Kitabı oku: «Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht», sayfa 14

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1. Finanzielle Belastungen

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Bei den finanziellen Belastungen des internationalen Warenverkehrs sind rechtlich relevante Unterscheidungen zu treffen:


Werden Abgaben aus Anlass der Ein- oder Ausfuhr von Waren erhoben, dann handelt es sich um Zölle bzw. zollgleiche Abgaben (Grenzabgaben).
Werden Abgaben auf Waren im Rahmen eines allgemeinen Abgabensystems erhoben, das Waren im Prinzip unabhängig von ihrer ausländischen oder inländischen Herkunft erfasst, dann handelt es sich der Sache nach um Steuern (interne Abgaben).
Werden Abgaben als Gegenleistung für bestimmte Leistungen der staatlichen Verwaltung erhoben, dann handelt es sich um Entgelte (Gebühren).

Unter dem Aspekt der Abschaffung von Handelsbeschränkungen zum Zweck der Errichtung des Binnenmarkts haben diese verschiedenen Arten von Abgaben durchaus ganz unterschiedliche Bedeutung. Sie werden demgemäß vom Unionsrecht auch unterschiedlich geregelt.

a. Zölle und zollgleiche Abgaben

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Kernbestandteil des Binnenmarkts ist gem. Art. 28 Abs. 1 AEUV eine Zollunion: Es ist den Mitgliedstaaten untersagt, im Verhältnis zueinander auf Waren Ein- oder Ausfuhrzölle zu erheben (Art. 30 AEUV). Zölle können daher nur noch den Warenverkehr mit Drittstaaten belasten; insoweit werden sie aber in allen Mitgliedstaaten einheitlich auf der Grundlage eines Gemeinsamen Zolltarifs erhoben (Art. 28 Abs. 1 AEUV). Daher kommt es – anders als typischerweise in einer bloßen Freihandelszone, die nicht über einen gemeinsamen Zolltarif gegenüber Drittstaaten verfügt – für die Befreiung von Binnenzöllen nicht darauf an, ob die Waren ihren Ursprung in einem Mitgliedstaat haben oder aus einem Drittstaat stammen (Art. 28 Abs. 2 AEUV). Sind die letzteren einmal ordnungsgemäß (insbesondere unter Beachtung der zollrechtlichen Einfuhrformalitäten) in einen der Mitgliedstaaten eingeführt, so können sie auch bei der anschließenden Einfuhr in einen anderen Mitgliedstaat nicht mit Zöllen belegt werden (Art. 29 AEUV). Ein deutscher Importeur, der aus Frankreich japanische Videorecorder bezieht, braucht darauf keinen Zoll zu zahlen. Zölle sind als solche unschwer daran zu erkennen, dass sie anlässlich des Grenzübertritts einer Ware entsprechend einem in einem Zolltarif verankerten Satz erhoben und als solche bezeichnet werden, ohne dass eine entsprechende Abgabe für gleichwertige inländische Abgaben erhoben wird.[7]

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Nun können Staaten allerdings außerordentlich erfinderisch sein, wenn es darum geht, trotz Zollverbots den grenzüberschreitenden Warenverkehr durch finanzielle Belastungen zu lenken, insbesondere die inländische Wirtschaft durch die Belastung von Importwaren mit finanziellen Abgaben vor Konkurrenzdruck zu schützen. Deshalb enthält der AEUV gewissermaßen ein Umgehungsverbot, indem er nicht nur Zölle untersagt, sondern auch alle Abgaben „zollgleicher Wirkung“. Es gibt aber andererseits auch durchaus legitime staatliche Gebühren, die als Entgelte für individualisierbare Leistungen (und nicht für Tätigkeiten im Allgemeininteresse) auf Importe oder Exporte erhoben werden, ohne dass sie die Behinderung des Warenverkehrs zum Ziel haben oder bewirken (siehe dazu unten Rn. 130).[8] Hier besteht also ein Abgrenzungsproblem, das der EuGH in einer langen Reihe von Urteilen zu lösen versucht hat. Für die Gleichstellung einer Abgabe mit einem Zoll lässt es der Gerichtshof genügen, dass eine Ware spezifisch aus Anlass des Grenzübertritts finanziell belastet wird.[9] Die Höhe der Abgabe ist ebenso wenig von Bedeutung wie ihre formelle Bezeichnung oder die Art ihrer Erhebung (sie kann auch zeitlich oder örtlich nach dem Grenzübertritt erhoben werden).[10] Es kommt auch nicht darauf an, ob die Abgabe vom Staat selbst oder von einer sonstigen Einrichtung wie beispielsweise einer öffentlichen Körperschaft mit Billigung des Staates zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben erhoben wird.[11]

