Kitabı oku: «Tauche tiefer, wenn du schon im Fettnäpfchen schwimmst», sayfa 3

Yazı tipi:

„Hallo Rick!“, flötete eine Stimme hinter uns. „Ah, hallo Sonja!“ Die Frau des altertümlichen Weltwunders stand lächelnd da. „Ich hab mir gedacht, dass du dich hier aufhalten wirst.“ „Weißt eh, ich muss ja überprüfen, was die griechischen Cocktails so hergeben. Das ist übrigens Klaus, der Kumpel, mit dem ich hier gemeinsam Urlaub mach.“ Wie nett, er stellte mich vor, obwohl ich ja schon im Flughafen dabei gewesen war. Ich schüttelte ihre Hand und überlegte, wie sich das wohl anfühlen würde, wenn ihr Ehemann da mal so richtig kräftig zudrückte.

„Ich muss ja schon wieder weiter, die Familie wartet …“ Weg war sie. „Verdammt Rick, pass lieber auf. Ich meine, ich will jetzt nicht klingen wie ein Pfarrer, aber bei der wirst du dir die Finger verbrennen. Bei der werden dir die Finger gebrochen werden – von dem Bizepsmonster-Ehemann.“ „Ich weiß!“, antwortete er und schlürfte seinen Caipi aus. „Hast du ihren Hintern gesehen?“ „Hab ich … Rick, geht’s dir gut?“ „Blendend! Kreta ist super, dieser Klub ist das Beste, was uns passieren konnte. So viele frustrierte Frauen habe ich ja noch nie auf einem Haufen gesehen. Das gibt fette Beute!“ Er musste meinen ungläubigen Blick wohl bemerkt haben, denn er erklärte: „Den ganzen Tag die lästigen, nervigen, alltäglichen Kinder, den lästigen, nervigen, alltäglichen Ehemann vor der Nase – das schreit gerade im Urlaub nach Abwechslung. Da musst du einhaken. Das musst du sein, die Abwechslung. Lieb und nett zu sein, ist zwar toll und wirklich ehrenwert, aber wenn du nicht die Abwechslung, nicht das Abenteuer bist, hast du keine Chance. Also, wenn du in den kommenden drei Wochen den Elfmeter verwerten willst, wenn du dein Rohr mal endlich verlegen willst, dann sei ein Abenteuer, sei genau das, was diese Frauen jetzt brauchen. Nicht alltäglich. Nicht normal. Außergewöhnlich.“

Ich überlegte lange. Hatte er recht? Ich meine, neben Rick, der flippig und ultramodern gekleidet war, sah ich aus wie aus dem Versandhauskatalog. Viel schlimmer – wenn er ein Designermöbelstück war, dann war ich der Schuhschrank vom Schreinermeister Eder (mit ein wenig Pumuckl darin). Das Schränkchen, das nur gebaut worden war, um alte, stinkende, schweißige, nicht mehr benutzte Schuhe aufzubewahren. Rick hingegen wurde gebraucht, um nicht nur das Auge, sondern auch den Frauenkörper zu verwöhnen.

Hin und wieder war er richtig philosophisch, mein bester Kumpel. Auf diese Erkenntnis hin mussten wir uns noch zwei Caipirinhas eingießen, dann verließen wir den Familienklub, um uns mal in Malia umzusehen. Der Ort selbst hatte nicht viel zu bieten, aber an allen Ecken und Enden gab es Klubs, Diskotheken und Lokale. Wie oft wir mit „Hello, my friend!“ zu einem Gratis-Ouzo eingeladen wurden, habe ich vergessen mitzuzählen. Wir hatten doch einige. Irgendwann mitten in der Nacht tauchten dann plötzlich die zwei Stewardessen auf, die Rick kontaktiert hatte. Wir hätten Glück, denn normalerweise müssten sie immer am selben Tag zurückfliegen, nur heute wäre irgendwas mit der Maschine, so könnten sie eine Nacht hierbleiben. Der Abend war gerettet.

Wir tranken, feierten und tanzten beinahe die ganze Nacht. Rick kümmerte sich um Marie, während ich mit Laura scherzte. Das Schöne daran war, dass wir uns immer mehr näherkamen, je später der Abend wurde. So gegen vier Uhr früh klagte sie darüber, dass sie um acht Uhr schon wieder aufstehen müsse und deswegen jetzt gern nach Hause gehen würde. Ihr Hotel sei gleich in der Nähe, ob es mir was ausmachen würde, sie zu begleiten. So spät in der Nacht wäre frau immer ein wenig unsicher. Bei dieser Frage spürte ich eine sanfte Regung in meiner Beckengegend. Würde es mit vierundzwanzig Stunden Verspätung passieren? Hatte ich heute alles Glück dieser Welt?

