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Kitabı oku: «Das Schweigen der Prärie», sayfa 16

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VII

Er war kaum recht in die Stube gekommen, hatte er einen Sitz gefunden und die Pfeife angezündet, als sich noch ein Gast einfand. Tönset‘n trat herein und anscheinend in schlechter Laune. — Nein! Er wolle sich nicht setzen; habe übrigens die Absicht, weiterzugehen. — Wußten sie, daß die Solumbuben im Begriff waren, sie zu verlassen?

»Oh, wir wissen wohl soviel wie du, Syvert,« sagte der Per Hansen trocken. »Hier geschieht nicht gar so übermäßig viel zu dieser Jahreszeit.«

»Ja, aber meiner Treu, das geht nicht an, lieben Leute, — das geht einfach nicht an! Es ist, wie die Kjersti sagt: Uns bleibt bald nur der Schnee.«

»Oh, der reist wohl auch eines Tages seines Wegs,« lachte der Per Hansen.

»Ja aber,« fuhr Tönset‘n los, »warum richtet ihr euch auch so schlecht ein?«

»Wir?« fragte der Per Hansen.

»Jawohl, ›wir‹, jawohl!«

»Wir können doch wohl die Buben nicht gut anpflöcken, wenn sie fort wollen,« sagte der Hans Olsen.

»Nein, das können wir nicht!« Tönset‘n stand armfuchtelnd vor ihm. »Aber wir können uns vernünftig einrichten, das können wir!«

»Allright, Vater Syvert, nur heraus mit deiner Vernunft!« meinte der Per Hansen.

»O du schwätzest daher wie ein Trottel, Per Hansen! — Hier druckst ihr beide untätig herum. Aber Kinder habt ihr, und bekommen tut ihr noch mehr! Und da solltet ihr euch zusammentun und den Henry dazu anheuern, für das Kroppzeug im Winter Schule zu halten. Denn es sitzt ein guter Kopf auf dem Henry; viel Wissen hat er wohl nicht, aber der Bursch ist in Amerika geboren und aufgewachsen und kann tüchtig Englisch, das weiß ich. — Ich hab‘ keine Kleinen zu schicken, aber ich will gern ein paar Dollar zum Lohn aussetzen, auch ich, wenn ich zum Herbst erst meinen Weizen ausgedroschen habe.« — Tönset‘n schien sich das Ganze genau zurechtgelegt zu haben.

Die beiden andern hörten ihm schweigend zu. In Per Hansens Augen begannen wieder jene geschwinden kleinen Funken zu tanzen, die zeigten, daß er gut aufgelegt war. — — Der Hans Olsen grübelte über den Vorschlag nach. Es war so wahr, wie ausgesprochen, daß sie eine Schule für die Kinder nötig hatten; wenn sich aber die Buben nun entschlossen hatten zu reisen und bereits fertig waren? —

»Ja, da hockt ihr nun!« meinte Tönset‘n hitzig. »Und jetzt sage ich euch, wir gehen alle drei schnurstracks zu den Solumbuben und reden mit ihnen!«

»Es ist bloß das,« sagte der Hans Olsen langsam, »daß, wenn sie den Entschluß einmal gefaßt haben, dann ist es wohl nicht ganz recht an ihnen gehandelt.«

»Entschluß gefaßt!« schnob Tönset‘n. »Daß du auch solch einen blöden Jux von dir geben magst, Hans Olsen! Wie viele Male hast du nicht einen Entschluß gefaßt und dann abgesagt?

— — Ich will euch sagen, Leute, lassen wir jetzt die Solumbuben fort, dann ist es ziemlich ungewiß, ob wir sie wieder zu sehen bekommen, — unverheiratet und nicht gebunden wie sie sind. Ja, und das meint die Kjersti auch! Und wo sollten wir wohl wieder so gute Nachbarn hernehmen?«

»Wir können wohl immerhin versuchen?« überlegte verwundert der Hans Olsen. »Ja, was meinst du, Per Hansen?«

Der Per Hansen sprang vom Stuhl auf: »Ja, ich will dasselbe wie ihr, Mannsleut! Und es kann wohl dabei nicht schlimmere Schläge setzen als Abschläge.« — Dann besann er sich aber wieder eine Weile: »Eigentlich dürfte ich auf diese Fahrt wohl nicht mit? — Aber, ach Dreck!« Er warf sich den Mantel über und griff nach der Mütze: »Der Henry muß ohnehin Gelegenheit bekommen, mir seine Meinung zu sagen. Also ebensogut jetzt wie später!«

Das wurde eine lange Beratschlagung an jenem Abend bei den Solumbuben. An der Hüttenwand stand der Schlitten bereit, drinnen die Reiselade gepackt; der Henry und der Sam wollten sich gerade legen und waren befangen, als sie die drei Nachbarn vor sich sahen; und auch die benahmen sich so merkwürdig schüchtern.

