Sadece LitRes`te okuyun

Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.

Kitabı oku: «Das Schweigen der Prärie», sayfa 9

Yazı tipi:

III

Das mußten die Trolle sein, die jetzt nach ihm aus waren! — Und es war nur billig, daß er ihnen auf den Widden unversehens begegnete. Aber daß sie darauf verfielen, akkurat in der Form aufzutauchen! Doch Troll bleibt Troll, in jedweder Gestalt! —

Er hätte gern der Frau davon erzählt, um ihre Meinung zu hören; aber sie war schon ohnehin furchtsam genug. — Er ging über den Hof, setzte sich auf den Holzstoß und starrte vor sich hin.

Mit den Trollen war nicht gut streiten, — gewiß nicht! — —

Daß er aber ihre Spur an der Westgrenze seines eigenen Quarts nicht hatte finden können, das war doch das allerseltsamste dabei! —

Die Buben wollten sich mit dem Vater durchaus wegen der Vögel bereden; erst versuchte der eine, dann der andere, und dann versuchten sie gemeinsam; aber sie erhielten nicht Antwort. Die Mutter kam heraus und sagte etwas, aber auch das beachtete der Vater nicht. Er war von einem Ernst umgeben, der so dick war wie eine Mauer.

Er überlegt gewiß wegen der Enten, dachte sich der Große-Hans erfreut. Er konnte sich nicht bändigen; er scharwenzelte so lange um den Vater herum, bis er plötzlich neben ihm stand, ihm die Hände auf den Oberschenkel legte und in stiller Wonne sagte:

»Es waren entsetzlich viele!«

»Was?«

»Hast du schon je so viel Enten gesehen?«

»Enten? — — Nein.« —

»Glaubst du — glaubst du, daß wir sie kriegen?« wisperte der Bub geheimnisvoll.

Aber der Vater war mit den Gedanken schon wieder woanders. — Jetzt kam die Mutter mit dem Melkeimer heraus und lockte Buntscheck. Das hörte er aber doch, stand auf, ging hin und nahm ihr den Eimer ab. »Das kann ich doch gern tun, wenn ich ohnehin nichts anderes schaffe.« Aber er sagte es so geistesabwesend, daß sie ihn anschauen mußte; wie er zum Melken ging, hingen ihm Kopf und Schultern, und er sah klein aus.

Am nächsten Morgen stand er früher auf als sonst in letzter Zeit, ging fort, ohne zu sagen wohin.

Sie sah ihm durchs Fenster nach. — Es dämmerte kaum erst; er ging nach Westen; bald verbarg ihn der Hügelzug. — — Vielleicht geht er nach den Enten? dachte sie. Oh, da hätten doch wenigstens er und die Buben ihre Freude! — Übrigens hätte es damit noch Weile gehabt; mit derlei brauchte er sich nicht abzuäschern. — — Beret wandte sich vom Fenster; das Gesicht war kummerbeschwert.

Als er zurückkam, waren die Buben bereits auf, und das Morgenessen stand auf dem Tisch. Er mußte sehr schnell gegangen sein, denn ihm war heiß, konnte sie sehen. Aber — sie mußte noch einmal und schärfer hinsehen, es lag etwas Besonderes auf dem Gesicht — es war so verschlossen; und obwohl es schwitzig war, hatte es nicht Farbe. Sie fragte unwillkürlich:

»Ist dir nicht gut?«

»Doch.« Aber er sah nicht auf.

IV

Die Beret merkte deutlich an seinem Wesen, daß er sich jetzt mit einer Sorge trug, an die er sie nicht heranließ. Er hörte nur halb, wenn sie ihn einmal unversehens ansprach. Selbst, wenn er sich dann Mühe gab, natürlich mit ihr zu sprechen, so fühlte sie doch kein Nahsein heraus. Es fehlte die Wärme und die kindliche Freude, die ihn sonst immer beseelte. Und von dem frohen, lichten Geplauder vom Märchen, vom Königshof, von dem König und der Königin hörte sie nichts mehr. In den Nächten wachte er viel, warf sich und schlief unruhig. Was war es nur? — Und was gab es hier draußen denn zu verbergen? —

Und die ganze nächste Woche ging es so weiter.

