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Kitabı oku: «Das Schweigen der Prärie», sayfa 19

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IV

Schneesturm und Kälte ... Gelber Himmel ... Grauwetter ... Blizzards, die tagelang anhielten ... Klärte sich‘s eines Nachmittags wirklich auf, so war eine Nebensonne am Himmel zu sehen — und jeder wußte, was das Zeichen zu bedeuten hatte!

Der Winterweizen, den die Neusiedler im Sommer aus der Stadt heimgebracht hatten, schmolz zusammen wie Schnee in kräftiger Frühlingssonne. —

Der Hans Olsen erfand eine neue Art Brennwerk, das gute Dienste tat, als der Holzvorrat einschrumpfte. — Als er nämlich eines Tages das grobe Heu, das die Kuh verschmähte, aus der Krippe herausnahm, kam ihm plötzlich in den Sinn, daß das am Ende doch noch zu etwas zu gebrauchen sei. Hans Olsen hatte sich bei allem, was er sich ins Haus geholt, als vorbedachter Mann erwiesen. Ging es wohl an, mit dem Abfall das Feuer zu schüren ?

Damit es nicht zuviel Spreu in die Stube brächte, drehte er das Heu zu festen Wischen zusammen, ehe er es hineintrug. Und es gab gutes Brennwerk ab. Lockeres Zeug war es zwar; aber es brannte wie Birkenborke und wärmte vortrefflich. — Er erzählte den Nachbarn von der Erfindung, und sie machten es ihm nach. Doch auch hier hieß es sparen; denn zog sich die Frühjahrsknappheit sehr lange hin, konnte Futtermangel böse Folgen nach sich ziehen, —

Als der Februar herankam, blieb kein anderer Rat, als daß die Männer nach Osten in den Wald am Sioux River fuhren.

Da gab es viel vorzubereiten. Aber der Henry durfte sich darum nicht stören lassen. Es gehe nicht an, die Weiberleut hier ohne Mannshilfe zu lassen, und es passe gut, daß er die Schule halte; da könne er in Abwesenheit der andern alles betreuen.

Tönset‘n wie auch Hans Olsen waren der Meinung, daß es für den Per Hansen untunlich sei, um diese Jahreszeit eine solche Fahrt mit seinen Ochsen zu wagen; er solle sich mit einem von ihnen zusammentun; dann arbeiteten sie alle vier gemeinsam und bekämen gleichen Anteil an dem, was sie heimbrachten.

Das war ein verständiger Rat. Doch der Per Hansen äußerte sich nicht sogleich dazu. Er grübelte erst einen Tag lang darüber. Einen Schlitten hatte er sich vor Weihnachten, so gut es ging, gezimmert.

Als die Buben eines Tages aus der Schule kamen, nahm er sie mit hinaus, zog die Ochsen aus dem Stall und begann, sie mit Trense und Zügel einzufahren; bisher hatte er sie im Joch geführt und mit Zuruf angetrieben, wie alle andern, die Ochsen als Zugtiere benutzten.

Das Ochsengespann hatte er letzten Winter in Ost-Minnesota einem Schweden abgekauft, der sich statt dessen gern Pferde hatte zulegen wollen. Der Schwede hatte sich die Ochsen von einem Iren in Süd-Iowa eingetauscht, und der Himmel mochte wissen, wieviel Eigentümer sie bereits erlebt hatten. Der Schwede hatte sie Tom und Buck genannt; aber diese Namen gefielen dem Per Hansen nicht. Wollte er die Ochsen auf Langfahrt brauchen, so mußte er für seine Boote passendere Namen finden. Nach einigem Nachdenken taufte er sie in Sören und Perkel um. Das Umtaufen glückte; denn die neuen Eigentümer waren von einer den Tieren bisher ungewohnten Gemütsart. Daß die Ochsen vorher nicht verwöhnt gewesen, erzählte das Fell auf ihren Hinterschenkeln mit aller nur erdenklichen Deutlichkeit. Die Buben und die Ochsen freundeten sich sofort innig miteinander an; der Große-Hans bevorzugte den einen, der Ole den andern; sie kraulten die Ochsen vorne, und sie kraulten sie hinten; sie hängten sich ihnen um den Nacken, und sie ritten auf ihren Rücken; die Ochsen trabten bald hinter den Buben her, sobald sie sie erblickten. Da die Buben sie um den Nacken faßten und streichelten und Sören zu dem einen und Perkel zu dem andern sagten, waren die Tiere wohl dahinter gekommen, diese Laute mit ihren neuen Eigentümern zu verbinden; kurz und gut: die Ochsen hörten stets auf ihre Namen.