Mit großer Freude und schmutzigen Hintergedanken erklärte ich mich bereit, sie zum Hotel zu bringen. Rick und Marie wollten noch nicht gehen. Arm in Arm schlenderten wir durch die dunklen Gassen, nach wenigen Minuten blieb sie stehen und meinte: „Da wären wir schon.“ Wir befanden uns vor dem schlecht beleuchteten Eingang des doch etwas schäbigen Hotels „Olympia“. Dass hier eine Stewardess abstieg, hätte ich nicht gedacht. Egal. Vollkommen egal. Es konnte jetzt nicht mehr lang dauern und ich würde den größten Schatz auf Erden erkunden dürfen. Endlich würde ich von meinen Qualen erlöst werden, endlich dürfte ich zum Mann werden. Allein im stillen Kämmerlein hatte ich das ja schon Hunderte Male durchexerziert, aber jetzt …

Mir stockte der Atem, als sie sich zu mir drehte, mich lächelnd ansah und mir dann ganz nahe kam. Sie küsste mich auf die Wange und hauchte in mein Ohr: „Danke für den tollen Abend, es war wirklich lustig mit dir. Gute Nacht!“

Noch ehe ich reagieren konnte, war sie im dunklen Hoteleingang verschwunden. Meine Pechsträhne hatte sich ein weiteres Mal verlängert. Verdammt. Shit. Es war doch immer dasselbe. Ich wollte brüllen, aber kein Ton verließ meine Kehle, so ein Scheiß!

Gott sei Dank, ich hatte meinen iPod eingesteckt, so war ich wenigstens musikalisch versorgt, wenn schon sonst nichts ging. Auch der viele Alkohol dämpfte die Tristesse ein wenig, das war gut.

Gut wäre es auch gewesen, wenn ich mehr auf den Weg geachtet hätte, denn zu unserem Hotel zurück fand ich erst nach langem Suchen. Auch die Taxifahrer kannten diesen neuen Familienklub noch gar nicht. Als ich gegen 5.30 Uhr endlich vor dem Zimmer stand und mich niederlegen wollte, fand ich die Tür versperrt vor. Wir hatten an der Rezeption energisch zwei Schlüssel verlangt, das wäre ja zu viel verlangt gewesen, wenn wir wie ein Ehepaar nur einen Zimmerschlüssel erhalten hätten. Nach langen Diskussionen war das Rezeptionsmäderl so weit gewesen, dass es uns zwei Schlüssel aushändigte. Und jetzt steckte ich meinen Schlüssel ins Schloss, aber die Tür ließ sich nicht öffnen. Ich klopfte. Nichts. Keine Reaktion. Rick war wahrscheinlich noch nicht da, Marie sicher nicht so verklemmt wie Laura. Was sollte ich jetzt tun? Die Rezeption war menschenleer; ich könnte Tina, die Reiseleiterin, anrufen. Die hatte doch gemeint, man könne sie bei Notfällen jederzeit kontaktieren. Außerdem wäre das eine wunderbare Rache für die sauteure, unerschwingliche Umbuchung.

Ich setzte mich hin, lehnte mich gegen die Tür und holte mein Handy heraus. Ach ja, ich hatte ja keine Nummer von ihr. Da müsste ich noch einmal aufstehen und zur Rezeption. Mir kam es so vor, als hätte ich ein Geräusch aus unserem Zimmer gehört. Ich lauschte. Ja, das war nicht falsch gewesen, da drinnen war jemand. Und dann hörte ich leises Seufzen, das einem Rhythmus folgte und langsam lauter wurde. Na super. Rick und Marie. Wenigstens hatte mein Kumpel eine Nummer. Ich setzte mich wieder hin. Das durfte doch nicht wahr sein. Was war das jetzt? Die schwarze Woche? Die Glaub-an-dein-Glück-Entziehungskur?

Nicht einmal im Urlaub hatte ich so viel Schwein, nicht einmal im beschissenen Griechenland durfte ich landen. Und was machte Rick? Versaute mit der Stewardess Marie das Bett, während ich hier draußen saß. Ricks Glück verfluchend und ihm mal ein ähnliches Schicksal wünschend, legte ich mich wie ein Haushund vor die Tür, hörte leise Musik und versuchte zu schlafen.