Am Montagmorgen war er wieder zeitig unterwegs. Sie hatte die Nacht wachgelegen und gefühlt, daß ihm etwas nicht Ruhe ließ; aber schließlich war sie doch darüber eingeschlafen. Als sie die Augen aufschlug, fing es gerade an leise zu dämmern; da war er schon fort. Es fühlte sich an in der Hütte, als sei er schon seit langem gegangen; nirgends der geringste Laut. — Die Beret warf sich die Kleider über und ging hinaus. Dort stand der Pflug, sah sie, und die Ochsen lagen nicht weit davon ab; doch er war nirgends zu sehen. — — Ein unheimliches Gefühl von Verlassenheit beschlich sie, als sei sie von aller Welt Trübsal umgeben. Ja, wo war er jetzt wohl ? Was ging nur vor sich ? Und was quälte ihn so, was wollte er vor ihr verbergen? — — Sie rief einige Male nach ihm; dann stieg eine Angst in ihr auf, daß sie den Namen nicht noch einmal auszusprechen wagte. Der Schall verklang, ohne daß ihn jemand auffing. — — Der Beret war, als habe sie die Öde noch nie so lasten gefühlt.

Inzwischen stellte sich der Per Hansen auf der westlichen Prärie höchst sonderbar an. Er war vor Tagesanbruch aufgestanden, hatte sich draußen einen Spaten gesucht, sich dann aufgemacht; mit einem unnötig großen Bogen war er um Hans Olsens Hütte herumgegangen, hatte sich im Vorbeigehen vorsichtig umgeschaut, ob dort jemand auf sei, und sich dann weiter gesputet. — Er kam an die Stelle, wo sich auf Hans Olsens Land ein schwarzer Pfahl im Grase duckte; hier hielt er nach allen Seiten Ausschau. — Nein, niemand war zu sehen! Jetzt flammten seine Augen, die Lippen preßten sich zusammen, das Gesicht war hart und entschlossen. Er faßte den Pflock fest, zog ihn langsam heraus und legte ihn vorsichtig zur Seite. Er untersuchte das Loch eingehend, ehe er sich daran gab, es zuzuschütten; und als er endlich damit fertig war, hätte man schwerlich erkannt, daß ausgerechnet hier ein Stangenende im Boden gesteckt hatte. Er ging äußerst vorsichtig und bedächtig zu Werke. Erst holte er von weither lockere Erde und füllte das Loch bis fast zum Rande; suchte sich dann einen Graspfropfen und spundete damit zu; und in dem Pfropfen stand das Gras ebenso üppig wie ringsum. Und er nahm sich ungemein in acht, das Gras um das Loch nicht zu zertreten; er wagte kaum, den Fuß aufzusetzen.

Endlich betrachtete er prüfend sein Werk. — — »Wenn die jetzt warten, bis das Gras sich hinter mir wieder aufgerichtet hat, dann müßte es sonderbar zugehen, wenn sie den Hans Olsen um des Pflockes willen verjagen könnten!« Und darauf begab sich der Per Hansen schleunigst dahin, wo er das Eigentumszeichen auf Tönset‘ns Land gefunden; hier machte er es ebenso, war nur womöglich noch vorsichtiger. —

Als der Per Hansen — es war noch früher Morgen — heimkam, da kam er nicht von Westen, sondern von Norden. Die Buben saßen am Tisch beim Frühmahl, die Mutter besorgte den Haushalt und ließ das Fenster nicht aus den Augen. Sie sah ihn kommen, sah ihn beim Holzstoß stehenbleiben und einen Spaten wegsetzen, zur Hütte hinübersehen und zaudern. Und da verrichtete sie ihre Hausarbeit weiter, als sei nichts im Wege. Gleich darauf hörte sie seine Schritte draußen längs der Hauswand. Ging er zum Stall ? — Er kam erst nach einer Weile in die Hütte.

Die Beret musterte ihn von der Seite. Ja, da war er also, da war er! Aber im Gesicht war etwas Leuchtendes und glitzernd Hartes. — — Sie wollten heute pflügen, wies er die Buben an; jawohl, pflügen! Heute sollten die Ochsen tüchtig heran! — — Die Stimme klang, wie das Gesicht aussah; — sie klang so stark, sie sprühte geradezu Funken.

