Kitabı oku: «Tauche tiefer, wenn du schon im Fettnäpfchen schwimmst», sayfa 2

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Sie schlich sich nach einem weiteren Kuss raus und ich schälte mich schnellstens aus meinem Anzug, riss das Hemd auf, ließ nur die neuen, schwarzen Pants an, die mir ohnehin jetzt schon viel zu eng waren. Egal. Wie sollte ich warten? Wie sollte ich sie empfangen? Sollte ich mich hinlegen? Oder doch lieber stehen?

Ich entschied mich fürs Stehen, als sich nach bangen Sekunden des Wartens die Tür öffnete. Sie war wieder da, sie hatte ein Kondom geholt, es sollte gleich losgehen. „Rick, wenn du mich jetzt sehen könntest! Du wärst stolz auf mich.“

Ich lächelte und flüsterte: „Hallo!“, als mich plötzlich grelles, aufblitzendes Licht blendete. Und das nicht nur einmal. Erst nach einigen Augenblicken erkannte ich, dass ich fotografiert wurde. Ich war starr vor Schreck. Didi brüllte: „Es sind sicher an die zwanzig Bilder! Danke Klausi, du hast gerade die Weihnachtsfeier gerettet!“ Im Hintergrund hörte ich das Gackern von Sabrina und weiteren Büro-Tussies.

Ich weiß nicht mehr, wie lange ich in dem Büro gestanden war, aber mich überkam mit einem Mal ein wütender Brechreiz – ich kotzte Sabrinas Markenteppich voll. So wenig hatte ich eben doch nicht getrunken, und diese Magenentleerung half mir, innerhalb von wenigen Sekunden wieder halbwegs nüchtern zu werden. Normalerweise hätte ich mich wegen des Teppichs geschämt, aber diesmal war mir klar, das geschieht der Schnepfe recht. Ich spürte keinerlei Reue. Hastig zog ich mich an und schlich so unauffällig wie möglich aus dem Büro. Ich sah weder die feixenden Gesichter noch hörte ich das auffällige Gelächter der Partygäste.

Wie in Trance legte ich den Weg nach Hause zurück. In meinem Kopf rauschte es nur. Was war da eben passiert? Wie hatte das geschehen können?

„Didi, der Arsch – dem reiß ich eigenhändig die Sacknaht auf, dem werd ich die Eier abschneiden. Der wird sich noch wünschen, niemals geboren worden zu sein. Und Sabrina? Scheiße, ich kann mich doch nie mehr im Büro sehen lassen. Da kann ich doch nach dem Urlaub nicht wieder auftauchen. Das überlebe ich nicht.“ Mit einem Schlag war mir sonnenklar, was ich jetzt zu tun hatte. Zu Hause angekommen, verfasste ich sogleich ein E-Mail.

Lieber Herbert,

da Du sicherlich schon mitbekommen hast, welche Partyspielchen (auf meine Kosten) auf der Eröffnungsfeier durchgeführt wurden, muss Dir klar sein, dass ich keineswegs mehr in der Lage bin, nach dem Urlaub im Büro zu erscheinen.

Nur um das klar und deutlich zu sagen: Ich kündige! Zum nächstmöglichen Termin!

Den Arsch-Job mit dem Schmelzkäse kannst Du gern an Didi abtreten. Der Speichellecker wird mit den Molkereitypen sicher perfekt zurechtkommen.

Liebe Grüße auch an Deine Frau! Ihr Dauergelaber geht nicht nur mir auf den Sack!

MfG

Klaus Böhmer

PS: ICH KÜNDIGE!

Nicht noch einmal lesen, sondern sofort abschicken. Sollte ich jetzt noch einen Wodka kippen? Mein Kopf sagte Ja, aber der Magen fühlte sich nicht allzu frisch an. Also keinen Wodka.

Vielleicht wäre ein Gespräch mit Rick eine Lösung? Ich nahm mein Handy zur Hand. Eine Mitteilung war vor mehr als einer Stunde eingelangt – „Wo bleibst Du? Ich wollte mich doch mit Dir betrinken. Moni“ Ach Moni, nette, liebe, süße Moni. Wenn du wüsstest, ach was, du weißt es sicher schon. Ich fühlte mich hundeelend, so erniedrigt zu werden, so schmachvoll erniedrigt zu werden.

Mir blieb jetzt doch nur, mich aufs Bett zu legen und versuchen zu schlafen, obwohl mir absolut klar war, dass ich kein Auge zubekommen würde. Also holte ich meinen besten Freund (abgesehen von Rick) aus dem Handgepäck, meinen iPod. Die Musik würde mir helfen, die Musik hatte mir immer geholfen.