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Es ist versucht worden, zollgleiche Abgaben auf Importe im Einzelfall etwa durch das Fehlen einer protektionistischen Wirkung mangels konkurrierender Inlandsprodukte zu rechtfertigen; oder man hat eine solche Abgabe damit zu legitimieren versucht, dass sie gar nicht dem Staat, sondern einer nichtstaatlichen Einrichtung zugutekomme. Einwände solcher Art hat der EuGH zurückgewiesen. Für ihn war stets die Überlegung entscheidend, dass der Binnenmarkt die Abschaffung jeglicher preiserhöhender Grenzabgaben voraussetzt, die den Wettbewerb verfälschen würden.[12] Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass der AEUV – anders als bei mengenmäßigen Beschränkungen bzw. Maßnahmen gleicher Wirkung – keine Ausnahmeregelungen enthält, die es den Mitgliedstaaten gestatten würden, sich zur Abwehr von Gefährdungen bestimmter Güter des Allgemeinwohls der Erhebung von Zöllen oder zollgleichen Abgaben zu bedienen.[13] Verbotene Abgaben lassen sich insbesondere nicht dadurch rechtfertigen, dass sie der Deckung der Kosten von Maßnahmen dienen, die ihrerseits als Maßnahmen gleicher Wirkung gem. Art. 34 AEUV verboten, aber gem. Art. 36 AEUV gerechtfertigt sind.[14] Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass es keine denkbare Situation gibt, in der die Gefährdung zwingender Allgemeininteressen durch die Erhöhung von Warenpreisen wirksam bekämpft werden könnte.

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Insgesamt ist somit die Belastung ausländischer Waren mit Grenzabgaben unzulässig. Innerhalb des Binnenmarkts geht es aber nicht nur um die Beseitigung der in solchen Abgaben liegenden Diskriminierung nach der Herkunft der Waren. Das Verbot von Zöllen und zollgleichen Abgaben soll überhaupt die abgabenrechtlichen Schranken des zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehrs beseitigen, einschließlich der Hindernisse, die das abgabenrechtliche Abfertigungsverfahren mit sich bringt. Da Art. 26 Abs. 2 AEUV den Binnenmarkt als einen „Raum ohne Binnengrenzen“ definiert, verlangt er die Abschaffung jeglicher abgabenrechtlicher Grenzkontrollen zwischen den Mitgliedstaaten.[15]

b. Interne Abgaben

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Während die Mitgliedstaaten ihre Zollhoheit durch den AEUV aufgegeben haben, ist ihre Steuerhoheit im Grundsatz bestehen geblieben. Daher ist die Erhebung interner Abgaben im Rahmen eines allgemeinen Abgabensystems nicht verboten.[16] Allerdings können auch solche Abgaben mit dem Ziel der Warenverkehrsfreiheit in Konflikt geraten, wenn sie Import- oder Exportwaren stärker belasten als Waren, die im Inland hergestellt und vertrieben werden. Für die Lösung dieses Konflikts stellt der AEUV der Sache nach wieder auf das Kriterium der Wettbewerbsverfälschung ab: Nach Art. 110 Abs. 1 AEUV unterliegen interne Abgaben auf ausländische Waren einem Diskriminierungsverbot (dh die Mitgliedstaaten dürfen ausländische Waren keinen höheren Belastungen unterwerfen als gleichartige inländische Waren); sie sollen also auf dem Inlandsmarkt zu gleichen Wettbewerbsbedingungen wie inländische Waren angeboten werden können. In der Logik des Kriteriums der Wettbewerbsverfälschung liegt es, dass – obwohl dies im Wortlaut der Vorschrift nicht anklingt – auch inländische Waren, die für den Export bestimmt sind, keinen höheren internen Abgaben unterworfen werden dürfen als entsprechende Waren, die zum inländischen Vertrieb bestimmt sind.[17] Typischerweise erfasst Art. 110 Abs. 1 AEUV aber nicht eine etwaige steuerliche Schlechterstellung inländischer Waren, die im Inland verbleiben.[18] Eine solche – auch in anderen Zusammenhängen denkbare – „umgekehrte“ Diskriminierung erfasst das Unionsrecht nicht; vielmehr ist es jedem Mitgliedstaat selbst überlassen, insoweit für Abhilfe zu sorgen. Daran zeigt sich, dass das Prinzip der Abschaffung von Marktzutrittsbeschränkungen und Wettbewerbsverfälschungen, das in den Freiverkehrsregeln zum Ausdruck kommt, am zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr ausgerichtet ist.