Der Stall war noch nicht in Gebrauch; vorläufig diente er als Gerätschaftshaus, als Tischlerwerkstätte und als Stabbur. Die Beret hatte dort alle Kleidungsstücke hängen. Heute ging sie hin, um zu sehen, ob etwas zu flicken sei. Und da fand sie die Pfahlenden, — der Per Hansen hatte sie unter den Kleidern versteckt. — — Die Pflöcke waren zum Schutz vor der Bodenfeuchtigkeit gebrannt, und außerdem waren sie so von der Erdschicht gefärbt, daß sie sie kaum gesehen, hätten nicht die geschnitzten Buchstaben geschimmert. Sie glaubte erst, es läge am Boden ein großer Wurm und sah erstaunt näher zu. Sie hob die Pfahlenden auf, drehte sie untersuchend hin und her. Da standen Zahlen und Buchstaben, und immer mehr Buchstaben, die sich zusammenfügten und zu einem Namen wurden; — ›Joe Gill‹ sagte der eine Pfahl, ›O‘Hara‹ der andere. — — Wunderliche Namen, dachte sie. Ob wohl Menschen so hießen? Gewiß waren es Indianer? Die Pfähle waren zugespitzt; hatten wohl im Erdboden gesteckt, denn es klebte noch immer Erdkrume an ihnen. — — Wo hatte er die wohl gefunden ? — Sie legte sie wieder zurück, suchte sich ein paar ausbesserungsbedürftige Kleider, ging in die Hütte und machte sich ans Ausbessern.

Aber die Pflöcke wollten ihr nicht aus den Gedanken. — — Diese Zahlen? — Zahlen und Buchstaben? Das mußte doch eine Landzuweisung bedeuten? — Und dazu Namen? — — Und im Boden hatten sie gesteckt? — — Ihr fiel ein, daß er sie erst kürzlich versteckt haben könne; denn erst in der letzten Woche hatte sie die Kleider dorthin gehängt. — Hatte er sie heute morgen mitgebracht? — — Sie tat die Arbeit zur Seite, ging hinaus, um die Pflöcke noch einmal zu untersuchen. — Gewiß! Die hatten im Boden gesteckt, und zwar bis zu dem Rand!

Sie saß wieder beim Flicken; die Bewegungen der Hand verlangsamten sich. — — Damit also hatte er sich geplagt und gewollt, daß sie davon fernbleibe? — — Heute hatte er so laut gesprochen und hatte so tatkräftig ausgeschaut. — Da war er wohl heute morgen mit den Pfählen gekommen — — ?

Die Gedanken spannen langsam zusammen. Je länger sie spannen, desto weniger gefiel ihr das Gespinst. Ihr wurde so bange, daß die Hand zitterte und sie aufhören mußte zu nähen.

Mittags wollte sie ihn nach allem fragen; und damit beruhigte sie sich vorläufig.

Und dann kam er heim, noch immer mit dem Starken, Lichten, das Funken sprühte; und das, womit sie sich trug, war so überaus häßlich, daß sie es unmöglich vorbringen konnte. — — Und jetzt war er auch wieder fröhlich — gewissermaßen; und er war doch wenigstens da!

Nach dem Abendessen hörte sie ihn im Stall herumkramen, wieder herauskommen und über den Hof gehen. Sie sah durchs Fenster. Da stand er am Hauklotz und zerhackte ein schwarzes Pfahlende, gebrannt und spitz, das im Erdboden gesteckt hatte! Die Stücke zersplitterte er zu Spänen! — Dann nahm er ein zweites und verfuhr mit ihm ebenso. — — Jetzt kniete er hin und las sorgsam Span auf Span zusammen und, — nein, o nein! — jetzt kam er damit in die Stube!

Die Beret stand verängstigt im Winkel beim Herd. Er sah sie, blickte zur Seite und geradeaus, kam heran, nahm die Ringe heraus und legte die Späne hinein.

»Willst du denn jetzt ein Feuer anmachen?«

»Nur ein wenig Holzabfall verbrennen, der beim Hauklotz lag.«

Sie wollte um den Herd herum und ihn aufhalten. Die Knie versagten ihr den Dienst. Sie wollte ihn etwas fragen, notwendig fragen, und konnte nicht, — die Worte verkrochen sich.

Nein, sie brachte es nicht fertig; denn, was sie argwöhnte, war so häßlich, so unsäglich abscheulich: Herre Gott, vergriff er sich etwa an anderer Leut Landmarken! — — — Schlimmer konnte sich ein Mensch an einem andern kaum versündigen, hatte sie daheim oft gehört. —

Ihr Entsetzen war größer noch als heute morgen, da sie seinen Namen gerufen und nicht Antwort erhalten hatte.

In der Nacht schlief der Per Hansen ungestört; aber jetzt quälte die Beret sich mit etwas, das ihr alle Ruhe nahm.

