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Kitabı oku: «Das Schweigen der Prärie», sayfa 8

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XII

Ehe er sich noch entschloß in den Sattel zu steigen, hörte er Schritte und wandte sich dem Hause zu. Jetzt kommt sie! durchfuhr es ihn, und dann wird‘s allright, und ich kann weg, — es eilt auch!

Aber die Schritte kamen aus einer andern Richtung; der Hans Olsen kam herbei. Wollte der etwa reiten? Ja, das war etwas anderes; denn so einem Mann gelingt alles. — Aber es schien, als wolle es sich bald aufklären und Heuwetter werden.

— — Der Per Hansen fühlte, als der Nachbar näher kam, so deutlich: der hätte gerade jetzt nicht kommen sollen — nein, nicht gerade jetzt! Und es fehlte die gewohnte Unbefangenheit, als er ihn begrüßte:

»Bist schon so früh unterwegs?«

»Ja, auch du bist zeitig auf den Beinen, sehe ich. Dacht‘ es mir schon und wollte noch mit dir reden. Du willst sie also suchen?«

Der Per Hansen sah vor sich hin und antwortete erst nach einer Weile:

»Einer muß doch wohl reiten. — Es ist das beste, du eilst dich mit der Mahd, daß wir sie hinter uns bringen. Ich versteh mich halt wenig auf solches Gerät.«

»Ich weiß, du bist geschwinder auf solcher Fahrt als ich; drum ist‘s vielleicht das beste, es geschieht nach deinen Worten. — Weißt du, was die Sörrina mir gestern abend erzählte?«

Der Per Hansen antwortete nicht, war just nicht aufgelegt zum Rätselraten. Er sah den Nachbar an, sein Denken aber kreiste um die Hütte. — Sie hörte sie wohl sprechen? Ob sie nicht herauskam?

»Ja, siehst du, die Sörrina hat die Kuh im Verdacht, seit gestern morgen stiertoll zu sein!«

Der Per Hansen kam mit einem gewaltigen Ruck zur Wirklichkeit zurück: »Nein, was du nicht sagst, Hans Olsen!«

»Ja, das also erzählte mir die Sörrina! Die Kuh ist doch nicht etwa darauf verfallen, nach Filmore zurückzutraben und die andern mitzunehmen? — Das war‘s, was mir heute nacht so beiläufig einfiel, und ich meint‘ halt, ich müsse es sogleich mit dir bereden.«

Ja, das war denn doch eine verständigere Lösung als dem Sam sein Gefasel! Der Per Hansen hatte plötzlich alles Herzeleid vergessen, er lachte geradezu bubenhaft ausgelassen.

»Ho ho! Die ist also ins Dorf, deine Kuh, und hat die andern mit in Versuchung und Sünde gelockt!«

»Ja, wer weiß?«

»Ho, da sagst du etwas Gescheites!« Der Per Hansen band das Pferd los und sprang rasch in den Sattel: »Jaja, ich mußt‘ heut nacht an die Trönder denken, und jetzt reite ich dorthin. — Es ist ungewiß, wann du mich wiedersiehst; schau derweil für mich nach dem Rechten.« Er hielt noch einen Augenblick, warf einen Blick auf die Hütte und sagte leise: »Schick unbedingt heut abend die Sörrina her; und eil dich mit der Mahd, — es klärt bald auf!«

Er ritt ans Haus, um die Türseite herum, hielt einen Augenblick, räusperte sich, lauschte und ritt dann seines Weges.

An das Ostfenster preßte sich ein Frauengesicht, rotgeweint, und sah ihn in dem blaugrauen Tag immer kleiner werden, zuletzt verschwinden. Ihr kam es so vor, als sinke er immer tiefer in den Boden; das Blaugraue hob sich und überspülte ihn.

Bald wußten alle, daß der Per Hansen auf der Suche nach den Kühen war, und wußten sich dabei zu beruhigen. Sein Pony ging leicht und war ausdauernd; den andern wäre der Ritt jetzt wenig gelegen gewesen; sie wollten abwarten, wie es mit ihm ablief.