Marie weckte mich, als sie gegen halb acht die Tür aufriss und über mich stolperte. Sie schien es eilig zu haben, da sie sich nicht einmal entschuldigen konnte. Ich kroch hundemüde und verkatert ins Zimmer, Rick schnarchte auf seiner Seite und ich wälzte mich auf meine – mir war es vollkommen egal, was da in den Stunden zuvor gespielt worden war.

Gegen drei Uhr erwachte ich, mein Kopf fühlte sich an, als wäre er in einem Schraubstock gefangen. Der Durst war riesengroß. Vollkommen verdattert setzte ich mich auf, während Rick schon fröhlich pfeifend durchs Zimmer tänzelte.

„Ah, da ist er ja. Der U-Boot-Kapitän. Hast was versenkt in der Nacht?“ „Haha, sehr witzig. Bin mit einem Bussi auf die Wange nach Hause geschickt worden.“ „Scheiße. Heute Abend versuchst du es wieder. Es wird schon hinhauen, du darfst dir nur nicht zu viel Stress machen.“ Rick, der große Philosoph. „Weißt du was? Lass mich einfach mit dem Scheiß in Ruhe. Ich will davon nichts mehr hören. Ich bin jetzt fünfundzwanzig Jahre wunderbar ohne Frau ausgekommen und das werde ich auch noch in den nächsten Tagen und Wochen, Monaten und vielleicht Jahren!“, herrschte ich ihn an.

Er blickte mich irgendwie überrascht an und meinte: „Du bist verkatert, du brauchst mal ein Frühstück, dann sehen wir weiter.“ Ricks gute Laune und sein unzerstörbarer Optimismus verleideten mir das Aufstehen. Hunger hatte ich wohl, außerdem war mein Durst unerhört mächtig. Also stand ich langsam auf, quälte mich ins Bad und war nach wenigen Minuten fertig, um das Büfett zu plündern. Vielleicht gab es sogar noch Frühstück?

Das war ein Wunsch gewesen, denn um 15.30 Uhr gab es natürlich nicht allzu viel. Rick überredete mich zu einem richtigen Katerfrühstück und wir gönnten uns ein Wiederherstellungsbier.

Die Sonne strahlte vom Himmel und wir machten nach einem kleinen Snack eine Runde durch die Anlage. Vor dem großen Pool, den wir von unserem Zimmer aus beobachten konnten, mühten sich mehrere Animateure, aus den wurstigen Touristen durchtrainierte Aqua-Jogger zu formen. „Die ist doch süß“, raunte Rick mir zu und zeigte auf eine kleine, blonde Animateurin. „Stimmt, die ist süß.“ „Also, worauf wartest du?“ „Ich hab es dir schon gesagt, ich will nichts mehr davon hören. Ich will nur meine Ruhe haben.“ „Okay, okay. Ich hab schon verstanden. Man kann ja niemanden zu seinem Glück zwingen.“ Rick sprang in den Pool und baute sich wenige Meter vor der kleinen Blonden auf.

Ich hingegen schlenderte durch den Klub, beobachtete die Kinder beim Spielen – es war herrlich, ihnen zuzusehen, wie sie sich über die geringsten Kleinigkeiten freuen konnten – und schaffte es endlich auch ans Meer. Dort setzte ich mich unter einen Sonnenschirm und blickte einfach auf die See. Zwischendurch versuchte ich die Wellen zu zählen, es steht ja geschrieben, dass jede siebente davon irgendwie anders sein soll. Mir wäre da nichts aufgefallen. Vielleicht war ich aber auch noch nicht ganz nüchtern.

Irgendwann tauchte Rick auf. „Ach, hier bist du. Ich hab dich schon gesucht. Ich würd jetzt gern mal essen. Kommst mit oder bleibst noch sitzen?“ War es schon so spät? Wie lange war ich denn hier gesessen? Der Hunger meldete sich ganz plötzlich und richtig vehement. „Gute Idee. Ich hab ja eh schon einen Riesenhunger.“

Beim Abendessen war es richtig laut. Da konnte selbst Metallica oder Motörhead bei einem Livekonzert nur schwer mithalten, denn die Kleinen machten einen Lärm, das konnte man sich als Nicht-Kleinkind-Erprobter überhaupt nicht vorstellen. Der einzige Unterschied war, dass man am Ende der Büfettschlacht wenigstens kein Pfeifen in den Ohren hörte. Danach setzten wir uns an die Bar und gönnten uns mehrere Cocktails. Das war richtig gut, das sollte eine tägliche Gewohnheit werden. Nicht nur im Urlaub, sondern überhaupt immer. Ich bin mir sicher, dass es auf der ganzen Welt viel weniger Krieg gäbe, wenn die Menschen mehr Cocktails trinken würden.

