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Kitabı oku: «Das Schweigen der Prärie», sayfa 23

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»Nur, daß sie eines der Ihren im Osten der Prärie hat begraben müssen. — Übrigens sprach aus ihren wenigen Worten mehr Verwirrtheit als Verstand.«

»Ja, es ist bös,« er blieb stehen, schaute zur Fremden und sagte dann: »Ich laufe schnell zum Hans Olsen hinüber; ich muß das mit ihm besprechen.«

»Ja?« fragte sie erstaunt, und ihm gefiel nicht, wie sie es sagte. »Glaubst du, der weiß besseren Rat als wir?«

»Nein, nein; aber wir müssen diesen Leuten helfen; — und wir können‘s nicht allein.« Er zögerte einen Augenblick: »Ich bin bald wieder da,« sagte er und ging.

Als er zurückkam, saß sie noch immer, wie er sie verlassen; sie wartete, bis er ins Bett gekommen war, schraubte dann die Lampe klein und legte sich, ohne sich auszukleiden.

Und dann ward es still in der Gamme; alles war von mattem Licht umflossen; wer wach lag, konnte die anderen atmen hören.

— Und die Beret glaubte noch mehr zu vernehmen als Atemzüge; hier war es heute nacht sehr lebendig; sie öffnete die Augen weit und schaute um sich. Sie hörte, daß auch er nicht schlief, und sprach ihn an.

»Hast du nach den Knaben gesehen?«

»Sie schlafen in der Sofie ihrem Bett.«

»Erzähltest du alles?«

»Ja, das kannst du mir glauben!«

»Was sagten sie dazu?«

Der Per Hansen stützte sich auf die Ellenbogen und sah zu der Gestalt im anderen Bett hinüber, — sie hatte sich, seit sie gekommen, kaum geregt.

»Oh, du weißt, das ist nicht einfach. »Wir müssen zusehen, einen Sarg zusammenzutischlern; — ihr Kind kann dort nicht verscharrt liegen bleiben!«

Die Beret schwieg, und da erzählte er ihr mit gedämpfter Stimme, was der Mann ihm berichtet. »Der ist übrigens ein rechter Tropf,« schloß er.

Sie hörte ihm zu, lag dann noch lange wach und starrte in die Luft hinein.

»Ja, ja,« sagte sie plötzlich hart, »jetzt können wir wohl verstehen, daß das nicht angeht; — das hier ist nichts für Menschen.«

Er wußte nicht genau, was sie damit meinte, wollte es nicht wissen, wagte es nicht heute abend. Aber dann sagte er mit starker Zuversicht: »Der Hans Olsen und ich werden die beiden morgen begleiten. Hätten wir bloß etwas, den Sarg daraus zu zimmern! Die paar Bretterenden, die ich noch liegen habe, reichen nicht weit. — Aber jetzt wollen wir versuchen zu schlafen. — Wecke mich, wenn du etwas hörst.«

Er kehrte sich auf die andere Seite; sie hörte, es dauerte lange, bis es ihm gelang, einzuschlafen. — Worüber mag er jetzt nachgrübeln, dachte sie. Ihr war es lieb, daß er wachte: heute nacht webte hier in der Stube so vielerlei. —

VI

Als die fremde Frau aus dem Wagen stieg und der Beret ins Gesicht sah, war es, als werde ein Vorhang vor all das Entsetzliche gezogen, das sie erlebt. Sie trat in die Gamme, und da war alles, wie es sein sollte. Wärme lag darin von Menschen, die hier lange gewohnt. Sie sah sich um und erfaßte die Stube mit einem Blick. Ja, hier gab es Tische und Bänke; im Ofen brannte ein Feuer; es duftete angenehm aus einem kochenden Kessel; an einer Leine hing Wäsche, — und zwei hergerichtete Betten standen da. Ja, hier wohnten Menschen in einem Heim. Das tat so wohl! — Sie wurde an eins der Betten geführt, sank darauf hin; eine behutsame Hand machte sich mit ihr zu schaffen und faßte so angenehm und leicht, nahm einen mit lauem Wasser genetzten Lappen und trocknete ihr damit das Gesicht. Ach, wie gut das tat! — — Sie hatte wohl mit der Frau ein wenig geredet? — Doch, sie hatte ihr erzählt, daß sie einen Sarg brauche; hatte ihr Bescheid gegeben, wo sie den Stein suchen solle, hatte auch daran gedacht, sie zu bitten, ein Tuch mitzunehmen; es wurde vielleicht kühl heute nacht, und der Rock, in dem er lag, war schon so abgetragen und dünn.