Nach der Maturafeier musste sie mich aus einem kleinen Tief holen – und hat es geschafft. Ich kann mich noch ganz genau an den Abend erinnern, als ich stockbetrunken versucht habe, ausnahmsweise nicht Bea hinterherzuschmachten, die von Jens recht grob betatscht wurde – was konnte man sich von diesen Händen denn sonst erwarten? –, sondern meine jahrelange Sitznachbarin Annelie zu küssen und zu begrapschen.

Sie war immer so nett zu mir gewesen, wir hatten so oft miteinander gelacht, und in meinem Rausch waren einfach die Gefühle mit mir durchgegangen. Beim Anblick ihres wunderbaren Dekolletés hatte sich das Pulsieren meines Blutes in ein Getöse und Gedonner verwandelt. Sie hatte diese Niagarafälle in meinem Inneren weder mitbekommen noch ansatzweise Ähnliches verspürt, denn sie gab mir eine so saftige Ohrfeige, dass meine Wange noch heute schmerzt, wenn ich nur daran denke. Seither hat sie kein Wort mehr mit mir gesprochen, obwohl jetzt schon sieben Jahre vergangen sind. Rick konnte mir nicht helfen, er war nämlich mit zwei Mädels aus der Nachbarklasse beschäftigt.

Ich landete am Schluss der Feier wie gehabt neben der noch immer zaundürren Bärbel, die aber zumindest nicht mehr boxte, wenn ich in ihre Nähe kam. Als ich aber in meinem Wahn ihren Oberschenkel berührte, stand sie auf und sagte in einem Ton, den ich nie wieder vergessen werde: „Notgeiles Schwein!“

Da habe ich dann meinen Walkman genommen, die Stöpsel in die Ohren gesteckt und den Rest der Nacht allein Musik gehört. Und in der Früh war es besser, die Scham war verflogen, der Rausch der Nacht hatte sich ein wenig gelüftet.

Ähnlich war es auch gelaufen, als Rick und ich etwa ein Jahr später wieder einmal um die Häuser zogen. Er hatte sich angeboten, für mich endlich eine kleine Maus herzurichten, wie er es nannte. Noch heute ist mir schleierhaft, wie er das anstellen wollte. Er würde das schon schaffen, ich solle mich nur in Ruhe an der Bar entspannen. Und tatsächlich, keine Stunde später kam er mit zwei hübschen Mädels im Schlepptau an die Bar. Er zwinkerte mir zu, stellte mir die zwei vor und begann hemmungslos mit der einen zu flirten.

Ein wenig hatte ich von ihm schon gelernt, also unterhielt ich mich mit der anderen. Sie hieß Anna und ihr Lächeln war wirklich süß. Wir tranken so einiges an dem Abend, wovon ich das meiste bezahlte, und als Rick vorschlug, doch zum nahe gelegenen See zu fahren, um dort zu baden, waren die beiden mit Freude dabei. Ich war an dem Abend der Chauffeur, was mir aber in dem Fall überhaupt nichts ausmachte. Denn die Vorfreude darauf, Anna vielleicht nicht nur nackt sehen zu dürfen, trocknete meine Kehle aus.

Die erste Enttäuschung folgte, als Anna sich nicht zu mir auf den Beifahrersitz gesellte, sondern schnurstracks mit Rick und ihrer Freundin Lisa die Rückbank besetzte und die drei dort im Halbdunkel Dinge vollführten, von denen ich überhaupt nicht zu träumen wagte. Ich versuchte mich auf die Straße zu konzentrieren und redete mir ein, dass ich während der Fahrt ohnehin nicht abgelenkt werden dürfe, dass ich meinen Lohn dann am See schon noch erhalten würde. Nebenher schaltete ich das Autoradio ein, Slipknot stampften den Song „Wait and Bleed“ – war da der Titel vielleicht schon ein schlechtes Omen?

Als wir nämlich am See ankamen, sprangen die drei aus dem Wagen, bevor ich überhaupt einparken konnte. Danach waren sie verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt; ich suchte überall, aber ich konnte sie nicht finden. Ich brüllte, ich rief, ich heulte, aber niemand antwortete mir. Also setzte ich mich ins Auto und hörte Musik. Rick würde ich niemals zurücklassen, Ehrensache.

Im Morgengrauen tauchten sie eng umschlungen auf, alle drei mit einem verträumten Blick und einem sanften, schon beinahe entrückten Lächeln auf den Lippen.

