Kitabı oku: «Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht», sayfa 9

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b. Korrektur von Marktergebnissen

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Staatliche Regulierung geht über die Kompensation von Marktversagen hinaus, sofern sie in den Allokationsprozess eingreift, um seine Voraussetzungen oder Ergebnisse zu korrigieren. Das ist der Fall, wenn staatliche Maßnahmen die Marktposition bestimmter Wirtschaftssubjekte zu Lasten anderer Wirtschaftssubjekte verändern. Dies geschieht gewöhnlich im Interesse von Zielen, die dem Markt als Allokationsverfahren von vornherein fremd sind (Beispiel: Umverteilung zu sozialpolitischen Zwecken). Aber es geschieht in der Wirklichkeit auch zur Verfolgung von Zielen, denen an sich gerade der Markt zu dienen bestimmt ist (Beispiel: die Verteilung der wirtschaftlichen Ressourcen auf die verschiedenen Regionen oder industriellen Sektoren der Union). In solchen Fällen wird häufig nicht ein bestimmtes Marktversagen korrigiert, sondern es werden Allokationsentscheidungen dem Markt entzogen.

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Nach der unionsrechtlichen Kompetenzordnung umfasst die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur wirtschaftspolitischen Steuerung grundsätzlich auch marktkorrigierende Maßnahmen. Allerdings muss sich auch die Vereinbarkeit solcher Maßnahmen mit dem Binnenmarkt im Prinzip an den Verkehrsfreiheiten und den Wettbewerbsregeln messen lassen. Marktkorrigierende Maßnahmen dürfen also die Marktöffnung nicht stärker einschränken als es zum Schutz zwingender Allgemeininteressen erforderlich ist, und die Mitgliedstaaten dürfen kein wettbewerbswidriges Verhalten von Unternehmen fördern.[39] Für die Union kann grundsätzlich nichts anderes gelten, soweit sie über entsprechende Steuerungsbefugnisse verfügt, vorbehaltlich etwaiger Freistellungen von den Regeln des Binnenmarkts, die im AEUV enthalten sein mögen.

2. Einzelne Gemeinschaftspolitiken

Literatur:

Schwemer Die Bindung des Gemeinschaftsgesetzgebers an die Grundfreiheiten (1995); Scheffer Die Marktfreiheiten des EG-Vertrages als Ermessensgrenze des Gemeinschaftsgesetzgebers (1997); Hatje Wirtschaftsverfassung im Binnenmarkt, aaO 828 ff.; Bieber/Epiney/Haag/Kotzur Die Europäische Union – Europarecht und Politik (12. Aufl. 2016) §§ 22–32, 507–641.

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Art. 3 Abs. 3 EUV definiert eine Reihe von Unionszielen, die über allgemein wirtschaftspolitische Ziele hinausgehen. Dem entsprechend führt der AEUV zahlreiche spezifische Politikbereiche auf, für die zum Teil auch eigene Zuständigkeiten der Union bestehen. Diese Zuständigkeiten lassen sich danach unterscheiden, ob die Union gem. Art. 4 AEUV selbst befugt ist, eigene Politiken zu formulieren und durchzusetzen (a), oder ob die Union gem. Art. 6 AEUV die entsprechenden mitgliedstaatlichen Politiken nur koordinieren, unterstützen oder ergänzen kann (b). Diese Unterscheidung ist für die Frage der Vereinbarkeit der jeweiligen Politiken mit der Errichtung offener und wettbewerbsorientierter Märkte erheblich.[40]

a. Eigenständige Gemeinschaftspolitiken
(1) Marktordnungspolitik

Literatur:

Priebe/Scheper/v.Urff Agrarpolitik in der EG (1984); Basedow (Hrsg.) Europäische Verkehrspolitik (1987); Schneider Die gemeinsame Fischereipolitik der Europäischen Gemeinschaften (1988); Thiele Das Recht der Gemeinsamen Agrarpolitik der EG (1997); Epiney/Gruber Verkehrsrecht in der EU (2001); Oppermann/Classen/Nettesheim Europarecht (6. Aufl. 2015) § 24: Landwirtschaft und Fischerei, 410/§ 26: Verkehr, 436; Bieber/Epiney/Haag/Kotzur Die Europäische Union (12. Aufl. 2016) § 23: Landwirtschafts- und Fischereipolitik, 543 / § 24: Verkehrspolitik und Transeuropäische Netze, 555.