Als der Per Hansen sie jetzt zottig und struppig im Winterpelz zum Einfahren aus dem Stall holte, standen sie dösig vor dem Schlitten im Schnee und blinzelten über die stiebende weiße Prärie. Sie benahmen sich höchst ungebärdig im neuen Geschirr; es ging vielleicht eine Strecke erträglich; aber dann setzten sie plötzlich in weiten Sprüngen in eine Schneewehe und standen still, streckten nur die Zungen heraus und schleckten Schnee. Das war nichts! — Der Ole lief nach vorn und kraulte den einen, der Große-Hans tat das gleiche mit dem andern; und wenn die Ochsen sich dann lange genug besonnen hatten, und in den Zuruf des Per Hansen jenes dunkle Etwas kam, legten sie sich in die Stränge und zogen den Schlitten wieder heraus, selbst wenn sie sich Gott weiß wie tief in den Schnee eingewühlt hatten.

Das Einexerzieren der Ochsen wurde fortgesetzt und machte viel Spaß, — und zu guter Letzt ging es so gut, daß der Per Hansen eines Abends beim Ausspannen zu den Buben sagte:

»Jetzt geht‘s wie geschmiert. — Wenn ihr was taugtet, führet ihr mit diesem Gespann und Gefährt stracks zur pazifischen Küste und holtet für mich und die Mutter eine Fuhre Fisch!«

Die Buben grinsten still dazu.

Jetzt aber stand Per Hansens Entschluß, die Fahrt zum Sioux mit den Ochsen durchzuführen, fest. Und an dem Abend war er höchst aufgeräumt und munter.

Als sie sich aber legen wollten und die Beret beim Herde das Jüngste für die Nacht besorgte, sagte sie:

»Du mußt diese Fahrt wohl unternehmen, kann ich recht verstehen?«

»Ja, das muß ich wohl, sollen nicht du und das Jüngste zuschanden frieren.«

Mehr wurde zwischen ihnen davon nicht geredet. Aber die Beret lag wieder lange wach und wandte die Gedanken hin und her.

Das war entsetzlich, das Leben hier! —

V

Die Männer warteten mehrere Tage auf passendes Wetter zur Fahrt. Der Wind stand unsicher in der Luft, auch die Wegbeschaffenheit war just nicht die beste; die Kälte war böse; sie fraß sich in alles, was sie zu fassen bekam.

Aber dann klarte es eines Morgens auf. Als die Sonne ein Stück am Himmel emporgestiegen war, wehte ein Luftzug, so milde wie am schönsten Frühlingstag; das sah ganz nach Wunschwetter aus. — Die Männer kamen zusammen und überlegten, ob sie es nicht heute versuchen sollten. »Ja, es sieht ja recht hübsch aus,« meinte Tönset‘n, schaute ins Wetter und drehte den Priem im Munde. »Im übrigen ist es wohl aber heute nicht akkurat verläßlich? Das sind zu dieser Zeit des Jahres nicht natürliche Aspekte. Es schneidet mir ein gar zu freundlich Gesicht!«

Es sei am Ende doch das beste, es zu versuchen, riet der Hans Olsen. Die Februarmitte komme heran und vielleicht sei gar die Frühlingsschmelze im Anmarsch.

»Well,« sagte der Per Hansen, »wollen wir noch, ehe die Frühjahrsbestellung uns über den Hals kommt, ein paar Stöcke Holz ins Haus bekommen, so ist es wohl das gescheiteste, daß wir sogleich aufbrechen. — Im übrigen stimme ich dir bei, Syvert: es ist gar zu mild von Angesicht, als daß ihm zu trauen wäre. Aber — bis zu den Tröndern gelangen wir noch alleweil.«

Da hieß es also sich tummeln. Es war noch viel zu besorgen und nachzusehen, so daß sie erst von Hofe wegkamen, als die Uhr bereits auf elf ging. Mundvorrat nahmen sie nicht weiter mit, da sie zu gastfreundlichen Leuten fuhren; nur der Sicherheit halber steckten sie sich ein paar Bissen in die Tasche.