Die Stubenwärme und die Traulichkeit von Menschennähe hüllte sie ein wie eine weiche Decke; sie schlief sofort ein, schlief fest und ruhig.

Bis etwa drei Uhr morgens. Da begannen ihre Sinne zu erwachen, und allmählich ging ihr auf, wo sie sich befand — in einer fremden Stube, wo eine Lampe mit mattem Schimmer brannte. Sie waren gestern abend hergekommen, das Büblein hatten sie nicht mit sich gebracht. — Daß ich mich auch so vergessen kann! dachte sie. Jetzt muß ich mich freilich beeilen, ehe der Jakob kommt und es weitergeht.

Die Frau setzte sich auf, knöpfte sich das Kleid zu und schlüpfte leise vom Lager. — Sie sah sich zögernd einen Augenblick in der Stube um, beugte sich über das Bett, hob das Kind auf, das dort lag, nahm den Überrock und wickelte es vorsichtig hinein. Leise verließ sie die Gamme, schloß die Tür nicht hinter sich, um nicht Lärm zu machen. — Dort stand ihr Wagen, — wenn der Jakob sie jetzt bloß nicht entdeckte! — Sie glitt wie ein Schatten um die Hütte und weg vom Wagen: das Kind preßte sie vorsichtig an sich.

Die Beret erwachte davon, daß eine Stimme sie aus weiter Ferne rief; sie rief mehrere Male hintereinander und laut. — Darf ich mich nicht eine Weile ungestört ausruhen? Ich bin letzte Nacht doch so spät erst ins Bett gekommen, dachte sie. Ich kann kaum erst eingeschlafen sein? — Aber die Stimme rief so laut, daß sie sich aufsetzen mußte, und jetzt kam ihr alles ins Gedächtnis zurück: die Fremden, die gestern abend gekommen waren, und die Mutter, der es so elend ging. Sie wandte sich nach ihr um.

»Kannst du mir sagen —?!«

Sie warf sich aus dem Bett, stierte auf das andere; aber die Frau blieb verschwunden; daß das Kind auch fort war, bemerkte sie nicht. — Sie fühlte es kalt durch die Stube wehen und bemerkte die offene Tür; sie lief hin. — Es fühlte sich an, als sei jemand soeben hinausgegangen; stand die Fremde vielleicht draußen an der Wand ? Sie trat hinaus, wagte nicht zu rufen; — sie lauschte, brachte schließlich einen leisen Ruf hervor; — nein, niemand antwortete; sie lief um die Gamme herum, rief wieder und stürzte dann hinein und weckte den Mann:

»Sie ist fort, — wir müssen sie gleich suchen gehen!«

Der Per Hansen fuhr in die Kleider.

Frühe Dämmerung flutete draußen über die Prärie; leichter Nebel zog längs des Baches; tiefe Kühle entströmte dem Zwielicht.

Der Per Hansen sprang auf den Wagen und spähte nach allen Richtungen. — Was war das dort? Sie konnte doch wohl nicht dorthin gegangen sein? — Über die Indikuppe wanderte ein Mensch! Er sprang hinunter, rief die Beret an und zeigte; dann rannten sie beide den Hügel hinauf.

Droben irrte die fremde Frau umher. Sie schien sich über sein Kommen nicht zu wundern.

Der Per Hansen betrachtete sie forschend: Was in aller Welt trug sie denn da in den Rock gewickelt?

Seine Augen weiteten sich; er schrie auf vor Entsetzen, sprang hinzu, umfaßte die Frau und riß das Kind an sich.

Das Gössel erwachte und fing an zu maunzen. Es begriff gar nicht: es war so kalt und der Vater so eigen; aber es wollte weiterschlafen und kroch tief in seine Jacke hinein. Jetzt wurde es wacher; schlug da nicht immerfort eine geballte Hand an die Wand? Aber behaglich war‘s, und schlafen wollte es, mochte die Hand pochen, soviel sie wollte! — Aber jetzt kam die Mutter, und alles wurde nur noch sonderbarer. Die Mutter nahm es in die Arme und drückte es fast zu Tode; es schrie und kroch so tief hinein, als es irgend anging; und auch da war eine Faust, die an eine Wand klopfte! — Nein, das Gössel konnte durchaus nicht begreifen, was heute nacht vor sich ging.

