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Kitabı oku: «Das Schweigen der Prärie», sayfa 21

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X

Die Tage wurden allmählich wieder länger. Und der März zog herauf, und das Wetter wurde nicht schlechter. — Der Per Hansen arbeitete wie toll; reichte ihm der Tag nicht, nahm er kurz entschlossen die Nacht zu Hilfe. Und im März vollbrachte er ein paar Heldenstücke, von denen noch heute in der Gegend die Mär geht.

Mit jedem Besuch bei den Tröndern hatte er mehr von der Indianer-Kolonie bei Flandreau erfahren. Die Sioux betrieben dort das Fallenstellen von Beginn der Herbstfröste bis zum Frühlingstauwetter. Im Frühling verfügten sie über große Lager von Fellen, hauptsächlich von Wasserratten; aber auch Nerz- und Fuchsfelle waren darunter, bisweilen auch ein Wolfsfell. Die Felle verkauften sie, wo sich Gelegenheit bot, und nahmen dafür, was sie eben bekamen, und das war kaum der vierte Teil von dem, was man in Ost-Minnesota dafür einlösen konnte. Ein Wasserrattenfell wurde in diesen Gegenden mit 10 Cents bewertet — 10 Cents und nicht mehr; und im Osten wurde dasselbe Fell mit 50 Cents bezahlt. — Längs des Elvs wohnten Leute, die angefangen hatten, die Felle von den Indianern aufzukaufen und sie nach Osten zu verfrachten.

Über das alles und mehr dazu hatte sich der Per Hansen unterrichtet, und den ganzen Winter über hatte er es gründlich erwogen, nichts jedoch vor irgend jemand erwähnt. Die Gedanken ließen nicht mehr locker; er dachte daran des Tags, grübelte darüber des Nachts, wurde wortkarg und kam leicht aus der Stimmung.

Warum sollte er nicht selber mit den Indianern unterhandeln und verdienen, was zu verdienen war; er konnte es brauchen! Ja, warum eigentlich nicht? Bis Flandreau waren es nicht mehr als vierzig Meilen, — von dort bis Worthington etwa neunzig. Und dort wartete auf ihn der Zug nach Osten! Jetzt wurden die Tage länger, er konnte sich hier nicht das geringste vornehmen — und das Wetter war nicht ärger, als daß man dabei reiten konnte. — Zu Flandreau lagen die Felle, in Ost-Minnesota lag der Gewinn, — eine rührige Ameise schaffte viel. — Peder Sieg, klang es in ihm, — Peder Sieg — —

Aber er besaß nicht mehr als gerade fünf Dollar! Ob er jetzt zum Hans Olsen ging und den mitnahm? Der hatte die Heller, war noch nicht so ganz auf den Hund, der Mann. — Doch damit war noch nicht gesagt, daß es ihn nach solchen Wagnissen gelüstete. Und wie konnte er ihn mitnehmen und Tönset‘n daheimlassen? Es war nicht gerade kurzweilig, dann daheim zu bleiben! — Wenn sie drei aber fuhren, dann mußte auch einer von den Solumbuben mit — wohl der Henry, denn in dem war noch am ehesten Kernholz. Aber dann fiel die Schule aus. Und dann wurde von der ganzen Geschichte Gerede gemacht, und die Weiber wurden alle miteinander furchtsam.

Nein, er wußte nicht so recht, wie er es halten sollte, damit es gelang. — Aber zum Verrücktwerden war‘s, daß einem das Geld geradezu vor der Tür lag! Und er hätte am liebsten noch ein Landquart dazu gehabt, ja, und noch vieles andere außerdem! —

Die erste Märzwoche verging.