Es wurde ein stattlicher Zug: vier Gespanne vor je einem Schlitten fuhren hintereinander über die weiße Fläche. Der Hans Olsen, der die schnellsten Pferde hatte, fuhr voran; dann kam Tönset‘n, darauf der Sam; zu hinterst stapften die Ochsen des Per Hansen vor dem selbstgefertigten Schlitten.

Die Zurückbleibenden sahen vor den Hüttentüren den Zug von dannen ziehen; die Kinder bekamen schulfrei. — Der Große-Hans ballte die Fäuste vor Wut. So eine Wirtschaft! Also so eine Wirtschaft! Er und der Bruder sollten bei dem herrlichen Wetter drinsitzen und alle die Geschichten, die sie von ewig her konnten, immer von neuem wiederkäuen! Da fuhren jetzt die Mannsleut in allerlei Abenteuer hinein. Der Vater hatte gewiß die Lange Marie dabei — der schoß heute wenigstens seine zehn Wölfe! Und vielleicht war Blankeis auf dem Elv und Löcher im Eis und Fische und allerlei sonst! — Der Bruder war ganz der gleichen Meinung.

Die Beret hatte den Säugling gelegt und war mit hinausgegangen. Als die Männer starten sollten, ging sie jedoch wieder hinein; sie fühlte ihre Knie zittern. Das Fenster schaute nach Osten und in dieser Richtung fuhren sie; aber sie wagte nicht, ihnen durchs Fenster nachzusehen. Und doch war es nicht gerade Entsetzen, nicht so, wie sie es früher empfunden, wenn er fortfuhr; — sie gewann es nur nicht über sich. —

Der Zug fuhr dahin, Schlitten und Tiere wurden kleiner, wurden zu Pünktlein auf dem endlosen Weiß, verschwanden. —

Es ging gut mit den Ochsen. Als die trägen Tiere sich erst richtig in Bewegung gesetzt hatten, hielten sie sich an die Spur und blieben nicht allzuweit zurück. Übrigens war der Schnee auch matschig, und es war schwer, die Fährte aufzubrechen, so daß die mit Pferden sich dabei abwechseln mußten. Das Wetter schien sich halten zu wollen. Dennoch beeilten sich die Männer, so sehr sie konnten.

Um die Mittagszeit erhob sich aus Süden ein sanftes Wehen; der Schnee unter den Hufen wurde immer körniger; die Luft war so milde wie an einem Tag im Mai. Am ganzen Himmel war nicht ein einziger Wolkenfetzen. Hätte nur die Sonne nicht so stark geblendet, daß es fast unmöglich war, die Augen offenzuhalten!

Das Wetter hielt sich so bis nach drei Uhr.

Alles ging gut, und der Per Hansen vermutete bereits, daß er in wenigen Stunden die Landschaft am Sioux erspähen werde. Als er jedoch die Augen zum Westhimmel schweifen ließ, wurde er dort draußen längs der Prärie einen schwarzen, wellenförmigen Rand gewahr. Täuschten ihn seine Augen? Er rieb sie sich und sah wieder hin, rieb tüchtig und versuchte von neuem. — Ja gewiß, das war ein Rand! — Er fühlte das Herz in sich pochen und feuerte die Ochsen an, was das Zeug hielt.

Das da draußen wuchs, — wuchs unheimlich schnell. Der Rand wurde zu einer schwarzen, dickwolligen Masse; — die war lebendig; — die schien brüllend den Himmel heraufzuziehen. — Über ihm stand noch spiegelklarer Tag; aber der war jetzt schwarzblau.

Der Luftzug aus Süd blaffte ein paarmal auf und starb hin; hinterher fröstelte es empfindlich. — Eine unheimliche Stille senkte sich herab.

