Kitabı oku: «Tauche tiefer, wenn du schon im Fettnäpfchen schwimmst», sayfa 5
„Mein Mann hat mich vor zwei Monaten verlassen. Einfach so. Von einem Tag auf den anderen. Ohne Vorwarnung. Ich weiß auch nicht, warum er das getan hat, was ihm nicht gepasst hat. Er hat nicht mit mir gesprochen. Er hat überhaupt nicht mehr mit mir gesprochen. Ist in der Früh aufgestanden, hat seine Sachen gepackt und ist einfach gegangen. Nur vom Kleinen hat er sich verabschiedet. Seither kann ich nicht mehr schlafen.“ Sie weinte und auch ich blickte betreten zu Boden und räusperte mich.
„Es tut weh, es tut einfach nur weh. Ich blicke meinen Sohn an und sehe ihn, meinen Mann. Oder besser Ex-Mann.“ Jetzt schluchzte sie laut. Das Einzige, was mir jetzt einfiel, war, meinen Arm um sie zu legen, da sie sich neben mich gesetzt hatte. „Das tut mir leid“, stammelte ich. Was soll man in so einem Moment sagen? Wie kann man einem Menschen in diesem Augenblick helfen? Hilft gemeinsames Schweigen? Zuhören? Zustimmen? Den anderen ausreden lassen? Ablenken?
„Dieser Arsch! Dieser verdammte Arsch! Vor drei Monaten noch hat er diesen Urlaub gebucht und wollte wohl jetzt allein – oder mit seiner neuen Flamme – hierher. Aber das gönne ich ihm nicht, das nicht. Also hab ich den Kleinen eingepackt und wir sind jetzt im Urlaub.“ „Du meinst, er hat eine andere?“, flüsterte ich. „Ja was denn sonst? Gibt ja keine andere Erklärung! Kann nur so sein!“
Wir saßen nun schweigend nebeneinander, sie weinte leise. Nach einigen Minuten stand sie auf, wischte die Tränen ab. „Danke dafür, dass du mir zugehört hast. Das hat gutgetan. Ich muss jetzt aber nach meinem Sohn schauen. Komm so gegen zehn Uhr vorbei, dann folgt die zweite Behandlung!“ Ich nickte. „Bis später!“
Ich blieb sitzen, es war erst sechs Uhr. Rick und seine Gespielinnen zu wecken, machte jetzt überhaupt keinen Sinn. Leider hatte ich meinen iPod nicht dabei, da hätte ich Musik hören können. Sarahs Schicksal ging mir nicht aus dem Kopf. Ich spazierte zum Strand, wo schon erste Morgenjogger ihre Runden drehten. „Sex ist eine Schlacht, Liebe ist Krieg!“, singt die Band Rammstein – ob das stimmt? Wenn ich an Sarah dachte, dann vielleicht. Ich selbst konnte das ja nicht einmal beurteilen …
Gegen acht warf ich Rick aus dem Bett; die Mädels hatten ihn schon in der Nacht allein gelassen; dass er sich nicht freute, war mir vollkommen egal. Sollte er sich nur ärgern. Ich machte ihm auch klar, dass dies der letzte derartige Freundschaftsdienst gewesen war. Er durfte also nicht mehr damit rechnen, dass ich mein Bett räumte. Auch das gefiel ihm nicht unbedingt, aber ich glaube, dass er verstand.
Nach dem Frühstück, das im mit mindestens dreihundert Dezibel von brüllenden, kreischenden, singenden und weinenden Kindern beschallten Saal eingenommen wurde, ging ich mit klopfendem Herzen zu Sarah, die mich nett und freundlich lächelnd begrüßte. Auch diese Behandlung rief bei mir die gestrige Reaktion hervor, was mir diesmal noch deutlich peinlicher war. Gott sei es gedankt, dass ich eine halbe Stunde liegen durfte. Aber auch das war gar nicht so leicht.
„Entschuldige bitte meine Beichte heute Morgen. Ich wollte dich nicht mit meinen Problemen belasten.“ Sie hatte sich neben mich gesetzt. „Du hast mich nicht damit belastet, ich hab es dir erstens angeboten und zweitens tut es gut, wenn man über seine Sorgen sprechen kann. Da gibt es doch dieses alte Sprichwort: ‚Geteiltes Leid ist halbe Freud!‘ oder so ähnlich.“ Sie lachte. „Du bist nett, wirklich nett, Klaus. Mich wundert ja, dass deine Freundin dich mit Rick in Urlaub fahren lässt.“ Ich räusperte mich, das erinnerte mich an meine Mutter. „Ich habe keine Freundin“, krächzte ich. „Au, ach so, entschuldige!“ „Da gibt’s nichts zu entschuldigen, konntest ja nicht wissen.“ Die restlichen Minuten schwiegen wir.