Nicht etwa so zu verstehen, als hätte sich Tönset‘n etwas von Per Hansens Vorhaben versprochen. Er hatte die ganze Nacht vergrübelt, die Kjersti ausgefragt, wie die Kühe sich beim Kommen der Indianer verhalten hätten, und war des Morgens aufgestanden in der unerschütterlichen Überzeugung, daß der Sam des Rätsels Lösung gefunden habe. Für Tönset‘n gab es nur die Frage, wie sie ohne Blutvergießen und Krieg zu den Tieren gelangten. Als er hörte, der Per Hansen sei zu den Tröndern geritten, war er außer sich. Daß der Hans Olsen auch davon nicht abgeraten hatte! Ja, er war geradezu zornig auf den Per Hansen. Der war also gar nicht der mutige Kerl, für den er sich ausgab! Begriff der denn nicht, daß er die Verantwortung für das Finden der Kühe trug? Er war mit dem Raubgesindel gut Freund geworden, hatte sie verhätschelt, statt sie dahin zurückzujagen, wo sie hergekommen waren; hatte sogar Geschenke von ihnen angenommen! Was vertrödelte er die Zeit mit Schmausen bei den Tröndern am Sioux? Die Kühe mußten sie zurück haben und zwar sofort!

— — Tönset‘n hielt mit seiner üblen Laune nicht hinter dem Berge.

Die Mißstimmung drückte übrigens alle; jeder tat seine Arbeit, die Augen waren aber woanders.

Der Abend brachte weder den Per Hansen noch die Kühe. Man spürte nicht Lust, sich schlafen zu legen; man schaute aus, wartete. Hans Olsens ganzer Hausstand saß bei der Beret; Tönset‘n und die Kjersti kamen auch herzu, nachdem sie erst beim Hans hineingeschaut und keine Menschenseele angetroffen hatten. Die Solumbuben fanden es auch nicht spaßig, daheim zu bleiben, und kamen gleichfalls. — — Aber auch bei Per Hansen fehlte die rechte Gemütlichkeit. Die Beret schaffte so wortkarg und abwesend und dabei so wunderlich ruhig, als ginge sie das alles gar nichts an.

Als sie sich aber anschickten zu gehen, sagte sie gelassen, gleichsam grübelnd und wie zu sich selber: »Ich kann das nicht begreifen! Jetzt ist es Nacht; und der Per Hansen tummelt sich draußen in der Endlosigkeit allein herum! Und hier schwätzen vier Männer die Zeit fort? Es ist doch wohl ebensosehr ihr Vieh, wie das seine. Nein, ich begreife es nicht.«

Sie sah niemanden dabei an. Ihre Worte schwebten durch die Stube; niemand äußerte etwas dazu, — es war auch nicht leicht, eine Antwort darauf zu finden; aber das Unbehagen wurde dadurch nicht geringer.— —

Als die andern gegangen waren, verhängte sie die Fenster, dicht und verläßlich. Sie konnte sich nicht legen, solange alles da draußen zu ihr hereinstarrte. — Die große Lade zog sie vor die Tür.

XIII

Am nächsten Tage waren die Buben nicht vom Dach herunterzubekommen; sie waren gleich nach dem Frühstück hinaufgeklettert. Der Vormittag verging; es wurde Mittag. Der Ole kam zwar zum Essen herunter, aber der Große-Hans blieb oben. Der Mutter erschien das verständlich, sie ließ ihn gewähren. Es wurde Vesper, und noch war nichts zu sehen.

Da ließ sich plötzlich vom Dach her eifriges Unterhandeln vernehmen, und der Ole rief mit lauter Stimme herunter:

»Jetzt — jetzt kommt der Vater! ja, dort kommt er!« — —

»Und die Kühe hat er mit!« Das rief der Große-Hans.

»Wir müssen‘s sogleich den andern erzählen!« sagte der Ole. »Aber zu allererst der Mutter!« sagte der Große-Hans; er hatte schon vergessen, daß sie ihr die Nachricht soeben zugebrüllt hatten. Die Buben rutschten mit Windeseile vom Dach, rissen die Tür auf, sagten beide im gleichen Atem, jetzt komme der Vater, sausten davon. Zuerst zum Hans Olsen, dann zu Tönset‘n und schließlich nach Norden zu den Solumbuben. Auf jeder Stelle dieselbe Nachricht: »Jetzt kommt der Vater!« — das war der Ole. »Und die Kühe hat er mit!« — das war der Große-Hans.