V

Mit dem Per Hansen war in den nächsten Wochen schlecht umgehen. Der ganze Mann war lauter Rastlosigkeit und ein Wille, der nur einen Weg vor sich sah, den, täglich so viel Neuland unter den Pflug zu legen, wie nur irgend anging. — »Hast du vor, dies Jahr noch den ganzen Quart aufzubrechen?« hatte der Hans Olsen jetzt schon zweimal gefragt. — Auch von der Heiterkeit, die ihn zu Anfang des Sommers erfüllt, war nichts mehr zu spüren. Das leuchtend Starke, das sengen konnte, wollte nicht von ihm weichen; die Stimme klang plötzlich kieselhart.

Per Hansens Gedanken kreisten unablässig um dieselbe bange Frage: Wie überstanden sie den Sturm, wenn die Trolle einmal kamen? Werde er dann imstande sein, ihnen die Köpfe abzuschlagen und den Königshof aus ihrer Gewalt zu befreien? — Bisweilen kam es vor, daß er, wenn er etwas in der Hand hielt, plötzlich hart die Faust darum schloß: Es gehörte Kraft dazu und Übung das Schwert zu schwingen. Denn das hier, das waren Trolle, — Riesentrolle also. Die hatten sich gegen Gesetz und Recht vergangen und sich auf unrechtmäßige Weise Boden angeeignet! Ob diese Burschen aber überhaupt wiederkamen? Ob die nicht, ehe Tönset‘n sich letzten Herbst hier niedergelassen hatte, zufällig vorbeigekommen waren, Gefallen an dem Lande gefunden und ihre Merkzeichen eingerammt hatten und dann entweder später als Tönset‘n auf das Landzuweisungskontor gekommen waren und folglich auf das Landstück hatten verzichten müssen? Oder überhaupt nicht auf das Kontor gegangen waren und aus einem oder anderm Grunde das Land aufgegeben hatten? — — Möglich war‘s.

Aber nein, diese Erklärung reichte doch nicht aus; die Pfähle hatten nicht den ganzen Winter über in der Erde gesteckt! Also waren die Trolle bestimmt nach dem Bau von Tönset‘ns Erdhütte dagewesen, hatten gesehen, daß ›das Land sehr gut war‹, und — ja — im übrigen hieß es abwarten!

Mit keiner Silbe erwähnte der Per Hansen auch nur das geringste von dem, was er getan. Er überlegte lange, ob er dem Hans Olsen alles mitteilen solle, gab es aber auf. Das beste war, den solange als möglich aus dem Spiel zu lassen!

In der Beret spannen derweile die Gedanken unaufhörlich weiter und das Gesponnene hätte sie am liebsten beseitigt; aber sie vermochte es nicht. Er hatte es also getan, — wirklich getan! spannen sie. — Hier sitzen wir auf anderer Leute Grund und Boden, und der Per hat die Absicht auch sitzenzubleiben! — Andrer Leute Eigentumszeichen hat er zerstört! —

Das Vergehen verlor jedoch von seiner Scheußlichkeit, je länger sie es überdachte; hier war Boden genug für alle; ob sie diesen Quart nahmen oder den angrenzenden, tat wohl nicht viel zur Sache; sie sah nicht ein, wie jemand um deswegen viel Aufhebens machen könne. — — Aber es war so häßlich — sie verspürte Ekel. Und Entsetzen, — Entsetzen vor den Folgen. Der Per Hansen, der Arme, verstand es nicht, die Worte geschickt zu setzen! Wie wollte er sich rechtfertigen, wenn es herauskam? — — Was sie in Norwegen wie auch in Filmore von der harthändigen Art gehört, wie man hierzulande Recht und Gesetz selber anwandte, verwebte sich mit dem Gespinst: Da stand er dann, konnte seine Handlungsweise nicht klarlegen, hatte sich nach dem Gesetz so schlimm vergangen, wie überhaupt menschenmöglich war! — Und war noch dazu so heftig und jähzornig, wenn ihm etwas verquer kam! Und dazu war er jetzt stets in einer Laune, daß die Leute sich scheuten, in seine Nähe zu kommen. —

VI

Die Beret hatte jetzt die Gewohnheit, von der Hüttenschwelle über die Prärie zu spähen; sie suchte sich einen Punkt am Horizont und ließ die Blicke wandern, bis sie die ganze Rundung umkreist hatten. Aber es blieb das gleiche, immer —: Lebendiges gab es nicht. Ein Zauberring lief um den Himmelskreis und am Himmel hinauf. In den Ring drang Leben nicht ein; es war damit, wie mit der Kette um den Garten des Königshofs im Märchen; der Garten konnte nicht Frucht tragen, solange die Kette um ihn lag. — Wie konnten da Menschen hierher gelangen? — O nein, den Ring durchbrachen nur solche, die ins Verderben gelockt worden waren! —

Menschen hatten hier nie gehaust, Menschen kamen niemals her; denn Menschen konnten in dieser offenen, allen Winden preisgegebenen Unendlichkeit keine Heimat finden. — Nur gerade sie waren herverzaubert und -gebannt worden! — — So ging es den Menschen: sie wurden verlockt und waren sich dessen nicht bewußt, kamen in die Wirrnis hinaus, ohne es selber zu spüren, — nur andere sahen es. — — Etliche wurden gerettet und gelangten zurück und waren dann anders wie Menschen sonst, — — etliche kamen niemals wieder. — — O nein, etliche kamen niemals wieder!