Als ich ging, fragte ich sie, ob sie heute Abend mit mir an der Bar was trinken wolle, so quasi als Wiedergutmachung für die entgangene Urlaubszeit. Sie sagte zu, was mich sehr freute. Außerdem fiel mir auf, dass ich es zum ersten Mal in meinem Leben gewagt hatte, eine Frau ohne die Hilfe von Rick um ein Date zu fragen. Mit stolzgeschwellter Brust schritt ich durch die Halle. „Herr Böhmer! Klaus Böhmer!“, rief jemand. Ich brauchte eine halbe Ewigkeit, bis ich merkte, dass ich gemeint war. Die Rezeptionstussi wachtelte mit einem antiken Telefonhörer. „Ihre Mutter ist in der Leitung! Können Sie mal kommen?“
Ging es noch lauter? Vielleicht sollte sie das über den Lautsprecher verkünden! Ich sah das verschmitzte Grinsen der anderen Touristen, das mitleidige Nicken der Junggebliebenen.
„Hallo?!“
„Klaus! Was fällt dir ein, dich nicht zu melden! Dein Vater und ich sind vor Sorge beinahe umgekommen. Wieso sagst du denn nicht Bescheid? Du hattest es doch versprochen! Nur Sorgen muss man sich um dich machen! Was glaubst, wie viele Euro ich vertelefoniert habe, nur um dich überhaupt mal zu finden.“
„Aber Mama, ich habe es vergessen. Wirklich. Es war so viel los in den letzten Tagen, da habe ich mal die Ruhe gebraucht. Es ist alles in Ordnung, nichts passiert.“
„Lässt Rick dich wohl in Ruhe den Urlaub genießen? Cremst du dich wohl jeden Tag öfter ein? Mindestens einen 15er-Lichtschutzfaktor, hörst du?“
„Ja, Mama. Alles in Ordnung“, raunzte ich genervt in den Hörer, „es wollen jetzt noch andere Leute telefonieren!“ An der Rezeption wartete niemand, auch die Lobby war menschenleer.
„Mein Schatz, du meldest dich jetzt jeden Tag. Wir müssen wissen, ob es dir gut geht. Ja?“ „Nein, Mama. Ich werde mich melden, aber sicher nicht jeden Tag. Bis bald!“ Wütend warf ich den Hörer zurück. „Die spinnt doch, ich bin doch nicht zwölf und bei einem Jungschar-Ausflug!“
Ich stampfte ins Zimmer, die Tür krachte ins Schloss. „Das gibt’s doch nicht, was stellt die sich denn vor?“ Voller Wut schlüpfte ich in meine Laufschuhe und rannte los. Ich muss zugeben, dass es diesmal besser ging als beim letzten Mal. Ich schaffte schon sieben Minuten am Stück, bevor ich japsend auf einen Liegestuhl plumpste. Aber ich habe mich während dieser Minuten so wohlgefühlt – abgesehen von den Schmerzen in den Muskeln, Gelenken, Beinen und Füßen –, dass ich mir geschworen habe, ab nun so oft wie möglich zu laufen.
Den Nachmittag verbrachte ich entspannt am Strand – mit einem Männer-Magazin in der Hand und meinen iPod-Stöpseln im Ohr. Steve, der mehrmals an mir vorbeigeschlendert war, blieb heute überraschend still. Er konnte mir auch keine Erfolgsmeldung liefern. Es stand nun wirklich 3:1 für Rick. Als ich ihm das mitteilte, war er sichtlich betrübt.