Das, was da herankam, lebte. Es schob sich unaufhörlich in die Höhe. Kalte Windstöße liefen voran. — Und es war so düster.

Die an der Spitze hielten. Der Hans Olsen wartete, bis Tönset‘n und der Sam heranwaren; die drei Schlitten standen alle nebeneinander, als der Per Hansen sie erreichte.

»Jetzt haben wir ihn gleich,« sagte der Hans Olsen ernst. Er rollte, neben seinem Schlitten stehend, das Sorr-Tau auf.

»Stimmt wohl!« meinte der Per Hansen trocken. »Läuft‘s gut ab, kann‘s uns ja gleich sein!« Auch er legte jetzt sein Seil zurecht.

Die Solumbuben hantierten ihr Tau schweigend.

»Nun, meine ich, halten wir‘s so,« sagte der Hans Olsen, »daß wir von dem einen zum nächsten ein Tau legen, damit wir im Schneesturm nicht auseinanderkommen. — »Was meinst du, Per Hansen?«

»Das könnten wir wohl. Aber freilich sieht es so aus, als bekämen wir den Wind in den Rücken? Wir müssen scharf auf ihn achten. Schaut mir ja gut nach der Flußlandschaft aus! Denn jetzt kommt es darauf an, daß wir nicht an den Tröndern vorbeisegeln; eilt euch! — Verdammt noch eins, daß wir keinen Kompaß mithaben!«

Der Per Hansen sprach hastig, ganz so, als sei er innerlich rasend.

Jeder band sein Sorr-Tau am Schlitten fest und gab das andere Ende dem hinter ihm Fahrenden.

Der Per Hansen lief zu dem Solumbuben vor: »Bist du fertig, Sam ? Hast du auch verläßlich festgebunden ? Fragt sich freilich, ob ich‘s mit dir im Tempo aufnehmen kann. Und jetzt sage ich dir eins: Du kümmerst dich um nichts, was hinter dir geschieht! Hörst du? Und das Tauende vom Syvert läßt du um alles in der Welt nicht los, — verstanden? — So, und jetzt los!«

Der Per Hansen und der Hans Olsen hatten schon so manches Wetter plötzlich heraufkommen sehen — beide waren alte Lofotfahrer; aber so etwas wie jetzt hatten sie doch noch nicht erlebt. Ein riesenhafter alter Troll erhob sich im Westen, schnitt ein Loch in den Sack und schüttete das Ganze über sie aus: ein Schneegestöber so dicht, daß sie kaum weiter als Armeslänge sehen konnten. — Ein Saugen ging ihm voraus; es blaffte ein paarmal wütend auf, gewaltig; dann kamen ein paar zage Windstöße, unbestimmt, — huschten hierhin und dorthin, suchten, fegten den Schnee um die Schlitten zusammen. Hoch oben in der Luft fauchte und brüllte es. Und dann — wurde es ernst.

VI

Der Sturm heulte und kreischte; jagte das Schneegestöber vor sich her wie riesige Sturzseen; rundum raste grauschwarzes Gewühl.

Unwillkürlich guckte der Per Hansen nach oben, blinzelte durch einen schmalen Spalt des rechten Auges durchs Gestöber, — er mußt‘ doch einmal sehen, ob der Mast auch hielt!

Plötzlich gab es in seinem Tauende einen gewaltigen Ruck; er wäre fast vornüber gestürzt, ließ los und kam wieder ins Gleichgewicht.

»Da fuhr mir also der Sam davon!« murmelte er und biß die Zähne zusammen.

Die zwei Fahrzeuge, deren er sich bediente, führten sich nicht nach Wunsch und Absicht; die kamen keineswegs in Schuß bei der stürzenden See. O nein! Die braven Ochsen trotteten und trappelten vielmehr mit dem Wind dahin, verlangsamten ihren Schritt immer mehr — und standen plötzlich wie festgenagelt. Sie schüttelten sich etwas, zogen den dicken Schädel ganz in den kurzen Nacken ein, buckelten sich ein wenig mehr als sonst und ließen das Achterteil möglichst tief hängen.

— — Da standen sie!