Der Hans Olsen brachte das Anliegen vor.

Und da mußte der Henry herzlich lachen. Nein! Zum Schulmeister tauge er nicht. Habe übrigens auch an anderes zu denken. Irgendwo in Minnesota warte eine Dirn auf ihn. Finde er sie, brauche auch er wohl mit der Zeit eine Schule für die Kleinen!

Da mischte sich Tönset‘n ein. In seiner Stimme lag etwas, was allen Scherz ausschloß, obwohl sie über ihn lachen mußten:

»Ja, fahrt ihr, dann nehmt nur gleich mich und die Kjersti mit, obwohl ich nicht sehe, was wir in Ost-Minnesota anfangen sollten. Denn sie und ich, wir zogen gleichsam über das rote Meer, als wir letzten Frühling aufbrachen. Für uns führt kein Weg zurück! — — Was, glaubst du wohl, sollen wir anstellen, wenn ihr gefahren seid ? Beim Hans Olsen spielen sie nicht Karten, und der Per Hansen, der Arme, ja, der schleppt sich mit einer kranken Frau. Gott allein weiß, was dann hier werden soll — ja, das sagt auch die Kjersti!«

Der Per Hansen hatte bisher geschwiegen; jetzt klopfte er die Pfeife aus, erhob sich von der Reiselade und wandte sich an den Henry:

»Ich will dir akkurat sagen, wie es uns jetzt geht, und — das ist also Wahrheit: Reisen jetzt du und der Sam von uns weg, dann wird es für uns, die hier zurückbleiben, recht einsam und wunderlich, so daß wir nicht aus noch ein wissen. — Du hast wohl durchschaut, wie es heut um mich stand ? Da kamst du, mir ein schönes Angebot zu machen, und zum Dank dafür fuhr ich dir an den Kragen. — Und du weißt doch wohl, Henry, das ist sonst nicht meine Art.« — — Mehr gelang ihm nicht auf einmal vorzubringen, aber nach einer Weile setzte er hinzu: »Was für einen Schulmeister du abgibst, davon weiß ich wenig. Ich weiß nur so viel, daß ihr, du und dein Bruder, prächtige Burschen seid und keiner von uns euch entbehren mag! — Und nun könnt ihr es damit halten, wie es euch ums Herz ist.«

Der Per Hansen hatte mit einer merkwürdigen Ruhe gesprochen. Sein Ernst steckte sie an. Alle fühlten das gleiche: im nächsten Augenblick hätte er vielleicht angefangen zu flennen.

Es entstand eine lange Pause. Tönset‘n schneuzte sich gewaltig und wischte sich die Hand am Hosenbein.

Endlich sagte der Henry — seine Stimme war weich:

»Für uns ist der Winter weit schlimmer als für euch; wir sind bloß zu zweien, ihr aber dürft euch doch auch mit Weib und Kindern herumschlagen!«

»Kindern?« fragte Tönset‘n und wischte sich die Augen. »Nein, wie du daherred‘st, Henry!«

»Aber das kann sich nun gleichbleiben,« fuhr der Henry ernst fort, »wenn ihr es übernehmen wollt, uns Abendessen zu geben, jeder von euch eine Woche lang umschichtig, und außerdem mit Kleidung auszuhelfen, dann können wir‘s ja wohl versuchen, — oder was meinst du, Sam?«

VIII

Die Tage verstrichen. Tage in Sonne gebadet, — — — Tage in öder Verlassenheit, — Tage von einer Kälte, die alles Leben erstarren ließ.

Jemand aber wurde das Tageslicht nicht gewahr, ob es nun grau war oder golden. Die Beret starrte auf den Lehmboden der Hütte, sah nichts als Nacht rundum. —

Nein, die Beret sah um sich nur Finsternis. Sie versuchte es zwar, die Sonne einzulassen, vermochte es aber nicht. Seit sie hier herausgekommen, hatte sich der Eindruck immer mehr in ihr verstärkt —:

Das war die Vergeltung!