Die Beret trug das Kind heim; es war ihr teurer, als da sie es zur Welt brachte. — Ja, heute nacht war der Herrgott zugegen gewesen und hatte ein großes Unglück verhindert!

Die fremde Frau suchte jetzt im Grase. — Sie wollten ihr also nicht helfen? Das Kind hatte er ihr abgenommen, — das war nicht so sonderbar; der Mann hatte kein gutes Gesicht! — Aber sie mußte jetzt vor allem suchen, bevor der Jakob dazukam! — Merkwürdig, daß ich den Stein nicht finden kann! Ich weiß, hier war es, — was ist bloß aus ihm geworden? Ungefähr hier müßte er liegen.

Der Per Hansen sprach sie an, und sie fand seine Stimme so häßlich:

»Komm jetzt! — Heute fahren der Hans Olsen und ich auf die Suche nach deinem Kinde.« Er faßte sie beim Arm und zog sie mit sich.

Das war freilich wieder freundlich von ihm, daß auch er nach ihrem Büblein suchen wollte!

Sie folgte willig, saß still dabei, während die andern Frühstück aßen; — aß auch selbst, wenn sie sie darum baten. — Sie sah zu, wie sie den Sarg zusammenfügten; und als eine schöne Frau mit einem lieben Gesicht ihn innen mit einem weißen Laken auskleidete, da wurde sie froh; mit dieser Frau hätte sie sich gern noch besprochen; aber es war so leidig, Fremde zu bemühen! —

Sie fuhren nach Osten, — der Mann und die Frau, und mit ihnen der Hans Olsen und der Per Hansen. Vier lange Tage suchten sie die östliche Prärie ab; aber sie kamen mit dem leeren Sarg zurück. Das Grab hatten sie nicht finden können.

VII

Die Fremden hielten sich noch einen Tag in dem Settlement auf. Am nächsten Morgen war trübes Wetter und dichter Nebel — und deshalb zauderten sie; aber um die Mittagszeit hellte es sich auf und schien klar werden zu wollen, und da rüsteten sie zum Aufbruch.

Wo wollten sie hin?

Nein, — das wußte der Mann nicht; aber es war irgendwo beim James-River.

»Weißt du, wo du den James-River zu suchen hast?« fragte der Per Hansen.

Das wußte der Mann doch wohl! Der Elv liege im Westen, und da heiße es halt fahren, bis man hinkomme! Dann müsse er sich durchfragen!

Der Per Hansen schwieg; es schauderte ihn.

Die Frau war, seit sie zurückgekommen, still gewesen; sie hielt sich für sich und war überaus gefügig, wenn sie mit ihr sprachen. Kurz vor Mittag kam sie darauf, Wäsche und Kleider zu wechseln und wusch sich lange im Wagen; als sie wieder in die Hütte kam, hatte sie ihre Staatskleider angetan; es war nur gar zuviel des Guten. Als sie aufbrachen, saß sie so aufgeputzt neben dem ältesten Jungen, der die Ochsen lenken sollte.

Der Mann konnte sich in Danksagungen nicht genug tun. — Wenn er jetzt nur die Nachbarn wiederfände und die Kari genese, werde sich auch für ihn noch alles einrichten. — Der Ton war noch immer singend, das Weinen lag noch so nahe unter der Oberfläche wie an dem Abend ihrer Ankunft.

Der Wagen karrte langsam davon, — der Mann zerzaust und gebeugt voran, die beiden Kühe hinterdrein. — Nach Westen ging es; dort standen einige Wolkenbänke, aber das waren wohl nur die Überbleibsel des trüben Wetters vom Vormittag.