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Rechtliche Abgrenzungsprobleme stellen sich im Hinblick auf Art. 110 Abs. 1 AEUV vor allem unter zwei Gesichtspunkten: Zunächst einmal muss in jedem Einzelfall bestimmt werden, ob Abgaben im Sinne der Vorschrift als „inländische“ (dh als interne) Abgaben anzusehen sind und daher nur in nichtdiskriminierender Weise erhoben werden dürfen, oder ob es sich um zollgleiche Abgaben handelt, die überhaupt nicht erhoben werden dürfen.[19] Der EuGH hat hierfür nicht einfach auf den Ort der Erhebung der Abgabe (an der Grenze oder im Inland) abstellen können, weil eine Abgabe, auch wenn sie im Inland erhoben wird, eine Ware dennoch „aus Anlass ihres Grenzübertritts“ treffen kann, so dass sie wie ein Zoll wirkt. Entscheidendes Kriterium ist für den Gerichtshof vielmehr, ob die Abgabe Waren unabhängig von ihrer inländischen oder ausländischen Herkunft nach gleichen sachlichen Maßstäben im Rahmen eines allgemeinen Abgabensystems erfasst (dann hat sie den Charakter einer internen Steuer), oder ob sie eingeführte – bzw. zur Ausfuhr bestimmte – Waren spezifisch (und zwar stärker) belastet (dann besitzt sie zollgleiche Wirkung).[20] Hieran zeigt sich, dass die Mitgliedstaaten grundsätzlich frei sind, ihr Steuersystem so zu gestalten und Warengruppen steuerlich so zu differenzieren, wie sie es für richtig halten; aber die Besteuerungskriterien müssen in nichtdiskriminierender Weise angewendet werden.[21] Ob eine solche Diskriminierung vorliegt, bestimmt sich jedoch nicht allein aufgrund eines Vergleichs der Höhe der Abgaben. Vielmehr kann sich auch aus der Verwendung des Finanzaufkommens eine Diskriminierung ergeben. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Abgaben, obwohl sie zunächst in nichtdiskriminierender Weise erhoben wurden, vollständig für Zwecke verwendet werden, die ausschließlich den inländischen Waren zugutekommen, so dass die Belastung dieser Waren im Ergebnis wieder aufgehoben wird.[22]