Jetzt kam die Strafe, die Gott der Herr ihr zugemessen hatte. Jetzt mußte sie die Schale seines Zornes trinken. — Weit weg war sie gewandert, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang; aber der Arm seiner Macht reichte weiter. Nein, sie konnte nicht entfliehen, — jetzt kam die Vergeltung! —

In dieser Stille war so guter Anlaß, alles zu überdenken; seit dem Herbst hatte sie nichts anderes getan. Oh, — sie hatte viele Erinnerungen!

Sie hatte den Per Hansen genommen, weil sie nicht anders konnte, obwohl sie niemand dazu zwang. — — Sie war schwanger von ihm geworden auf ungeziemende Weise; dennoch hatte sie keiner zu der Heirat gedrängt; weder Vater, noch Mutter, noch Obrigkeit. Nur sie selber. — Die Eltern hatten sich mit aller Kraft der Heirat widersetzt, sogar noch, als schon das Kind — der Olamann — da war.

Niemals hatte es das geringste verschlagen, was die Eltern oder sonst jemand sagten; sie hatte nur noch Augen für den Per Hansen gehabt! — In seiner Gegenwart vergaß sie das Gebot des Vaters und der Mutter und ihre inständigen Bitten. — Er war für sie das Leben gewesen. Darum hatte sie sich ihm hingegeben, obwohl sie wußte, daß es in Sünden war; hatte sich ihm in wildester Freude gegeben.

O ja! Hier hatte sie Muße gehabt, sich dessen zu erinnern, wie die Eltern gebettelt und gedroht hatten, sie solle von ihm lassen! Alle ihre Worte holte sie jetzt hervor und überdachte sie. — Der Per Hansen sei ein wankelmütiger Geselle, hatten sie gesagt. Er trinke; er raufe; er sei wild und unbändig; zu jederlei Tollheit sei er zu haben; kein ehrbares Weib könne mit einem Mannsbild dieser Art glücklich werden. — Und er halte sich gewiß auch zu andern Weibern, wo er nur dazu kommen könne. — Von all dem andern wußte sie, daß es auf Wahrheit beruhe; nur nicht das letzte, — nein, das nicht! Sie allein von allen Frauen besaß sein Herz. Dieses Bewußtsein hatte für sie des Lebens Süße ausgemacht. — — Was kümmerte sie sich wohl um all das andere! Nichts wog dieses Eine auf! — 0 nein, sie wußte, für ihn war sie die Königstochter!

Jetzt erst wurde ihr klar, was die Eltern alles versucht hatten, um sie beide voneinander zu trennen, und alle die Opfer, die sie gewillt gewesen zu bringen. Damals verstand sie es nicht! — Ach, ihre herzensguten Eltern, von denen sie sich abgekehrt, um an ihm festzuhalten! Wie sie gelitten hatten! Das Kind, das sie und er in Sünden gezeugt, hatten sie zu sich nehmen wollen, ihm Namen und Erbe geben und es an Kindes Statt aufziehen. Ihre teuer erworbenen Ersparnisse hatten sie angreifen wollen, um sie, die Tochter, aus der Schande wegzuschicken, so lieb war sie ihnen gewesen! Aber sie hatte nur nein zu allem gesagt, was die Eltern bereit gewesen, ihr in Liebe zu opfern. — —

Gab es eine Schuld, größer als die ihre?

Doch wie hätte sie anders gekonnt ? Wo der Per Hansen war, blühte für sie der helle Sommer. Wie sollte wohl ein Mensch das eigene Leben aufgeben können, was sein Leben ausmachte? Hörte sie von einer verwegenen Fahrt durch Unwetter und Orkan, bei der er mit seinem und anderer Leben gespielt, wurden ihr die Wangen heiß und der Sinn leicht. So war der nun einmal, den ihr Herz sich erkoren! Und niemand tat es ihm gleich, sang es in ihr. Wenn sie dann in der Sommernacht auf dem Heidekrauthügel saß und er kam und ihr den Kopf in den Schoß legte, den störrischen Kopf, mit dem nur sie fertig zu werden wußte, dann empfand sie es so, als durchschritte sie die Pforte des Paradieses! — — Und hätte sie tausend Leben gehabt, sie hätte sie alle für eine solche Stunde weggeworfen, und wäre obendrein glücklich gewesen!

