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Kitabı oku: «Das Schweigen der Prärie», sayfa 11

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XI

An dem Morgen, da die Männer auszogen, um mit den Iren zu verhandeln, blieb die Kjersti allein in der Gamme und fühlte sich gar so schwer und unpäßlich, sowohl im Körper wie im Gemüt. Wenig Schlaf hatte sie des Nachts gefunden; denn der Syvert hatte sich gedreht und gewendet und immer wieder auf und ab dasselbe erzählt, — fürchterliche Menschen seien da gekommen, er und der Hans Olsen müßten jetzt beide noch einmal von vorne anfangen. — Vielleicht, daß sie am besten wieder nach dem Osten zurückzögen?

Schließlich aber da war er ihr mit seinem Wehgeklage zuwider geworden, und das hatte sie ihm auch gesagt. Vorläufig habe doch noch keiner Leib und Leben dabei zugesetzt, ihre Papiere seien in Ordnung, Gesetz und Obrigkeit im Lande, und fünf gesunde Mannsleut liefen hier herum — ja, jedenfalls also viere!

Alles das und noch mehr dazu hatte sie dem Syvert gesagt. Und es war gar nicht einmal so bös gemeint gewesen. Aber er war darüber gar so zornig geworden, hatte sie beschuldigt, weder Witz noch Verstand zu besitzen, und so war denn ein Wort zum anderen gekommen. Als das Unwetter zwischen ihnen sich endlich besänftigt hatte, da befand sich jeder innerlich auf der entgegengesetzten Seite des Erdballs, obwohl sie äußerlich Seite an Seite in demselben Bette lagen.

Es war ihr einsam, als die Männer am Morgen gegangen waren; der Kaffeekessel stand auf dem Herd, sie legte ein paar Holzscheite unter, — er mochte wohl einen Schluck, wenn er zurückkam. Und dann setzte sie sich seinen alten Hut auf und ging zur Beret hinüber, um zu hören, was denn der Per Hansen gesagt habe, als er gestern abend heimgekommen war.

Dort erhielt sie nicht gerade ausgiebigen Bescheid.

Sie erzählte zunächst einmal das meiste von dem, was Tönset‘n berichtet; habe sich der Per Hansen denn gar nicht darüber ausgelassen?

Beide Buben verspeisten ihr Frühmahl, die Beret kleidete beim Herd das Kind an; sie antwortete nicht sogleich, wurde rot und sah nicht auf.

Aber der Ole machte sich lachend sofort daran, die Flausen des Vaters vom Abend zuvor haarklein zu wiederholen; der Große-Hans aber wußte noch genauere Auskunft zu geben, und die Buben erzählten in heller Begeisterung, so daß die Kjersti sich bekreuzigte.

Die Mutter hörte es eine Weile mit an; sie vermochte nicht einzuschreiten — ein Gedanke verscheuchte alle andern; er hatte anderer Leute Wohnmarken zerstört und wollte sie jetzt vertreiben! — Herr im Himmel — war so etwas möglich?

Aber jetzt wurden ihr die Buben zu unbändig, sie lachten so gellend und brauchten häßliche Ausdrücke. So geht es, dachte sie; die Saat, die im Verborgenen gesät wird, offenbart sich am Licht des Tages. — — Sie erhob sich mit dem Kind auf dem Arm, kam zum Tisch und wies die Buben mit strengen und ernsten Worten zurecht.

Die Kjersti bedurfte des Trostes und sagte deshalb selbst: »Du weißt doch wohl, daß zum Klagen kein Grund ist, — wir haben das Land rechtmäßig zugesprochen erhalten, und wir waren die ersten!«

»Und Per Hansens Land?« fragte die Beret.