„Klausi, wo warst du?“, grinste Rick. „Ich habe euch sicher eine Stunde lang gesucht, verdammt.“ „Du hättest rufen sollen!“ „Was glaubst du, habe ich getan?“ „Du hast echt was versäumt.“ Die Mädels kicherten, aber mir war gar nicht zum Lachen zumute.

Auf der Rückfahrt schliefen die drei hinten, ich drehte die Musik so laut, wie die Boxen es vertrugen. Rick öffnete nur kurz die Augen, lächelte und meinte: „Du hast es drauf, Klausi! Beim nächsten Mal!“

Die Songs halfen mir damals wirklich. Und genau so würde es auch heute sein, sie würden mich beschützen, meine Schale stärken, meine Mauer wieder aufbauen helfen. Sie würden mich aus dem dunklen Loch ziehen, in das ich gestürzt war.

Ich steckte mir die Knöpfe in die Ohren, drehte die Lautstärke ein wenig zurück – ich wollte ja nicht, dass meine Nachbarn zuhören konnten –, legte mich hin und schloss meine Augen. Der Shuffle-Modus brachte mich über Gary Jules’ „Mad World“ zu Nine Inch Nails mit „Something I Can Never Have“ bis zu Metallicas „Nothing Else Matters“. Die Tränen standen mir die ganze Zeit in den Augen, ich fühlte eine unendliche Traurigkeit in mir. Manu Chaos „Infinita Tristeza“ half dabei noch ein bisschen. Die Frage nach dem Warum ließ mich nicht los. Dass das passiert war, konnte ich nun nicht mehr ändern. Aber warum gerade mir? Warum heute? Ich hatte mich doch an die Vorgaben der Wünsche-Bücher gehalten, ich hatte doch alles genau so gemacht, wie dort vermerkt war. Warum hatte es nicht geklappt? Warum klappte es überhaupt nie? Warum wollte keine Frau mit mir zusammen sein? WARUM? Wenn ich eine ansteckende Krankheit hätte oder hässlich wäre wie das Phantom der Oper … Aber sogar dieses Monster bleibt nicht allein!

Ich brauchte mehr Prügelmusik, das sentimentale Gedudel hielt ich nicht mehr aus. Da musste was eindeutig Gefühlstötendes her. Ich öffnete meine „Prügelliste“ am iPod und sah mir dabei zu, wie Cradle of Filth, Dimmu Borgir, Machine Head, Slipknot, Fear Factory und andere jede Emotion aus meinem Körper brüllten und schlugen. Trotzdem schlief ich irgendwann weinend ein.

„Steh auf, wenn du am Boden bist! Steh auf, auch wenn du unten liegst! Es wird schon irgendwie weitergehen …“, sang Campino von den Toten Hosen in meinem dunklen Traum, aus dem ich um sechs Uhr mit einem dringenden Bedürfnis erwachte. Eigentlich hatte er recht. Aufstehen, wenn man am Boden liegt. Aufstehen musste ich jetzt sowieso, denn meine Blase wollte es so. Bis acht könnte ich noch liegen bleiben, aber ich hatte eine Idee. Heißt es nicht: „Geteiltes Leid ist halbes Leid“? Diesen Spruch würde ich jetzt anwenden, ich würde zum ersten Mal in meinem Leben meine Traurigkeit jemandem mitteilen. Ich würde sie aus meinem Leben rausschreiben, sie loswerden – an Linda. Sie war diejenige, die alles von mir las, die mir sogar antwortete, wenn ich vollkommenen Unsinn von mir gab. Linda war meine Rettung, mein Anker, meine Leiter, die mich aus der Gletscherspalte der Gefühle bringen sollte.

Also setzte ich mich an den PC, nachdem ich mir noch Wasser für die Brandlöschung geholt hatte, und schrieb ihr, schrieb mir den Ballast von der Seele.

Kapitel 2

Nachdem ich geendet hatte, fühlte ich mich wohler. Wie es Linda beim Lesen meiner ganz privaten Tragödie ging, war mir relativ egal. Ich hatte sie geteilt, damit war mir schon geholfen. Nun konnte ich so halbwegs in Ruhe frühstücken und mich auf meinen Urlaub vorbereiten. Gedanken um einen neuen Job, den ich ja nun benötigte, verschob ich auf die Zeit nach dem Griechenland-Ausflug.