Die Beret fand weder Ruhe noch Rast, als sie abgefahren waren; die Hand zitterte ihr, wenn sie um etwas faßte. Immer wieder mußte sie hinaus und dem Wagen nachsehen; und als der Höhenzug ihn vor ihr verbarg, nahm sie den Jüngsten auf den Arm, das Gössel bei der Hand und wanderte zur Kuppe hinauf; hier setzte sie sich, um dem Wagen mit den Blicken zu folgen. — Sie war froh darüber, daß diese Menschen endlich weg waren, zu gleicher Zeit aber schämte sie sich, daß sie sie nicht zu längerem Bleiben genötigt. Jetzt sah sie es: sie hätten heute nicht fahren dürfen. — So weit ist es also jetzt mit mir gekommen, dachte sie. Hier sind Leute in großer Not, und ich freue mich darüber, daß ich sie in eine weit größere hineintaumeln sehe! Was sollen sie tun, wenn heute nacht das Unwetter über sie herfällt, — er zerzaust und wenig tauglich, sie verwirrt von Sorge und Kummer? — Du großer Gott, was für ein Jammer!

Der Wagen schneckte sich weiter in die geheimnisvolle Ferne hinein; es sah aus, als wolle die Widde ihn in sich einsaugen. — — War das dort noch der Wagen, — — oder nur ein verdorrter Grasbüschel, den der Wind bewegte? —

Sie ging mit den Kindern heim, gebeugt und kummerbeschwert.

Daheim besorgte sie, was zu besorgen war.

Der Per Hansen und die Buben waren beim Pflügen auf dem Neuland. — Die arbeiteten jetzt gewiß sehr hart ? Ihre Stimmen klangen so barsch, wenn sie die Ochsen antrieben. — Sie spürte solchen Drang, jemandem eine Freude zu machen! Da nahm sie den letzten Vorrat Grieß und kochte einen Brei, — den aßen die Buben so gern. —

Gegen Abend wurde es schwül und drückend; die Wolkenbänke am Westhimmel waren heraufgekommen; in der Nacht kam vielleicht Regen.

Nach dem Abendessen mußte der Per Hansen zum Hans Olsen, um die Stadtreise zu verabreden, die sie noch vor der Mahd zu machen hatten; die Buben wollten mit hinüber. »Ja, geht nur,« sagte sie, und ihre Stimme klang gar mutig; sie setzte sich mit den beiden Kleinsten draußen auf den Holzstapel, um die Rückkunft der andern abzuwarten. Aber dann war da etwas, das ließ ihr keine Ruhe; sie ging mit den Kindern auf den Hügel und sah über die Ebene.

Dort draußen fuhren nun diese Menschen planlos umher. Die armen Menschen! Die arme Mutter! — Wie konnte der Herrgott nur zulassen, daß sich Menschen so jämmerlich in die Einöde verirrten? Es war gerade so unmöglich, diese Länderstrecken zu bevölkern, wie das Meer leer zu schöpfen! Es siedelte sich doch auch keiner inmitten des endlosen Meeres an! Ob es nicht ein Trollenzauber war, der die Menschen so verblendete? — Hier saß sie jetzt inmitten dieser Grenzenlosigkeit viele, viele tausend Meilen entfernt von den Ihren! Unter jenen Wolken trieben jene Menschen umher wie Späne vor Wind und Strömung! — Ach, es ist schon so, daß die Menschen durch ihre eigene Wildheit vergehen. Aber das ist so entsetzlich, daß alles Denken dabei schwindet.

Sie starrte in den Westhimmel; die Dämmerung sank um sie hernieder. Die Wolke dort wölbte sich so unheimlich auf. Sie gewann Form und Gestalt, stieg aus der Widde selbst hervor, reichte weit über den Himmel hinauf, stand dräuend über der Prärie.

Und jetzt sah sie das Gesicht; — ja, war es nicht ein Gesicht? — Das Dunkle nahm Gestalt an — freilich, es war ein Gesicht! Jetzt sah sie es deutlich.

Ein Ungeheuer war es, düster und gewaltig. Nase und Maul und Augen lagen tief in dunklen Höhlen. — Und es hatte ein Maul, einen Ungeheuerrachen; wenn der sich öffnete, reichte das Kinn auf die Prärie hinab, — die Kinnladen blähten sich auf wie ein Rock.

Grauschwarz und mager, — aber so gewaltig groß! Lag nicht ein Grinsen auf dem Gesicht?

Und es war allerorten, allerorten. —

Sie bebte so, daß sie sich am Grase festhalten mußte. Zugleich empfand sie eine Art zauberischer Befriedigung. Hier hatte sie des Rätsels Lösung! Sie hatte es die ganze Zeit gewußt, daß es Menschen so nicht ergehen könne, wo alles mit rechten Dingen zuging. Hatte sie das Ungeheuer nicht immer schon gefühlt? — Jetzt sah sie es auch mit Augen.