„Da sind die zwei Single-Männer, die im Familienklub urlauben!“, unkte eine männliche Stimme hinter uns, die ihren österreichischen Dialekt nur schwer verbergen konnte. Wir drehten uns um. „Hi. Ich bin Steve.“ Ein Animateur. „Rick.“ „Klaus.“ Irgendwie störte der Typ. Er erinnerte mich an den einen Animateur im Film „Popitz“, an den jungen Blonden, der die Dreizehnjährige aufreißen will. „Wisst ihr, so was macht im Klub immer ganz schnell die Runde, denn das ist doch eher selten. Aber manche Frauen warten ja nur auf die Ankunft von Unvergebenen.“ Rick grinste, er hatte einen Bruder im Geiste gefunden, das war ihm sofort klar geworden.

Wir betranken uns gemeinsam, das war dann doch recht lustig, weil Steve die verschiedensten Geschichtchen und Schwänke aus seinem Animateur-Alltag erzählte. Als Achtundzwanzigjähriger hatte er schon beinahe alle verschiedenen Klubs und Ferienanlagen durch, nur im Swingerklub hatte er noch nie animiert. (Das muss wohl sein bester Gassenhauer gewesen sein.)

Plötzlich drehten sich alle in Richtung Tür. Sonja, ihre Kinder und ihr Ehemann, der den gesamten Türrahmen in der Höhe ausfüllte, betraten den Raum. Sie lächelte Rick an und winkte ihm verstohlen, während der Göttergatte sie an der Hand nahm und zu einem weitab gelegenen Tisch führte.

„Die kriegst du niemals!“, meinte Steve. „Was wollen wir wetten?“, konterte Rick. „Da hast du keine Chance, die ist mindestens zwei Nummern zu groß für dich.“ „Was wollen wir wetten?“ Rick klang zornig, Steves Aussage hatte ihn herausgefordert.

„Ich wette, dass ich sie aufreiße, während ihr Mann dich zu Kleinholz verarbeitet.“ Der Animateur legte nach. „Na sicher, hundertprozentig.“ Da braute sich was zusammen. Lakonisch warf ich ein: „Wieso macht ihr denn nicht überhaupt einen Wettbewerb, wer mehr Frauen rumkriegt? Das wäre einmal eine Herausforderung!“

„Da bin ich sofort dabei!“, rief Steve. Auch Ricks positives Echo ließ nicht lange auf sich warten. Ich latschte kopfschüttelnd und grinsend auf die Toilette. Als ich zurückkehrte, hatten die beiden das Prozedere schon ausgehandelt. Sie mussten mir sogleich ihre Beschlüsse mitteilen. So ähnlich müssen sich Journalisten fühlen, wenn Politiker irgendwann mal was beschlossen haben und dann unbedingt alles erzählen wollen.

Die Regeln besagten, dass es im Grunde keine Regeln gab. Alles war erlaubt, die Mädels mussten über achtzehn sein und als Beweis sollte ein oder mehrere Fotos dienen, die mit dem Handy während des Liebesakts geschossen worden waren. Heute Abend sollte es losgehen und über die nächsten zwei Wochen andauern. Wer dann mehr Frauen ins Bett bekommen hätte, würde einen ganzen Abend lang außerhalb des Klubs vom anderen mit Getränken versorgt. Das war hart, denn das konnte richtig teuer werden.

Rick hatte auch für mich eine freudige Nachricht. „Du, Klausi, bist unser Schiedsrichter, du darfst dir jedes Foto ansehen und bestimmen, ob du es zählst oder nicht. Ist das nicht geil?“ „Ich habe mein Leben lang auf nichts anderes gewartet. Das ist die Krönung meines Daseins!“, seufzte ich.

„Wieso soll der Schiedsrichter sein? Das ist unfair! Der manipuliert doch sicher!“ Steves Reaktion konnte ich sogar verstehen, das war doch wirklich naheliegend. „Wartet mal! Bin gleich wieder hier“, maulte er und verschwand. Nur wenige Minuten später kam er mit einem Mädel zurück – der kleinen, hübschen, blonden Animateurin. Die sah ja wirklich auch aus der Nähe süß aus, nicht nur von der Ferne.

„Das ist Lina, meine Freundin. Sie wird das Ganze auch überwachen!“ Rick, der gerade einen Schluck gemacht hatte, spuckte viel von dem Cocktail auf den Boden. Ich stand verdattert da. „Hast du gerade gesagt deine Freundin? Und die würde Schiedsrichterin spielen?“, fragte ich zögerlich.