Der Abend kam näher, meine Aufregung stieg. Sarah wollte mit mir was trinken! Mit mir! Ich konnte es kaum glauben. Ich meine, sie war natürlich kein Topmodel, aber wer wollte schon so ein verhungertes Gör? Sie alle hatten wunderbare Beine, bei deren Anblick einem heiß werden konnte, aber war das das Wichtigste? Ein kurzer Blick in mein Magazin zeigte mir – manchmal schon …
Aber Sarah war nicht nur nett, sie sah auch verdammt gut aus. Ihre schulterlangen brünetten Haare hatte sie zusammengebunden, ihre Augen strahlten Güte aus und ihr Lächeln war bezaubernd. Ihr Körper war genau passend, alles wunderbar angeordnet, an den richtigen Stellen verteilt – so stellte ich mir eine Frau vor. Oh Gott, hatte ich mich verliebt? „Nein, das darf nicht passieren. Sie ist nur nett, weil ich Idiot meinen Rücken auf den Sonnengrill gelegt habe, mehr nicht. Und heute Abend werde ich mich dafür bedanken – mit Gratisgetränken an der All-inclusive-Bar. Mehr nicht.“
Ich begann um 18 Uhr mit den Vorbereitungen, duschte mich zweimal, um auch den letzten Schweißgeruch loszuwerden, und schwitzte dann im dampfenden Bad. Das schönste T-Shirt, das ich mithatte, nahm ich zur Hand. Ich sprühte mich mit Deo ein, bis der Duft auch noch ins Badezimmer der Nachbarn gestiegen war. Schon um acht Uhr saß ich nach einem hinuntergeschlungenen Souvláki an der Bar und wartete. Ich war ja nicht so nervös, trotzdem gönnte ich mir mal drei Bierchen, damit die Anfangsunruhe ein wenig verging.
Kurz nach neun kam sie. Sie trug einen Trainingsanzug und Turnschuhe und sah aus, als wollte sie joggen gehen oder als käme sie gerade von einer Laufrunde. In der Hand trug sie ein weißes Handy, das doch recht klobig wirkte.
„Tolles Teil!“, scherzte ich. Sie gab mir zu verstehen, dass dies das Babyphone sei, mit dem sie ihren Sohn überwachte. Der schlief nämlich bereits und sie lasse ihn ungern allein im Zimmer. Man wisse ja nie, was da so alles passieren würde. Sie brauche nur an die kleine Maddie zu denken, die aus dem Hotelzimmer der Eltern entführt worden war.
„Du siehst aber gut aus heute Abend!“, meinte sie dann. Ich merkte, wie mir das Blut in den Kopf schoss und der Schweiß auf die Stirn. Ich hätte vielleicht ein drittes Mal duschen sollen!
„Danke, du auch!“, antwortete ich verlegen. „Also wenn ich gewusst hätte, dass du dich so in Schale wirfst, hätte ich mich auch anders angezogen“, legte sie nach. Meine Verlegenheit stieg und stieg.
Sie bestellte sich einen Aperol Spritz und dann plauderten wir los über Gott und die Welt. Ich wollte sie ablenken, wollte ihren Blick und ihre Gedanken von ihrem Mann lösen. Das hatte ich mir vorgenommen. Wenn ich sonst schon nichts konnte, dann musste ich das versuchen. Das war ich ihr schuldig. Sie trank recht schnell und bestellte sich sogleich einen zweiten Aperol. Als wir miteinander anstießen, tauchte plötzlich Steve auf. Er war betrunken und sah drein wie ein niedergeschlagener, geprügelter Hund. Neben mir war Platz, er lehnte sich an die Bar.
„Verdammt, Rick ist sicher auf der Pirsch, oder?“ Ich musste ihm sagen, dass Rick schon längst aufgebrochen war. „Shit. Ich wär ja auch unterwegs, aber die Lina, die spinnt plötzlich rum. Das kannst dir nicht vorstellen!“ „Echt? Was ist los?“ „Na ja, sie zickt wegen dieser Wette. Ich solle sie bleiben lassen, ich stelle mich an wie ein Dreijähriger, ich breche ihr das Herz, wenn ich das mache. Das Schlimme ist ja, dass das bisher nie ein Problem gewesen ist. Wir hatten eine offene Beziehung, für mich war da immer alles offen.“ Ich klärte Sarah über die Wette der beiden auf, sie verzog ihren süßen Mund zu einem zaghaften Grinsen. „Diese Buben …“ Mehr war ihr nicht zu entlocken.
„Sie will mich jetzt nur für sich haben, ohne andere Frauen. Wie soll denn das gehen?“ Er schluchzte, trank sein Bier aus und schaute in Richtung Meer.
