Schwiers vormalige Kontakte und Mitarbeit ermöglichte 1957 die Realisierung bei der Göttinger Filmaufbau GmbH. An der Kamera stand Karl Schröder, den Schnitt besorgte Caspar van den Berg. CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE war das Ergebnis. Auch darüber befindet sich nichts im Nachlass der Göttinger Filmaufbau GmbH. Der Film ist die Blaupause für das spätere endgültige Format der ersten Staffel von ES DARF GELACHT WERDEN. Verliehen wurde der 87-minütige Film von Kirchners Neue Filmkunst. Die FSK gab ihn am 13. Juni 1957 nach den Bestimmungen des neuen Jugendschutzgesetzes für Kinder ab sechs Jahren frei, «da diese Hampelmänner-Darstellungen sicherlich Kinder und Jugendliche bei weitem mehr als Erwachsene amüsieren werden» (Nr. 14 595). Im Jugendprotokoll des Arbeitsausschusses der FSK wurde weiter ausgeführt: «Der Film ist eine Erinnerung an die Frühzeit des Stummfilms, als er noch in Schaubuden, getragen von den Misstönen eines verstimmten Klaviers und kommentiert von einem seiner Mission bewussten Sprecher über die Leinwand zitterte.»

In CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE macht sich ein kleinstädtisches Publikum der Kaiserzeit abends auf den Weg in eine Gaststätte, in der einige «der schönsten Filme» von Charlie Chaplin, dem «unübertroffenen Meister des Humors», gezeigt werden sollen. Angekündigt wurde das «Attraktions-, Fest- und Galaprogramm […] für die kunstliebenden Bürger unserer Stadt» ähnlich wie auf dem Handzettel für KINTOPP ANNO DAZUMAL mit reißerischen Worten «Lebende Bilder – getreu der Wirklichkeit. Keine Hypnose! Kein Bluff! Keine Suggestion!», das Ganze «vorgeführt und persönlich erläutert von Herrn Wanderschausteller Werner, musikalisch untermalt von Herrn Kapellmeister Konrad». Nach dem Kassieren des Eintritts von «drei Groschen» stellte Schwier, mit Zwirbelschnurrbart, Mittelscheitel-Frisur und Melone, sich und Elfers als Kapellmeister Konrad am Pianoforte vor, «der späterhin noch durch eine komplette Musikkapelle ergänzt» werden soll. Dabei zeigt Schwier auf ein altes Grammophon. Im preußisch-bestimmten, schwadronierenden Tonfall hält er dem zahlenden Publikum zunächst eine kleine Ansprache unter anderem über bleibende Werte, die es mit nach Hause nehmen möge – und da greift ein Taschendieb im Publikum unbemerkt natürlich gleich zu. Denjenigen, die womöglich seine Erläuterungen nicht verstehen, bietet er nach der Vorstellung «gegen ein geringes Entgelt» eine nochmalige Unterrichtung an. Nach einigen Verhaltensmaßregeln («Schießen Sie nicht auf den Pianisten» und «Sorgen Sie [im Dunklen] dafür, dass die Sittlichkeit im Saal gewährleistet bleibt») ist Schwiers sprichwörtlich gewordene Aufforderung festgehalten: «Ich gebe das Zeichen, vorausgesetzt, dass es der Operateur sieht.» Während der Pause waren «Toilettenschlüssel und sonstige Erfrischungen am Büfett» erhältlich.

CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE, 1957: Wanderschausteller Werner


CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE, 1957: Kapellmeister Konrad