»Das beanspruchen sie nach dem, was der Syvert sagt, überhaupt gar nicht — und auch das ist merkwürdig!«

»Es ist dabei wohl kaum etwas zu machen,« sagte die Beret leise; »es ist schwer zu wissen, wer sich hier draußen getummelt hat, ehe daß wir kamen — es können ihrer viele gewesen sein.«

Eine so unverständige Rede erzürnte die Kjersti: »Das müssen doch wohl die wissen, die angestellt sind, das alles zu ordnen, meine ich! — Wäre nicht der Syvert so ein Piephähnlein, so liefe er stracks zum Sheriff, — — für so etwas kommt man in Amerika ins Staatsgefängnis!«

Die Beret schwieg eine Weile, neigte sich über das Kind mit feuerrotem Gesicht. Dann aber sagte sie leise: »Die Strafe verdienen, bekommen sie wohl!« Kaum hatte sie es gesagt, setzte sie das Kind hin, ging hinaus und sah nach Westen über die Prärie. So fand sie die Kjersti, als sie herauskam.

»Dort kommen sie jetzt, sehe ich!« äußerte die Beret.

Und da mußte die Kjersti sich schleunigst heimbegeben, um dem Syvert das Frühmahl zu richten. —

Die Iren bildeten lange Zeit das Tagesgespräch der kleinen Siedlung.

Jedesmal, wenn die Rede auf sie kam, verstummte die Beret; sie hatte keinen Teil an der Freude der andern; denn es waren Tatsachen damit verknüpft, die sie nicht verwinden konnte: Er hatte die Merkzeichen zerstört und, seltsam genug: er erwähnte es vor niemandem, — nicht einmal vor ihr!

O nein, er schämte sich wohl. — Wohl waren die Merkzeichen dort auf ungesetzliche Weise eingerammt worden; aber gesetzt, es hätte sich anders verhalten, — würde er dann nicht akkurat ebenso gehandelt haben? — — War das der Mensch, von dem sie einst überzeugt gewesen, es gebe in ihm nichts Böses? — War er vielleicht schon früher so gewesen?

Aber es verhielt sich wohl so: Diese Einöde konnte nur Böses hervorrufen. Hier lag Land über Tausende von Meilen derselben Güte wie das ihre; und diese Menschen hatten ihnen entreißen wollen, was sie bereits in Besitz genommen hatten, und gemeint, das ginge an, bloß, weil sie die stärkeren waren; — ihre, Berets, eigene Leute hatten Ränke und Gewalt angewendet, um sie zu vertreiben, und jetzt sollte alles miteinander sehr gut sein!

Was sollte aus den Kindern werden, wenn die in dieser Luft aufwuchsen? — Und aus deren Kindern wieder? — Sie hatte gesehen, wie die Buben in den Berichten von dem, was geschehen, geradezu geschwelgt hatten, und es überlief sie kalt. —

An einem Nachmittag, ein paar Tage nach jenem Auftritt, kamen die Iren zum Per Hansen und kauften Kartoffeln. Sie hielten sich eine ganze Weile auf, fragten nach diesem und jenem, was die Buben, so gut sie konnten, dem Vater dolmetschten, und der Per Hansen fand, das sei vortreffliches Volk.

Bei Tönset‘ns und Hans Olsens hatte man die Iren kommen und gehen sehen, und am Abend kam man, um zu hören, wie sie sich aufgeführt hätten.

»Die nettesten Kerle der Welt!« versicherte der Per Hansen; er ging auf und ab und war so froh, daß er dem auf irgendeine Weise Luft schaffen mußte. Kaum hatte er sich gesetzt, so sprang er schon wieder auf; sein Humor hatte etwas Ansteckendes; Tönset‘n wieherte unaufhörlich, und die Kjersti und die Sörine, die jede mit ihrem Strickzeug auf dem einen Bett saßen, ließen die Arbeit sinken und lachten schallend über Tönset‘n und ihn. Die Beret hatte gerade das Kind hingelegt und saß auf dessen Bettrand; beide Buben horchten wie gebannt auf das Geplauder der Erwachsenen.

An dem Abend erzählte der Per Hansen von den Grenzzeichen, wie er sie gefunden, was er sich gedacht und dann mit ihnen getan hätte. Er erzählte laut und fröhlich, und es klang wie ein Märchen, und es wurde an Lob über seine kluge Handlungsweise nicht gespart. Besonders Tönset‘n strömte über vor Begeisterung — — nein solch ein guter und getreuer Nachbar!