Steve grinste: „Na klar. Das macht meinem Schatzi nichts aus. Stimmt’s?“ Lina grinste ein wenig und nickte. Ich denke, sie war entweder extrem betrunken oder auf irgendwelchen Drogen. So was gibt’s doch nicht!

„Steve hat mir sein Herz geschenkt, das reicht mir. Was er mit seinen anderen Organen und Körperteilen anstellt, geht mich nichts an“, sprach sie schließlich. Coole Einstellung, das gefiel mir irgendwie. Vielleicht war sie mit ihren Körperteilen genauso offen und frei, ihr Herz brauchte sie mir nicht zu schenken, denn das interessierte mich nicht.

Also zogen wir zu viert los und schon in der ersten Bar verließen uns die Wettkämpfer, um nur keine Zeit zu verlieren. Da saß ich nun mit Lina allein am Tisch und konnte nur an die Körperteil-Aussage denken. Wir tranken schweigend, bis ich mir genügend Mut angetrunken hatte, um sie zu fragen.

„Ich finde, du nimmst das sehr locker. Ich meine, dein Freund macht eine Aufriss- und Sex-Wette und du spielst da auch noch mit.“ „Hab ja schon erklärt, dass er mir sein Herz geschenkt hat – das reicht mir.“ Sie klang gar nicht locker, das überhörte ich. „Dir macht es nichts aus, wenn er in fremden Töpfen stochert?“ Wollte ich sie provozieren? Warum stellte ich diese Fragen? Eigentlich wollte ich ja auf ganz was anderes hinaus. Sie schwieg, aber man sah, dass sie sich innerlich quälte.

„Bist du eigentlich auch so locker wie Steve?“ „Wie meinst du das?“ „Na ja, hast du ihm dein Herz geschenkt und nichts dagegen, deinen Körper auch anderen Männern zum Verzehr zu gönnen?“ Ich hatte lange überlegt, wie ich diesen Satz über die Lippen bringen könnte, und ich finde, er war mir gut gelungen. Der Inhalt passte und er war schön verpackt. Wozu die Arbeit in der Werbeagentur doch gut war!

Nur die eifersuchtsfreie Lina schien ihn nicht zu verstehen. Wahrscheinlich war sie doch auf Drogen. Sie sah mich auf eine Art und Weise an, die mich an die Schafe erinnerte, die meine Oma mal gehalten hatte. „Määh.“ Anstelle von Mäh gluckste sie ein „Hä?“. Ich musste direkter werden. Nach einem kurzen Zögern – eine Animateurin wird das schon aushalten, eine so hübsche Animateurin muss sich ganz sicher jeden Tag sehr viele sexuelle Anspielungen anhören – legte ich ein wenig nach: „Ich wollt nur wissen, ob du wie dein Freund auch gern auswärts isst.“ Schafsblick. „Ob du deinen See auch für fremde Taucher öffnest. Ob du auch fremde Golfer über deinen heiligen Rasen wandeln lässt.“ Verdammt, der Alkohol machte mich ja richtig lyrisch und mir fiel ein Gedicht von Novalis ein, das von einem Quellchen handelte, in dem ein junger Mann sein Flämmchen kühlen wollte. Lange war das her, dass ich das gelesen hatte. Mein Deutschlehrer hatte immer so von Novalis geschwärmt und ich hatte nie wirklich verstanden, warum. Jetzt wusste ich es.

Da sie noch immer nicht geantwortet hatte (ich nehme an, dass sie ihren Mund nur öffnete, um ihr Gehirn besser zu durchlüften), ging ich jetzt aufs Ganze: „Ich wollte ja nur fragen, ob du, während dein Freund versucht, so viele fremde Frauen wie möglich abzuschleppen … Ob du dir vorstellen könntest, mit mir Sex zu haben.“ Jetzt war es heraußen, ich fühlte mich irgendwie erleichtert, schämte mich aber trotz der knappen 1,8 Promille, die ich wieder einmal hatte.