Eines Morgens war der Per Hansen früher auf als gewöhnlich und besah sich das Wetter. — Das gehe wahrhaftig nicht länger an, sagte er zur Beret, unterbrach sich und wartete darauf, daß sie frage, was denn nicht länger angehe. Als sie aber schwieg, fuhr er fort: jetzt stehe die Frühjahrsbestellung vor der Tür — er sei ohne Geld — sie brauchten vielerlei, außerordentlich viel, sowohl Nasses wie Trockenes, — so daß er wohl zusehen müsse, sich etwas auszudenken, womit sie sich ein paar Dollar verdienen könnten; — er sehe keinen andern Rat.

Die Beret wurde unruhig, äußerte aber immer noch nichts.

Und da erzählte er ihr von der Indianerkolonie im Norden bei Flandreau, und daß dort so leicht ein paar Dollar zu verdienen seien. Well, meinte sie nicht auch, daß er sich in Flandreau umschauen müsse? — Der Weg dorthin sei ja nicht gar so lang.

Er fragte, sah dabei aber zur Seite. — Und als er keine Antwort bekam, versuchte er von neuem: glaube sie nicht, daß sie sich mit den Buben allein durchhelfen könne? Denn die Tage seien doch jetzt schon hübsch lang? — Seine Stimme wurde zärtlich und weich.

Die Beret sah vor sich hin. Richtig war es zwar, daß sie viel brauchten, — alles, was Menschen nötig hatten, schien es ihr. Am übelsten war es mit der Kleidung für ihn und die Buben bestellt, und ihr war schon alles Zeug zum Flicken ausgegangen.

»Wir müssen halt zusehen, uns ums Leben zu mühen, solang es geht, weiß ich recht —.«

Da wurde er sehr fröhlich: das war klug von ihr gesagt!

»Ja, das meine ich auch. Und jetzt wird sich schon Rat finden!«

Er war aufgeräumt, hörte sie. — — Nein, sie wunderte sich wahrlich nicht, daß er gern von dannen wollte, — hätte er nur auch daran gedacht, daß andere das gleiche fühlten.

Wann wolle er reisen?

»Ja schau, du Beretmutter, da du meinst, es geht an, glaube ich fast, ich flitze schon heut davon! Ich nehme den Pony; das Wetter scheint sich zu halten! — Schau mir ja gut nach dem Prachtbüblein!«

Das letzte hätte er gern ungesagt lassen können, fand die Beret, aber sie schwieg. —

Eine halbe Stunde später brach der Per Hansen auf.

Spät am Abend fand er Flandreau, kroch in einer Hütte unter und barg das Leben für diese Nacht. — Sobald er am nächsten Morgen den Pony besorgt hatte, nahm er ihn beim Zügel und begann herumzuwandern und die Leute zu begrüßen. Er suchte unter den Gesichtern; das, was er halbwegs gehofft hatte zu finden, war nicht darunter. Die Gesichter begegneten seinem Forschen mit Erstaunen; den Pony erkannten sie aber und an ihm auch den Per Hansen. Er merkte es und freute sich. Paß auf, das läuft gut ab, dachte er. — Jetzt ging er an den lange überlegten Plan: Er wählte sich das Gesicht, das ihm am besten gefiel und sagte das eine Wort: Pelz! Und sah es dabei fragend, aber freundlich und fröhlich an.

Gewiß, der Mann hatte reichlich! Er nahm den Per Hansen mit und zeigte ihm mehrere Bündel Wasserrattenfelle.

Da lachte der Per Hansen. Mit einem Zweig schrieb er die Zahl 10 in den Schnee und das Wort Cents. Dann zeichnete er eine Figur daneben, die einen Menschen mit einer Tragstütze auf dem Rücken vorstellen sollte. Er zeigte erst auf die Figur, dann auf die Zahl Zehn und zuletzt auf den Indianer. Er lächelte den Mann dabei freundlich an und sammelte alle Biederkeit, die er in sich auftreiben konnte, in seinem Gesichtsausdruck zusammen. Ein weitläufiges Akkordieren mit vielen Gesten und noch mehr Zahlen im Schnee kam zustande. Zu guter Letzt bekam der Per Hansen so viel Felle überlassen, als er verfrachten zu können glaubte, machte daraus vier Bündel und verstaute sie auf dem Pony. — — Der Per Hansen lachte, als er fortritt. »Ja, also dann in Gottes Namen!« sagte er und legte den Kurs nach Südost, wo so ungefähr eine Gamme mit ein paar Hallingern liegen mußte. —