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Des Weiteren muss im Rahmen des Art. 110 Abs. 1 AEUV die Gleichartigkeit der ausländischen und inländischen Waren, deren steuerliche Belastung zu vergleichen ist, bestimmt werden. Insoweit stellt der Gerichtshof darauf ab, ob die Waren aus der Sicht der Abnehmer gleiche Eigenschaften besitzen und denselben Bedürfnissen dienen.[23] Was aber, wenn die Waren nicht in diesem Sinne gleichartig sind? Dürfen die Import- und Exportwaren dann beliebig hohen Steuern unterworfen werden? Um diese Frage zu beantworten, muss man sich klar machen, dass Wettbewerbsbeziehungen nicht nur zwischen gleichartigen Waren (beispielsweise zwischen ausländischem und inländischem Bier) bestehen. Auch Waren, die nicht übereinstimmende Eigenschaften besitzen und daher nicht gleichartig sind, können im sogenannten Substitutionswettbewerb miteinander stehen, wenn sie jedenfalls denselben Bedürfnissen dienen (wie beispielsweise Bier und preisgünstiger Tafelwein). Wird also in einem Land, das selbst keinen Wein produziert, der importierte Wein wesentlich höher besteuert als Bier, dann wird auch in diesem Fall der Wettbewerb im zwischenstaatlichen Handel verfälscht.[24] Die höhere Belastung des Weins führt nämlich dazu, dass die Verbrauchergewohnheiten zugunsten des Konsums von Bier und zu Lasten des Konsums ausländischen Weins zementiert werden. Dieser Problematik trägt der AEUV dadurch Rechnung, dass er sich nicht auf das Verbot formeller steuerlicher Diskriminierungen von Import- bzw. Exportwaren in Art. 110 Abs. 1 AEUV beschränkt, sondern in Art. 110 Abs. 2 AEUV vorsieht, dass interne Abgaben auch nicht in anderer Weise zu Wettbewerbsnachteilen für ausländische Waren und damit zum Schutz inländischer Produkte führen dürfen.[25]

c. Gebühren

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Außerhalb der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen liegen Gebühren, die lediglich ein Entgelt für Leistungen darstellen, die von den Verwaltungsbehörden eines Mitgliedstaats gegenüber dem Importeur bzw. Exporteur erbracht werden.[26] Finanzielle Belastungen dieser Art sind nicht geeignet, den Marktzutritt zu beschränken oder den Wettbewerb zu verfälschen, sofern sie lediglich in der zur Kostendeckung erforderlichen Höhe erhoben werden. So einfach dieser Grundsatz klingt, so schwierig kann im Einzelfall die Feststellung sein, ob es sich wirklich um eine Gebühr oder nicht doch um eine zollgleiche Abgabe bzw. eine Steuer handelt. Die Gefahr, dass mit der Erhebung von Gebühren das Zollverbot der Art. 28 und 30 AEUV und das Diskriminierungsverbot des Art. 110 AEUV umgangen werden könnten, liegt auf der Hand. Der EuGH stellt Abgaben von diesen Verboten daher nur unter sehr restriktiven Bedingungen frei. So muss es sich bei der entgoltenen Leistung der Verwaltung um einen bestimmten, messbaren Vorteil handeln, der dem Importeur bzw. Exporteur tatsächlich in seinem individuellen Interesse zufließt.[27] Mit diesen Erwägungen sind insbesondere Abgaben, die für nationale gesundheitspolizeiliche Kontrollen erhoben wurden, nicht als Gebühren, sondern als zollgleiche Abgaben bzw. als Steuern qualifiziert worden, weil sie im Interesse der Allgemeinheit liegen und daher auch von der Allgemeinheit finanziert werden müssen.[28] Anders liegt es allerdings bei Gebühren für Kontrollen, die von der Union im unionalen Allgemeininteresse (z.B. Gesundheitsschutz) vorgesehen sind. Sie sollen den zwischenstaatlichen Warenverkehr gerade erleichtern, indem sie die beschränkende Wirkung entsprechender rein nationaler Kontrollmaßnahmen, die gem. Art. 36 AEUV gerechtfertigt wären, aufheben sollen.[29]

2. Mengenmäßige Beschränkungen

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Das klassische Instrument, mit dem Im- oder Exporte mengenmäßig begrenzt werden, ist die Festlegung von Kontingenten (Quoten). Von größerer Bedeutung sind aber heute andere staatliche Maßnahmen, die gar nicht unmittelbar etwas über Im- und Exportmengen aussagen, die aber in ganz ähnlicher Weise wie Kontingentierungen den zwischenstaatlichen Handel beschränken.

a. Kontingente

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Im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten sind Kontingentierungen unzulässig. Sie würden den Marktzutritt für Waren nur in einer ganz bestimmten Menge bzw. bis zu einer bestimmten Wertgrenze (die im Extremfall gleich Null sein kann) ermöglichen, darüber hinaus jedoch untersagen. Solche teilweisen oder gar vollständigen Ein- und Ausfuhrverbote wären mit dem Binnenmarkt offensichtlich unvereinbar. Art. 34 und 35 AEUV verbieten deshalb ausdrücklich jegliche mengenmäßige Beschränkung der Ein- und Ausfuhr.