»Das muß ich sagen,« meinte der Hans Olsen, »hierbei setztest du alles auf eine Karte; — es war wohl Gottes Fügung, daß du‘s verschwiegst; denn hätten die mir ihren Grenzpflock auf meinem Lande vorzeigen können, dann bauten wir wohl jetzt an neuen Gammen weiter nach Westen, und die Arbeit dieses Sommers genössen dann andere — ich sage dir Dank, Per Hansen!«

Die Beret hörte den Per Hansen erzählen und mußte ihn immer dabei ansehen; denn das war er ja doch gar nicht! Sie dachte daran, wie er jenen Morgen mit den Pflöcken heimgekommen, sie zerspalten und in den Ofen gesteckt hatte, und wie er in jener Zeit nicht in die Hand zu nehmen gewesen war, — der hier war ein anderer Mensch!

So weit war es mit ihm gekommen, daß er sich seiner eigenen Schändlichkeit nicht schämte, — und achtbare Menschen teilten seine Freude! Ihr verging der Atem, und sie stand auf. Ohne zu wissen, was sie tat, sagte sie: »Dort, wo wir herkommen, ist es allezeit als entsetzliche Sünde angesehen worden, anderer Leute Wohnmarken zu zerstören, — jetzt höre ich, daß man sich darüber auch freuen kann!«

Die andern verstummten nach ihrem Ausfall, nur nicht der Per Hansen. Er griff ausgelassen nach ihr und lachte: »Red nicht darüber, du Beret! Böses muß mit Bösem vertrieben werden — das ist gute Scheuerregel!«

»Das verstehe ich wohl, obgleich es schlechtes Christentum ist, dem nachzuleben. — Du warst an jenem Abend, als du am Hackblock die Merkzeichen zerspaltetest, keineswegs so sicher, wie es sich verhielt, — ich meine, wir müssen uns vorsehen, daß wir nicht alle miteinander hier draußen zu Tieren werden.«

Der Per Hansen lachte ganz unnötig ausgelassen, hielt dann plötzlich inne und sagte: »Ehe wir‘s uns versehen, Alte, wird noch aus dir ein Prädikant!«

Sie antwortete nicht, sondern ging hinaus; es war dunkel, und sie wußte nicht, wohin sie sich wenden sollte. Auf der Hofreite wäre sie fast über den Pflug gefallen, und sie setzte sich auf den Pflugbaum. — Und wie sie hier saß, dämpfte sich der Aufruhr in ihrem Herzen, und tiefe Trübsal kam statt dessen zurück; hier saß sie noch lange, nachdem die anderen gegangen waren; — er kam nicht heraus, nach ihr zu sehen. Als sie hineinkam, hatte er sich gelegt; ob er schlief, konnte sie nicht sagen, aber sie sprach ihn nicht an, — die Buben lagen auch bereits.

In den nächsten Tagen fielen die Worte keineswegs leicht zwischen dem Per Hansen und seiner Frau.

Vor der großen Öde

I

Anfang Oktober traf für die Neusiedler westlich vom Spring Creek eine große Begebenheit ein. Sie war das größte Geschehnis des Jahres und sie wußte ihre Zeit zu wählen.

Mittag war soeben vorüber. Morgens waren der Per Hansen, der Hans Olsen und der Henry Solum in den Wald östlich am Sioux River nach Brennholz gefahren. Tönset‘n war so von der Gicht geplagt gewesen, daß er sich zum Mitfahren nicht hatte entschließen können.

Die Beret saß daheim am Fenster und strickte an etwas Rundem, was so winzig war, daß der Große-Hans hatte fragen müssen, ob das ein neuer Daumen für des Vaters große Fäustlinge sei. Die Mutter hatte zu der Frage so eigen gelächelt und gemeint, ja vielleicht sei es das. — —

Die Beret war ernster geworden, seit es zu herbsteln begann, wortkarger und verschlossener; sie trug an einer Schwermut, die sie, so gut sie konnte, vor dem Manne zu verbergen suchte. Jetzt klapperten die Stricknadeln gleichförmig und taktmäßig; aber der Sinn war nicht mit bei der Arbeit; sie warf nur dann einen Blick auf das Strickzeug, wenn eine neue Nadel begann. Ihre Augen schweiften hinaus, irrten über dem Teil der Widde, der sich ihnen bot, hin und her. Das Gesicht wies den müden, erschöpften Ausdruck auf, den es jetzt immer trug, wenn sie allein war. Es lag eine Traurigkeit darauf, die so tief war, daß die ganze Gestalt davon etwas Geisterhaftes erhielt. — —

Runde fügte sich an Runde. Der Blick wanderte.