Er verbrachte eine ganze Woche auf dieser Fahrt; als er endlich wieder heimkam, erzählte er nicht, wie weit hinein in Ost-Minnesota er gewesen, auch nicht, was er hatte aushalten müssen; er war zu müde und abgespannt. Und hier gab es auch so furchtsame Menschen. Aber er hatte viel von dem, was sie nötig brauchten, mitgebracht — und vierzig Dollar in der Tasche; die zählte er vor der Beret auf dem Tisch auf, um ihr eine Freude zu machen.

Er blieb zwei Tage daheim, am dritten ritt er wieder fort. »Du kannst dir doch denken, Beret, daß ich den Indianern die Felle bezahlen muß! Erwarte mich aber erst zurück, wenn du mich wieder vor dir siehst!« —

Im ganzen unternahm der Per Hansen drei solcher Fahrten; für die beiden letzten brauchte er nur je sechs Tage; er hätte auch noch eine vierte versucht, hätte er nicht anderes zu bedenken gehabt. Als er abschloß, legte er der Beret einhundertundvierzig Dollar auf den Tisch; und er hatte von jeder Fahrt Nötiges mit heimgebracht, Sachen, von denen er wußte, daß sie sie sich seit langem gewünscht.

Aber auf der letzten Fahrt froren ihm zwei Zehen ab. Das machte ihm viel zu schaffen, als sie das Saatgut von den Tröndern holen mußten. Die Saat mußten sie zusehen noch auf Schlittenbahn heimzubekommen. Er hatte nicht einmal Zeit zum Ausruhen gehabt, als es schon wieder davonging.

Die Fahrt machte er zusammen mit dem Hans Olsen. — Er fand, es sei das beste, zugleich etwas mehr auszurichten, wenn sie doch schon dieses Weges fuhren; und daher kaufte er sich eine einjährige Sterke von der Gurina Baarstad. Diese Sterke war rot und weiß gefleckt, und darum wurde sie Schönfleck getauft, als er mit ihr heimkam.

Die Beret äußerte nicht viel, weder wenn er reiste, noch wenn er heimkam. Das fand er freilich wunderlich; jetzt war sie doch mit dem Ihren seit langem fertig, war wieder gesund und frisch, soweit er sehen konnte? Sie hätte wenigstens sagen können, daß er jetzt schaffe wie ein tüchtiger Kerl! Sie sollte wissen, wie er geritten, daß er fast vor Müdigkeit vom Gaul gepurzelt war! O ja, ein paarmal war er gewiß gewesen, nicht mit dem Leben davonzukommen; aber — wozu es erwähnen! — Dennoch: sie hätte gern ein paar gute Worte für ihn übrig haben dürfen. — —

Aber das wurde wohl alles besser, wenn jetzt mit dem Frühling das gute Wetter kam! —

Das Heer der Bosheit unter den Himmeln

I

Der Per Hansen saß mit den beiden Buben am Tische und reinigte die Saat; über die Tischplatte war ein weißes Tuch gebreitet; auf ihm lag in kleinen Haufen der Weizen. Das war wichtige Arbeit, überaus wichtige Arbeit; jedes Unkrautsämlein und Miststäublein mußte hinaus. Alles komme darauf an, die Saat rein zu haben, hatten die Trönder gesagt. — Der Per Hansen arbeitete ernst und sorgfältig; jedes eingeschrumpfte Kornauge schob er weg: »Nein, für das bedanken wir uns! Gute Saat in neue Erde! — Volles Saatkorn bringt den Getreidekasten zum Überlaufen. — Paßt jetzt gut auf, ihr Bürschlein, und pfuscht mir nicht!«