b. Maßnahmen gleicher Wirkung

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Die Wirkung von Ein- oder Ausfuhrverboten haben nun allerdings nicht nur staatliche Regelungen, die sich ausdrücklich gerade auf den zwischenstaatlichen Handel beziehen. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlichster Rechtsvorschriften und Verwaltungspraktiken, die – obwohl sie primär anderen Zwecken dienen – Im- und Exporte unmöglich machen oder zumindest erschweren und daher die gleiche Wirkung haben wie mengenmäßige Beschränkungen (Maßnahmen gleicher Wirkung).[30]

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Dazu rechnen zunächst einmal Vorschriften, die sich auf die Abwicklung des Ein- und Ausfuhrverfahrens als solchen beziehen und die den Im- oder Export an Bedingungen knüpfen, die den Grenzübertritt der Waren behindern (insbesondere Grenzabfertigungsmodalitäten).[31] Wenn beispielsweise die Einfuhr deutscher Automobile nach Italien nur über eine Grenzabfertigungsstelle auf Sizilien möglich wäre, oder wenn bei der Einfuhr holländischen Käses in die Bundesrepublik Deutschland für jede Einheit gesondert eine Vielzahl von Formularen ausgefüllt werden müssten, dann ist zwar die Einfuhr nicht rechtlich verboten, aber faktisch so stark behindert, dass sie womöglich unterbleibt. Um derartige Störungen des zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehrs schon im Ansatz auszuschließen, verlangt das Binnenmarktkonzept wie es in Art. 26 Abs. 2 AEUV definiert ist, die Herstellung eines „Raums ohne Binnengrenzen“, dh die Abschaffung überhaupt jeglicher Grenzkontrollen zwischen den Mitgliedstaaten.[32]

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Handelsbeschränkende Wirkungen können aber auch Vorschriften haben, welche die Herstellung, die Zusammensetzung oder die Vermarktung von Produkten regeln. Wenn beispielsweise ein Mitgliedstaat vorschreibt, dass als „Bier“ nur Getränke vertrieben werden dürfen, die ausschließlich aus ganz bestimmten Grundstoffen hergestellt worden sind (so das deutsche „Reinheitsgebot“), dann bedeutet dies, dass Biere aus anderen Mitgliedstaaten, in denen keine solchen Anforderungen gestellt werden, praktisch von der Einfuhr in diesen Mitgliedstaat ausgeschlossen sind. Auf diese Weise würde der Biermarkt gespalten. Das liefe der Errichtung des Binnenmarkts zuwider, der voraussetzt, dass Waren, die in einem Mitgliedstaat legal im Verkehr sind, auch in den anderen Mitgliedstaaten vertrieben werden können.[33]

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Der AEUV trägt der Möglichkeit, dass nationale Regelungen oder Verwaltungspraktiken den zwischenstaatlichen Warenverkehr behindern, dadurch Rechnung, dass Art. 34 und 35 AEUV „Maßnahmen gleicher Wirkung“ wie mengenmäßige Beschränkungen der Ein- oder Ausfuhr verbietet. Allerdings verbietet der Vertrag solche Maßnahmen nur „zwischen“, nicht „in“ den Mitgliedstaaten. Das ist von entscheidender Bedeutung: Untersagt wird den Mitgliedstaaten demnach nicht, überhaupt Regelungen der genannten Art zu treffen; die Mitgliedstaaten haben also insoweit nicht etwa ihre nationale Regelungshoheit aufgegeben. Aber: kein Mitgliedstaat darf die Regelungen so anwenden, dass ihre handelsbeschränkenden Wirkungen zum Tragen kommen. Beispielsweise kann also die Bundesrepublik Deutschland daran festhalten, dass Bier im Inland nach dem sogenannten Reinheitsgebot nur aus bestimmten Grundstoffen hergestellt wird; aber diese Regelung darf nicht dazu benutzt werden, ausländische Biere vom Inlandsmarkt fernzuhalten. In solchen Fällen kann es also wieder zu einer „umgekehrten“ Diskriminierung dergestalt kommen, dass die inländischen Produzenten strengeren Auflagen unterliegen als die mit ihnen konkurrierenden ausländischen Wettbewerber. Es liegt nach Auffassung des EuGH aber nicht mehr im Bereich der Freiverkehrsregeln, auch solche Diskriminierungen zu verhindern. Diese Regeln verbieten also genau genommen nicht die Maßnahmen, sondern nur die handelsbeschränkenden Wirkungen (was sich allerdings oft nicht trennen lässt, so dass in vielen Fällen letztlich doch die Maßnahme selbst unterbleiben muss, wenn die Wirkung beseitigt werden soll).