Das Gewaltige umgab sie von allen Seiten. — Das Gesicht stand ihr gerade gegenüber. — Jetzt spürte sie seinen Odem. Wenn dieser Mund sich öffnete und zu atmen begann, mußte Entsetzen über die Menschen kommen.

»Ich habe es immer gewußt: hier ist nicht Bleibens für Menschen«, murmelte sie, und eilte mit den Kindern heim, ohne zurückzublicken. —

Die Buben kamen hereingestürmt; der Vater gleich hinterher. — Sie hörte an seinem Schritt, daß er jetzt wieder gut aufgelegt war.

»Nein, worauf bist du denn heute verfallen? Hast du das Fenster verhängt? — Du Beret, du Beret!« Er guckte sie an; die Augen wurden schmal und leuchteten, er faßte mutwillig nach ihr; und er wollte sich sogleich legen.

»Oh, es fühlte sich so eigen an hier in der Stube,« erwiderte sie hart; Zorn kochte in ihr. Daß er es über sich brachte, jetzt an Zärtlichkeit zu denken! — Aber so war es wohl, wenn die Menschen verhext waren! —

Seither wollte der Beret das Antlitz nicht mehr aus dem Sinn; zumal wenn die Abenddämmerung heraufzog, plagte sie der Gedanke daran. Dann ging sie nur hinaus, wenn es unumgänglich nötig war; denn dann war das Antlitz lebendig und kam so nah heran. Aber sie fühlte es auch bei Tage. An herrlichen Tagen mit glitzernder Sonnenflut konnte es dastehen, — sie spürte es hinter dem strahlenden Tag unförmlich und gewaltig. Es war über ihnen und um sie herum; am stärksten aber im Westen. Die Augen bekam sie niemals zu sehen, nur die Höhlen unter den Brauen — große, große Höhlen, die nach innen finster wurden.

Plötzlich bei ihrer Hausarbeit konnte sie ein Zittern befallen, daß sie sich setzen mußte. — Was für ein Ende wird das wohl nehmen? dachte sie.

Nein, sie mochte dem Per Hansen nichts davon erzählen; es war schon genug damit, daß sie sich ängstigte. Es war ja nur gut, wenn er es nicht sah.

Aber auch die andern, schien es ihr, wurden das Gesicht gewahr. Ja, wie hätten sie das vermeiden können? Es stand ja doch leibhaftig vor ihnen! Und bisweilen legte sich, wenn sie alle am Abend vor der Hütte standen, ein Schweigen über sie, — o ja, auch sie sahen es gewiß!

Sie verhängte von jetzt ab jeden Abend das Fenster, ob er daheim war oder nicht; denn das half, meinte sie. Anfänglich spaßte er deswegen mit ihr, sagte Übermütigkeiten, wurde zärtlich und flüsterte.

Aber später lachte er nicht mehr.

Es muß entsetzlich sein, sich so zu ängstigen, dachte er, — ist das wirklich nur Furcht? —

Er gab jetzt gut acht, ihr bei der Arbeit zu helfen, wo immer er konnte.

VIII

Der Juli näherte sich seinem Ende.

Die Äcker beim Spring Creek standen so schön, daß es eine Herzenslust war, sie anzuschauen. Jetzt waren Köpfe auf die langen Halme gekommen — Körner wölbten sich unter der Haut, lagen dicht gepackt in grünen Reihen. Mit jedem Tag wurden die Ähren schwerer, wiegten sich in der Brise und legten sich schräg, sobald sie nachließ ... Sie umschlossen soviel träumendes und verborgenes Leben, — Leben, das erwachen wollte.