Merkwürdig war es, mit diesen kostbaren, schweren Körnern zu tun zu haben. Der Per Hansen konnte sich nicht entsinnen, je kurzweiligere Arbeit gehabt zu haben; aber er war dabei ernst. Hier war er also am Start! Diese paar Säcke sollten nicht nur all das Weizenmehl beschaffen, das er und die Seinen während eines ganzen Jahres zu verzehren imstande waren, sondern noch viele blanke Taler obendrein, großartigen Reichtum; und zudem noch Saat fürs nächste Jahr und wieder für den übernächsten Frühling und so fort durch alle die künftigen Jahre. Und brachten dann immer mehr und mehr Nahrung unter die armen Leute ringsum in der Welt. — Jetzt hielt er in der Hand die Wichte, die auf allen diesen endlosen Einöden neues Leben schaffen, sie zur Menschenheimat machen sollten, — war das etwa nicht merkwürdig?

Er mußte nächstes Jahr Saatkorn zum Verkauf bereit haben. Bald kamen viele her, die dessen bedurften. Hätte er bloß die Möglichkeit, die ganze Ernte aufzuspeichern; Saatweizen stand stets hoch im Kurs. — Nun, er mußte halt abwarten, — es konnte noch vielerlei dazwischenkommen!

Das also war der Anfang zu all dem Unerhörten, das hier draußen sich ereignen sollte. — Er dachte an den Anfang des Märchens: ›Es war einmal‹. Ein seltsamer Anfang! Aber noch merkwürdiger wurde es, wenn einer erst ein Stück hineinkam. — Er wollte sich gute Zeit lassen, wollte sorgsam mit der Saat umgehen. Der Per Hansen wurde noch ernster und mahnte leise, wohl schon zum hundertsten Male: »Verfahrt mir nicht unachtsam, ihr Burschen!«

Die Körner, die waren so kühl und doch so dicklich und schwer, hatten einen matten, trägen Glanz; es steckte Licht in ihnen. Eigentlich Gold war das auch nicht — nur starkes Leben, das noch im Schlummer lag. — Er schöpfte eine Handvoll, und sie wog schwer; er umschloß sie mit den Fingern und vermeinte, es werde weich und warm von schwellendem Leben; es kribbelte darin. Öffnete er aber die Hand und rührte mit den Fingern darin herum, so lagen die Körner gerade wie zuvor — träge, mattgelb, mit dem stumpfen Gold überzogen. — Er legte eine Handvoll nach der anderen vorsichtig in den Sack. »Geht mir hübsch behutsam damit um, ihr Burschen!« — —

Mit dem guten Wetter war die Rastlosigkeit in ihn gefahren. Er war mit dem Verlesen des Saatkorns fertig und hielt es innerhalb der vier Wände nicht mehr aus. Die Hühner legten jetzt schon so hübsch, jeden Tag bis zu fünf Eiern. Man mußte wohl bald Glucken setzen. Zum Herbst mußten es mindestens fünfzig Junghühner sein! — Er ging zu den Ochsen aufs Feld und schwätzte mit ihnen und befaßte das Fell im Nacken, wo das Joch liegen sollte.

Wenn es jetzt bloß bald trocken werden wollte! Er besah die Erde am Vormittag, er befühlte sie am Abend. Heute war es gut vorwärtsgegangen — wenn nur auch morgen so schöner Sonnenschein würde! Er mußte in allernächster Zeit zu den Nachbarn hinüber und nachsehen, wie es dort stand. — War es bei ihnen bald trocken genug? — Nein, wirklich! Dort war der Boden noch feuchter als bei ihm, wo das Land höher lag. — Sollst sehen, es wird bei dir schneller trocken, dachte er.

So hatte die Beret ihn seit vorigem Frühling nicht gesehen. Er war so leicht zu Fuß, schien es ihr, faßte so behende um alles, was Leben in sich hatte; seine Stimme klang so leise und freundlich; die Augen waren jetzt kaum noch zu sehen. — Sie fühlte eine Kraft von ihm ausstrahlen, daß sie sich fürchtete, und sie mied am liebsten seine Nähe.