Sarah legte plötzlich los, auch sie hatte bereits das dritte Getränk in Händen und war hörbar leicht beschwipst. „Also, mein Mann kannte nur zwei Stellungen, alles andere war für ihn nicht zu machen. Und wenn er die zwei wenigstens beherrscht hätte, dann wäre ich ja glücklich gewesen. Oben, unten. Oben, unten. Und immer in der Reihenfolge, ich wusste ja schon, wenn er nur seinen „Ich hätte jetzt gern Sex“-Blick auflegte, was folgte. Er hat der Einfachheit halber den einzelnen Abwechslungen Nummern gegeben und nur mehr die Nummer angesagt. Weil er meist schon oben nicht mehr konnte, hat er sich das unten für die drei Tage später stattfindende Runde aufgespart. Alle zwei bei einem Mal hat er nur einmal geschafft, da hat er dann jahrelang von seinen Fähigkeiten geschwärmt. Und was ihr Männer für eine Obsession mit dem Blasen habt, konnte ich noch nie verstehen. Ist das so toll, so erfüllend, dass das alle immer wollen?“ Sie blickte mich an, ich riss die Augen auf, trat unmerklich einen Schritt zurück, wurde ganz rot und stotterte: „Na ja, ja, doch. Sicher, ist so.“ „Hallo? Diese Frau spricht so offen über Sex, da werde ich rot dabei. Wie soll ich denn diese Frage beantworten? Ich habe keine Ahnung.“
Steve hatte Sarahs Frage auch gehört und blickte sie nun sichtlich interessiert und alkoholisiert brünstig an. „Ja, das ist super!“, lallte er mit hörbarem Zittern in der Stimme. „Also meine erste Erfahrung damit machte ich mit siebzehn – auf einem Rockfestival. Da habe ich auch meine Unschuld verloren. Das Ganze hat, glaube ich, genau fünf Sekunden gedauert. Also das Unschuldverlieren. Das Blasen war dann einen Tag später.“ Er lachte, ich staunte. „Es ist anscheinend wirklich noch kein Meister vom Himmel gefallen.“ „Ich war fertig, bevor es richtig losgegangen ist. Mann, war mir das peinlich, aber das Mädchen war so betrunken, die hat das nicht einmal richtig bemerkt!“ „Mein Mann war auch oft schon ausgelaugt, bevor ich überhaupt wusste, was er von mir wollte“, krächzte Sarah, nur um dann von einem Moment auf den anderen zu weinen zu beginnen. „Das muss wirklich frustrierend sein!“, lispelte Steve. „Vielleicht kann ich dir ein wenig helfen?“ In meinem Inneren brach ein Sturm los, ich hätte dem Oberanimateur am liebsten meine Faust in die Zähne gerammt, ich herrschte ihn an, dass das jetzt aber so was von unpassend gewesen war. „Wieso?“
Oh Gott, der Besoffene checkte aber auch gar nichts mehr. Sarah stand auf, bedankte sich bei mir für die Drinks, die ich ja ohnehin nicht bezahlt hatte, und meinte in aller Ruhe zu Steve: „Damit du eines weißt, ich lasse mich auf keinen Fall in eure Wette einbauen. Auf keinen Fall! Verstanden?“ Da war der Krankenhauston wieder, mir lief eine Gänsehaut über den Rücken. Da möchte ich aber nicht unartiger oder lästiger Patient sein. Auch Steve verstand jetzt, gab klein bei und verabschiedete sich.
„Ich habe gesehen, dass du heute joggen warst. Hast Lust, mit mir morgen eine Runde zu drehen? Ich bin aber doch ein wenig außer Form, du wirst dich also zurückhalten müssen!“ Hatte sie mich wirklich gesehen? Das mussten meine guten Sekunden am Beginn gewesen sein.
Natürlich sagte ich zu.
Am nächsten Morgen trafen wir uns um acht, Sarah sah einfach zum Anbeißen aus in ihrem Fitnessdress, in kurzen Tights und mit einem hautengen Shirt. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, leider war ihr kleiner Sohn dabei, der uns mit seinem Fahrrad begleiten sollte.
„Nein, mir macht das nichts aus, dass Max mit dabei ist.“ „Die Animateure sind um die Uhrzeit noch nicht im Dienst, sonst könnte er ja ein wenig spielen. Er hat aber versprochen, brav neben uns herzufahren. Nicht wahr, Max?“
Der Kleine nickte bockig und startete los wie Lance Armstrong in seinen besten Dopingzeiten. Sarah sprintete hinterher. Bis ich richtig verstand, was passierte, waren die beiden schon ein gutes Stück unterwegs. Mir gefiel ja der Ausblick auf Sarahs Hintern, aber ganz so weit zurück wollte ich auch nicht bleiben. Der kleine Max trat in die Pedale wie ein Fahrradprofi bei der Tour de France und war wohl gerade dabei, den Etappensieg in Alpe d’Huez zu holen, so strampelte er. Sarah sprang ihm locker hinterher, während ich schon nach wenigen Metern aus dem letzten Loch pfiff. Das war wohl nichts mit einem gemütlichen Lauf, bei dem wir uns unterhalten konnten.
Nach, so glaube ich, zwanzig Kilometern machten Max und Sarah eine Pause und ich wäre beinahe ins Koma gefallen.