Und wirklich: dort kam der Per Hansen auf dem Pony und trieb alle Kühe vor sich her. Sobald der Zug deutlicher sichtbar wurde, überzählte man die Kühe. — — Das war doch aber sonderbar? Sahen sie etwa doppelt? — Und man zählte noch einmal; und das Ergebnis blieb dasselbe: jeder bekam eine Kuh zuviel heraus! Vier sollten es sein, und dort trabten fünf, ein Irrtum war nicht möglich! Sie kamen aufgereiht wie Perlen auf einer Schnur — der Per Hansen auf dem Pony als letzte!

Als die Leute sich sattgesehen, begab sich jede Menschenseele ganz selbstverständlich zu Per Hansens Gamme. Ein jeder wollte zu seiner Kuh; und alle wollten erfahren, wo er diese beiden Tage zugebracht, und insbesondere: Was hatte es mit der fünften Kuh auf sich?

Der letzte Punkt wurde zuerst aufgeklärt; ehe noch der Zug dicht herankam, erkannten sie, daß die fünfte Kuh gar keine Kuh war! Nein, keine Kuh, sondern ein einjähriger Stier.

Der Per Hansen auf dem Pony war fast nicht wiederzuerkennen; das Gesicht war arg bestaubt und von dem ständig rinnendem Schweiß ganz streifig. Zu allererst jedoch sahen sie etwas, was er vor der Brust hängen hatte, etwas, was gewissermaßen einer Art Spind ähnelte. Du lieber Himmel, war das nicht ein Vogelbauer aus Latten gezimmert? Und innen drin ein Hahn mit zwei Hennen! —

Auch die Beret stand vor der Tür; sie ging ihm entgegen, ohne die andern zu beachten; die verhielten sich übrigens so wunderlich, wagten sich nicht recht zu ihr hin, wichen eher zurück, als sie kam.

»Kannst du mir sagen, was du da mitbringst?« fragte die Beret mit weicher Stimme, aber leise, als scheue sie sich.

Der Per Hansen löste sich den Bauer vom Hals.

»Oh,« sagte er müde, fast stumpf, »da ich schon einmal so weit gereist, hielt ich es fürs beste, zugleich etwas auszurichten.« Er reichte ihr den Bauer. »Hier hast du also deine Hühner. Weiß zwar nicht, ob sie noch lebendig sind?«

Die Beret ging mit dem Bauer zum Haus hinauf. Und jetzt umdrängten sie ihn, die andern, und wollten Bescheid über alle Widerwärtigkeiten, die er erlebt.

Tönset‘n aber redete vorneweg: »Kannst du mir sagen, Per Hansen, was du da für einen Burschen bei den Kühen herumlaufen hast?«

Etwas wie ein Grinsen legte sich über das verschwitzte Gesicht.

»Der da? — oh, das ist bloß ein Trönder.«

»Nein, bist du toll! Ja, dann wird er wohl taugen! — Wo hast du denn den erwischt?«

Der Per Hansen stieg ab und reichte dem Großen-Hans die Zügel. »Gib dem zu saufen und versorge ihn gut! — Wo ich den erwischt habe? — Ich verführte eine nette Trönder-Bäuerin dazu, ihn mir auf ein Jahr zu borgen. Ich versprach ihr zehn Dollar für sein übriges Leben. Das sind genau 2,50 auf deinen Teil, Syvert. Aber schau, das kommt dir auf die Dauer billiger, als alle Jahre ganz Dakota Territory nach deiner Kuh abzusuchen!«

Die Sörine und die Kjersti konnten sich gar nicht genug damit tun, dem Per Hansen warm und nachdrücklich zu danken. Das Gescheiteste aber verlautbarte diesmal die Kjersti, so schien es dem Per. Als sie sich nämlich den ganzen Bericht bis zu Ende angehört hatte, wie weit und wie lang er geritten, da sagte sie still und nachdenklich:

»Wenn die Lust schon in einem stummen Tier so gewaltig ist, wie muß sie dann erst in einem Menschen hausen! — Den Streich vergeß ich dir nimmer, Per Hansen!«

Und sie lachten alle miteinander. —

Die Merkzeichen im Gras

I

Der Per Hansen wurde weiter und weiter in das Märchen hineingetragen, in jenes wundersame Märchen, worinnen er der König und der Prinz zugleich war und alle Herrlichkeiten der Welt besaß. Und es war mit diesem wie mit den andern Märchen: es wurde kurzweiliger und unverlierbar köstlicher, je weiter er hineinkam.