Die Sonne schien den ganzen lieben langen Tag, — leuchtete klar und bebend am Vormittag durch ein unendliches Meer von blauer Luft; blinzelte zärtlich am Nachmittag durch trägen Dunst, öffnete gegen Abend das große Auge ganz weit. Die Flut des Lichts lohte auf, verglomm machtvoll in einer erhabenen Nacht, die ebenso voller Leben war.

Das gute Wetter hielt sich unverändert.

Der Per Hansen wurde rastloser, aber fröhlicher. Immer wieder stand er oben am Acker. — War es immer noch nicht trocken genug? — Er hätte die Saat jetzt im Boden haben müssen, so daß er ans Pflügen gehen konnte. —

Am Sommermerktag, dem 14. April, fing der Per Hansen an, seinen Weizen zu säen. Dreimal war er am Vormittag oben gewesen und hatte in der Erdkrume gewühlt. Das letztemal hatte er den Entschluß gefaßt: jetzt soll es geschehen!

Als er seinen Imbiß genommen, trug er zwei Weizensäcke auf die trockenste Stelle des Hügels, holte sich darauf von Hause das Saattuch. — Den ganzen Acker hatte er abgeschritten und vermessen und in Ein-Acre-Rücken eingeteilt; es sollte auf jeden Acre anderthalb Bushel Saat kommen; doch hatte der Simon Baarstad gesagt, daß man sich auf gutem Neuland auch mit fünfviertel Bushel begnügen könne; damit wollte er‘s versuchen.

Der Per Hansen füllte das Saattuch und hängte sich‘s über die Schulter; er zitterte. — Jetzt sah er sich um.

Gewiß! Er war der erste, — er war der erste, jawohl! — Dort fuhr der Hans Olsen Mist, — wohl auf das Stück, auf dem er den Garten anlegen wollte? Gar nicht so dumm von dem Hans Olsen! Tönset‘n arbeitete in der Nähe seiner Gamme, — was, konnte er nicht erkennen. Er kehrte sich um und sah nach Norden: — Ja meiner Treu, waren da nicht die Solumbuben dabei, Neuland aufzubrechen?

Er ging an den Ackerrand.

»Ja ja,« sagte er laut und steckte die Hand in den Sack.

Dort kamen beide Buben angesetzt und wollten beim Weizensäen zugucken. Nein, schönsten Dank, davon wollte der Per Hansen nichts wissen!

Sie sollten sich heimscheren, und zwar unverzüglich!

Sie wollten doch aber nur zugucken! — Sie sahen ihn mit langen Gesichtern an.

Augenblicklich heim! Wahrhaftig, sie sollten hier nicht herumtrampeln und die kostbare Saat verlagern!

Aber dann fand er es doch zu arg, in einer Stunde wie dieser so streng zu sein, und er fügte freundlicher hinzu: Der Weizen sei halt so ungemein fein und empfindlich; der müsse in Ruhe liegenbleiben, akkurat wo er hinfiel. Jetzt sollten sie hübsch heimgehen wie brave Burschen; wer morgen früh zuerst aufwache, solle mit dem Eggen anfangen dürfen, und er, der Vater wolle aufpassen, daß jeder ein gleichgroßes Stück bearbeite; — aber der zuerst aufwache, solle den Anfang machen.

Das versöhnte die Buben einigermaßen, so daß sie sich heimwärts trollten, freilich nicht sonderlich freundlich gestimmt.