Ich traf Rick um elf Uhr am Flughafen, wo er schon auf mich wartete. Strahlend kam er mir entgegen, merkte aber sofort, dass ich ihm nicht viel Positives mitzuteilen hatte. „Schon wieder nicht?“, fragte er. „Nein“, antwortete ich kleinlaut und blickte zu Boden. „Mann! Du hast es drauf, Klausi! Beim nächsten Mal!“ Diese Nummer kannte ich doch schon. „Es wird kein nächstes Mal geben, Rickie. Weil es nur ein nächstes Mal geben kann, wenn es vorher überhaupt ein erstes Mal gegeben hat!“, schnauzte ich ihn an. „So schlimm gewesen?“ „Schlimmer. Es war ein Albtraum.“

Bei einem Aufmunterungs- und Vorurlaubsbierchen erzählte ich ihm die Geschichte, an deren Ende er aufsprang und mit der rechten Hand in der Luft herumfuchtelte. „So, genau so werden wir dem Didi die Eier abschneiden!“ Er sprang in die Luft, zog die Beine blitzschnell an und ließ seine Absätze auf den Boden krachen, dass sich alle im Flughafenrestaurant zu uns umdrehten. „Und so werden wir darauf herumspringen, bis nur noch Brösel und Schleim übrig sind.“ Ich musste grinsen, das war Rick, wie er leibte und lebte. „Was wir mit der Sabrina-Tussi machen, werd ich mir noch überlegen. Mir wird schon was einfallen.“ Da machte ich mir keine Sorgen, Rick fiel immer was ein.

Wir waren nun doch schon recht spät und beeilten uns zum Check-in-Schalter. Im Gedränge dort stieß Rick mit einer Frau zusammen. Er entschuldigte sich höflich, und da sah ich, was bei ihr zu passieren schien. Der Blick, den ich bemerkte, sprach Bände. Sie wollte sich zuerst wohl aufregen über den pöbelnden Jungen, aber dann verzog sich ihr Mund zu einem Lächeln, ihre Augen wanderten über den Frauenversteher und blieben einen Augenblick zu lange auf ihm, als dass es mir nicht aufgefallen wäre. „Ist ja nichts passiert!“, meinte sie beiläufig, während sie versuchte, drei große Koffer gleichzeitig zum Schalter zu ziehen. „Wir können Ihnen doch helfen. Komm Klaus, du nimmst den roten, ich den schwarzen Koffer.“ Und bevor sie sich weigern konnte, hatte Rick den Koffer schon einige Meter verlagert. „Gibt’s ein Problem?“, fragte jemand hinter mir. „Nein, Schatz. Diese Jungs waren so nett und haben mir mit den Koffern geholfen.“

Ich drehte mich um und sah Rot. Viel Rot. Ich brauchte einige Gedankenlängen, um zu verstehen, dass das ein T-Shirt war. Der Körper, der in diesem Shirt steckte, war nicht gerade wenig trainiert, und der Kopf, der aus dem Kleidungsstück ragte, war so hoch oben, dass ich meine Hand vor die Stirn legen musste, um noch was zu erkennen. Der Koloss von Rhodos kehrte wohl in seine Heimat zurück. Und Rick hatte ihn anscheinend gerade ein wenig gereizt. Ich lächelte und zog den Schwanz ein, was mir gar nicht schwerfiel. Rick dagegen schüttelte dem Monster-Mann die Hand und entschuldigte sich noch einmal bei der Frau, an deren Hand ein Ehering glitzerte. Im Schatten des Riesen spielten seelenruhig zwei Mädchen, die wohl dazugehörten.

Oh Gott, hoffentlich bemerkt Rick nicht, dass die Frau verheiratet ist! Wenn ja, dann kann das nur böse enden!

An manchen Abenden hatte Rick es sich nämlich zum Ziel gesetzt, nur verheiratete Frauen aufzustöbern, das erhöhte laut ihm die Herausforderung. Diese seien härter zu knacken – die meisten zumindest, manche hätten in der Hinsicht ja gar keine Schale –, aber wenn man sie einmal geöffnet hätte, dann entlade sich eine sexuelle Explosion, die sich in der jahrelangen Eintönigkeit aufgestaut haben müsse. Rick wusste, wovon er sprach; der Abend, als er zum ersten Mal mehr oder weniger unabsichtlich diese Erfahrung machte, ist mir noch sehr gut in Erinnerung.

Wir hatten uns an einem Samstagabend in die Provinz aufgemacht, um Freunde und ein Zeltfest zu besuchen. Während Rick seine Runden drehte, hatte ich es mir mit unseren Freunden an der Theke bequem gemacht. Er suchte nach hübschen Mädels, die sich irgendwo in diesem Zelt wohl versteckt haben mussten. Inzwischen unterhielt ich mich mit unseren Kumpels und den unerwartet doch recht amüsanten Eingeborenen. Einer davon war besonders auffallend, da er alle vorbeirauschenden Frauen um ihre Oberweite befragte. Er wurde von jedem Wesen ignoriert, brüllte aber immer hinterher, dass alles unter Körbchengröße C „nicht zum Anschauen wäre“. Alle rund um ihn amüsierte das furchtbar.