»Jetzt habe ich doch noch nie im Leben —!« murmelte der Per Hansen in den Sturm hinein. Der Gedanke durchschoß ihn: »Jage dem einen dein Dolchmesser zwischen die Rippen, zieh ihm die Haut ab, wickle dich hinein und laß dich einschneien, — das ist die einzige Rettung!«

Nein, das bekam er nicht fertig. Der Sören und der Perkel, die hatten ihn und die Seinen hergekarrt, die hatten all das Neuland für ihn umgebrochen; und sollte dereinst der Königshof erstehen, mußten sie auch dabei helfen. — Und Sören hatte so herzensgute Augen, und Perkel hörte so hübsch, wenn man ihn rief.

Er warf sich vom Schlitten und tappte sich zu den Ochsen vor, faßte sie beim Schopf und begann ihnen aus Leibeskräften die Stirn zu reiben. Und zugleich sagte er ihnen ins Ohr:

»Du alter Sören und du Perkel, jetzt zeigt, schockschwerenot, daß ihr wackre Kerle seid!«

Darauf bürstete er ihnen die Seiten schnell und harthändig vom Schnee rein, kraulte sie ein wenig unterm Schwanz und krabbelte selbst wieder auf den Schlitten. Und jetzt schrie er sie aus vollster Lunge an: »Los jetzt mit euch, ihr Trollpack!« und versetzte ihnen eins mit der Peitsche — es war das erstemal überhaupt, daß er ernstlich zuschlug.

Die Ochsen machten erst einen mächtigen Satz, dann noch einen, und dann sausten sie in das Unwetter hinein, auf und davon! Er hatte das Gefühl, als rase er eine Riesenwoge nach der andern herab bei vollbesegeltem Boot; — mehr hielt es nicht aus! — Im nächsten Augenblick mußte es gieren und kentern. Abwärts ging es, immer weiter abwärts!

Hebt sich denn diese See nicht einmal wieder? dachte der Per Hansen.

Nein, was in des Herren Namen war jetzt das! Da war doch etwas geschehen ? Er glaubte ein Krachen zu hören, wie wenn zwei Baumstämme mit großer Gewalt aneinanderstoßen; er meinte eine große schwarze Flocke an Steuerbord vorbeifegen und nach achtern verschwinden zu sehen. Ja, war da nicht noch eine? Und noch eine!

Nein —!

»Ho! Ho!« brüllte er in der Richtung des Sturms. »Halt! halt doch!« Jetzt war er so wütend, daß er sich mit aller Wucht in die Zügel legte. »Verdammte Trollhengste. Halt! Ho!«

Aber die Ochsen bliesen ihm eins, — die Geister des Sturms waren in sie gefahren; sie jagten davon, als seien sie toll geworden; kamen sie an eine Schneewehe, so gab es einen Satz, daß die Flocken von unten ärger stoben als die von oben; der Per Hansen hatte vollauf damit zu tun, sich am Schlitten festzukrallen.

Dieser Höllenritt dauerte lange; wie lange, das wußte er nicht; er selber glaubte, mehrere Tage.

Aber da fingen sie an, ihr Tempo zu mäßigen; immer mehr; jetzt ging es in ein Traben über, und gleich darauf wurde daraus ein gemächliches Schreiten.

Und dann standen sie. Er konnte sie durch den Sturm deutlich keuchen hören.

Der Per Hansen krabbelte vom Schlitten und bekam mit vieler Mühe den einen der Heusäcke auf. Er riß ein Büschel heraus, arbeitete sich zu den Ochsen durch und machte sich daran, sie mit dem Heuwisch abzureiben.

Das Unwetter tobte jetzt so fürchterlich, daß er das Gesicht abkehren mußte; der Schnee bohrte sich tief in die Haut. Er rieb aus aller Kraft, erst den Sören, dann den Perkel; und als ihm die Arme müde wurden, kroch er zum Heusack zurück, schleppte ihn vor und hielt ihn den beiden vor die Mäuler. — Er hielt, während sie fraßen, den Sack, bis er vor Kälte und vor Schnee, der sich wie Nägel in seine Kleidung hineintrieb, erstarrt zu sein vermeinte.