Der Per Hansen faßte mit der Hand in den Sack. Er fühlte es, jetzt war der große Augenblick für ihn da — jetzt säte er Weizen in eignen Boden! — Er nahm die Hand tüchtig voll, schloß sie derb und wollte sie herausheben. Nein, hätte einer so etwas gedacht! — rieselten da nicht die Körner wahrhaftig wieder hinaus! Er faßte wieder hinein, noch fester; die gelben, schweren Körner entschlüpften der geschlossenen Hand wie glitschige Aale. — Die wollen wohl nicht in die Erde und mir die Schätze herausholen? dachte der Per Hansen. Und dann lachte er: Er steckte zum drittenmal die Hand in den Sack, ließ sie zärtlich herumgleiten, nahm eine mäßige Handvoll und hielt sie leichtumschlossen.

Der Weizen fiel ihm in gelben Bogen aus der Hand; die Sonne umspielte das Korn, und während es durch die Luft sank, legte sie Goldglanz darum. Er zwang sich zu ruhigem und besonnenem Arbeiten; es kam darauf an, gleichmäßig und ausreichend dicht zu säen. Er merkte, wie ihm heiß wurde, der Schweiß aus den Poren sprang; er konnte es gar nicht verstehen, er arbeitete ja doch nicht so angestrengt? Aber so ging es wohl dem, der sich mit einer Arbeit abgab, auf die er sich nicht recht verstand. —

Am Nachmittag kam Tönset‘n so eilig angesetzt, daß ihm der Dreck unter den Sohlen aufspritzte.

»Aber was hast denn du hier für tolle Streiche vor?!«

»Das siehst du doch wohl?«

Der Per Hansen blieb stehen, nachdem er gut Peilung genommen, um nicht aus dem Kurs zu kommen, wenn er wieder fortsetzte.

Tönset‘n schüttelte den Kopf: Das sei eines Narren Beginnen; es sei noch nicht trocken genug, die Erde zu kalt, der Boden noch dicht unter der Oberfläche gefroren. »Du verdirbst dir alles, sollst du sehen!« Tönset‘n trottete wieder den Hügel hinab und war tief beleidigt. Er hatte es sich so schön ausgedacht, das ganze Säegeschäft sowohl für den Hans Olsen wie für den Per Hansen zu übernehmen; und jetzt machte der Per Hansen alles selber? — Ja, wenn der sich durchaus ruinieren wollte, so mochte er! —

Der Per Hansen säte an dem Tag bis in die Dunkelheit. — Am Abend blieb er lange bei Tisch sitzen, hatte gar nicht Lust aufzustehen, denn die Müdigkeit war so unendlich wohltuend. Das Gössel war ihm auf den Schoß geklettert. Die beiden Buben wollten mit ihm schwätzen. — Werde er sie morgen beide gleichzeitig wecken? — Nein, keineswegs! Es habe übrigens mit den Eggen nicht Eile, bevor die Sonne aufgegangen sei und den Boden ein wenig erwärmt habe; aber wer zuerst aufwache, aus dem Bett herauskomme und die Ochsen vor die Egge spanne, der solle auch anfangen dürfen. Darüber gebe es kein Akkordieren! — Und vorm Einschlafen sagte er ihnen noch: wenn sie ordentliche Mannsleut seien, er und sie, dann hätten sie morgen, wenn der Abend hereinbrach, alle Saat in der Erde und den Acker geeggt!

Den nächsten Tag säte er wie besessen. Und nachdem er erst den richtigen Griff herausgefunden hatte, ging es auch schnell genug. Als der Abend herankam, hatte er das Säen hinter sich, und die Buben hatten nur noch den Hafer zu eggen.

Jetzt war er einen guten Sprung vorwärtsgekommen; keiner der Nachbarn hatte noch begonnen!

II

Als er am nächsten Morgen heraufkam, um das letzte Stück fertig zu eggen, war der Himmel wolkig und die Luft feucht; alles Milde war gewichen; es wehte ein rauher, kalter Wind.

Kaum war er mit dem Rücken Hafer fertig, da fing es auch schon an zu regnen. In den Regen mischten sich Schneefetzen; sie verdichteten sich bald zu Schlackwetter. Dann ging es in Schnee über — Schnee, der sich zu dichtem Gestöber zusammendrängte, und bald stand die ganze Prärie in tobenden Wirbeln. Es wurde daraus ein Blizzard, der fast so schlimm war wie der, den sie im Winter erlebt hatten.