Erst als mir erklärt wurde, dass dies der einzige Priesterseminarist der Ortschaft war, wurde mir klar, warum sich viele Menschen junge Priester wünschen. So ein Pfarrer haucht dem ganzen Gefasel doch wieder Leben ein. Wenn man dauernd in der Wüste lebt wie so ein Mann, dann kann man sich doch in einer Oase nicht mit dem Trinken zurückhalten! Da könnte ich doch auch glatt wieder zum Katholiken mutieren.

Nach zwei Stunden kam Rick atemlos, mit zerrissenem Hemd und verfolgt von einer etwa dreißigjährigen Trachten-Tante, an die Bar und flehte darum, endlich nach Hause zu fahren. Ricks Saat war hier wohl auf äußerst fruchtbaren Boden gefallen, denn die trachtige Dame war zu allem bereit. Sie zerrte und zog an dem Armen, dass das Zusehen Freude machte, sie hatte an dem Abend wohl Ausgang, denn ihr Mann passte auf die drei kleinen Kinder auf, wurde uns erzählt. Augenscheinlich wollte sie ein viertes folgen lassen, zumindest hätte sie gern die notwendigen Übungen dazu erledigt.

Diesmal ließ ich Rick ein wenig zappeln. Obwohl er bettelte, hatte ich alle Zeit der Welt. Während er sich ihrer Küsse und zärtlichen Ganzkörper-Streicheleinheiten kaum erwehren konnte, musste ich mal in Ruhe mein Getränk leeren und freute mich insgeheim über diesen Terroranschlag.

Seither will er gar nicht mehr auf Zeltfeste, er hat wohl Angst, dass ihn die Landmädels fertigmachen könnten. Dabei habe er der Frau damals nur ein paar Komplimente gemacht wie: „Du siehst wirklich sehr gut aus!“ oder „Wenn ich dir beim Tanzen zusehe, fühl ich mich wie im Himmel!“, erzählt er immer wieder. Dass die dermaßen darauf abfuhr, konnte er ja nicht ahnen. Die war schlimmer als der unverwüstliche Hulk in einer wilden Phase. Seither weiß er, dass man verheirateten Frauen gegenüber mit Komplimenten vorsichtig umgehen muss, denn die seien das nicht gewohnt. Verheiratete Frauen kriegen keine Komplimente, zumindest nicht von ihren Ehemännern. Da kann es schon vorkommen, dass einer dann diese Schmeicheleien zu Kopf steigen.

Seine Wirkung auf Frauen war aber unverkennbar und für mich nicht zu erklären. Er war natürlich ein sehr gut gebauter junger Mann und auch nicht unhübsch, aber so viel attraktiver als mich fand ich ihn auch wieder nicht. Trotzdem konnte er beinahe jede rumkriegen.

Einmal hatte er eine für ihn schon lange Affäre mit einer achtunddreißigjährigen, auch verheirateten Frau, die er in der Gemüseabteilung eines Supermarktes kennengelernt und angesprochen hatte. Rick hatte die letzte frische Gurke ergattert und war gerade dabei, zur Kasse zu schlendern, als diese gut aussehende Brünette auftauchte und ebenso Gurken kaufen wollte. Es war keine mehr da. Sie zeterte und schimpfte, dass sie erst jetzt zum Einkaufen käme, dass man in diesem Scheißladen aber auch gar nichts bekomme.

Rick hörte sich das Gejammer an, fuhr zu ihr, stellte seinen Einkaufswagen neben den ihren und meinte: „Hallo! Sie können gern meine Gurke haben! Ich brauche sie nicht so dringend wie Sie.“

Diese Aussage brachte die Wütende so sehr zum Lachen, dass sie auf Ricks Frage (in der Wurstabteilung etwa drei Minuten später), ob sie nach dem Einkauf einen Kaffee oder etwas anderes trinken wolle, spontan mit Ja antwortete. Dieses Spiel konnte Rick wirklich gut, nicht umsonst war er der Meister.

Über mehrere Wochen hatten die beiden ein Verhältnis, Rick schwärmte von ihren Fähigkeiten, bis ihr Mann davon Wind bekam und sie das Ganze beendete.

Mich wundert ja, dass Rick noch nie irgendein Problem mit einem Freund, Verlobten, Ehemann hatte. Er scheint sich immer wunderbar aus der Affäre ziehen zu können.