Wie hoffnungslose Traurigkeit konnten solche Vorstellungen sie befallen. Sie sah den Ring, und obwohl er so ferne ab lag, war es, als wolle er sie erwürgen.

Sie wurde wortkarg und machte sich sehr viel Gedanken. — —

Und dann geschah das Unglaubliche: es kamen andere in den Zauberring hinein.

Es war um die Abendzeit. Der Ole war auf dem Pony an den westlichen Sumpf geritten; auf dem Heimweg wurde er im Osten einen großen, weißen Fleck gewahr, der sich im Abenddunst bewegte. Der war nicht weit ab, und er kroch immer näher. Der Bub war so erstaunt, daß er sein Herz pochen hörte; er mußte durchaus in Erfahrung bringen, was das war. Der Pony trabte schnell, ein kleiner Umweg nach Osten machte wohl nichts. Und so ritt er auf den Fleck zu. — Als er sich überzeugt hatte, daß hier Westfahrer kamen, — das bewiesen ihm die Wagen, — machte er schnurstracks kehrt und galoppierte, daß der Pony mit dem Bauch fast die Erde streifte. Er unterrichtete im Vorüberreiten Tönset‘n, brachte dem Hans Olsen die Nachricht, jagte heim und rief, jetzt sollten sie alle herauskommen und sehen, — und zwar sofort!

Nein, aber das war doch merkwürdig! Da kamen doch zwei Pferde vor einem Wagen? — Und der Wagen hatte genau so ein Dach wie einstmals ihr eigner. — — Und er karrte sich langsam aus dem östlichen Abenddunst heraus und steuerte auf Sonnenuntergang zu? — — Ach ja, es waren noch andere auf Irrspur geraten!

Der Wagen hielt Kurs auf Tönset‘ns Hütte, langte an und hielt. Die Begebenheit war so ungewöhnlich, daß die Bewohner der kleinen Neusiedlung alle gute Sitte vergaßen und sich unverzüglich zu Tönset‘n begaben. Selbst die Beret band sich eine reine Schürze vor, nahm das Gössel bei der Hand und ging hinüber. Die gesamte Siedlung, jung und alt, war bei ihrer Ankunft versammelt, alle außer dem Per Hansen. Er kam zuletzt, in der Hand trug er eine Holzstange.

Der Zug bestand aus vier Männern; sie kamen aus Jowa. —

Nein, sie wollten hier nicht bleiben, wollten siebzig Meilen weiter nach Südwest; hier herum war alles Land aufgeteilt, hätten sie gehört. — — Tönset‘n und die Solumbuben schwätzten mit ihnen, der Hans Olsen und die Frauen und die Kinder standen im Kreis um sie herum und hörten andächtig zu; der Per Hansen aber war ganz Auge und Ohr, er durchforschte mit seinen Blicken die vier von der Fußsohle bis zum Scheitel — der Griff um die Stange lockerte sich; sagten sie nicht, sie wollten siebzig Meilen weiter ? Der Per Hansen wurde ungeduldig; er faßte Tönset‘n so fest beim Arm, daß der den Kopf drehte, — aber nur für einen Augenblick.

»Was für Leut sind das?«

»Deutsche, — halt mich nicht auf!«

»Du mußt sie bitten, nicht zu bleiben. — Wir brauchen Norweger, siehst du!«

»Sei still, ich werd‘ hier schon alleine fertig!«

Tönset‘n hatte jetzt nicht Zeit zu einem Schwatz mit dem Per Hansen!