Das Wetter hielt den ganzen Tag und die ganze Nacht an; aber früh im Morgengrauen klarte es auf und eine beißende Kälte trat ein.

In dieser Nacht tat der Per Hansen kein Auge zu. Er war altbefahrener Seegast, war nicht Landmann, und er hatte Grund wachzuliegen. — Jetzt war alles Saatgut vergeudet, hinausgeschmissen, weil er ja immer zu hitzig war! Da lagen jetzt Weizen und Hafer, erstickten bei solch einem Wetter, oder froren zu Kiesel. — Über den Hafer hätte er noch nicht viel Worte verloren, aber der Weizen! Der Weizen!! Fünfundzwanzig Bushel kostbaren Weizens hatte er weggeworfen, alle Arbeit umsonst gemacht; und dabei nirgendwo Saatkorn mehr aufzutreiben!

Als er am nächsten Morgen herauskam, erblickte er eine Schneeschicht von einem Fuß Dicke über den Feldern und fühlte eine Kälte, die ihm die Haut vom Gesicht ätzen wollte: All das Gute und Lichte, in dem er hier herumgegangen, war von harter Hand weggerissen — er hätte sich plötzlich in den Schnee und die Kälte setzen mögen und laut losheulen.

Er ging wieder hinein, legte sich aufs Bett — nein, er wolle kein Frühstück. Als er liegen blieb und auch nicht zu Mittag essen wollte, kam die Beret und fragte, was ihm denn fehle, — sei ihm denn schlecht ?

Er kehrte das Gesicht zur Wand; er antwortete ihr unlustig: — Die sollten nur ruhig essen, die dazu imstand waren; — das mit ihm gehe schon vorüber. — — Als sie ihm eine Schüssel warme Suppe ans Bett brachte, wies er sie zurecht, wie ein ungezogenes Kind, das einem Gram macht: Könne sie ihn denn nicht in Frieden lassen? Wenn er gesagt habe, er wolle nichts, dann sei das ja wohl klar und deutlich! — Die sollten nur essen, die es vermochten. —

Die Sonne kam hervor, kraftbebende, leuchtende Sonne; aber sie taute nicht viel auf — die Kälte war noch zu gewaltig.

Der Per Hansen blieb liegen. Der Sonnenschein und die weißen Wände blendeten ihn; er hatte eine schier unüberwindliche Lust, alles zum Teufel zu wünschen. — Da war er mit dem Säen fertig geworden und hatte so sicher gemeint, es sei seines Lebens größter Wurf ... und kaum war das letzte Korn in der Erde, da stiegen auch schon die Kräfte des Himmels herab und riefen ›nein‹!— Ja, ja, so war‘s! — — Der Große-Hans hatte letzten Sonntag der Mutter laut vorgelesen; und darauf konnte der Vater sich noch gut besinnen. Was der Bub da gelesen, hatte sich so häßlich angehört, daß er gemeint hatte, so etwas könne in der Bibel nicht stehen; da war er an den Tisch gegangen, um sich selbst zu überzeugen ... Und da hatte der Große-Hans ihm vorgelesen, mit besonderm Nachdruck auf jedem Wort:

»Da sagte der Herr zu dem Widersacher: Von wannen kommst du? Und der Widersacher antwortete dem Herrn: Vom Durchstreifen der Erde und vom Hinundhergehen auf ihr.«

Jetzt standen diese Worte lebendig vor ihm; er murmelte sie vor sich hin.