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Das zentrale rechtliche Problem des Verbots von Maßnahmen gleicher Wirkung besteht nun in der Formulierung eines allgemeinen Kriteriums, anhand dessen bestimmt werden kann, ob eine nationale Regelung als Maßnahme gleicher Wirkung anzusehen ist oder nicht. Es wäre vergleichsweise einfach, wenn sich sagen ließe, dass Art. 34 und 35 AEUV alle Regelungen und Praktiken erfasst, die Import- bzw. Exportwaren schlechter behandelten als für den Inlandsmarkt bestimmte Waren. Das bloße Abstellen auf eine Diskriminierung würde aber zu kurz greifen. Denn – wie sich am Beispiel des Reinheitsgebots für Bier zeigt – ist es denkbar, dass auch nichtdiskriminierende Regelungen, die auf ausländische und inländische Waren unterschiedslos Anwendung finden, den zwischenstaatlichen Verkehr behindern. Letztlich bleibt daher nichts anderes übrig, als stets auf die handelsbeschränkende Wirkung einer Maßnahme abzustellen. Genau dies hat der EuGH in seinem grundlegenden Urteil Dassonville getan. Der Gerichtshof betrachtet danach als Maßnahme gleicher Wirkung ganz allgemein

„jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern“.[34]

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Erforderlich ist also nicht der Eintritt der Handelsbehinderung, sondern die Eignung der Regelung, eine Behinderung des Warenhandels herbeizuführen. Die handelsbeschränkende Wirkung einer Regelung ist offensichtlich, wenn eine Ware, die in einem Teil des Binnenmarkts rechtmäßig hergestellt und in Verkehr gebracht worden ist, im Geltungsbereich dieser Regelung nicht vertrieben werden könnte. Das gilt für alle Regelungen (Produktstandards), die sich auf das Produkt beziehen, indem sie insbesondere die Produktbeschaffenheit abweichend vom Herkunftsstaat der Ware festlegen.

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Allerdings gibt es auch Regelungen, die sich nicht auf das Produkt (die Produktbeschaffenheit) beziehen und die dennoch den Vertrieb ausländischer Waren im Inland behindern können. Zu denken ist an Herstellungs-, Vermarktungs- oder Verwendungsregelungen wie beispielsweise das Verbot der Verwendung bestimmter Materialien oder bestimmter Verfahren bei der Herstellung, das Verbot bestimmter Werbemaßnahmen oder Verkaufsmodalitäten oder das Verbot der Nutzung der Produkte für bestimmte Verwendungszwecke. Solche Regelungen unterscheiden gewöhnlich nicht zwischen in- und ausländischen Waren, dh sie erschweren in der Regel den Vertrieb aller Waren gleichermaßen. Die Anwendung des Verbots des Art. 34 AEUV auf solche Regelungen ist nur gerechtfertigt, wenn sie dennoch den Marktzutritt behindern. Das ist gewöhnlich nur unter der Voraussetzung denkbar, dass sich bei genauerer Wirkungsanalyse herausstellt, dass sie ausländische Waren letztlich doch stärker behindern als inländische. Im Urteil Keck[35] hat der EuGH daher „produktbezogene“ von „vertriebsbezogenen“ Regelungen unterschieden und die letzteren unter der Voraussetzung für unbedenklich erachtet, dass sie nicht zu Lasten ausländischer Waren diskriminieren, dh

„sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren“.[36]