Rast gönnte er sich nur noch, wenn er vor Ermüdung einschlief. Das geschah nicht zu oft; denn es war zum Müdewerden viel zu unterhaltsam. Und je länger es währte, desto schöner wurde es, und die Sonne über dem Schloß strahlte immer heller.

Er besah sich den Acker und lachte, lachte ihn herzlich an wie etwas Schönes und Lustiges. Nein, was für ein Boden! Den Pflug brauchte man bloß hineinzustoßen und die Grasnarbe zu kehren, und die Krume lag vor einem. Und das war nicht etwa gewöhnlicher Boden, der nur Gerste und Hafer, Kartoffeln und Heu und derlei Alltäglichkeiten hergab! O nein, der hier taugte zu Weizen, ja, also zu Weizen, dem König unter den Kornsorten! Diesen Boden hatte der Herrgott eigens für den edlen Samen geschaffen. Und auf 250 Morgen davon ging der Per Hansen herum, und sie waren sein eigen!

Ein schöner, lockender Gedanke war in ihm aufgedämmert: Dieser Quart war bloß für Ackerland bestimmt; der Quart daneben nach Osten zu aber wäre trefflich für Vieh, Weide und Heu! Es ginge ja wohl auch mit dem westlich angrenzenden an; doch der nach Osten war besser, der hatte nämlich fließendes Wasser. Diese beiden Quarte zusammen ergaben jedoch einen prächtigeren Landsitz, als ihn die meisten Könige alter Zeiten gehabt! — Er sagte vorläufig nichts von dem zweiten Quart, erwähnte ihn mit keinem Wort; er sah noch nicht, wie er ihn erwerben könne; aber die Buben wuchsen jeden Tag mehr heran, — und mit der Zeit kam schon auch noch Geld ins Haus.

Und noch viele andere gute und schöne Einfälle kamen, von den Dingen nämlich, die vorerst an die Reihe mußten. Zum Beispiel die Herde. Ansehnlich sollte die mit der Zeit werden! Rösser und Schweine, Rinder und Hühner, Enten und Gänse, Großes und Kleines! Das sollte schnattern und grunzen, brüllen und wiehern aus jedem Winkel. — O, es sollte hier ringsum schon lebendig werden und aufgabenreich für die Beretmutter!

Aber am lustigsten war es, an dem künftigen Königshof zu bauen. Behausung für Hühner und Ferkel, einen geräumigen Stall, ein prächtiges Stabbur. Stabbur = das für norwegische Gehöfte bezeichnende Vorratshaus, auf Pfosten 1—2 m über dem Boden ruhend, meist durch schönes Schnitzwerk vor den übrigen Gebäuden ausgezeichnet. Und dann das eigentliche Schloß! Blitzneu und glänzend sollte der Königshof erstehen, — das Schloß selbst weiß, mit grünen Windbrettern. — Und das alles wollten er und die Buben allein miteinander schaffen!

Ja, es war wie im Märchen! Ringsum lagen die Dinge so geheimnisvoll und hatten die Tarnkappe auf; aber dann berührte er sie, tröpfelte ein paar Tropfen aus dem Zauberhorn auf sie, und die Tarnkappe war verschwunden, die Dinge lagen leuchtend klar vor ihm! — Yes Sir! Da sah er das Schloß vor sich! Ein Zaun um einen großen, großen Garten! Der Zaun weiß, gerad wie das Schloß. Viele Bäume dahinter und davor: Bäume mit Äpfeln darauf, Bäume mit andern Früchten, und — und — Bäume mit Zapfen daran, yes Sir — Bäume mit Tannenzapfen! Es blinkte feucht in des Per Hansen Augen, — denn wirklich, es hingen Tannenzapfen an etlichen von diesen Bäumen! Der Tannenbaum = der Liebling des norwegischen Bauern, ein Symbol seiner Heimat. — Noch wußte er nicht, wo er sie herholen solle; aber haben mußte er sie. —