»Eilt euch jetzt, eilt euch, ihr Trollkerle! — Gottlob, daß sich noch Leben in euch regt!« flüsterte er ihnen in die Ohren.

Endlich fand er sich wieder zum Schlitten zurück, löste mit klammen Fingern die steife Persenning los und wickelte sich darin ein; den Heusack schüttete er aus und wand ihn sich um den Kopf. — Und dann verdeutlichte er ihnen mit ein paar aufmunternden Kraftworten, jetzt müßten sie vorwärts, — immer vorwärts, vorwärts.

Jetzt aber hatten sie sich etwas anderes ausgedacht: sie sausten nicht davon, sondern sie begaben sich daran, gemächlich mit dem Winde weiterzutrotten — etwa mit der Geschwindigkeit, mit der sie an einem warmen Sommertage vor dem Pfluge herschritten. Er wetterte und schimpfte, er gab ihnen Schmeichelworte, er zog ihnen mit der Peitsche tüchtig eins über — alles mit dem gleichen Erfolg: die Ochsen stampften und trampften mit ihm und dem Schlitten durch das Unwetter, als sei alles herrlich und in Ordnung.

Pechrabenschwarz war es rundum; das Schneegestöber war zwar nicht mehr ganz so dicht; um so schlimmer war jetzt die Kälte; — die stach so böse in den Rücken; und der Wind hatte zugenommen, dessen war er sicher; denn er konnte sich kaum noch auf dem Schlitten festhalten.

Er sah in die Finsternis hinein: Das ist jetzt also deine letzte Fahrt!

Es war ihm leid darum. — Der Herrgott hätte wirklich noch eine Weile auf ihn warten sollen, damit er noch erlebte, wie sich hier draußen alles entwickeln und wie sich der Permann arten werde. — Seltsam, daß der Herrgott der Beret so übel wollte? Daß er ein kränkliches Weib in all dem Ungemach allein hier im Westen sitzenlassen konnte, — und jetzt gingen auch noch die Ochsen mit drauf! — Eine sonderbare Ordnung, wahrhaftig!

Er fühlte, daß ihn fror; — fror; er wickelte sich die Zügel um den Schenkel und beklopfte sich alle Glieder. Das half wohl an den Händen, aber im Rücken wurde es um so schlimmer, — der Wind ging durch und durch.

Er mußte doch jetzt schon weit, weit an den Tröndern vorbei sein ? Die Ochsen hielten gewiß erst einmal an der atlantischen Küste! — Ihn fror, daß ihm die Zähne klapperten.

Aber dann war es plötzlich, als sei es gar nicht mehr so kalt, es zog nicht mehr so schlimm durch ihn durch; er fühlte sich wohlig und müde, ach, so schlafensmüde.

Da riß er sich gewaltig zusammen, biß sich heftig in die Zunge, — er wußte doch wahrlich, was das zu bedeuten habe!

Nein! Das durfte nicht geschehen! Sonst blieb die Beret mit den vier Kindern allein!

Er rutschte vom Schlitten und begann neben den Ochsen herzustampfen; die Zügel wickelte er sich um den Arm.

Er war ärgerlich auf den Herrgott: Es war nicht recht von dem, ihn jetzt von der Beret fortzunehmen, — was der sich wohl eigentlich dabei dachte? ... Und die Beret war der beste Mensch der Welt. — Hieß das etwa ›für die Seinen sorgen‹?

»Beret, Beret,« gurgelte es in ihm, »jetzt fahre ich dahin!« —

Das Unwetter fauchte. Die Kälte nahm zu. Er ging durch etwas endlos Schwarzes, das rasend geworden, bis in ewige Zeit weiter rasen würde ...

Er ging und ging. — —

Er wurde nicht müde, schien ihm, — keineswegs müde. — Wohin gelangte er wohl zu guter Letzt, wenn er immer so weiter ging? — Ein Name tauchte aus dem Unwetter auf, leuchtete vor seinen Augen: Rocky Mountains. — Sonderbar! — Wie er so durch die Schneewehen humpelte, teilte sich der Name vor ihm in Stücke: Rocky — ocky — — Moun — tains! — Rocky — ocky — — Moun — tains! Nein, das stimmte ja aber gar nicht; die Rocky Mountains lagen nicht in dieser Richtung; — war er drauf und dran, vollständig verrückt zu werden? — Jetzt widerstand er vielleicht nicht mehr sehr lange, er fühlte es: es wäre so süß — so unsäglich süß — sich in diese Wehe hineinzulegen — und nicht mehr aufzustehen! — Nur einen Augenblick würde es dauern; denn jetzt war er so herrlich satt und müde.