„Mama! Der Mann ist aber sehr langsam. Nicht einmal Oma schnauft so, wenn sie laufen muss!“ Der kleine Bengel war ja ganz schön frech.
„Du läufst wohl nicht so oft, oder?“ „Na ja, nein. Habe gerade erst begonnen“, japste ich.
„Dann sollten wir lieber umkehren, denn mehr als fünf Kilometer werden wir dir nicht antun.“ „Fünf haben wir schon?“ „Nein, das waren jetzt circa zweieinhalb. Den Rückweg müssen wir noch addieren.“ Oh Gott, noch einmal diese Strecke.
„Komm schon!“ Sarah gab mir einen Klaps auf den Hintern. Das gab mir Kraft, sehr viel Kraft, und vor allem spürte ich wieder einmal mein Hirn in die Hüfte rutschen. Ihr knackiger Po bewegte sich vor meinen Augen auf und ab, hin und her – das war ein wirklich hypnotisierender Rhythmus. So sollte man immer laufen, so ein Lauf beruhigt alle Männerhirne in gewisser Weise. Obwohl das Wort beruhigen hier falsch ist, so ein Lauf lässt Männerhirne sich konzentrieren – auf eine Sache. Das ist noch besser als die Cocktails. So ein Lauf mit diesem Ausblick weckt in jedem Mann Mahatma Gandhi, da gäbe es keine Kriege, nur mehr Friede und Meditation. Vor Gandhi käme vielleicht noch Hugh Hefner, nein, sicher. Aber nach Hefner Gandhi. Unbestritten.
Während ich darüber nachdachte und Hefner und Gandhi in meinen Gedanken zu einer Person verschmolzen (zu einer Art „Make love, not peace“-Prediger), waren wir zum Hotel zurückgekehrt. Ich verabschiedete mich schnaufend von den beiden, warf mich unter die Dusche und musste erst einmal ein paar Stunden Schlaf nachholen.
Kapitel 3
Rick krachte irgendwann rein und war sichtlich und hörbar noch immer oder schon wieder betrunken, da er mich umarmte und mir ins Ohr greinte: „Ich habe jetzt schon vier und heute Abend hole ich mir Nummer 5 und 6!“ „Super, Rick! Putz dir mal die Zähne, du stinkst wie eine Rumfabrik!“ Er lachte, legte sich neben mich und schlief sofort ein.
Nachdem mich sein Schnarchen irgendwann zu sehr störte, machte ich mich auf zum Strand. Sarah winkte schon von Weitem und ich war zum ersten Mal froh, dass Rick ins Zimmer gestürmt war und mich geweckt hatte.
Der kleine Max begrüßte mich mit einem „Hallo, du Schnecke!“ und bewarf mich nach anfänglicher Schüchternheit mit Matsch. Sarah meinte, dass er mich möge. Wenn er jemanden nicht mag, dann sagt er das dem- oder derjenigen auch direkt ins Gesicht. Kinder kennen da anscheinend keine Gnade.
Der Kleine hielt seine Mutter ganz schön auf Trab, mich wunderte ja, dass sie ihn nicht vierundzwanzig Stunden lang von den Animateuren betreuen ließ. Dabei fielen mir Steve und Lina ein und ich verwarf den Gedanken so schnell, wie er aufgetaucht war.
Wenn Max mal ein wenig abgelenkt war und nicht mit Sand warf, nicht unbedingt gerade ganz dringend aufs Klo musste, nicht mit Mama eine Sandburg bauen musste, nicht über den langsamen Mann lachen musste, konnten wir uns sogar unterhalten. Am Ende des Nachmittags sagte Sarah zwei Sätze, die ich nie wieder vergessen werde: „Danke. Deine Anwesenheit macht diesen Urlaub für mich erträglich. Du lässt mich die ganze Geschichte mit meinem Mann ein wenig vergessen.“
Ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss, wie ich rot wurde wie eine Tomate. So etwas Schönes hatte noch nie jemand zu mir gesagt, ich fühlte mich wie auf Drogen. Ich wollte antworten, brachte aber nichts Zusammenhängendes heraus, was sie wiederum zum Lachen brachte. „Du brauchst nicht zu antworten, lass diese Sätze einfach so stehen. Hab ich dir eigentlich schon erzählt, wie ich meinen Mann kennenlernte?“ Ich schüttelte den Kopf und freute mich gar nicht, da nun sicher eine romantische Liebes- und Kennenlerngeschichte folgte, die meinen kurzen Triumph beenden würde.