Der Per Hansen führte sich wie ein wohlgebautes Boot zwischen Sturzseen: solange der Kiel noch stand, ging es mit ihm gut. — Er sah, wie die Frau jeden Abend das Fenster verhängte; es nagte an ihm; er war ängstlich um sie besorgt, bisweilen auch erbittert und sagte ihr‘s dann. Aber wenn er wieder anschaute, was da alles für ihn wuchs, auf den Wiesen wie auf dem Acker, an Vieh und an Menschen, dann ward er fröhlich und vergaß der Frau. — Er hatte mehr Ackerland als die meisten, und es war gar kein Zweifel, daß bei ihm alles am besten stand! — Die Beret, die Arme, war zwar bei weitem nicht so, wie ein gesunder Mensch sein muß; aber das war wohl alles nicht schlimmer, als daß es sich mit der Zeit einrenkte! — Ob er kurzerhand zugriff und sich schon zum Winter ein schickliches Haus schaffte ? Er mußte ohnehin einmal mit dem Königshof beginnen! Der Norweger in Worthington war ein braver Mann, der gab ihm schon Kredit, wenn er hübsch mit ihm sprach. Für das nächste Frühjahr plante er bei den Indianern einen großen Wurf, da wollte er ihnen ihr gesamtes Lager an Fellen abnehmen! — Und bekam er es fertig, den Königshof zu bauen, wie er ihn sich entworfen hatte, dann war es so gut wie ausgemacht, daß sie, die Beret, sich wieder erholte, — so ein vernünftiger Mensch wie die! —

Alles, was er dies Jahr gesät und gepflanzt hatte, blühte wie ein Garten; die Kartoffeln wuchsen, daß er es geradezu hören konnte. Jetzt kamen bereits jeden einzelnen Tag neue Kartoffeln auf den Tisch; bei den andern setzten sie gerade erst Blüten an. Auch der Hafer stand schön. Der Weizen aber setzte allem die Krone auf. Die Nachbarn, sowohl die vom östlichen Bachufer wie auch die andern, kamen, um den zu besichtigen und freuten sich über den Anblick; sogar die Iren. Die redeten viel und geschwind, was er nicht verstand. Aber sie freuten sich, das konnte er ihnen ansehen.

Und jetzt sparte sogar Tönset‘n nicht mit Lob und Preis, weil der Per Hansen so vorbedacht gewesen, zeitig zu säen; jetzt konnten sie alles ›Reaping‹ Maschinenmähen. beim Per erledigen, bevor sie bei den andern anfangen mußten. Das Vollgefühl seiner Wichtigkeit taute dem Alten aus allen Ritzen. Selbstredend, daß es ihm oblag, alles Reaping für die Neusiedler zu besorgen! Den Solumbuben fiel die Aufgabe zu, den Neulingen jenen Handgriff beim Garbenbinden beizubringen. Hier war, meiner Seel‘, bald viel zu organisieren! — Tönset‘n trabte ständig umher; er unterzog die Mähmaschine einer gründlichen Musterung, lief zum Per Hansen, um nachzusehen, ob nicht dessen Acker bald in Angriff genommen werden könne, und war es soweit gediehen, dann fand er, er müsse bei der Gelegenheit geschwind einmal zu den Solumbuben, um zu hören, was sie als Alt-Amerikaner zu dem allen meinten, — es sei bös, so große Verantwortung allein zu tragen! —

Aber nun verhielt es sich diesmal mit dem Per Hansen so, daß er, dem sonst nichts schnell genug ging, fand, es eile ja gar nicht; er zog jeden Abend zum Acker hinauf, um zu ›obsalvieren‹, wurde jedoch mit jedem Male bedächtiger. — »Nein, komm du auch einmal mit und schau dir an, wie fein der Weizen steht,« sagte er zur Frau. Und dann ging sie mit und sagte, er stehe hübsch — übrigens wirklich ausnehmend hübsch! Aber dann fiel ihr gewöhnlich etwas ein, was sie im Hause zu besorgen vergessen. Sie nahm sich selten die Zeit, auf ihn zu warten.

Wie gesagt, ihm schien es mit der Harvest Getreideernte. keineswegs zu eilen: Ließ Tönset‘n diese Saite anklingen, dann meinte der Per Hansen, sie sollten die Ähren doch noch ein wenig faulenzen lassen. »Wirst damit schon fertig, Syvert; wir wissen doch alle, daß du beim Reaping deinesgleichen nicht hast in ganz Dakota Territory!«

Tönset‘n hüstelte: »Meinst du nicht eigentlich: Minnesota?«

»Richtig, gewiß, — sagte ich das nicht?«

Da lachten sie beide und kabbelten sich in aller Freundschaft wie Buben.