Ihre Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. „Na klar. Können wir gern machen.“ Ihr Blick hatte sich um keinen Deut verändert. Sie sprach von Sex wie ein Schaf, dem frisches Almgras vorgelegt wurde. Määh. Trotzdem spürte ich, wie sich mein Blut in Richtung Becken aufmachte, so schnell – das war wie eine Megaklospülung in meinem Inneren. Flusch! „Gleich hier auf der Toilette oder magst ins Hotel zurück?“ Jetzt stockte mir der Atem. Ich räusperte mich. „Ähem – also … Ich würde da schon das Hotel vorziehen.“ Dabei kratzte ich mich verlegen am Kopf. „Du bist so ein Arsch – ihr Männer seid doch alle gleich.“ Mit einer Geschwindigkeit, die ich ihr gar nicht zugetraut hatte, war sie aufgesprungen und hatte mir ihren Caipirinha über das T-Shirt geleert. Danach entschwand sie.

Ich war zu verwirrt, um überhaupt irgendetwas zu sagen. War das Schaf jetzt doch nur gespielt gewesen? Langsam stand ich auf und machte mich auf den Heimweg. Das Shirt klebte an mir und das war unangenehm. Das Ganze war mir doch mächtig peinlich, nicht nur das Gespräch mit Lina, auch dass alle nun meinen ganz persönlichen Schwimmreifen bewundern konnten, behagte mir gar nicht. Aber ich war im Urlaub, also zog ich das T-Shirt einfach aus und warf es in den nächsten Mülleimer. So richtig gefallen hatte es mir ohnehin nicht.

Das hatte ich ja wieder einmal richtig gut hinbekommen – da konnte ich mir nur selbst gratulieren. Viel idiotischer geht es gar nicht. Ich trottete zurück zum Hotel, für heute hatte ich genug. Mein Frust hielt sich aber irgendwie in Grenzen, ich hatte auch nichts anderes erwartet. Ich war froh, dass in dem Klub um die Uhrzeit nicht mehr viel los war, denn meinen bauchfreien Caipirinha-Anblick wollte ich vor allem den Kindern ersparen. Vielleicht gab es aber an der Bar noch was? Es war ja erst knapp nach zwei. Nein, da waren schon alle Rollbalken heruntergelassen, nur neben dem Speisesaal brannte noch Licht. Diese Ecke war mir bisher noch nicht aufgefallen, das konnte auch daran liegen, dass ich bislang nur die Bar und den Speisesaal bemerkt hatte. Es war weit und breit niemand zu sehen, nur ein PC lief und eine Lampe brannte. INTERNET stand groß auf einem Plakat.

Das war doch eine Idee, das könnte ich doch noch machen. Ich könnte mich doch wieder einmal in den unendlichen Weiten des weltweiten Netzes verlieren. Nebenbei könnte ich auch nachsehen, ob Linda mir geschrieben hatte.

Neben dem PC stand ganz perfide ein Getränkeautomat und ich kratzte ein paar Münzen zusammen, um mir zwei Bier aus dem Gerät zu drücken. Warum hatte ich jetzt gleich zwei genommen? War ein Bier denn nicht auch genug? Warum musste ich denn jetzt überhaupt noch etwas Alkoholisches trinken?

Ähnliche Fragen hatten mich in letzter Zeit öfter durchzuckt, ich stand vor diesem Apparat und in mir kamen merkwürdige Erinnerungen hoch. Alle hatten mit dem Dämon Alkohol zu tun. Die EAV wusste, was Sache war. Die Macht dieses Dämons ist wahrlich groß, ich konnte auch darüber sprechen. Denn die Abende, an denen ich leicht bis mäßig illuminiert ins Bett stieg, konnte ich gar nicht mehr zählen; diejenigen, an denen ich auf dem Bett lag und zumindest ein Bein auf den Boden drücken musste, um den Drehwurm oder die Hubschrauberfahrt in meinem Kopf zu besiegen, gingen sicher auch in die Hunderte. Das waren aber wahrlich nicht die Highlights.

Zwei für mich beispielhafte Nächte fielen mir blitzartig ein und ich sah sie plastisch vor mir – zumindest das, woran ich mich noch erinnern konnte. Einmal war ich stockbetrunken nach Hause gewankt, hatte dabei eine Abkürzung durch einen Park genommen und war – die Hände tief in die Manteltaschen gesteckt – mit dem Gesicht auf den Schotterweg geklatscht. So richtig bemerkt habe ich das erst am nächsten Morgen, komischerweise haben mir alle die Geschichte vom Sturz mit den Inlineskates abgenommen. Es war doch recht einfach, wenn man als Tollpatsch durchs Leben stolperte. Nur meine Mutter war sofort dahintergekommen und hatte mir die Leviten gelesen, während mein Vater anscheinend aus Erfahrung berichten konnte, dass man bei einem solchen Nachhausemarsch niemals die Hände zu tief in die Taschen stecken dürfe.