— O ja, sie erinnerte sich jetzt an all das von damals; hier draußen war es still, und die Erinnerungen kamen so leicht! —

Sie hatte niemals Genaueres darüber erfahren; aber sie wußte wohl, wer den Hans Olsen dazu vermocht, den alten Hof zu verlassen und nach Amerika zu ziehen; nur zu einem Menschen noch außer ihr sah der Per Hansen auf und hatte ihn lieb, — das war der Hans Olsen. — Sie hatte den Hans Olsen darum beneidet, gemeint, er nehme ihr etwas. Selbst an die Sörine, die die Gutherzigkeit selber war, hatte sie sich um dieser Ursache willen nicht so anzuschließen vermocht, wie sie es wohl nötig gehabt hätte — weder in Norwegen noch hier. — — Aber als der Per Hansen jenen Frühling aus dem Lofot heimgekommen war und mutwillig und wild damit um sich geworfen hatte, daß er jetzt nach Amerika durchbrenne, — ob sie gleich mit wolle, oder lieber warten und später nachkommen? Ja, da war in ihrem Munde kein Nein gewesen. Drei Kinder hatte sie gehabt und ein ordentliches Heim nach kleiner Leute Art, — und sie war aufgestanden, hatte die Kinder genommen und war von allem übrigen weggegangen, als sei es ein Nichts!

Wie die Mutter geweint hatte — — und der Vater getrauert, als sie abreisten! Immer war der Vater als Bettler zum Per Hansen gekommen und hatte ihm alle seine Habe angeboten, — Boot und Gerätschaft, Haus und Hof nach seinem Tode, — wenn der Per bloß sich in Norwegen zufriedengeben und ihnen die Tochter nicht wegnehmen wolle. Und dann hatte der Per Hansen alles bloß weggelacht! In der Unerschütterlichkeit seines Entschlusses war etwas gewesen, das sie mit warmen Wellen durchflutet hatte. Sie hatte damals gewiß ein zweifaches Leben geführt, hatte mit den Eltern getrauert und war mit dem Per Hansen fröhlich und guter Dinge gewesen. Er hatte in jenen Tagen gehaust wie ein Sturm, so mutwillig und toll, und so harthändig, wo er zugriff. Nein, hatte er gesagt, akkurat jetzt wollten sie den Ausflug unternehmen! Amerika, das sei ein Land, wo es ein armer Tropf zu etwas bringen könne. Das Endlein Weg sei doch auch nicht weiter lang; gefiel es ihnen nicht, kämen sie halt wieder zurück, sobald eine passende Westwindsbrise aufspringe. — — Da hatten sie alles verkauft, was sie sich mühsam zusammengescharrt, hatten alles hinter sich gelassen wie ein Paar verbrauchter Stiefel — Eltern und Heim, Vaterland und Volk! — Und sie war mit allem einverstanden gewesen und obendrein noch glücklich! — — —

Gab es irgendwo noch eine Sünde wie die ihre? —

IX

Und dann war sie nach Amerika gekommen, und das Land entsprach keineswegs den goldnen Erwartungen, die sie sich gemacht hatte. Sie sah auch hier genug der Armut und des zerrüttenden Abrackerns. — Was nützte dann all der gute Boden, der sich hier ins Endlose dehnte? — Jetzt bekam sie zu spüren, daß ›der Mensch nicht vom Brot allein‹ lebt! — Und im übrigen war es auch mit dem Brot nicht immer allzu üppig bestellt.

Nein, das Schicksal selber hatte sie hierhergeführt. Das Schicksal, jawohl, das unausweichliche Lebenslos, das Gott der Herr von Ewigkeit an für jeden Menschen bestimmt, je nach den Pfaden, die er in seiner Allwissenheit den Menschen künftig wandeln sieht. — Jetzt wartete ihrer die Strafe — die Strafe, weil sie das vierte Gebot übertreten hatte.— — Im Laufe des Herbstes hatte sie ausgerechnet und zusammengelegt, und es stimmte aufs Haar: das Schicksal hatte alles so bequem für sie gefügt, damit die Strafe sie um so sicherer treffe. Es hatte sie dem Per Hansen in die Arme geworfen, und sie konnte nicht einmal bereuen! — Das Schicksal hatte mit Amerika gelockt, und sie beide waren gefahren!