Aber dann kam Tönset‘n eines Vormittags hinüber, strotzend von erregtem Entschluß: heute müßten sie anfangen, — kein andrer Ausweg, keine Ausrede! Er komme gerade vom Hans Olsen, und jetzt fingen schockschwerenot auch dort die Spitzen an zu gilben; sie müßten hier unverzüglich heran!

»Das hat doch keine so brennende Eile, Syvert; nein, laß sie sich noch die Nacht über ausfaulenzen!«

Tönset‘n war auf dem Ohr völlig ertaubt; er fuchtelte mit den Armen und stampfte umher: »Aber Menschenskind, begreifst du denn nicht! Wir haben hier achtzig Acres, und alles soll ich allein besorgen! Und vielleicht muß ich auch noch den Leuten aus Sogn bei ihren Äckern helfen, — ungewiß, was sie von solchen Dingen verstehen.«

»Das macht sich schon alles,« lachte der Per Hansen, »fasse dich nur in Geduld, du Syvert!«

Da wurde Tönset‘n aber fuchsteufelswild: »Ich will dir eins sagen: von den Dingen hast du keinen blauen Dunst, Gevatter; stehst hier gerad wie die Kuh vorm neuen Tor! Wär‘ es nicht wegen des Gottesglückes, daß alles bei dir so zeitig kommt, würden wir niemals mit allem fertig, — wir müssen heran, und zwar noch heute!«

»Wie du befiehlst, Kapitän!«

»Dann benachrichtige ich also den Hans Olsen, und du läufst nach den Solumbuben!«

»Wollen wir — hm — ganz Dakota Territory bei meinem Acker anstellen?«

»Per Hansen, so nimm doch Verstand an!« rief Tönset‘n, »du und der Hans Olsen, ihr beiden allein werdet im ganzen Leben nicht mit dem Binden hinter mir fertig, — ihr könnt ja doch noch nicht einmal binden! Tu, wie ich dich‘s geheißen habe, und hol die Burschen!«

Tönset‘n stapfte davon, als gelte es Land und Reich. — Es war traurig, mit Leuten zu tun zu haben, die rein gar nichts verstanden! —

Gleich nach Tisch waren sie alle am Weizenacker versammelt; die Männer und die Weiber und die Kinder, — die Beret hatte die beiden Kleinsten mit. Tönset‘n redete und erklärte und kommandierte, so daß sich schließlich bei allen eine Art Feststimmung entwickelte. Nur in ihm, der für alles die Verantwortung trug‘, sah es keineswegs festlich aus. Die andern lachten und scherzten, als sollten sie an einem Sonntagmorgen den Brautmarsch zur Kirche antreten. Und es war nicht ganz abzuleugnen, daß sie auch mit Tönset‘n ihren Spaß trieben, — und dann lachte die Kjersti, daß es trillerte. Tönset‘n jedoch hatte heute Wichtigeres im Kopf als Faxen, — jetzt sah einer so recht, in wem hier eigentlich der Verstand steckte! Er lag unter der Maschine auf dem Boden und unterwarf sie einer letzten Prüfung, beklopfte sie sodann mit einer stattlichen Zange von allen Seiten, fand hier ein Loch und dort eins, das noch geschmiert werden mußte, — wo war jetzt bloß das Schmieröl? — Was standen sie da alle und hielten Maulaffen feil? Konnten sie nicht kommen und helfen?

Endlich war es soweit, daß die Pferde vorgespannt werden durften; er ergriff die Zügel und turnte auf den Sitz hinauf.

»Ja, jetzt denn in Gottes Namen!«

Zu mehr hatte er nicht Zeit; die Mücken stachen, die Pferde waren unruhig, und es gab gar soviel zu beachten! Er schwenkte zum Ackerrand.

Und jetzt begann die erste Harvest am Spring Creek.

Mächtig dröhnte die Maschine über die Flur, bis sie zu fressen bekam. — Die Pferde gingen schnell, die Maschine schnappte ganze Maulvoll in sich hinein, surrte und schnurrte und schrie nach mehr.