Der Per Hansen war lauter lebendige frohe Unruhe, er breitete der wundersamsten Zukunft beide Arme entgegen. Er war so schelmisch froh und zärtlich. — — Aber stille sitzen konnte er nicht! Kaum einmal an einem Sonntag! Und dann war er leicht übelgelaunt. Fiel ihm nichts Besseres ein, so unternahm er weite Streifzüge über die Prärien, fand bald diese zur Besiedlung gutgeeignete Stelle, bald jene. Hierher kommen doch gewiß Leute, sich anzubauen! dachte er; dann gehe ich mit ihnen mit und zeige ihnen alles! — Und fast überall war derselbe vortreffliche Boden. Das Besondere lag hier unbegrenzt! — —

II

Die Buben waren eines Sonntags abends rein toll heimgekommen. Sie hatten einen weiten Ausflug zu einigen großen Sümpfen gemacht, die von hohem Gras umgeben und mit weiten Strecken offenen Wassers dazwischen, in der westlichen Prärie lagen. Jetzt berichteten die Buben, daß dort Tausende und aber Tausende von Enten nisteten; die seien nicht scheuer, als daß man sie fast mit der Hand greifen könne. Der Große-Hans erzählte, bis ihm das Wort in der Kehle steckenblieb und er vor Aufregung bibberte, — und der Bruder machte es nicht viel anders. —

Tagelang redeten die Buben nur noch von den Enten. Wie konnte man sie bloß fangen? Eine Schrotflinte hatten sie nicht. Die Lange Marie dürften sie nicht benutzen, sagte der Vater; sie habe schon ohnehin zu wenig Futter, ... und niemand könne wissen, — nein — niemand könne wissen. — Was es war, was ›niemand wissen könne‹, erörterte er nicht näher. Aber soviel begriffen die Buben: mit der Büchse und den Enten war es nichts. — Da trieben sich also die Enten in unabsehbaren Mengen herum, flogen von dem einen Wassertümpel auf, ließen sich auf dem nächsten nieder, wenn die Buben zu nahe herankamen! Und nicht der kleinste Stein in der Gegend aufzutreiben! Vertrackter konnte es gar nicht sein! —

Seit der Entdeckung der Enten waren die Buben jeden Sonntag an den Sümpfen. Der Vater hatte noch nicht Zeit gehabt, sich die Herrlichkeit selber zu besehen. Aber schließlich an einem Sonntagvormittag anfangs August gönnte er sich mit dem Großen-Hans einen Spaziergang nach Westen. Der Ole mußte daheimbleiben. Die Mutter dürfe nicht allein sitzen, wo sie drei ausgewachsene Mannsleut im Hause habe, hatte der Vater gesagt. Und der Ole, als der Größere, müsse zuerst heran. Der Bub benahm sich so ungebärdig, daß die Mutter es für das geratenste hielt, auch ihn gehen zu lassen. Doch der Vater war auf dem Ohr taub; nächsten Sonntag werde er selber daheimbleiben und der Ole freihaben; heute bleibe es bei seiner Anordnung.

So machten denn also er und der Große-Hans diesen Ausflug. Enten gab es da freilich! Das war gerad wie an Finmarkens Finmarken = nördliche Provinz Norwegens. Vogelbergen!

Der Große-Hans zeigte und wisperte unausgesetzt, bis ihm die Augen übergingen und er sich räuspern mußte: Meinte der Vater wirklich nicht, daß es anginge, die zu erwischen ?

Nun, erwiderte der Vater ernsthaft, sie könnten es ja vielleicht einmal mit Salz auf den Bürzeln versuchen!

»Salz auf den Bürzeln? — Geht das?«

Höhö; so hatten sie‘s doch in alten Zeiten immer gemacht! — Aber da mußte der Vater lachen, und damit war der Glaube an das alte Volksmittel zerstört. Der Per Hansen war fast noch froher als sein Büblein über all das Gevögel. Freilich gebe es da einen Rat, wenn er nur erst Zeit gewann, sich recht zu bedenken! Im Märchen stehe nichts davon geschrieben, daß der König eine Schrotflinte gehabt; trotzdem habe er Enten verspeist. Und was einstens getan worden war, könnt‘ einstens wieder getan werden! —

Auf dem Heimweg von diesem Ausflug machte der Per Hansen seine große Entdeckung.