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Die Union hat von Anfang an über gewisse Kompetenzen für eine marktkorrigierende Politik verfügt, und zwar im Bereich Landwirtschaft (Art. 38–44 AEUV). Der Grund hierfür liegt darin, dass die Mitgliedstaaten insoweit nicht bereit waren, ihre vorhandenen nationalen Regulierungssysteme zugunsten des Grundsatzes offener Märkte mit freiem Wettbewerb aufzugeben, so dass nur die Vergemeinschaftung der bisher nationalen Regulierungspolitiken in Betracht kam. Die Ziele der Landwirtschaftspolitik der Union umfassen gem. Art. 39 Abs. 1 AEUV die Einkommenssicherung der Landwirte, die Stabilisierung der Märkte, die Versorgungssicherheit und die Angemessenheit der Verbraucherpreise. Die Landwirtschaftspolitik dient also primär verteilungspolitischen Zielen und nicht dem Effizienzziel. Die Einkommenssicherung der Landwirte wurde lange Zeit indirekt über die künstliche Stützung der Preise für landwirtschaftliche Produkte betrieben. Als wichtigstes Instrument dafür wurden gem. Art. 40 AEUV auf Unionsebene Marktordnungen für landwirtschaftliche Produkte eingeführt, in denen der Absatz und die Preise festgelegt wurden. Sie haben zwar nicht die Binnenmarktvorschriften außer Kraft gesetzt (Art. 38 Abs. 2 AEUV), aber weitestgehend den Preisbildungsmechanismus und insoweit auch die Wettbewerbsregeln (Art. 42 AEUV). Die Agrarmärkte wurden auf diese Weise vom marktförmigen Allokationsverfahren abgekoppelt. Das hat zu erheblichen Fehlanreizen und zu einer massiven Überproduktion geführt, die nur mit enormem finanziellem Aufwand neutralisiert werden konnte. In den letzten Jahren ist es daher zu einer grundsätzlichen Neuorientierung der gemeinschaftlichen Landwirtschaftspolitik gekommen. Das Einkommen der Landwirte wird jetzt zunehmend durch Direktzahlungen (Prämien) zu sichern versucht, die unabhängig von den produzierten Mengen sind. Die Folge ist eine stärkere Orientierung der landwirtschaftlichen Produktion an den Erfordernissen des Marktes.

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Etwas anders verhält es sich mit der Verkehrspolitik der Union (Art. 90–100 AEUV). Zwar war die Ausgangslage auch im Bereich des Verkehrs durch rigide nationale Regulierungssysteme in den Mitgliedstaaten gekennzeichnet, die insbesondere das Angebot durch Marktzutrittsbeschränkungen und Kontingentierungen sowie die freie Preisbildung für Verkehrsdienstleistungen beschränkt haben. Die daraus resultierende gegenseitige Abschottung der nationalen Verkehrsmärkte ist aber nur in begrenztem Umfang durch die Vergemeinschaftung der Regulierungssysteme überwunden worden. Die Union hat sich im Verkehrsbereich im Wesentlichen auf die Koordinierung (Harmonisierung) der mitgliedstaatlichen Regulierungen beschränkt. Zu einer umfassenden gemeinschaftlichen Marktordnungspolitik ist es nicht gekommen. Stattdessen hat die Union im Verkehrsbereich stärker auf die Öffnung der nationalen Märkte hingewirkt. Die „gemeinsame Verkehrspolitik“ (Art. 90 AEUV) erfüllt daher nur teilweise eine marktkorrigierende Funktion; sie dient zum überwiegenden Teil der Verwirklichung des Grundsatzes offener Märkte mit freiem Wettbewerb.