Die «Aktualitätenschau» begann mit JUNG-DEUTSCHLAND AUF GELÄNDEÜBUNG, ein Film aus der deutschen Kaiserzeit über vormilitärische Übungen von Zivilisten in der Sommerfrische, die seltsame Südwester tragen. Bei diesem Streifen läuft Schwier zur Hochform auf, ein echter erster Höhepunkt. Nach ihrer Zugverladung beginnen die jungen Männer am Zielort ihren Marsch. «Jung-Deutschland auf dem Marsch. Und wenn Jung-Deutschland marschiert, da gibt es kein Halten mehr, und das nimmt kein Ende. Und das ist ja auch der Grund, weshalb wir allgemein so beliebt sind,» kommentiert Schwier. Dann startet ein abstruses simuliertes Kriegsspiel zwischen zwei Parteien. Man marschiert ins Feindesland ein: «Der schönste Augenblick ist immer der Einmarsch in Feindesland – wie Sie sehen, ist es hier schon mehr ein richtiger Einlauf.» Einige wenige Soldaten in Uniform und mit Fahrrädern unterweisen die Kombattanten: «Achten Sie bitte darauf, dass die Oberste Heeresleitung vollmotorisiert ist. Nur dadurch sind Blitzkriege möglich zu machen!» Man legte eine Meldekette, Vorposten wurden bezogen, Stellungen gebaut: «Wie wichtig diese Stellungen sind, können wir ja gar nicht ahnen, das weiß nur die Oberste Heeresleitung, weshalb wir uns weiter keine Gedanken darum zu machen brauchen.» Natürlich finden sich die Heerscharen in der Schützenlinie wieder, bis zum Sturm geblasen wird und schließlich der Sanitätsdienst das Feld aufräumt. Ein ganzer Trupp kümmert sich um die am Boden liegenden Kämpen: «Auf den Mann kommen bei Jung-Deutschland mindestens fünf bis sechs Sanitäter.» Dazu spielt Elfers ein Potpourri bekannter vaterländischer Lieder wie LIEB VATERLAND, MAGST RUHIG SEIN. Sein musikalischer Einsatz in CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE endet damit.

Die anschließenden Chaplin-Filme sind mit Orchestermusik und Geräuscheffekten unterlegt. Am Ende des ersten Films CHARLIE IM WARENHAUS (THE FLOORWALKER) stehen neben Elfers zwei Musiker am Kontrabass und mit Posaune und erwecken den Eindruck, sie hätten die Orchestermusik gespielt. Nach CHAPLIN ALS FEUERWEHRMANN (THE FIREMAN) und CHAPLIN ALS KULISSENSCHIEBER (BEHIND THE SCREEN) präsentiert Schwier von CHAPLIN ALS NACHTSCHWÄRMER (ONE A. M.) nur die erste Hälfte, weshalb er die Zuschauer informiert: «An dieser Stelle nun, Damen und Herren, muss ich Ihnen die traurige Mitteilung machen, dass es uns infolge der kleinlichen Haltung unserer Gläubiger nicht gelungen ist, auch den zweiten Teil dieses Films zu bekommen.» Dafür aber reicht er als Zugabe und zum «unwiderruflichen» Abschluss des Programms noch den Klassiker CHARLIE CHAPLIN LÄUFT ROLLSCHUH (THE RINK) nach. Danach heißt es auf der Leinwand «Aus».

Wann genau die Premiere von CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE stattgefunden hat, ist nicht klar, da sie in den vier damals erscheinenden Film-Branchenblättern nicht mitgeteilt wurde. Nur das Film-Echo besprach den Film Monate, nachdem er angelaufen war. Wahrscheinlich hat die Uraufführung bald nach der FSK-Freigabe stattgefunden. Die früheste bekannte Kritik stammt aus dem Göttinger Tageblatt vom 30. Juni 1957. Wahrscheinlich wurde der Film am dortigen Sitz des Verleihs uraufgeführt. Die Zeitung lobte Schwiers Auftritt «mit Stehkragen und Schmalztolle» als «Kino im Kino» und befand das «Programm voll Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung». Kinos in anderen Städten meldeten ein «sehr gutes» Geschäft mit dem Streifen (Film-Sonderdienst Ott Nr. 59 vom 22. Juli 1957). In Tübingen spielte er am 3. Juli 1957 (Schwäbisches Tageblatt vom 4. Juli 1957). Danach wurde CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE am 10. August 1957 zur Eröffnung des Münchner Kinos Theatiner Filmkunst gezeigt (Film-Echo Nr. 1 vom 1. Februar 1958). Dieses betrieben Kirchner und Schwier gemeinsam und wurde von Kirchners Ehefrau Marlies geleitet. Sie ist Liesenhoffs Schwester und lernte Schwier während des Zweiten Weltkrieges kennen, als sie nach Stadthagen evakuiert wurde und dort bei seinen Eltern wohnte, um am Ort die Schule besuchen zu können (Interview mit ihr vom 6. Juni 2016). Marlies Kirchner betreibt auch 2020 noch im Alter von 90 Jahren das Kino. 2017 wurde sie zum 60-jährigen Bestehen des Lichtspieltheaters mit der Medaille «München leuchtet – Den Freundinnen und Freunden Münchens» in Silber geehrt.

CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE riss das Publikum offenbar mit und «brachte […] vorzeitig geradezu Oktoberfest-Stimmung in das Theater. Das Lachen nahm kein Ende.» (Werbefaltblätter des Kinos, vorgeheftet vor Der Gildendienst Nr. 49 und 50 vom September und Oktober 1957). In München lief das Programm auch wieder im September des Jahres, wo die dortige Abendzeitung Chaplin als «unvergleich- und unwiederholbar» bezeichnete und das Programm ein «Schmankerl für Feinschmecker» nannte (Film-Sonderdienst Ott Nr. 76 vom 19. September 1957). Auch der EFB besprach CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE (Folge 38 vom 19. September 1957, Nr. 602) (Nr. 41 vom 10. Oktober 1957, Nr. 6 248) und das Branchenblatt Film-Echo (Nr. 81 vom 9. Oktober 1957, S. 1 307) im Monat darauf war von dem Chaplin-Streifen und der Präsentation angetan. Bis mindestens Juli 1958 zog das Programm in bundesdeutschen Städten sein Publikum an, in Köln, Essen, Heidelberg, Eschwege, Aachen, Lüdenscheid, Koblenz, Hamburg, Düsseldorf, Bad Pyrmont und Berlin. Man freute sich über die hervorragenden Chaplin-Filme, besonders aber über die gute Idee, dass Schwier als Erklärer den Kintopp der Kaiserzeit und der Großväterjahre «voller zündender, aktueller Anspielungen» vorführte (Hamburger Echo vom 24. Mai 1958 und Rheinische Post vom 7. Juni 1958). Danach scheinen Schwier und Elfers auch nicht mehr durch Kinos, Filmclubs und Universitäten gezogen zu sein. Im Jahr darauf verließ Schwier den Verleih Neue Filmkunst und wechselte zu Leo Kirchs Beta Film, für die er Japan-Filme akquirierte.

Jahre später trat Schwier, mittlerweile durch ES DARF GELACHT WERDEN bundesweit bekannt geworden, noch einmal mit JUNG-DEUTSCHLAND AUF GELÄNDEÜBUNG in mehreren Städten zur Einstimmung auf das von Atlas verliehene Kinoprogramm mit den Filmen DER SÜNDENBOCK (THE GOAT, 1921), DER MUSTERSCHÜLER (COLLEGE, 1927) und DAS BLEICHGESICHT (THE PALEFACE, 1922) von Buster Keaton auf (Film-Echo/Filmwoche Nr. 49/50 vom 21. Juni 1963). Elfers könnte ihn begleitet haben. Feststellen lässt sich das aber nicht.

1962 wurden aus Fidelius’ Archiv neben einer italienischen «Schaubuden-Moritat» um einen Zirkus-Muskelmann vier klassische Slapstickfilme von Chaplin, Keaton und Harold Lloyd unter dem reichlich unpassenden Titel SAMSON, DER ZIRKUSAKROBAT öffentlich aufgeführt (EFB Folge 2 vom 13. Februar 1962, Nr. 20–22 a). Der FSK hatte nicht das gesamte Programm, sondern nur den italienischen Streifen SANSONE ACROBATA DEL ‹KOLOSSAL› der Turiner Ambrosio Film von 1919, der 33 Minuten lief, für Kinder ab sechs Jahren freigeben (Nr. 24 254). Wie die Streifen präsentiert wurden und ob Schwier und Elfers daran beteiligt waren, geht aus beiden Quellen nicht hervor.

CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE erfuhr eine Förderung durch die Landesbildstelle Berlin. Die dort angesiedelte elfköpfige Filmbegutachtungskommission für Jugend und Schule empfahl den Streifen am 19. Januar 1959 für Jugend- und Schülerfilmclubs und hob hervor, dass Schwiers Kommentar zu Jung-Deutschland auf Geländeübung diesem Film die Würze gebe. Genau damit hatte der Verleih jedoch 1957 und 1958 Schiffbruch bei der Filmbewertungsstelle (FBW) erlitten. Den Anträgen hatte Schwier eine Mappe mit Pressekritiken aus den Jahren 1957 und 1958 beigefügt, in denen Jung-Deutschland auf Geländeübung als gelungene Besonderheit hervorgehoben wurde. Gerade dieser Programmpunkt war der Grund für die FBW, CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE ein Prädikat zu verweigern, das die teilweise oder vollständige Befreiung von der damals üblichen Vergnügungssteuer für Kinobesuche zur Folge gehabt hätte. Die seinerzeit angelegten Akten Nr. 4.149 sind zwar nicht überliefert, die damalige Ablehung ergibt sich jedoch aus der knappen Antwort der FBW vom 10. Januar 1973 auf eine Anfrage des Steueramtes der Stadt Nördlingen. Sie befindet sich in den Akten Nr. 11.388, die 1966 angelegt worden sind, als der Verleih erneut ein Prädikat für CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE beantragte. Nähere Einzelheiten sind indessen unbekannt. Daher lässt sich im Zusammenhang mit anderen Entscheidungen der FBW bis Mitte der 1960er-Jahre wie im Falle von DIE GROSSE LACHPARADE 1962 nur vermuten, dass sie Jung-Deutschland auf Geländeübung samt Schwiers Kommentaren als Fremdkörper beanstandete, der nicht aus der Zeit der Herstellung der an sich filmhistorisch bedeutsamen Chaplin-Filme stammt (vergleiche dazu: Aping, Dick und Doof, S. 355, 356). Damals verlangte die FBW manchen Eingriff in Filme, was ihr den Vorwurf der Zensur eintrug, die nach dem Grundgesetz abgeschafft ist. Heute nimmt die Filmbewertungsstelle eine beratende Funktion ein.

1962 brachte Kirchners Neue Filmkunst CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE, wohl im Fahrwasser von ES DARF GELACHT WERDEN, mit neuer FSK-Zulassung für Kinder ab sechs Jahren noch einmal ungekürzt in die Kinos (Nr. 14.595 a). Im Herbst 1966 ließ der Verleih aber einen weiteren Zulassungsantrag für eine um sieben Minuten reduzierte Fassung folgen (FSK Nr. 14.595 b vom 19. Oktober 1966). Hintergrund war Kirchners parallel gestellter neuer Antrag an die FBW vom 19. September 1966 auf Erteilung eines Prädikates. Kirchner hatte die 1957 und 1958 beanstandeten Teile entfernt. Daraufhin erhielt er für die Kurzfassung von CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE schon einen Tag danach das Prädikat «wertvoll». Es war fünf Jahre gültig (Nr. 11.388). 1968 beantragte Kirchner für seinen Verleih dann auch Prädikate für die einzelnen Chaplin-Filme aus CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE. Die FBW erkannte ihnen Ende Februar/Anfang März 1968 ebenfalls Prädikate zu, teils «wertvoll» und auch «besonders wertvoll». Nach Ablauf ihrer fünfjährigen Geltungsdauer verlängerte die FBW sie auf Kirchners Antrag im März und April 1974 noch einmal um fünf Jahre (Nr. 11.388 a–e).

Aus Anlass von Chaplins 100. Geburtstag erschienen 1989 zwei VHS-Videokassetten mit CHARLIE CHAPLINS LACHPARADE in ungekürzter Fassung unter dem Titel CHAPLIN JUBILÄUM: LACHPARADE – JUBEL, TRUBEL, SENSATIONEN (Goldenes Videoland, Bestell-Nr. 0773, und Bild am Sonntag Videothek, Bestell-Nr. 5621761). Dafür besaß mittlerweile Leo Kirchs Taurus-Film Video GmbH das Copyright.

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