Auch das zweite Erlebnis hatte mit meiner Mutter zu tun. Zumindest am Rande. Sie hatte mich nämlich mal um sechs Uhr früh im Blumenbeet vor der Haustür gefunden. Ich war in meinem Heimatdorf auf ein Fest gegangen, in meinem Zustand wohl gegen den Aufbau des Vordaches gekracht und hatte dann wohlig zwischen den Tulpen geschlummert. Während meine Mutter Tage brauchte, um sich vom Schock zu erholen, grinste mein Vater verstohlen – aber nur, wenn Mama nicht dabei war.

So konnte es doch nicht weitergehen, da musste sich doch was ändern, das war mir klar. Ich hatte mich ja ohnehin schon gebessert, Wodka trank ich nur mehr selten und meistens konnte ich mich sogar daran erinnern, was ich beim Fortgehen so alles von mir gegeben hatte. Ich war also auf dem richtigen Weg. Da war ich mir sicher. Ich nahm selbstzufrieden einen großen Schluck aus der einen Flasche (verdammt, schmeckte das heute wieder gut!), stellte die zweite neben den PC und startete den Browser.

Dreiundvierzig ungelesene E-Mails in nur zwei Tagen – wer vermisste mich denn da so sehr? Neununddreißig davon waren Werbemails, Spams und anderes Gerümpel, das ich sofort löschte. Die restlichen vier waren von Linda, Herbert, Moni und Sabrina. Sabrina? Welches sollte ich zuerst öffnen? Ich versuchte eine Reihung zu erstellen. Was war denn am unwichtigsten?

Herberts Mail – das würde ich zuerst lesen. Er hatte es auf meine Privatadresse geschickt, weil ihm wohl klar war, dass ich meine Firmen-Mailadresse nie wieder ansehen würde.

Lieber Klaus!

Ich habe Dein Kündigungsmail erhalten und sofort gelöscht. Denn diese Spielchen dürfen kein Grund dafür sein, dass Du meine Agentur verlässt. Findest Du mal einen Boss, der Dir das Dreifache bezahlt, dann lass ich Dich gehen, aber nicht wegen so etwas.

Didi, den Drahtzieher, habe ich wieder zum Plakatkleber zurückgestuft. Im Grunde war er nie etwas anderes. Er wird in den nächsten Monaten im Lande unterwegs sein und alle unsere Aufträge per Hand an die Wände pinseln. Das hat er verdient. Sabrina ist jetzt selbst im Urlaub, die wird auch noch ihr Fett abbekommen. Die Fotos habe ich Didi abgenommen, er hat sie ja mit einer Kamera der Firma geschossen.

Du brauchst Dir auch keine Sorgen darüber zu machen, dass viele oder gar alle diese Aktion mitbekommen haben. Ich weiß, dass sie den meisten nicht einmal aufgefallen ist.

Ich brauche Dich, meine Firma braucht Dich! Denke an die Kinder unserer Mitarbeiter, die durch Dein Ausscheiden vielleicht Hunger leiden müssen. Denn Du bist der beste Texter, den man finden kann. Also – ich zähle auf Dich.

LG Herbert

PS: Wenn Du in den nächsten Wochen lieber von zu Hause aus arbeiten möchtest, um ein wenig Gras über die Sache wachsen zu lassen, dann kannst Du das gerne tun. Eine Kündigung werde ich nicht akzeptieren! Die Käse-Trottel brauchen Deine Kreativität, und wir alle diesen Auftrag!

PPS: Schöne Grüße übrigens auch von meiner Frau. Die dauerschwätzende Ingrid, die ganz zufällig Deine Fotos entdeckt hat, meinte, dass Du eigentlich als Unterhosenmodell arbeiten solltest. (Fendrichs „Macho, Macho“ lässt grüßen!) Du weißt ja, dass sie in puncto Farben immer etwas auszusetzen hat. Sie mokierte, dass Du statt der schwarzen doch besser weiße Pants hättest anziehen sollen, das hätte, ich zitiere, „das Segel noch viel besser hervorgehoben“. Wir beide wünschen Dir noch einen schönen Urlaub. Vergiss alles, was davor geschehen ist, und komm erholt und frisch wieder.

Verdammt. Das war nicht gut. Nicht nur, dass der Typ anscheinend genau wusste, wie man mit mir reden muss; damit ich nicht kündige, hat seine Frau auch noch die Fotos von mir gesehen. Das war peinlich, einfach nur peinlich.