(2) Strukturpolitik

Literatur:

Leibrock Verfassungs- und europarechtliche Probleme der Regionalförderung (1989); Frees Das neue industriepolitische Konzept der Europäischen Gemeinschaft, EuR 1991, 281; Hellmann Europäische Industriepolitik (1994); Oberender/Daumann Industriepolitik (1995); Sturm (Hrsg.) Europäische Forschungs- und Technologiepolitik und die Anforderungen des Subsidiaritätsprinzips (1996); Simon Industriepolitik (1997); Axt EU-Strukturpolitik. Einführung in die Politik des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts (2000); Eckstein Regionale Strukturpolitik als europäischer Kooperations- und Entscheidungsprozess (2001); Eikenberg Der Europäische Forschungsraum: Ein Kompetenzproblem? EuR 2008, 125; Lorz/Payandeh Die Institutionalisierung des Europäischen Forschungsraums (2012); Godt Forschungs-, Wissenschafts- und Technologiepolitik, in: Dauses (Hrsg.) Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts (Loseblatt), Abschnitt N; Bieber/Epiney/Haag/Kotzur Die Europäische Union (12. Aufl. 2016) § 25: Energiepolitik, 568 / § 26: Industriepolitik, 576 / § 27: Struktur- und Kohäsionspolitik, 581 / § 28: Forschung, Technologie und Raumfahrt, 588.

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Strukturpolitik hat grundsätzlich zum Ziel, die Verteilung der produktiven wirtschaftlichen Ressourcen auf verschiedene Regionen (Regionalpolitik) bzw. auf verschiedene Wirtschaftssektoren (Industriepolitik) zu beeinflussen. Demgemäß sind eine regionale und eine sektorale Strukturpolitik zu unterscheiden. Beide stehen unvermeidlich in einem Spannungsverhältnis zum System unverfälschten Wettbewerbs. Strukturpolitische Steuerung basiert auf der Annahme, dass es nicht den Wettbewerbsmärkten allein überlassen werden kann, über die regionale bzw. sektorale Allokation der Produktivkräfte zu entscheiden. Der ursprüngliche unionsrechtliche Ansatz war davon ausgegangen, dass die Errichtung des Gemeinsamen Marktes auch die „harmonische Entwicklung“ der mitgliedstaatlichen Volkswirtschaften fördern und „den Abstand zwischen einzelnen Gebieten und den Rückstand weniger begünstigter Gebiete verringern“ werde.[41] Ähnliches galt für die sektorale Verteilung des wirtschaftlichen Potentials in der Union. Allerdings bestand darüber von Anfang an kein Konsens unter den Mitgliedstaaten und es nahm das Bestreben auch der Kommission zu, an die Stelle der Marktkräfte politische Entscheidungen zu setzen. So haben im Laufe der Zeit Unionskompetenzen für marktkorrigierende Strukturpolitiken Eingang in die Verträge gefunden.

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Die Regionalpolitik ist inzwischen gem. Art. 3 Abs. 1 lit. c AEUV ein fester Bestandteil der Wirtschaftspolitik der Union. Sie ist an dem in Art. 3 Abs. 3 UAbs. III AEUV erwähnten Ziel der Förderung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts sowie der Konvergenz der Wirtschaftsleistungen in der Union orientiert. Mit der Regionalpolitik sollen nach Maßgabe der Art. 174–178 AEUV unionskonforme mitgliedstaatliche Maßnahmen unterstützt oder ergänzt werden. Somit ist die gemeinschaftliche Regionalpolitik abhängig von mitgliedstaatlichen Förderprogrammen, die aber ihrerseits mit dem Binnenmarkt kompatibel sein müssen. Ihre Instrumente bestehen in der Förderung regionaler Infrastrukturvorhaben, privater Investitionen sowie einer Vielzahl anderer regionaler Aktivitäten. Die gemeinschaftliche Regionalpolitik wird finanziert durch eine Reihe von Fonds (Regionalfonds, Strukturfonds, Kohäsionsfonds).[42] Wettbewerbsverzerrungen aufgrund regionalpolitischer Maßnahmen lassen sich dann minimieren, wenn sie sich darauf beschränken, die allgemeinen Produktionsbedingungen in den Fördergebieten (beispielsweise durch Infrastrukturförderung) zu verbessern. Soweit regionalpolitische Maßnahmen einzelne Unternehmen oder Industrien fördern, sind Wettbewerbsverzerrungen unvermeidlich. Sie unterliegen daher der Beihilfenkontrolle gem. Art. 107 AEUV (siehe dazu Rn. 450, 1528 ff.).