Der Große-Hans ging den nächsten Weg nach Haus, um dem Bruder brühwarm zu erzählen, was er und der Vater heute gesehen.

Der Per Hansen aber liebte es nicht, den Weg, den er gekommen, zurückzugehen, solange soviel Land noch unbefahren war. Er machte also einen großen Bogen. Schon oft hatte er sich gefragt, wie weit ihre Landteile sich wohl nach Westen erstreckten, niemals aber Zeit gehabt, die Grenze abzuschreiten. Jetzt kam er gerade des Wegs und konnte bequem die Westgrenze aller ihrer Reiche abgehen!

Tönset‘ns Südlinie war ihm gut bekannt, ebenso alle Grenzen nach Ost und Nord. Jetzt ging er ins Fahrwasser der Südlinie, auf ihr zunächst ein Stück nach Osten, fand aber, bis ganz zum Ende werde es zu weit und drehte wieder nach Westen ab. Er müsse es heute bei einem Überblick bewenden lassen. — — Hier ungefähr müßte es sein, dachte er, blieb stehen und nahm Gissung auf Nord. Er mochte wohl an die hundert Schritt gegangen sein, als sein Fuß gegen einen Pflock stieß, der sich da schlafend im Grase duckte. Der Per Hansen sah hin, bemerkte den Pflock und blieb mit einem gewaltigen Ruck stehen. — — — War der Syvert auch hier gewesen, und hatte sein Merkzeichen eingerammt? Er war vorbedacht, der Syvert!

Der Per Hansen bückte sich und besah sich den Pflock. Ganz richtig! Da stand die Zuweisung sowohl mit Sektions- wie mit Quartnummer. Aber der Name darunter — der Name? Er kniete hin und starrte, bis ihm schwarz vor den Augen wurde: Da stand keineswegs ›S. H. Tönset‘n‹, nein, da stand ›O‘Hara‹, — nichts andres. Alles eingeschnitzt. Und das Zeichen wies nach Osten! — Als der Per Hansen wieder aufgestanden war, richtete er das zerdrückte Gras sorgfältig mit der Hand wieder auf.

»Jah,« sagte er laut und setzte sich in Bewegung; machte dann aber nochmals kehrt, ging zurück und las den Namen wieder. Um sich ganz zu versichern, daß er richtig sehe, ließ er den Zeigefinger über die geschnitzten Buchstaben gleiten und buchstabierte. Ja, ein Zweifel war nicht möglich!

Der Per Hansen legte den Kurs geradeaus nach Nord und schritt langsam weiter. Das Frohgemute, Freundliche war wie ausgelöscht; er sah müde aus. Plötzlich sputete er sich. Er ging bis zu Hans Olsens Südgrenze; hier machte er sich ans Suchen, zuerst ostwärts, sodann westwärts und ein Stück in den angrenzenden Quart hinein.

Und wieder stand da dieses Merkzeichen! — Er schaute sich nach allen Seiten um. Nein, nirgends war wer zu erblicken; er kniete hin, untersuchte das Zeichen. Die Landzuweisungsziffer machte ihm weniger Sorge; aber der Name, der Name! ›Joe Gill‹ stand auf diesem Pflock, — ›Joe Gill‹. Und es hätte stehen müssen: ›H. P. Olsen‹! — — Er stand auf.

Mechanisch ging er nach Norden weiter bis zur Grenze zwischen seinem und Hans Olsens Landstück; hier kreuzte er lange nach Ost und West hin und her. Aber hier konnte er den Pflock nicht finden; von seinem Vorhandensein war er ganz überzeugt. Sollte sich das Unheil etwa an Tönset‘n und den Hans Olsen herangeschlichen und sich dann nicht weiter nach Norden zu ihm hingetraut haben? Undenkbar! — Schließlich gab er doch sein Suchen auf; er schritt jetzt die gleiche Strecke nach Norden ab, bis zur Scheide zwischen seinem und Henrys Gebiet und stöberte auch auf diesem Quart nach dem Zeichen. — Nein, auch hier nichts zu finden!

Inzwischen war es spät geworden, und er mußte an die Heimkehr denken. — — Vor kaum einer Stunde noch war er frohen und leichten Sinnes gewesen wie ein Kind; als er nach Hause kam, schien ihm, er sei noch nie in seinem Leben so müd gewesen.