Aber jetzt fanden sie etwas, woran sie sich heften konnten. Das Strickzeug sank in den Schoß; die Beret blickte scharf hin. In ihren Trübsinn mischte sich tiefstes Mitleid, wie bei einem, der gern sein Leben hingäbe, um ein anderes aus der Not zu befreien.

Waren in dem dort herannahenden Zuge viele Menschen? Sie beugte sich vor und versuchte zu zählen. — Nein, sie kam zu keinem Ergebnis. — Der Zug hatte sich jetzt vom Himmelsrand gelöst und war bereits mitten in der grünblauen Stille zwischen dem und ihr.

Da waren also wieder welche auf Irrspur geraten? — —

Die armen Leute, — die armen Leute!

Der Gedanke durchfuhr sie, daß sie etwas unternehmen müsse, um diese Menschen zu retten; ihnen entgegengehen, um sie zur Umkehr zu bewegen, ja, zur Umkehr, ehe sie sich noch weiter in das Unsägliche verloren.

Sie legte das Strickzeug auf den Tisch, ging hinaus, blieb vor der Tür stehen und schaute aus. — Waren es nicht fünf Wagen? Dann waren wohl viele Menschen dabei?

»Du großer Gott, zeig jetzt dein Erbarmen mit den Menschen!« seufzte sie. »Laß nicht alle diese in der Wildnis umkommen! Du weißt es doch, nur ich habe mich so schlimm gegen dich versündigt!« —

Der Ole war mit dem Vater zum Wald, der Große-Hans kam soeben vom Bach heraufgeritten, wo er den Pony getränkt hatte; er sah die Mutter vor der Türe und ritt zu ihr hin.

»Was willst du, Mutter?«

Seine Frage weckte sie, sie fing an zu gehen, hielt aber gleich wieder inne. — Was nützte es, daß sie ging? Das waren ja doch nicht Leute, mit denen sie hätte reden können! — Das Gefühl unendlicher Verlassenheit befiel sie. Ließ sich etwas so Entsetzliches ermessen: sie war mitten in die Unendlichkeit hinein gebannt; ein seltenes Mal geschah es, daß menschliche Wesen vorbeizogen, und dann konnte sie nicht einmal mit ihnen reden!

— — Konnte der Herrgott wirklich einen Menschen so schwer schlagen ?

— Die Beret preßte die Hand an die Brust.

»Was willst du, Mutter?«

»Reite — reite ihnen entgegen, und sieh zu, — ob du ihnen auf irgendeine Weise behilflich sein kannst!«

Bebendes Leben fuhr in den Buben, er riß den Gaul herum, folgte dem Blick der Mutter und hatte sofort den Zug aufgefangen.

»Wir müssen sofort den Syvert benachrichtigen!« Der Große-Hans sah zur Mutter zurück, um sich ihrer Meinung zu vergewissern.

»Den Syvert?« — Ein Schatten legte sich über ihr Gesicht. Was für Hilfe konnte wohl der Syvert diesen Menschen in der Not, in der die jetzt steckten, angedeihen lassen! Sie seufzte vor Ratlosigkeit. »O nein, reite du ihnen entgegen und biete ihnen deine Hilfe an. Und sage ihnen, dein Vater sei nicht daheim.«

Der Große-Hans entsann sich nicht, die Mutter schon je so verständig haben raten zu hören; er reckte sich im Sattel, saß wie ein erwachsener Mann; dann redete er dem Pony gut zu, klopfte ihm den Hals und rief: »Jetzt reite ich, Mutter! — Geh du zum Syvert und erzähle es ihm!« —

Andere Augen schienen den Horizont gleichfalls abgesucht zu haben. Da kam der Sam herzugelaufen, um die Neuigkeit zu überbringen, blieb gerade so lange, als zum Berichten nötig war und lief sogleich zu Tönset‘n weiter. — Die Beret ging hinein, weckte das schlummernde Gössel, nahm es auf den Arm; und dann ging es zur Sörine hinüber; denn die mußte doch auch unterrichtet werden. — Wie gut war es jetzt doch, daß der Per nicht daheim war!