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Ziel der Industriepolitik der Union ist gemäß Art. 173 AEUV die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie der Union. Dem sollen die dort genannten Aktivitäten der Union dienen, die insbesondere auf die Erleichterung der Anpassung der Unternehmen an strukturelle Veränderungen, die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen sowie die Förderung von Unternehmenskooperationen abzielen.[43] Darüber hinaus sollen gem. Art. 4 Abs. 3 AEUV durch eine gemeinschaftliche Forschungs- und Technologiepolitik Innovation, Forschung und technologische Entwicklung gefördert werden. Dafür sehen Art. 179–190 AEUV diverse Maßnahmen, insbesondere die Aufstellung eines mehrjährigen Rahmenprogramms, vor (Art. 182 AEUV). Industrie-, Innovations- und Technologiepolitik laufen naturgemäß Gefahr, in Widerspruch zur Ordnungspolitik der Gemeinschaft zu geraten.[44] Das gilt vor allem dann, wenn sie sich nicht auf „horizontale“ Maßnahmen beschränken, die allen Unternehmen zugutekommen (wie etwa Infrastrukturvorhaben), sondern mit spezifischen Fördermaßnahmen (insbesondere Subventionen) einzelne Unternehmen oder Industriezweige privilegieren. Die letzteren lösen allerdings die Beihilfenkontrolle gem. Art. 107 AEUV aus (dazu näher Rn. 450, 1528 ff.). In ein Spannungsverhältnis zur gemeinschaftlichen Ordnungspolitik können industrie-, innovations- oder technologiepolitische Maßnahmen insbesondere dann geraten, wenn mit ihnen versucht wird, konkrete wirtschaftliche Ergebnisse zu erreichen, die grundsätzlich dem wettbewerblichen Entdeckungsprozess überlassen werden sollen. Allerdings wird es von Vertretern einer „strategischen Handelspolitik“ für ökonomisch gerechtfertigt gehalten, bestimmte industrielle Projekte zu fördern wenn anderenfalls die Union von ausländischen Monopolisten abhängig würde, deren Renten nicht in der Union, sondern im Ausland anfielen (Beispiel: Flugzeugindustrie). Die Verallgemeinerung dieses Ansatzes würde jedoch nur zu einem globalen Subventionswettlauf führen.

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Die industriepolitische Kompetenz der Union ist zwar begrenzt auf die Koordinierung der mitgliedstaatlichen Aktivitäten (Art. 173 Abs. 2 AEUV); aber die Union soll auch selbst zur Erreichung des industriepolitischen Vertragsziels beitragen (Art. 173 Abs. 3 AEUV), dies allerdings „entsprechend einem System offener und wettbewerbsorientierter Märkte“ (Art. 173 Abs. 1 UAbs. II AEUV). Die Marktkonformität der gemeinschaftlichen Industriepolitik soll im Übrigen auch durch die in Art. 173 Abs. 3 AEUV aufgenommene Bestimmung gewährleistet werden, der zufolge die industriepolitische Tätigkeit der Union nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen darf. Die Union darf somit nicht der naheliegenden Gefahr unterliegen, mit ihren Fördermaßnahmen bestehende wirtschaftliche Strukturen zu zementieren, indem sie den Zwängen des Wettbewerbs entzogen werden. Vielmehr soll die Union den Strukturwandel fördern. Vergleichbares gilt auch für die Forschungs- und Technologiepolitik. Sie hat gem. Art. 179 AEUV das Ziel, „die wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen der Industrie der Gemeinschaft zu stärken“. Soweit damit die Förderung von Grundlagenforschung ins Auge gefasst ist, bei der es um die Produktion öffentlicher Güter in Gestalt von allgemein zugänglichem Wissen geht, handelt es sich um den Ausgleich von Marktversagen. Je mehr die Förderung jedoch die Anwendung von Forschungsergebnissen oder gar die Produktion von Gütern oder Leistungen betrifft, gefährdet sie das System unverfälschten Wettbewerbs (siehe zur Berücksichtigung innovations- und technologiepolitischer Gesichtspunkte bei der Freistellung von F&E-Kooperationen vom Kartellverbot gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV Rn. 966 ff.).