„Ich war neunzehn und hatte gerade eine verzwickte Liebesbeziehung am Laufen. Das war alles ein wenig kompliziert damals. Also brauchte ich Rat und wollte die Person befragen, die sich da am besten auskannte. Meine Mutter. Sie lud mich zu einem Balkan-Essen ein, bei dem wir alles besprechen wollten. Ich erzählte ihr von meinen Liebesbeziehungen, von Ben, der wunderbar küssen konnte und seine Zunge immer gekonnt einsetzte, und von Karl, der immer mit vollem Körpereinsatz dabei war, wenn man ihn brauchte.“ „Mama! Ich mag jetzt was essen. Ich bin hungrig!“ Der kleine Max störte mich jetzt nicht, denn ich merkte schon, dass das eine Geschichte werden würde, bei der ich in der Badehose nicht ruhig sitzen bleiben könnte. Da hätte ich dann ein großes, ein hartnäckiges Problem.
„Erzähl ich dir eben am Abend weiter, wenn du magst. Wir gehen doch wieder auf einen Drink oder hast was anderes vor?“ Sie blickte mich an und ich schmolz dahin. „Natürlich interessiert mich, natürlich hab ich, natürlich heute Abend“, stammelte ich.
Ich hatte schon wieder ein Date, ich wurde langsam so richtig gut. Meine Lockerheit war wieder da, so lange hatte ich sie vermisst. Nur dass ich diese Frau niemals rumkriegen würde, ich würde sie ja nicht einmal fragen, ich würde es ja nicht einmal wagen, an Sex mit einer solchen klasse Frau zu denken.
Um acht saß ich geschniegelt und frisiert in der Lobby und wartete auf Sarah, die knapp nach viertel neun um die Ecke bog und sich gleich dafür entschuldigte, dass sie zu spät dran war. Der kleine Max wollte nicht gleich einschlafen, heute habe sie kein gutes Gefühl, er werde sicher bald aufwachen und dann müsse sie ganz schnell ins Zimmer.
Wir ließen uns wie am Vorabend an der Bar nieder, an der Steve mehr tot als lebendig hing. Die Aussicht auf das Ende seiner Promiskuität muss ihn wohl zu einem extremen Alkoholabusus getrieben haben. Er war aber noch so weit bei Sinnen, dass er seiner Sitznachbarin, einer Lehrerin aus Wien, seine beste Schulgeschichte erzählen konnte. Dies geschah in einer Lautstärke, dass man gar nicht anders konnte, als zuzuhören. Es trug sich in der siebten Klasse eines Gymnasiums irgendwo in Kärnten zu – drei Monate nach seiner Festival-Entjungferung, das betonte der Oberanimateur immer wieder. (Ich war ja verwundert, dass dieser Typ ein Gymnasium besucht hatte. Womöglich hatte er sogar Matura?) Steves Englischlehrerin war neu an der Schule, eine junge, hübsche, knackige Frisch-Uni-Absolventin, die sich vor allem damit abmühte, von ihren Schülerinnen und Schülern überhaupt ernst genommen zu werden. Bei Steve war das sicherlich nicht einfach!
In irgendeiner Stunde im November provozierte der gute Steve diese Pädagogin derart, dass sie ihn höflich, aber bestimmt zur Tafel zitierte.
„Nein, Frau Professor!“, antwortete der renitente Junge. „Was heißt da Nein?“ Der Ärger war in der Stimme der Lehrerin zu hören. „Das ist jetzt ganz schlecht.“ „Was soll das heißen? Du kommst jetzt an die Tafel!“ Ihre Stimme wurde schriller. „Aber wirklich, Frau Professor. Das geht jetzt nicht.“ „Du bist in zwei Sekunden an der Tafel, oder ich …“, kreischte die junge Frau, die in dieser Klasse ihre Felle schon davonschwimmen sah. „Aber nur auf Ihre Verantwortung!“ Steve lachte laut und war sehr schwer zu verstehen, als er fortfuhr:
„Also – sie nickte nur mehr, als ich dann langsam aufstand. Es fiel mir ja schwer, überhaupt aufzustehen, in dem Zustand, in dem ich mich befand. Ich trug nämlich hautenge Jeans, die derart an meinem Körper lagen, dass sich schon ein Zehncentstück in meinen Taschen ganz deutlich abzeichnete. Ich hatte mir in den letzten Minuten ausgemalt, wie das denn mit der neuen Lehrerin so wäre, wenn ich sie mal auf einem Festival treffen könnte. Und meine Gedanken hatten sich direkt auf meinen Beckenbereich ausgewirkt, sodass ich mit einem Monstermasten in der Hose aufzustehen versuchte. Ich hörte nur, wie die Burschen in der Klasse losbrüllten, als ich endlich gerade dastand. Die Mädchen kicherten verschämt, und nicht alle drehten sich weg. Die eine oder andere hat dann später ihr Interesse bekundet, die eine oder andere hat sozusagen in dieser Englischstunde Blut geleckt.“ Steve brüllte los. Er konnte sich beinahe nicht beruhigen und es dauerte einige Augenblicke, bis er es schaffte.