Mein Freund war wohl das beste Vorbild, das man(n) haben konnte. Aber ganz so wie er wollte ich auch nicht sein. Natürlich liegt es in der Natur des Mannes – das sagte uns schon unsere Biologielehrerin –, möglichst viele Frauen zu beglücken, um das Überleben der Art sicherzustellen. Aber Rick betrieb da ja schon Leistungssport, mit seinem Frauenverschleiß konnten wahrscheinlich nicht einmal die Chippendales mithalten, und die waren doch, wenn ich mich nicht täusche, zu fünft.

So wollte ich nie sein, mir schwebte eine harmonische, erfüllte Partnerschaft vor mit einer Frau, die nicht nur meine Frau, sondern auch meine Seelenverwandte und beste Freundin sein sollte. Da ich auch nicht wählerisch war, hatte ich keine großen Vorstellungen von ihrem Aussehen. Ich meine, sie sollte zwei Augen besitzen (Rick hatte mal was mit einer Frau mit Glasauge, uuh), mindestens dreißig der zweiunddreißig Zähne (und die fehlenden nicht unbedingt im Schneidezahnbereich) und so gut kochen können wie Mama. Alles andere würde ich mir dann schon noch ansehen. Es war so wie beim Essen, wie Mama immer sagte. Ich hab schon als Kind immer alles, was mir vorgesetzt wurde, mit Freude und Hingabe aufgegessen. Ich war nie ein Essensverweigerer, ein Kostverächter.

Ein Gedanke an gestern Abend durchzuckte mich und kalter Schweiß brach aus. Aber auch der Riese vor mir brachte mich zum Schwitzen, denn er hatte sich jetzt an mir vorbeigeschoben und mit einer einzigen leichten Handbewegung die anderen zwei Koffer um mehrere Meter nach vorn katapultiert. Seine Frau schmiegte sich an ihn, während sie Rick mit einem vielsagenden Blick anlächelte. Ob er den Ehering entdeckt hatte, kann ich nicht sagen.

Eine Stunde und viele Aufforderungen Ricks, endlich doch noch was zu trinken, später saßen wir endlich im Flugzeug. Mir war heute nicht nach Trinken, ich wollte nur in Ruhe im Flieger sitzen, mich entspannen und das gestrige Erlebnis vergessen. Rick dagegen befand sich bereits im Urlaub, was für ihn hieß, dass er Unmengen an Alkohol in sich reinschüttete und auf der Jagd war. Die Stewardessen waren logischerweise für ihn am verlockendsten. Bis zur Landung ergatterte er drei Telefonnummern, eine davon war die des Stewards Ralf.

Während Rick wie immer seinem schönsten Hobby nachging, versuchte ich ein wenig Klarheit in mein Leben zu bringen und darüber nachzudenken. Mit einem Mal erkannte ich die immer gleichen Muster, die mein Leben beherrschten, und mir fielen lang vergessene und verdrängte Ereignisse ein, die dieses wiederkehrende Verhalten eindrucksvoll bestätigten.

Mit siebzehn war ich wieder einmal verliebt – Bea liebte ich soundso, aber sie antwortete auf meine Briefe nicht und war vergeben – und nach Monaten des Zuwartens nahm ich all meinen Mut zusammen und bearbeitete Rick, ob er sie nicht für mich fragen könne.

„Was soll ich sie denn fragen?“ „Na ja, was schon? Ob sie mit mir …“, ich zögerte. „Mit dir poppen will?“, feixte Rick. „Du Trottel! Nein, ob sie mit mir einmal was trinken möchte.“ Rick trottete hin und ich wartete sehnsüchtig auf Antwort. Diese schlug ein wie ein Blitz, sie hatte zugesagt.

Am nächsten Tag saß ich eine Stunde zu früh im Lokal, in dem wir uns treffen sollten, und versuchte ein perfektes Ambiente zu schaffen. Ich freute mich so sehr, als sie endlich eintraf, nur ihre beste Freundin hätte sie zu Hause lassen können. Das Auftauchen zweier Mädels brachte mich so aus der Fassung, zerstörte meine Pläne so sehr, dass ich gleich einmal, quasi zur Entspannung, zwei weiße Spritzer für mich bestellte. Die Mädchen schauten ein wenig entgeistert, aber es gelang mir klarzustellen, dass dies für mich ein normaler, eigentlich immer praktizierter Vorgang war. Sie bräuchten sich gar nicht zu fürchten, ich würde ihnen wegen zweier Getränke schon nicht vor die Füße kotzen. Geküsst wurde ich an dem Tag dann doch nicht, obwohl ich mir ziemlich sicher gewesen war; die beiden hatten nach zwanzig Minuten plötzlich einen wichtigen Termin, mir blieb zumindest noch ein Spritzer, der mich tröstete.