Da kamen eines schönen Abends vier fremde Männer, wollten nachtsüber rasten und am nächsten Morgen weiter; sie hatten sie nie zuvor gesehen, sahen sie vielleicht niemals wieder, und dennoch war das die größte Begebenheit seit ihrer Ankunft — das fühlten sie alle. — — Die wollten also noch siebzig Meilen weiter ins Abendrot hinein, die Burschen, — ganze siebzig Meilen! Dann war diese Stätte hier also nicht mehr der alleräußerste Rand des Lebens! — — Menschen kamen, jawohl; Menschen, die einen Wohnsitz begründen wollten! Eine Mauer von Leben zwischen ihnen und dem Unsagbaren dort draußen! — — —

Ehe die Deutschen weiterwanderten, kamen sie noch zum Per Hansen hinüber, um sich seine Hütte zu besehen. Tönset‘n habe ihnen erzählt, hier sei ein Mann, der habe sich Stube und Stall unter dem gleichen Dach errichtet, und dieses Bauwerk schien ihnen einer Besichtigung wert. Und so erhielt der Per Hansen Gelegenheit, ihnen für 2,25 Dollar Kartoffeln und Gemüse zu verkaufen. Und das war der erste Ertrag, der in dem Settlement am Spring Creek verkauft wurde. — — Tönset‘n gefiel das nicht so recht; das hätte er selber tun können; aber wer kommt auch gleich auf so etwas? Er war hinterher, der Per Hansen, das mußte man ihm lassen.

VII

Der Wagen fuhr seines Weges; man sah ihn kleiner und kleiner werden, bis er sich nur noch als Punkt kaum merklich am Himmelsrand hinbewegte; schließlich verschwand er; niemand hätte sagen können, ob in die Erde oder in den Himmel. —

Dieser Besuch übte auf die einzelnen Gemüter eine verschiedenartige Wirkung. Bei allen weckte er von neuem Hoffnungen und Zukunftsträume. — Tönset‘n und sein Weib hatten von allen den zähesten Glauben bewiesen. Von jetzt ab aber hatte der Syvert, wenn er von der Zukunft sprach, die Kraft der Überzeugung, und die Kjersti eine stille Innigkeit des Blicks, wenn sie ihm zuhörte. Auch in den Solumbuben bestand kaum noch ein Zweifel; denn dieser Wagen war nur ein Vorläufer! — Danach kam die Sörine; ihr verlieh die Zuversicht eine fröhliche Ruhe. Der Hans Olsen dagegen ließ jeden Tag seine eigene Plage haben, freute sich des Glaubens der andern und schaffte wacker alle Tage das Erforderliche. Es ging ihm nicht zu schnell von der Hand, dafür aber um so zuverlässiger und steter. Ihm war es weniger darum zu tun, daß noch so und so viele nachkämen, als vielmehr darum, daß sich die, die bereits da waren, gut durchschlügen. — Der Per Hansen lieh seinem Glauben noch weit vernehmlicheren Ausdruck als Tönset‘n, wenigstens meistens. Es gab jetzt Augenblicke, in denen er überzeugt war, er werde noch den Tag sehen, an dem der größte Teil des Grund und Bodens dieser Gegend angebaut sei. Und in solchen Stunden lag über ihm etwas Bestechendes. Kraft strahlte aus von der stämmigen Gestalt; der ganze Mann wurde schön, das Gesicht milde; alle Worte waren eitel Frohsinn. Trat aber eine Pause in dem Märchenspiel ein, dann schwieg der Per Hansen sich über die Zukunft aus, arbeitete rastlos, wurde oft heftig und in seinen Ausdrücken unwirsch, und der Umgang mit ihm war nicht leicht.

Die Beret sah in dem Besuch nichts als eine kleine Abwechslung in der Einsamkeit. Die Tatsachen blieben, und es ging nicht an, sich von denen wegzuzaubern: vor ihnen allen lag die Unendlichkeit und erstreckte sich bis in das Ewige. Daß hier jemals alles besiedelt sein werde, würde ein größeres Wunder sein, als daß die Toten aufstanden und wandelten! —

Aber da geschah es eine Woche darauf, daß mit der Abenddämmerung ein anderer Zug herangesickert kam, diesmal eine ansehnliche Schar, — sechs Gespanne Pferde mit ebenso vielen Wagen. Eine ganze Herde folgte hinterdrein. Es dunkelte bereits. Per Hansens beide Buben wollten stracks davon und rauften bereits darum, wer dem Zug entgegenreiten solle. Aber der Vater kam dazu und hieß sie daheim bleiben, und zwar so nachdrücklich, daß sie einsahen, Aufmucken half nicht. Sie sollten sich den Fremden nicht an den Hals werfen, sagte der Vater, als hätten sie noch niemals Menschen gesehen, — es sei noch morgen zeitig genug, mit denen zu schwätzen! — Er selber wollte hinüberspazieren, bloß um zu hören, ob sie etwa Kartoffeln brauchten. Und damit ging er.