II

Bald darauf sahen sie alle vor Tönset‘ns Gamme erwartungsvoll dem nahenden Zuge entgegen. Jetzt war bereits jeder Wagen zu erkennen; der Große-Hans ritt neben dem vordersten.

Tönset‘n schwaderte und zappelte hin und her und ließ vor Aufregung nicht einmal die Hände im Hosengurt. — Herrjemine, dachte er, kommen da etwa noch mehr Iren? — Und der Hans Olsen so weit weg am Sioux! Ja, das sah vielversprechend aus!

Aber da kam der Große-Hans angeritten und berichtete so Merkwürdiges, daß sie alle vor Staunen verstummten.

»Norweger!« rief er ihnen schon von weitem zu. »Norweger!«

»Nein, was du nicht sagst!« brüllte Tönset‘n los.

»Jawohl, allesamt Norweger, denke dir! Und gleich einen ganzen Krug voll davon, — die wollen her und reden norwegisch allesamt.«

»Bist nicht recht gescheit!« rief Tönset‘n zurück.

Und jetzt kam‘s ihm selber echt norwegisch, und er kommandierte die Kjersti an den Kaffeekessel und die anderen Weiber ihr zu Hilfe. »Hört ihr denn nicht, was der Große-Hans sagt, Norweger sind es! So braves Volk müssen wir nach alter Väter Sitte bewirten!«

Er tat wie der Patriarch der alten Zeit und nahm den Sam mit: er schritt den Fremden entgegen und lud sie ein, unter sein geringes Dach zu treten.

Ja, das war freilich ein Ereignis! Der Zug bestand aus fünf Wagen und ebenso vielen Gespannen Pferde. Und gute Pferde waren es — Tönset‘n konnte das sehen; es waren im ganzen zwanzig Mann und nur Leute aus Sogn und Voss. Leute von Sognefjord und der Gegend um Voss, also aus dem norwegischen ›Westland‹. Die meisten waren verheiratet; einige hatten große Familien im Osten von Minnesota. Alle waren auf der Suche nach Siedelland für sich und die Ihren; sie wollten diesen Herbst wieder nach dem Osten zurück, doch zum Frühjahr im Westen seßhaft werden. In Sioux Falls hatten sie auf dem Landzuweisungsbüro angefragt, ob hier draußen irgendwo ein Settlement sei, und jetzt wollten sie halt hereinschauen und sich die Stelle ansehen. Im übrigen gedächten sie mehr nach Südwest zu ziehen, etwa zum James River.

Die Westfahrer waren herzlich froh, hier in der blauen Ferne auf Erdhütten mit Norweger Volk zu stoßen und auf diesen gesprächigen Mann, der hin und her trippelte und ihnen auf alle Art behilflich sein wollte.

Sie lagerten sich auf Tönset‘ns Hofreite. Als er aber sah, wie viele ihrer waren, unterließ er‘s, den Kaffee noch einmal zu erwähnen. Dafür kam er mit Kartoffeln und Gemüse, und die Abendmilch teilte er brüderlich mit ihnen. Und draußen nächtigen sollten sie auch nicht. »Noch schöner!« rief er, »wenn sie zu Norwegern kämen, die sich soeben Hütten errichtet!« —

Und am Abend krabbelten die Kjersti und er zunächst ins Bett und dann wurde den Gästen der Fußboden überlassen, soweit er reichte; und was noch übrig war, legte sich in den Stall.

Tönset‘n schlief in dieser Nacht nicht allzuviel. Das schlimmste war, daß er sich mit der Kjersti nicht beraten konnte, wo er dessen doch so bitterlich bedurfte. Du schlechte Zeit! Die Verantwortung der ganzen Welt war plötzlich über ihn gestülpt! Ein ganzes großes Settlement von nur Norwegern schlief hier vor seinem Bette. Redliches Volk, vortreffliches Volk allesamt!