Kaum aber waren sie angekommen, als das Westfieber in den Settlements wie eine Seuche zu wüten begann. So etwas hatte es noch nicht gegeben! Die Menschen waren von verwirrten Phantasien wie betrunken: sie redeten wie im Rausch: »Fahrt nach dem Westen! Fahrt bloß, guten Leute, fahrt! Je weiter nach Westen, desto besser der Boden!« — Die Leute sahen Fiebergesichte: unendliche Ebenen, überströmend von Reichtum, erglühten, wo am Abend der Tag hinabsank — ein seliges Elfenland des Glücks! — — — Sie hätte sich nie geträumt, daß der Herr die Menschen mit solch einer Tollheit schlagen könne. Und wäre es noch die Jugend gewesen! Aber die Älteren waren beinahe noch schlimmer. — Die Leute scharten sich zusammen zu kleinen Zügen und zu großen Zügen, nahmen mit, was mitgeführt werden konnte, verließen die alte Wohnstätte, ohne auch nur einen Seufzer dafür übrig zu haben! Immer weiter ging es nach dem Westen, wo die Sonne am schönsten erglühte, wenn sie am Abend versank. Die Menschen waren wild wie die Vögel am Meer zur Zeit des Brütens. Und sie flogen in kleinen Scharen, in großen Scharen, aber stets in die sinkende Sonne. — — — Jetzt verstand sie es: Hier machte sich der jahrtausendalte Hunger der armen Leute nach Menschenglück Luft.

Und in diese fiebergesättigte Luft waren sie hineingekommen! Hätte das Schicksal es wohl behender fügen können? — Sie wußte noch, wie es gleich in des Per Hansen Augen zu funkeln und zu glühen begonnen hatte! Es war seltsam mit ihm; denn er war zugleich so wundersam gut geworden. Nein, o nein, wie war er doch den letzten Winter und Frühling lieb zu ihr gewesen! Und solch ein Glück solle alles Seufzen und Sorgen nicht aufwiegen, hatte sie sich oft gefragt, ohne eine Antwort zu wissen. — — Nur eins wußte sie: seit diesem Frühling war sie wieder schwanger. Wollte ihr da jemand ausreden, daß das Schicksal hinter ihr aus sei!

Sie hatte von dieser Reise abgeraten; sie sollten sie hinausschieben, bis sie alles überstanden habe: ein Jahr mache wenig aus bei dem Überfluß von Land, wie es da draußen liegen solle. Aber dann rüstete der Hans Olsen, und damit war jede Menschenmöglichkeit, den Per Hansen zurückzuhalten, vernichtet. Alle ihre Besorgnisse wurden bei ihm zu Gelächter und Possen und mutwilliger Verliebtheit. Er hatte sie umfaßt, war mit ihr herumgetanzt, war mit so lustigen Schmeichelreden gekommen, daß sie mitlachen mußte. »Komm, Schätzelein, jetzt fahren wir!« Sie erinnerte sich noch deutlich, wie hübsch das Schmeichelwort an dem Abend in seinem Munde geklungen hatte.

Doch über eins war sie sich klar: den Per Hansen traf keine Schuld. Nein, alle Schuld kam auf sie. So lieb, wie jetzt hier draußen, war er wohl nie zu ihr gewesen. Sie hätte nicht für möglich, gehalten, daß ein Mensch nach einem andern ein so tiefes Verlangen tragen könne. — Und wer wollte sich mit ihm vergleichen! Wer machte ihm das nach, was er geschafft, seit sie sich letztes Frühjahr aufgemacht hatten! Nein, er war wie der Nordwind, der die Wolkenbänke vom Himmel fegt! — Unsagbare Zärtlichkeit trat der Beret bei dem Gedanken in die Augen —: Nein,— nicht wie der Nordwind: wie der sanfte Hauch an einem linden Sommerabend, so war er! — — Und an diesen Mann hatte sie sich gebunden und war ihm nur hinderlich, — eine Fessel am Fuß. War das nicht abermals die Vergeltung, die über ihr schwebte?

X

Die Beret rang mit vielen Gedanken.

War es nicht merkwürdig, wie das Schicksal alles so sinnreich gefügt? —

Am Ende der Welt hatte die Strafe sie jetzt ereilt. Und das stand jetzt endlich sonnenklar vor ihr: niemals werde sie aus dem Bett aufstehen, in das sie sich bald legen mußte. Es war für sie zu Ende.