Beim Hans Olsen hatte man den Zug noch nicht entdeckt; es brannte drinnen Licht, sah der Per Hansen und ging vorbei. Tönset‘n stand draußen, als er kam.

»Du bekommst Gäste,« begrüßte ihn der Per Hansen.

»So scheint es!« kluckerte es in Tönset‘n vor Freude; »aber — halten sie nicht gar zu weit westlich?«

Die Männer ließen die Wagen herankommen; jetzt mochten sie keine hundert Ellen mehr ab sein; im Schummerlicht waren die kutschierenden Männer soeben noch zu erkennen. — Die Kjersti stand lächelnd in der Tür und überlegte, wie sie wohl heute nacht alle miteinander unterbringe. Nun, ging es nicht anders, so mußte der Per Hansen ein paar mit sich heimnehmen.

»Was mögen das für Leut sein?« brummte Tönset‘n. »Sollt‘ mich wundernehmen, wenn die Kerle nicht daran denken, an bewohnter Stätte vorüberzuziehen?«

»Schaut fast so aus,« sagte der Per Hansen kurz.

»Sehen müssen sie uns doch?«

»Wenn sie Augen im Kopf haben, müßten sie‘s fast.«

Der Zug befand sich jetzt im Westen gerade ihnen gegenüber, und zwar so nahe, daß sie die Pferde schnaufen hörten. Die Kjersti überzählte die Kühe und kam auf achtzehn. — Der Wagen an der Spitze bog ab und legte den Kurs noch westlicher. Die andern folgten; es war offenbar, daß sie nicht hier für die Nacht Anker zu werfen gedachten. »Du mußt hin und mit ihnen reden, Syvert!« meinte die Kjersti. »Wir finden schon noch Platz für sie.«

Per Hansens Augen schleuderten scharfe, stahlgraue Blitze in den Abend; das Gesicht hatte wieder das Starke, Leuchtende, von dem die Funken stoben. »Ich meine, darum sorgen wir uns heut noch nicht. — Könnt‘ sein, daß sie sich ihre Leut aussuchen und zum Hans Olsen hinwollen oder zu mir!«

Der Zug bewegte sich nach Nordwesten bis etwa zur Grenzhöhe zwischen Hans Olsen und Tönset‘n; hier hielt er, die Pferde wurden ausgespannt; — die Kerle beabsichtigten wohl gar, dort zu lagern?

»So etwas habe ich noch nicht erlebt!« sagte Tönset‘n. »Kannst du begreifen, daß sie in eine Ortschaft hineinfahren, wo Haus an Haus steht, und dann nicht mit den Leuten reden wollen! — Haben die Angst vor uns?«

»Oh, die haben wohl Mädel an Bord und meinen, hier seien lauter Junggesellen,« erklärte der Per Hansen ruhig.

Die Dämmerung war jetzt so tief, daß sie nicht mehr unterscheiden konnten, was die Fremden sich vornahmen. — Sie schienen sich am Abhang ein Feuer gemacht zu haben; denn ein Schein leuchtete auf, schwand hin und kam wieder, schien vorwärts und rückwärts zu flackern.

»Was meinst du, Syvert,« schlug der Per Hansen vor, »wenn diese Kerls nicht mit uns reden wollen, müssen wir uns wohl zu ihnen hinbegeben ? — Vielleicht, daß wir Kartoffeln an sie loswerden? Wir müssen die Gelegenheit benutzen.« Der Schalk blitzte aus seinen Worten.

Tönset‘n hatte nichts gegen Per Hansens Vorschlag einzuwenden; er fand zwar freilich, daß er sich nicht wenig vergab, wenn er Leute begrüßen ging, die ihn nicht hatten begrüßen wollen.

Sie hatten noch nicht viele Schritte zurückgelegt, als Tönset‘n stehenblieb. »Wollen wir nicht den Hans Olsen mitnehmen? Er hätt‘ vielleicht auch Lust, sie willkommen zu heißen?«

»Nein, — das wollen wir durchaus nicht,« antwortete der Per Hansen entschieden. Hans Olsens Englisch tauge ebensoviel wie seins; und es sei so leidig, fremde Leute anzuglotzen, ohne verstehen zu können. Es würde ihm auch niemals einfallen, hinzugehen, wenn‘s nicht um der Kartoffeln willen wäre.

Wieder setzten sie sich in Bewegung; aber bald blieb Tönset‘n wieder stehen: »Könnten es nicht zufällig vielleicht Skandinaven sein?«

O keineswegs! — Der Per Hansen ging unbeirrt weiter. — Weder Schweden noch Dänen würden sich so benehmen. Und übrigens hätten sie sich, wie es schien, bei dem Hans niedergelassen; die machten zeitig Feierabend.