Er wälzte sich auf seiner Lagerstatt — sah wieder den Balken hinter der Stalltür ... Falls der Geselle hinter ihm aus war, dann machte er am besten sogleich Schluß! — Er schwitzte, daß er durchnäßt war, — der Balken winkte ihn geradezu zu sich heran! —

Der Schnee verschwand wie ein Hauch; er lag einen einzigen Tag, wurde gegen Abend mürbe und verging in der nächsten Sonne. Und nennenswerte Feuchtigkeit hinterließ er nicht, — nach ein paar Tagen war es trockner als zuvor in diesem Jahr. — Die Sonne schien, die Sonne flutete den ganzen lieben langen Tag, und die Sonne hinterließ am Abend so viel Wärme, daß die Nächte lau waren und geradeso zu Leben erwachten wie der Tag; Schönwetterabende zogen herauf, die Tote aus den Gräbern hätten locken können.

Aber Per Hansens Saat, die lag oben im Acker, verdorben von Schnee und Frost, — die feinen, wundersamen Körner, die sowenig vertrugen ... Ja ja, so war‘s! —

Eines Tages war er draußen, wußte nicht recht, was er anfangen sollte: und da fiel sein Auge auf Tönset‘n, der jetzt angefangen hatte zu säen. Wie jemand, der sein Todesurteil erwartet, ging er, um mit Tönset‘n zu sprechen. Der ist uralter Amerikaner, dachte der Per Hansen bitter, und versteht sich darauf, über einen armen Neusiedler den Stab zu brechen.

Aber Tönset‘n hatte heute sehr viel zu tun, der hatte keine Zeit zum Plaudern.

Der Per Hansen gewann es nicht über sich, von seinem Elend zu erzählen, und begann vom andern Ende:

Der Syvert bekomme es doch arg schön und gleichmäßig zurecht. —

Tönset‘n spuckte ergiebig.

So? Finde das der Per? — Tönset‘ns Arm beschrieb Bogen durch die Luft. Goldkörner flogen aus seiner Hand, träufelten durch den Sonnenschein herab, legten sich stille zum Träumen. — Das war so wunderschön! — Aber der Per Hansen sah, daß Tönset‘n es besser machte als er.

Der Per Hansen begann, neben Tönset‘n auf und ab zu schreiten: »Ich sehe jetzt ein, ich hätte warten sollen und dich bitten, mir zu helfen.«

»Ja, da siehst du‘s, hitziges Kind holt sich für den eigenen Hintern die Rute heran! So geht es halt immer!«

Und Tönset‘n bewegte sich im Gleichschritt weiter, schwenkte den Arm und zeigte dem Nachbar, wie leckeres Säen zu vollführen war ... Die Goldkörner flogen, wurden besonnt und legten sich.

Der Per Hansen machte plötzlich kehrt und ging davon.

Tönset‘n besann sich wenigstens soweit, daß er innehielt und ihm nachrief:

»Wolltest du etwas von mir, Per Hansen?«

»O nein, keineswegs!«

»Ja schau, ich habe halt viel zu beschicken.«

»Das sehe ich,« sagte der Per Hansen und ging. Ging zum eigenen Acker hinauf; der lag da schwarzbraun und leblos und grinste ihn an.

Er legte sich auf die Knie und grub in die Erde, nahm das erste Korn, das er fand, und legte es auf die Handfläche, drehte es mit dem Zeigefinger hin und her. — Das Körnlein war dunkel von klebriger Erde. Die Erde strich er vorsichtig ab; aber der mattgelbe Glanz, in dem er das Märchen gesehen, der war verschwunden. Das Körnlein lag in der Hand blaß, weißgrau, schmutzig, — so tot, wie nur möglich ... Der Per Hansen ließ es fallen und grub nach dem nächsten. Mit dem war es ebenso; aber es war geschwollen und im Begriff aufzubrechen. »Das ist also vom Frost gesprengt!« murmelte er laut und heftig. Er stand auf und sah über den Acker:

»Und der Widersacher antwortete dem Herrn und sagte: Vom Durchstreifen der Erde und vom Hinundhergehen auf ihr.«

— — Ach ja, es fehlt wohl nicht daran, daß der den Weg hergefunden hat, dachte der Per. Mög‘s ihm höllisch versalzen werden!