Tönset‘n legte die erste Runde Korn um; er war so darauf versessen, gerade und schmuck zu schneiden und nur das allernötigste am Rande stehenzulassen, daß er für andres weder Ohr noch Augen hatte. — Erst nach der vierten Runde hielt er die Pferde an und fragte den Henry auf Englisch, was er dazu meine. Und wie gehe es mit den Neulingen, würde er ihnen jenen Handgriff beibringen können? — Well, die Kjersti sei in alten Tagen eine tüchtige Binderin gewesen, die müsse ihm halt beim Unterricht helfen! — Sodann aber wandte er sich majestätisch im Sitz und brüllte dem Per Hansen auf Norwegisch zu:

»Ich glaub, meiner Seel, dieser dein Weizen gibt vierzig Bushels auf den Acre! — Ja, für fünfunddreißig also garantiere ich dir!«

»Fahr zu, Vater Syvert! Siehst du denn nicht, daß hier eine ganze Armee Leute auf dich wartet!«

Das Garbenbinden war mehr Arbeit als Kunst, und es bedurfte keiner langen Übung, es zu erlernen; wenn sich so viele wie hier darin teilten, war es das reine Vergnügen. Ein jeder wollte es einmal versuchen; sogar die Beret legte den Säugling aufs Feld und tat mit. Aber da kam die Kjersti und redete mit ihr: das sei nicht mehr Arbeit, als die Mannsleut gut allein bewältigen könnten, — du lieber Gott — fünf erwachsene Männer um dieses Feld, und dazu zwei Buben! Jetzt wollten sie mit der Sörrina zusammen heimgehen und den Vesperkaffee herrichten; täten sie alle drei ihre Vorräte zusammen, so reiche es; dann kämen sie mit dem Kaffee auf den Acker, — das sei so lustig, — und damit sei den Männern besser geholfen. —

Der Per Hansen band seinen eigenen Weizen!

Die Hände wurden feucht vom Saft; der war so fein und weich wie Öl. — Mit jeder Garbe hob der Per den Kopf höher, und er merkte in sich eine Kraft, wie er sie bisher nicht gekannt. Jetzt war das Dasein eine Lust! Einen kühnen Wurf hatte er getan; dafür hielt er jetzt das Glück in den Händen. — Er lächelte: O nein, er mußte gewiß behutsamer verfahren; etliche Ähren waren bereits sehr reif und konnten leicht streuen.

Er richtete sich auf und fuhr sich mit den feuchten Händen übers Gesicht. — Merkwürdig, wie leicht ihm heute der Körper war ! —

Die Männer arbeiteten, bis der Tau so stark fiel, daß sie aufhören mußten. Die Sonne war längst in die Prärie gesunken; nur eine tiefe Röte war noch geblieben.

Tönset‘n war jetzt müde und steif, aber er ließ sich das nicht etwa merken.

In Per Hansens Gamme warteten volle Schüsseln Brei auf die Schnitter. Die beiden andern Hausmütter hatten inzwischen daheim bei sich die Wirtschaft besorgt; jetzt gingen sie der Beret zur Hand.

Die Männer setzten sich zu Tisch.

Der Per Hansen kramte in der Truhe. »Wartet noch ein wenig mit dem Tischgebet!« plauderte er in die Truhe hinein. »Ich möchte auch gern dabei sein!«

Er trat hinzu und schüttelte eine Flasche hinter Tönset‘ns Kopf.

»Hast du schon je solch absonderliches Geräusch gehört, du Syvert? Ist es nicht rein, als locke es?«

Und es gab für alle ein Schnäpslein, ehe sie sich in die volle Schüssel hineingruben.

»Hä, hä!« räusperte sich Tönset‘n nach dem Schnaps. »Sollst sehen, du wirst bereits im ersten Jahre ein reicher Mann, — ausnehmend guter Weizen!«

»Ja, das sage du lieber von dir. Und sollten du und die Kjersti nicht Socken genug haben, eure Taler darin zu sammeln, so wendet euch getrost an uns, wir helfen euch gern damit aus!«

»Ja reich werden wir alle!« beteuerte der Tönset‘n. »Und der Sam müßte eigentlich jene Trönder-Dirn, die an den Ufern des Sioux auf ihn wartet, zur Hochzeit holen, — gelt?«

»Yes, Sir!« meinte der Sam dazu. »Aber, du Kjersti, hüte dich, den Syvert auf die Hochzeit zu lassen!«

»Warum denn wohl?« fragte sie treuherzig.

»Nein, schau, er wird so wild, wenn er mit den Trönderbäuerinnen zu tun bekommt!«

»Du bist ein Ochs, du Sam!« sagte Tönset‘n verdrießlich und legte den Löffel weg.