Sie mußte so oft an den Kirchhof daheim denken. — Rings um den lief eine breite, steinerne Mauer. Man konnte sich nichts Verläßlicheres denken. Als sie noch Vaters kleine Dirn gewesen, hatte sie oft auf ihr gesessen. — Inmitten des Kirchhofs stand die Kirche, und alles in ihrer Nähe war in Schutz und in Sicherheit. Dort herrschte kein Grauen. Sie besann sich noch gut, wie die kleinen Buben über die Gräber zu hüpfen pflegten, und es war so lustig gewesen, daß sie selber mittat. — — Innerhalb dieser Mauer schliefen viele von ihren Angehörigen: zwei ihrer Brüder, auf die sie sich eben noch besann, ein Schwesterlein, dessen sie sich sehr gut erinnerte, obwohl es doch so lange, lange her war. Und alle vier Großeltern ruhten hier, auch der Urgroßvater. Hier lag ihr Geschlecht von Glied zu Glied bis tief in die Vergangenheit hinein vereint, — mehr Anverwandte, als ihr bekannt waren. Um den Kirchhof stand eine Reihe alter ehrwürdiger Bäume und blickte schweigend in den stillen Frieden. — Die schenkten guten Schutz, die Bäume! —

Nein, sie konnte sich nicht denken, wo er sie hier eingraben könne? Und noch dazu jetzt mitten im Winter, wo die Erde gefroren war? — — Wenn er sich nur Zeit nahm, tief zu graben, — die Wölfe heulten des Nachts so grausig. — Sie mußte mit ihm darüber reden, es half nichts; — — aber vorläufig eilte es wohl noch nicht. —

Eines Tages blieb die Beret lange draußen. Sie suchte bei dem zusammengeschmolzenen Holzstapel und beim Holzhäuslein; sie ging in den Stall und kam wieder zurück. — — Wo sollte er nur das Holz zum Sarg herbekommen? — Überall hatte sie nachgeschaut, aber nur ein paar kurze Bretterenden gefunden und ferner die Kalkkiste. — Mußte sie nicht doch gleich mit ihm darüber sprechen? Vielleicht, daß er bei den Tröndern am Sioux River etwas bekam, wenn er dort hinfuhr? — — Aber es hatte vielleicht noch ein paar Tage Zeit.

Oder wenn er die große Lade entbehren könnte! — Die Beret warf einen Blick auf die Lade und ward froh. — Diese Truhe hatte schon dem Urgroßvater gehört, war aber noch weit älter. Dort stand ›anno ... 16‹. Alles übrige war verwetzt. Rings um die Kanten lief schwerer Eisenbeschlag. Die Beret hob den Deckel und schloß ihn wieder. — — Sehr einfach, hier ausreichend Platz zu schaffen, wenn sie ihr nur genug hinter Rücken und Kopf legten! Sie fühlte, in der Lade könne sie gut und sicher schlafen. — — — Ob sie wohl mit der Sörine einmal darüber sprach? —

Eines Tages machte sich die Beret daran, die Lade auszuräumen. Sie hieß den Per Hansen aus der Kalkkiste ein Schränkchen zimmern und legte alles dort hinein — aber erst, als er nicht mehr in der Stube war. —

— Er war doch umsichtig gewesen, als er im Sommer Hütte und Stall unter gleichem Dach errichtete! Sie hatten die wärmste Hütte der ganzen Nachbarschaft. — Und sie hatte auch die Tiere bei sich in der Nähe, wenn sie des Nachts wachte. Es war so behaglich und beruhigend, ihnen zuzuhören. Sie meinte, ihre Wärme zu verspüren. — Sie konnte jedes an seiner Art zu atmen gut unterscheiden. Die Ochsen waren zuletzt mit Wiederkäuen fertig. — Buntscheck lagerte sich zuerst zum Schlafen zurecht. — Indi, der Pony, verhielt sich geheimnisvoll und still und ganz für sich. Ihn konnte sie nur hören, wenn die Wölfe in der Nähe heulten; da schnaufte er und stampfte. — — Die Beret hatte den Pony sehr liebgewonnen.

Und hörte sie die Tiere nicht, so suchte sie sich anderes zum Zeitvertreib. Als sie ein Dirnlein war und die Großmutter, Mutters Mutter, noch lebte, pflegte sie bei ihr über Nacht zu bleiben. Die Großmutter war eine liebe Frau, gut gelaunt und fröhlich, obwohl sie schon so alt war. — Ehe sie einschlief, pflegte sie jeden Abend im Bett kleine ›Herzensseufzer‹, kurze Gebetlein, aufzusagen. Die Beret konnte sich nicht mehr auf jeden der frommen Verse besinnen; aber einige suchte sie sich doch zusammen und sagte sie immer wieder für sich. —