Dieser Ansatz unterläuft das Marktzutrittskriterium und stellt einen Rückschritt gegenüber dem im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit bereits erreichten Grad der Integration dar. Der EuGH ist denn auch im Hinblick auf vertriebsbezogene Regelungen (Verkaufsmodalitäten) inzwischen wieder zur Prüfung der marktzutrittsbeschränkenden Wirkung zurückgekehrt.[37]

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Im Hinblick auf Ausfuhrbeschränkungen hat der EuGH den Art. 35 AEUV generell als bloßes Diskriminierungsverbot ausgelegt.[38]

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Die Nichtanwendbarkeit handelsbeschränkender Regelungen aufgrund der Warenverkehrsfreiheit hat demgemäß zur Folge, dass Waren, die in einem Mitgliedstaat nach den dort geltenden Vorschriften rechtmäßig hergestellt worden sind, im gesamten Binnenmarkt verkehrsfähig sind. Nach Maßgabe der Art. 34 und 35 AEUV geht das Ziel der Warenverkehrsfreiheit den nationalen Regelungszwecken vor. Allerdings macht der AEUV Ausnahmen, indem er in Art. 36 AEUV bestimmten überragenden Gemeinwohlinteressen doch einen Vorrang vor der Warenverkehrsfreiheit einräumt: Ein Mitgliedstaat braucht in seinem Hoheitsgebiet Waren, die in anderen Mitgliedstaaten verkehrsfähig sind, dann nicht zum inländischen Vertrieb zuzulassen, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, oder zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums erforderlich ist (Verhältnsimäßigkeitsprinzip). Es handelt sich um im AEUV ausdrücklich vorgesehene Rechtfertigungsgründe, mit denen eine Beschränkung des Warenverkehrs legitimiert werden kann.

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Die handelsbeschränkende Wirkung der Ausübung geistiger Eigentumsrechte bzw. gewerblicher Schutzrechte (Patente, Marken, Urheberrechte, Schutzrechte für Muster und Modelle, Urheberrechte etc.) resultiert daraus, dass sie dem Territorialitätsprinzip unterliegen. Diese Rechte bestehen grundsätzlich nur im Rahmen nationaler Rechtsordnungen. Die zu ihrem Schutz vorgesehenen Abwehrrechte haben daher ihre Grundlage im jeweiligen territorialen Geltungsbereich des Schutzrechts. Beispielsweise wird einem Erfinder der Patentschutz grundsätzlich nur im Rahmen und im Geltungsbereich jeder einzelnen nationalen Patentrechtsordnung gewährt. Daher kann der Patentinhaber die Vermarktung von konkurrierenden Importwaren, die sein nationales Patent verletzen, grundsätzlich unterbinden. Die Geltendmachung von Abwehrrechten wirkt sich daher notwendigerweise als Handelsbeschränkung aus. Art. 36 AEUV akzeptiert diese Konsequenz zwar im Interesse der nationalen Schutzrechtsordnungen. Schutzrechtsbedingte Ausnahmen von der Warenverkehrsfreiheit des AEUV sind aber nur insoweit gerechtfertigt

„als die Ausnahmen zur Wahrung der Rechte, die den spezifischen Gegenstand des gewerblichen oder kommerziellen Eigentums ausmachen, dh dem Schutz vor Konkurrenten, notwendig sind“.[39]

Darin kommt das allgemeine Verhältnismäßigkeitsprinzip zum Ausdruck (vgl. dazu Rn. 141). Es ist nicht mehr gewahrt, wenn der Schutzrechtsinhaber selbst, eine von ihm rechtlich oder wirtschaftlich abhängige Person oder ein Dritter mit seiner Zustimmung die Ware bereits in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht hat. Da ein Schutzrecht seinem Inhaber typischerweise das Recht vorbehält, den geschützten Gegenstand erstmals in Verkehr zu bringen, ist das Schutzrecht dann „erschöpft“ (Erschöpfungsgrundsatz). Sonst könnte der Schutzrechtsinhaber den Binnenmarkt für seine Produkte wieder in nationale Märkte aufteilen, was zur Wahrung des spezifischen Gegenstandes eines Schutzrechts nicht notwendig ist.[40]

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