— — Jemine! Und der Per Hansen beim Kuckuck in Sioux River! — — Wenn er‘s jetzt deichselte, diese Kerle zu bereden, sich hier niederzulassen, dann war die Zukunft gesichert, sowohl für ihn wie für die Nachbarn, ja, — und da sollt‘ einer sich nur stumm im Bette umdrehen dürfen und schlafen müssen! — Ob er noch heut in der Nacht den Per Hansen holte, der solch gesegnete Gnadengabe hatte, mit Leuten zu reden ? — Aber mit der Kjersti konnte er sich nicht besprechen, und hinaus konnte er halt auch nicht, — da lag schnarchend Mann an Mann vom Bett bis zur Tür. Als die Leute aus Sogn und Voss sich am Morgen erst aus der Stube hinausgewunden hatten, so daß er und die Kjersti aus dem Bette konnten, vermeinte Tönset‘n in der Nacht kein Auge zugetan zu haben; doch eins war ihm klar: er stand vor der bedeutsamsten Stunde seines Lebens.

Er nahm sich nicht einmal recht Zeit zum Frühstück, war ganz in die Unterredung mit den Westfahrern über das Land hier am Spring Creek vertieft. — Ja, sie wollten doch wohl nicht etwa weiter, ohne es besichtigt zu haben! Wie? — Nein, denn das wäre also nämlich ein großer Mißgriff. — Er komme gern mit, um es ihnen zu zeigen; Besseres gebe es nicht, darüber könne er, der hier ortskundig war, wohl ein Urteil haben. — Er sei es nämlich gewesen, der die Stelle entdeckt, sie ausgesucht und auch als erster besiedelt habe. Und er habe doch wohl gewußt, was er tat, als er sich akkurat hier niederließ, — er, der sich zuvor sowohl in Fox River, in Muskego, auf Kaskeland und in ganz Minnesota umgeschaut habe, ja und obendrein auch in großen Strecken von Dakota Territory! — Und Tönset‘n verbreitete sich über seine Fahrt im letzten Herbst. Über das Land um Vermillion wisse er ausnehmend gut Bescheid; Yangton habe er sogar mit eigenen Augen gesehen. — Und hier schmuggelte er ein Flunkerchen ein, das er heute nacht zusammengeschmiedet — es war nicht geradezu wahr, aber es hätte gut wahr sein können; er berichtete nämlich von einem Mann, den er in Yangton getroffen, einen verarmten Schotten, der sich zwei geschlagene Jahre oben beim James River versucht habe. Aber die Indians und die Flöhe seien dort so versessen gewesen, daß er es hätte aufgeben müssen. Alles war dem Manne mißlungen, seine Bäuerin sei ihm verreckt und die Kuh habe der Indian gestohlen! Tönset‘n trug diese Geschichte sozusagen mit begeistertem Mitleid vor.

Die Leute aus Sogn und Voss waren wißbegieriges Volk, das viel zu fragen hatte. Selbstredend wollten sie sich umtun, ehe sie weiterfuhren, — um deswillen waren sie ja ausgezogen.

Sobald sie sich gestärkt, machten sie sich auf. Der Sam tat mit, und der Sam war gar nicht einmal so unbrauchbar beim Reden und Darlegen.

Die Westfahrer besichtigten und fragten und wußten nicht akkurat, was sie meinen sollten. Die Gegend gefalle ihnen und sie gefalle ihnen auch wieder nicht. Der Boden sei gewiß gut; er liege auch hübsch bequem und müsse sich leicht bewirtschaften lassen; aber, huff, wie nackt es hier sei und so endlos für‘s Auge! — Hier sei ja ringsherum nichts als der nackte Himmel! — Müsse häßlich hier sein im Winter, — nicht einmal soviel wie ein Birkengestrüpp zu Schutz und Versteck. — Und womit solle man feuern? Womit bauen? Man könne doch nicht sein Lebelang in Erdgammen wohnen? — Ja, da gab es viele Bedenken und mehr kamen noch hinzu.