Es war ja irgendwie nett, dass Didi nun wieder mit Plakaten arbeiten darf, das war doch immer sein Traumjob gewesen. Und ich – der beste Texter, Mensch, der Typ konnte schleimen. Eine Entscheidung zu diesem Thema verschob ich auf die nächsten Wochen, im Urlaub hatte ich genügend Zeit, um über meine weitere Vorgehensweise nachzudenken.

Welches E-Mail sollte ich denn als Nächstes öffnen? Mir blieben Moni, Linda und Sabrina. Warum mir Sabrina wohl geschrieben hatte? Es juckte schon sehr in meinen Fingern, gleich genauer nachzulesen, aber ich hatte mich für Moni entschieden.

Lieber Klaus!

Schade, dass Du am Freitag so schnell verschwunden bist. Ich hätte mich wirklich gern mit Dir unterhalten und betrunken. Habe aber soeben erfahren, was Dir auf der Eröffnung widerfahren ist, und verstehe, dass Du schnellstens das Weite gesucht hast. Didi wirst du wohl die Eier abschneiden – das habe ich übrigens auch mit Ralph, dem Arsch, vor. Vielleicht könnten wir uns ja zusammentun und diesen Schnitt gemeinsam setzen. Gestern hat mich der Idiot übrigens angerufen und gefragt, ob ich die gemeinsam von uns angeschafften, sauteuren und äußerst raren Bob-Marley-Live-CDs noch brauchen würde, er hätte sie gern und würde sie auch bezahlen. Nach einem Augenblick des Überlegens und Zögerns sagte ich zu, ich würde sie ihm an seine neue Adresse schicken. Er klang richtig erleichtert. Weißt Du, was ich dann gemacht habe? Ich habe alle seine CDs (es sind sicher an die zweihundert) auf dem Boden verstreut und wollte zuerst meine Stilettos anziehen, aber bei der Suche danach habe ich seine Steigeisen oder Schneeschuhe oder was auch immer das ist, gefunden, über meine Turnschuhe gestülpt und bin dann auf den CDs herumgetrampelt. Für jeden Sonntagnachmittag einen Tritt, für jede Tantra-Qual (es war eine Qual, weil der Sex mit Ralph nicht nur überhaupt nicht gut, sondern auch überhaupt nicht Tantra war) eine geborstene Scheibe, für jede Lüge ein splitterndes mindestens 15 €-Geräusch. Es hat richtig gutgetan. Du glaubst ja gar nicht, wie schwer sich manche CDs zerstören lassen, die wollen überhaupt nicht kaputtgehen, da kannst du mit voller 55 kg-Wucht draufspringen, da verstauchst du dir vorher den Knöchel. Ich habe dann alle Teile, die ich von Bob Marley finden konnte, sorgsam in ein Kuvert gesteckt und an ihn geschickt. (Diese CDs habe ich mir schon vor Tagen auf den PC überspielt, das wollte er nie, für ihn war es Blasphemie, wenn man CDs auf einen Computer spielt. Das könne man einem kreativen Produkt doch nicht antun, das wäre das Schlimmste überhaupt, bla, bla, bla.)

Oh Gott, ich langweile Dich sicher mit diesen Geschichten, es tut mir leid, Du hast ja selbst genug um die Ohren.

Genieße Deinen Urlaub, mach Dir nicht allzu viele Gedanken über den Freitag, vergiss ihn einfach.

LG, bis bald

Moni

PS: Ganz zufällig habe ich Fotos von Dir zu Gesicht bekommen. Ich will ja nicht meckern, aber weiße Pants wären besser gewesen … J

Während ich beim Lesen des Textes noch schmunzelte, schlief mir zum Schluss das Gesicht ein – wer hatte meine Fotos denn außer Herbert und seiner Frau noch zu Gesicht bekommen? Konnte ich zu Hause überhaupt noch auftauchen? Musste ich umziehen?

Schlimme Visionen von meinen Eltern, die in der Zeitung zu lesen und zu sehen bekamen, dass ihr Sohn wie ein am Bahnhof vergessenes Fahrrad mit aufgeklapptem Ständer vergebens auf die Abholung wartete, peinigten mich. Sollte ich es mit STS halten und irgendwann dort-, also hierbleiben? Und war dieses Irgendwann jetzt? Auch diese Entscheidung verlegte ich auf die kommenden Urlaubstage – mir würde schon eine Lösung einfallen – ich war ja beispielsweise auch noch niemals in New York gewesen, dahin könnte ich notfalls auch flüchten.

Sabrina oder Linda – was würde ich zuerst lesen? Linda musste noch ein wenig warten, sie war mir aber auch am wichtigsten.

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