„Am schlimmsten ging es aber der armen Lehrerin, die derart rot wurde, dass ich dachte, ihr würde sogleich der Kopf explodieren. Sie wusste auch nicht, wo sie hinsehen sollte, das war ganz klar auszumachen. Nach einigen Momenten des Überlegens stürmte sie aus der Klasse und kam die restliche Stunde nicht wieder zurück. Sie hat das ganze restliche Schuljahr nicht wieder von diesem Vorfall gesprochen, es war ihr aber sichtlich peinlich, denn mich hat sie überhaupt nicht mehr angeschaut.“
Alle an der Bar schauten sich verschämt an, aber Steve war noch nicht fertig. „Bei der Maturafeier war ich knapp davor, mit ihr darüber zu reden, aber als ich mir genug Mut angetrunken hatte, verschwand sie eben ganz zufällig mit meinem Klassenvorstand, einem alten Knacker, der nicht nur im volltrunkenen Zustand schielte wie ein Uhu.“
Sarah kicherte ein wenig, die Lehrerin war wortlos gegangen, während Steve weiterhin lachte und in seinem Rausch gluckste, dass es schien, er würde in jeder Sekunde hier auf den Boden platschen. Nach einigen Sekunden drehte er sich um und torkelte in Richtung seines Apartments. Schwer wankend und lallend rief er mir zu: „Dein Freund Rick hat im Grunde schon gewonnen. Ich bin ja aus dem Rennen, die blöde Lina ist ja nicht nur plötzlich stockkonservativ, sondern schwanger auch noch.“
Sarah lachte laut auf, während mir der Mund offen stehen blieb.
„Jaja, das kenn ich. Das passiert häufiger, als man(n) glaubt!“ Mir war nicht klar, ob Sarah das zu Steve oder zu sich selbst sagte. „Komm, lass uns was trinken!“ Sie bestellte und wir unterhielten uns über alles Mögliche. Mit dem dritten Aperol Spritz in der einen Hand nahm sie mich mit der anderen am Arm und zog mich zu den Liegestühlen. Mir blieb die Spucke weg, ich begann zu zittern, denn in meinem Kopf spielte sich ab, was nun auf mich zukommen könnte, was ich nicht zu erhoffen gewagt hatte. Zum ersten Mal seit Tagen spürte ich meinen Sonnenbrand plötzlich überhaupt nicht mehr – ich war jetzt so richtig fokussiert, konzentriert auf das Wesentliche. „Wie komme ich da jetzt wieder raus, ohne dass sie bemerkt, dass ich ein sexueller Verlierer sondergleichen bin? Wie schaffe ich das?“
Wir saßen nun nebeneinander auf einem Liegestuhl, sie lehnte sich ein wenig an mich, was sich sehr gut anfühlte, bei mir aber beinahe sämtliche Sicherungen durchbrennen ließ.
„Ich habe dir ja die Geschichte mit meinem Mann noch gar nicht fertig erzählt. Wenn du magst …“
Ich musste mich räuspern und hoffte auf ein wenig Ablenkung. „Ja, gern!“
„Ich saß also mit meiner Mutter bei diesem Balkan-Grill und erzählte ihr von meinem verzwickten Liebesleben. Mama wollte wie immer alles ganz genau wissen und so schilderte ich ihr, was vorgefallen war. Dass ich mich in zwei Männer verliebt hatte, der eine, Ben, zärtlich und einfühlsam und ein – ich würde mal sagen – geborener Frauenverwöhner, und der andere, Karl, war mehr wie ein bulliges Schlachtross, das dazu gezüchtet worden war, Mauern und Hemmungen niederzureißen. Beide hatten also ihre Vorzüge und ich musste Mama ganz genau schildern, worin die Vorteile des einen oder des anderen lagen. Sie wollte, um eine Entscheidung treffen zu können, genauestens über alle wichtigen Männer-Parameter (so nannte sie das) Bescheid wissen. Körper- und andere Größen, Gewicht, Augenfarbe, Haarfarbe waren ihr neben dem Durchhaltevermögen wichtig. Außerdem wollte sie wissen, ob meine Männer wohl ein ausgeprägtes Sprachgefühl hätten. Ganz verstand ich damals nicht, warum ihr das so wichtig war, aber sie meinte, dass ein Mann, der keinen geraden Satz formulieren könne, nicht zu heiraten sei, da er einerseits nicht in der Lage sei, das sprachliche Alltagsleben (wie Amtswege) ohne die Hilfe einer Frau zu bewältigen. Andererseits sei ein sprachlich minderbemittelter Mann auf Dauer auch im Bett keine Leuchte, da einem solchen dann nicht nur die sprachliche Variationsfähigkeit fehle, sondern irgendwie auch die körperliche. Mama musste das wissen, sie hatte ja nicht nur Deutsch, sondern auch die Männer studiert.“
Sarah nahm einen Schluck und meinte lapidar: „Du sprichst in ganzen Sätzen, weißt du das?“ „Ähem“, war meine Ganzsatz-Antwort, bei der sie losprustete. Sie dachte wohl, ich hätte einen Scherz gemacht. Weit gefehlt. Mein Herz hatte gerade eine Sonderschicht zu erledigen, so raste mein Puls vor Angst.