Und nur wenige Wochen später, das vorletzte Schuljahr meiner Karriere war noch nicht zu Ende, probierte ich mein Glück bei einem anderen süßen Mädel. Auf Ricks Tipp hin hatte ich versucht, jedes Mal, wenn ich sie sah, zu flirten – mit meinen Blicken, denn sie anzusprechen, wagte ich nicht. Also schaute ich sie durchdringend an, wenn ich sie sah, schwieg aber. Das wirkte Wunder, sie war schon ganz scharf auf mich, da war ich mir sicher.

Und an einem Freitag sollte es passieren, ich würde sie ansprechen. Rick stärkte mir den Rücken, hielt mir sprichwörtlich die Stange, als ich um 7.30 Uhr am Busbahnhof stand und auf ihre Ankunft wartete. Sie stieg endlich aus dem Bus, ihre langen Haare kräuselten sich im Wind, und als sie mich erblickte, schien ein Lächeln über ihr Gesicht zu huschen. Mit zitternden Knien näherte ich mich ihr, sah sie an und fragte mit unsicherer Stimme: „Hallo. Magst du mit mir gehen?“ Sie blickte mich verwirrt an und antwortete, ohne zu zögern: „Nein!“

Was hatte ich Idiot denn jetzt wieder getan? Ich wollte sie eigentlich nur fragen, ob ich sie zur Schule begleiten dürfe. „Ich meinte … ich wollte … nur fragen, ob ich dich zur Schule bringen darf“, stammelte ich verlegen. „Wenn du meinst!“, war ihre vielsagende Antwort. Schweigend stapften wir nebeneinander bis zum Schulgebäude. Sie hat mich erst Jahre später wieder gegrüßt, unterhalten haben wir uns bislang nicht.

Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen, ich wusste nun, was mein größter, mein einziger Fehler gewesen war, den ich jahrein, jahraus begangen hatte. Ich hatte gesprochen. Immer wenn ich den Mund aufmachte, verlor ich; schwieg ich, passierte zwar nichts, aber das war besser, als blamiert zu werden. Ab nun würde ich nie wieder meinen Mund öffnen und einer Frau sagen, was ich für sie empfand. Nie wieder. NIE WIEDER! Das beschloss ich, als wir uns gerade im Landeanflug auf Heraklion befanden.

Die drückende Hitze am Rollfeld warf mich beinahe um, schlimmer aber war die Nachricht, die nach dem Abholen der Koffer folgte. Rick und ich hatten, um Geld zu sparen, eine Roulette-Buchung vorgenommen. Das heißt, wir wussten, in welchen Ort wir verreisten, aber nicht in welches Hotel. Die Typen von der Reisegesellschaft hatten wirklich ganze Arbeit geleistet, das muss man ihnen lassen. So viel Gefühl für die Kundschaft muss man erst einmal aufbringen. Wie kann es sonst passieren, dass man zwei fünfundzwanzigjährige Single-Männer in einen All-Inclusive-Family-Club einquartiert? Das war in etwa so, als würde man den Teufel zwingen, bei einem dreistündigen päpstlichen Ostergottesdienst in der ersten Reihe knien zu müssen. Ich regte mich fürchterlich auf und schnauzte die Reiseleiterin Tina mächtig an.

Sie blieb wirklich cool, das muss ich zugeben – wahrscheinlich kamen solche Szenen öfter vor. Rick drängte mich nach einigen Minuten einfach zur Seite und raunte mir zu: „Verdammt, halt endlich die Klappe. Dort gibt’s sicher ’ne Menge scharfer Hasen, die aufgerissen werden wollen.“ „Ja! Ganz sicher. Neben dem Aufbewahrungskämmerchen für die vollgekackten Windeln ist das Fremdgänger(innen)zimmer. Dort kann man von 9–15 Uhr gratis buchen. Wer mag, findet sich einfach zu jeder vollen Stunde vor der Tür ein, dann gibt’s die Pärcheneinteilung. Hinterher muss man nicht einmal putzen!“, fauchte ich zurück. Rick grinste nur und fragte Tina, wann und wie sie denn erreichbar wäre, falls einmal irgendwelche Fragen auftauchen würden.