Das Lagerfeuer drüben brannte lustig; vier Weiber gingen hin und her und stellten Essen auf ein großes grünes Tuch, das auf den Boden gebreitet war; einige der Männer hatten sich bereits darum gelagert; andere machten sich an den Wagen zu schaffen. — Der Per Hansen zählte im ganzen zehn Mann, forschte flüchtig in den Gesichtern, die er nach und nach zu sehen bekam, fand keines, das ihm zusagte. — Tönset‘n trat ans Feuer und grüßte die dort sitzenden Männer; ebenso der Per Hansen. Die Männer grinsten zum Gruß und riefen sich gegenseitig etwas zu, was Per Hansen nicht verstand.

Wo die Männer herkämen, fragte Tönset‘n.

Aus Jowa.

Wollten sie weiter nach Westen?

No! —

So weit war der Per Hansen imstande, dem Gespräch zu folgen, aber dann hörte es für ihn auf. Die Männer redeten so schauderhaft schnell, und Tönset‘n nicht ein Haar besser. Übrigens war das auch gleich; er wußte bereits, was er wissen wollte: — das waren sie also! — Von der übrigen Unterredung begriff er nur, daß die Männer Tönset‘n hänselten, dieser in Wut geriet und immer unsinniger losratterte. — Unbegreiflich, wie schnell der Syvert das alles auf Englisch heraussprudeln konnte! — Sie zogen ihn jetzt wohl böse auf; das konnte er aus ihrem Lachen heraushören. Verdammt noch eins, daß er nicht mitreden konnte!

»Hö!« wandte sich Tönset‘n plötzlich zum Nachbar. »Kannst du dir vorstellen, was die hier behaupten? Daß sowohl mein Quart wie auch der vom Hans Olsen ihnen gehöre!«

»Nein, Schwerenot! — Und meiner?« Aber Tönset‘n hörte ihn schon nicht mehr; er kabbelte sich mit den Irländern herum und wurde immer aufgeregter. Der Per Hansen schloß aus dem Getöse, daß er jetzt beschwichtigend eingreifen müsse, sonst fing der Syvert entweder an zu brüllen, oder er verschluckte sich; und er faßte ihn kräftig beim Arm.

»Kannst du mir erzählen, was die da sagen?«

»Die sagen, daß sie alle die Quarte zwischen dem Bach und den Sümpfen im Westen in einer Breite von zwei Quart in Besitz genommen hätten. — Und was für häßliche Redensarten sie führen!«

»Wann sind sie denn hier gewesen?«

»Vorigen Sommer, und im Spätherbst und jetzt im Frühjahr!«

»Was haben sie angebaut, um das Gesetz zu erfüllen?« Der Per Hansen fragte ruhig und bedächtig.

»Sie behaupten, sie hätten als Bürgerkriegssoldaten von der Regierung Aufschub erlangt! Hast du schon so was gehört!«

»Laß dir die Papiere zeigen!«

»Sie sagen, wir würden die Papiere morgen zu sehen bekommen!«

»Ja, alsdann können wir ja heim und ins Bett!« sagte der Per Hansen ruhig. »Aber vergiß nur nicht zu fragen, ob sie Kartoffeln brauchen!« setzte er spöttisch hinzu.

Tönset‘n war bereits wieder mitten im Wortgefecht und hörte ihn nicht. Alle Männer waren aufgestanden, die von den Wagen waren hinzugekommen; ein enger Kreis bildete sich um die beiden Norweger. Der Per Hansen beobachtete schweigend, die kalte Pfeife im Mundwinkel; er durchforschte noch einmal jedes Gesicht; traf er auf ein Paar Augen, dann hielt er sie fest und bohrte eine Weile den Blick in sie, ehe er losließ.

»Na—ah,« sagte er trocken, als er heraushörte, daß Tönset‘n wieder einmal verschnaufen mußte, »wollen die uns Kartoffeln abkaufen?«

»Du solltest bloß ihre greulichen Ausdrücke hören! Solchem Lumpenpack wie uns brauchten sie Papiere überhaupt nicht vorzuzeigen!«

»Nein, nein. — Haben sie auch ihre Grenzpfähle an Ort und Stelle?«

»Auf beiden Quarten!«

Der Per Hansen glaubte aus Tönset‘ns Tonfall schließen zu können, daß dem das Flennen nahe war, und das, fand er, sei für sie alle beide genierlich.