Aber da weckte ihn ein Gedanke zum Bewußtsein, ließ ihn hellwach und behutsam werden: Der Sam? — wenn die jetzt von dem armen Sam weggefahren waren? — Der Sam war ein wackerer Bursch, — aus dem wurde mit der Zeit noch ein Mann, — gute Singstimme und alles. — Guter Gott, war das nun auch seine Schuld, daß der Sam heute nacht das Leben einbüßte? — Hätte er, der Per, an jenem Abend geschwiegen, dann säßen der Sam und der Henry jetzt sicher und warm in Ost-Minnesota! Und doch: die mußten sich mit ihren Rössern eigentlich durchhelfen können, wenn das Wetter nicht schlimmer wurde als jetzt? — Wenn sie doch nur nicht von dem Bürschlein wegfuhren!

Der Per Hansen fiel und stand wieder auf, fiel und stand wieder auf; die Zügel hatte er gut um den Arm geschlungen; die Ochsen zogen ihn mit; er mußte auf und weiterstapfen, — jetzt war er nicht einmal mehr imstande, den Fäustling abzustreifen und die Zügelschlinge am Arm aufzuknüpfen. — Rocky — ocky — — Moun — tains, Rocky — ocky — — Moun — tains! — Die pazifische Küste lag ja wohl gleich hinter diesen Bergen, — da gab es keinen Winter, — nein, keinen Winter; und da fischten sie sowohl Heilbutt wie Seeulk. — Nein, keinen Winter ... könnte er sich bloß über die Rocky — ocky — Mount — ains! schleppen! — — — Aber das war ja die verkehrte Richtung!

Die Ochsen trotteten mit dem Winde, zerrten den Per Hansen jedesmal am Arm hoch, wenn er stolperte und nicht mehr Lust hatte, sich zu erheben; er mußte auf und ihnen nach. — — —

Nein, was war jetzt das? Die Ochsen standen, der Per Hansen stand, — stand!

Seine erste Eingebung war, sich in den Schnee sinken zu lassen, jetzt, wo er endlich Ruhe hätte haben können. Aber etwas in ihm erhob sich und gebot ihm, stehenzubleiben. Er schleppte sich zum Perkel vor, legte dem den Arm über den Rücken und stützte sich gegen dessen Schenkel.

Was für eine Absonderlichkeit war denn das nun wieder? Wollte es Tag werden? — — — Zwischen den beiden Ochsenköpfen sah er ein gelbes Auge durch das Schneegestöber blinken! — Gewiß, das war doch ein Auge?

— Jetzt sehe ich den Totenfisch, Totenfisch oder Totenvogel: Vorzeichen des bevorstehenden Todes im norwegischen Volksglauben. jetzt ist es also soweit! —

Da setzte Sören plötzlich zu einem mächtigen Brüllen an; es war noch nicht verklungen, als Perkel ein gleiches tat, gewissermaßen, um den Antrag des Kameraden nachdrücklich zu unterstützen; der Perkel gab sich solche Mühe bei dem Brüllen, daß er geradezu schlank in der Taille wurde. Aber dabei kam der Per Hansen doch zu klarerem Bewußtsein; er tappte sich so weit vor, daß er an Perkels Kopf kam, — und stand plötzlich vor einer Wand!

Hier waren die Windbretter der Ecke!

Den Per Hansen rüttelte es, daß er sich kaum auf den Beinen hielt. Das Auge, das er da vor sich sah, war der Lichtschein aus einem kleinen Fenster jenseits der Hausecke, der durch das Schneegestöber fiel. — Nein, o nein, war er denn bis nach Filmore County gefahren? —

Er tappte sich um die Ecke herum, fand eine Tür, öffnete ohne weiteres und trat ein.