„Na ja, meine Mutter ging mal aufs WC, wohl auch um mir ein wenig Zeit zum Überlegen zu geben, welcher der beiden sprachlich denn der Bessere wäre. Ich hatte noch nicht einmal im Traum daran gedacht, auf so was zu achten. Ich sah mich ein wenig in dem spärlich besetzten Lokal um, da lächelte mich ein junger, recht hübscher Mann, der am Tisch hinter dem Platz meiner Mutter saß, schelmisch an. Ich hatte ihn bislang gar nicht gesehen, meine Mutter hatte ihn wohl verdeckt, und schlagartig wurde mir klar, warum der Typ derart grinste. Er hatte alles mit angehört. Mama kehrte zurück und ich flüsterte ihr meine Erkenntnis. Sie drehte sich sofort um und herrschte den Spanner an: „Junger Mann! Es geht Sie überhaupt nichts an, was andere Leute zu besprechen haben! Also hören Sie sofort auf, uns zu belauschen!“
Er lächelte noch immer verschmitzt, nahm einen Schluck von seinem frischen Bier und meinte: „Was soll ich tun? Erstens macht es Spaß und zweitens: Wer Ohren hat zu hören, der höre.“
Mama drehte sich verdattert und verärgert um, schimpfte was in ihren nur ansatzweise vorhandenen Bart und lenkte das Gespräch in eine andere Richtung. Der junge Mann, den ich zwei Monate später heiratete (auch weil ich schwanger war), hatte sich nun umgesetzt, sodass er mich und ich ihn sehen konnte. Er gab mir mit Gesten zu verstehen, dass er unbedingt mit mir was trinken wolle. Nachdem ich ihn mehr als eine Stunde ignoriert hatte, er aber nicht lockerließ, durfte er mir ein Getränk spendieren. Als Mutter das sah, verließ sie seufzend mit den Worten: „Schon wieder so einer. Du wirst es nie lernen, Sarah!“ das Lokal. Am selben Abend sind wir noch im Bett gelandet, es war eher schlecht, weil er, Robert, gar nicht wirklich wusste, was er mit mir anfangen sollte. Und das ist für eine Frau schlimm. Wenn nämlich einer behauptet, er wäre ein Vollblut-Araber-Hengst, der aber, wie sich dann in der Praxis herausstellt, weder Schritt noch Trab noch Galopp beherrscht, sondern nur den Sechzigmetersprint, der schon nach dreißig Metern vorbei ist.“ Sie lachte, während mir der Angstschweiß auf die Stirn trat. Gott sei Dank, es war dunkel und sie sah meine Furcht nicht.
„Und dann hat der Idiot mich auch gleich geschwängert. Ich meine, ich verstehe ja nicht, wie das passieren konnte. Natürlich, ich weiß schon, wie das passiert, im Allgemeinen. Aber wie das so wirklich geschehen konnte, ist mir schleierhaft. Der war doch schon immer beinahe fertig, bevor ich überhaupt nackt und bereit war.“ Sie lachte laut auf, mir rann der Schweiß über den Rücken. Es war kalter Schweiß, meine Furcht arbeitete in mir.
„Aber ich war schon in ihn verliebt, das schon. Er war nämlich anfangs ein so netter und zuvorkommender Mann und ich hatte noch die Hoffnung und den Glauben daran, ihn beim Sex ein wenig einschulen zu können, ihn zuzureiten – sozusagen. Ihm Schritt, Trab und Galopp beizubringen. Aber in all den Jahren hat es eigentlich nur zu Schritt gereicht, leider.“
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