Sie käme zweimal die Woche im Klub vorbei, ihre Nummer sei an der Rezeption angeschlagen, man könne sie in Notfällen Tag und Nacht anrufen. „Dann könnte ich dich also auch um 23 Uhr anfunken und auf einen Drink an der Poolbar einladen?“, schäkerte Rick, während ich vor Wut meine Fäuste in den Hosentaschen ballte. „Könntest du!“, war ihre vielversprechende Antwort. „Ahh – ich raste gleich aus.“

Gott sei Dank durften wir dann unser Gepäck verladen. Ein Bus brachte uns zum Hotel. Der Koloss von Rhodos, seine Frau und die beiden Mädchen waren auch eingestiegen. Ob die im gleichen Hotel waren? Der Mann nahm neben dem Fahrer Platz, er hätte sich in keine Reihe quetschen können.

Diese Gelegenheit nahm Rick sofort wahr, er war wie ein Raubtier, das potenzielle Beute kilometerweit witterte. Ich versuchte, ihn diesmal zu ignorieren, obwohl mir sein Mut imponierte. Er musste den Oberarm dieses menschgewordenen Leuchtturmes wohl auch bemerkt haben. Dagegen sah mein Oberschenkel wie ein abgenagtes Hühnerbeinchen aus.

Minuten später hörte der ganze Bus die hübsche Verheiratete so laut lachen, dass der Riese sich umdrehte. Rick hatte wohl seine Pizza-Geschichte erzählt. Er war jahrelang als Pizzabote unterwegs gewesen und hatte so einiges miterlebt. Nach Monaten begann er seinen eigenen Stil der Zustellung zu entwickeln und hatte auch schon bald einige Stammbestellerinnen. Er war eben der „Bote, der oft kommt, aber meist mit kalter Pizza“ (Zitat Rick). Sein Chef wollte ihn gar nicht gehen lassen, als er sich nach drei Jahren etwas anderes suchte. Den Pizzafahrer, der täglich so viel Umsatz machte wie die anderen vier zusammen, konnte man doch nicht einfach so ziehen lassen. Er bot Rick ein Gehalt an, das wahrscheinlich sogar den Bundeskanzler gereizt hätte, seinen Job aufzugeben. Aber als der gute Mann von einem Vögelchen erfuhr, was Rick mit seiner Tochter so alles angestellt hatte, wäre er ihm am liebsten an die Gurgel gegangen.

Seither tat Rick das, was er tun wollte. Er war freischaffender Künstler. Was er dabei frei schaffte, weiß ich nicht. Wie er sich diesen Urlaub ohne ein wirkliches Einkommen leisten konnte, war mir auch schleierhaft.

Murrend bezog ich mit Rick unser Doppelzimmer, vom Balkon aus konnte man wunderbar über den Pool mit den kreischenden Kindern blicken, an dem sich schwangere Frauen und Männer, die genauso schwanger aussahen, tummelten. Jetzt war ich in Trinkstimmung, Tina hatte nämlich erklärt, was eine Umbuchung unseres dreiwöchigen Urlaubes ausmachen würde. Da war ich dann kleinlaut von dannen gezogen.

Rick warf sich aufs Bett und öffnete sein Not-Bier, das er brüderlich mit mir teilte. „Auf einen tollen, erfolgreichen Urlaub!“, prostete er mir zu. Er hatte recht, warum sollte ich Trübsal blasen? Das Leben ging weiter, der Urlaub war zwar überhaupt nicht so eingeleitet worden wie geplant, aber das war nun nicht mehr zu ändern. Also spülte ich das warme Dosenbier runter und war nach einer erfrischenden Dusche bereit für Eroberungen.

Rick stimmte sich auf den Abend damit ein, dass er den Stewardessen (ob unser Steward Ralf da auch dabei war, weiß ich nicht) SMS sendete, um sie für später zu checken. Malia, das Partymekka auf Kreta, war nur einen Steinwurf entfernt, wir würden aber auch ohne Flugbegleitung auf alle Fälle auf unsere Kosten kommen. Ich war mir da nicht so sicher. Schlimmer als am letzten Abend konnte es mir jedoch auf Kreta ja wohl nicht ergehen.

An der Poolbar gönnten wir uns unsere ersten Cocktails, die wirklich verdammt gut waren, und überprüften mal die Frauenlage. Rund um uns waren nur Pärchen, ob verheiratet oder nicht, war nicht immer leicht zu erkennen. Rick meinte, dass die, die besonders energisch stritten, sicher für immer verbunden waren. Ich dachte an meine Eltern und konnte ihm nur zustimmen. Das sah nicht gut aus für Ricks Urlaubspläne, zumindest in diesem Familienklub war wahrscheinlich nicht allzu viel zu holen.

Türler ve etiketler

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390 s. 1 illüstrasyon
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9783991075141
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