Tönset‘n begriff, was auf dem Spiele stand. Er bebte vor Spannung. Er redete an jenem Tage, bis ihm das Kreuz weh tat und er sich setzen mußte. Aber dafür wich er auch vor keinem Einwand, den sie vorbrachten, zurück. — »Wald zu Schutz und Brennwerk?« Und seine Vortragsweise wurde gar so einfach und innig, die Hände durchwühlten die Luft: »Wald? Du lieber Himmel!« Gerade das mit dem Wald sei ja einer der großen Vorzüge! Denn hier könne man nämlich akkurat soviel Wald kriegen, als man haben wolle, — nicht mehr, aber auch keineswegs weniger! Einer der Nachbarn habe diesen Sommer einen halben Acre bepflanzt; jetzt sei er nach mehr gefahren und bringe voraussichtlich noch für einen weiteren halben Acre mit heim; das sei mehr, als der Mann nebst Nachkommen jemals verbrauchen würden. — »Ich will euch sagen, ihr Männer, wenn‘s euch nur um den Wald zu tun ist, so könnt ihr getrost nach Sioux reisen, sobald ihr die Wagen abgeladen habt, und noch diesen Herbst so viel Wald in den Boden pflanzen, daß ihr euch damit bis ins tausendste Glied behelfen könnt! — Ich komme gern mit und bin behilflich, und es soll euch keinen Cent kosten! — Nein, Leute, geradezu dankbar müssen wir sein, daß hier in der Nähe kein Wald ist! Jetzt haben wir in den sechs Wochen seit unserer Ankunft mehr Acker umgelegt, als du im Waldland kaum in ganzen sechs Jahren fertiggebracht hättest. — O nein, lieben Leute, redet mir nicht von Waldland!«

Es strahlte aus Tönset‘n gleichsam eine prophetische Inbrunst, wenn er sich daran gab, die Zukunft vor ihnen auszumalen. Der hellrote Bart wurde feuriger, die Augen leuchteten, die Stimme bebte, die Arme beschrieben Bogen, der ganze Kerl stand in zitternder Erregung. Er erzählte von den Schulen und von der Kirche, die sie gemeinschaftlich bauen wollten; von den Städten, die rings herum aus dem Erdboden hervorwachsen, von den Eisenbahnen, die die Prärie kreuz und quer durchschneiden würden, — gehe die Bahn nicht bereits bis Worthington? Bestimmt komme sie bald bis Sioux Falls! Dann hätten sie bloß noch fünfundzwanzig Meilen bis zur Stadt, — begriffen sie: bloße fünf—und—zwan—zig Meilen! Tönset‘n hackte das Wort in Stücke und wies ihnen jedes Stück einzeln vor. »Wartet nur ab, dann seht ihr‘s selber!« — — Es war, als breite sich die ganze Zukunft kartiert vor Tönset‘n aus.

Und zum Frühjahr kämen andere Norweger nach. Und dann wären sie alles Norweger, nur Norweger unter sich. Ja, dann war das Settlement fertig! — Gesetzt aber den Fall, sie zögen dorthin, wo niemand ansässig war? Denn das sähen sie doch wohl ein, daß ganz Dakota Territory nie bevölkert werden könne, — denn dazu gebe es nämlich einfach gar nicht genug Menschen auf der Welt, und kommen täten die auch nie und nimmer. — — Und gesetzt nun den Fall, daß sie das Pech hätten, sich anzusiedeln, wohin später kein Zuzug kam? — Well?

Die Gäste mußten einräumen, daß an dem, was der Mann da sagte, viel Wahres sei.

Sie kamen erst am späten Nachmittag von der Besichtigung zurück und kochten sich von Tönset‘ns Kartoffeln ein Gericht, das verschlug. Darauf wurde zur Beratung geschritten und die meisten stimmten für Spring Creek, und zwar wollten sie auf dem östlichen Bachufer nach Süden zu siedeln.

Tönset‘n hörte es schmunzelnd. Er lief stracks zu der Kjersti und erzählte es ihr — und der kamen die Freudetränen — und flitzte sogleich wieder hinaus. Er fühlte, daß das Geschick sich diesmal ihn zum Werkzeug erkoren hatte. Hier hatte er auf einen Schlag zwanzig gute Nachbarn eingefangen, noch dazu Norweger jede einzige Schnauz‘!