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Auch die Kompetenz der Union zur Förderung des Auf- und Ausbaus transeuropäischer Netze (Art. 4 Abs. 2 lit. h AEUV) hat strukturpolitische Bedeutung. Gem. Art. 170–172 AEUV geht es um Vorhaben in den Bereichen Verkehrs-, Telekommunikations- und Energieinfrastruktur. Zielsetzung ist die Förderung des Verbunds und der Interoperabilität der einzelstaatlichen Netze sowie des Zugangs zu diesen Netzen. Die Instrumente der Union bestehen insbesondere aus Leitlinien, in denen Vorhaben von gemeinsamem Interesse ausgewiesen werden, sowie beliebigen Aktionen, die sich als sachnotwendig erweisen. Allerdings verlangt Art. 170 Abs. 2 AEUV, dass sich auch insoweit die Tätigkeit der Union in den „Rahmen eines Systems offener und wettbewerbsorientierter Märkte“ einfügt.

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Schließlich ist auch die Kompetenz der Union zur verbindlichen Formulierung einer Energiepolitik gem. Art. 194 AEUV in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Sie soll das Funktionieren des Energiemarkts sicherstellen, die Energieversorgungssicherheit gewährleisten sowie die Energieeffizienz, die Entwicklung neuer und erneuerbarer Energien sowie die Interkonnektion der Energienetze fördern. Dies alles soll aber ausdrücklich „im Rahmen der Verwirklichung oder des Funktionierens des Binnenmarkts“ – also marktkonform – geschehen (siehe zur Berücksichtigung solcher außerwettbewerblichen Ziele im Rahmen der Fusionskontrolle unten Rn. 1418 ff.).

(3) Umweltpolitik

Literatur:

Schröer Die Kompetenzverteilung zwischen der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Umweltschutzes (1992); Frenz/Unnerstall Nachhaltige Entwicklung im Europarecht (1999); Jans/von der Heide Europäisches Umweltrecht (2003); Epiney Umweltrecht in der Europäischen Union (3. Aufl. 2013); Bieber/Epiney/Haag/Kotzur Die Europäische Union (12. Aufl. 2016) § 32: Umwelt, 621.

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Auch der Umweltschutz ist ein Bereich politischer Steuerung, der erst im Laufe der Zeit in die Kompetenzen der Union einbezogen worden ist. Er ist nunmehr in Art. 3 Abs. 3 UAbs. I EUV sowie in Art. 4 Abs. 2 lit. e AEUV verankert. Gem. Art. 11 AEUV sind die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Durchführung sämtlicher Gemeinschaftspolitiken mit zu berücksichtigen, also auch im Rahmen der Binnenmarkt- und Wettbewerbspolitik (sog. Querschnittsklausel). Nach Maßgabe der Art. 191–193 AEUV soll die Umweltpolitik der Union zur Erhaltung und zum Schutz der Umwelt sowie zur Verbesserung ihrer Qualität, zum Schutz der menschlichen Gesundheit und zur umsichtigen und rationellen Verwendung der natürlichen Ressourcen beitragen. Darüber hinaus geht es um die Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung grenzüberschreitender Umweltprobleme (Internalisierung internationaler externer Effekte). Der entsprechende umweltpolitische Steuerungsbedarf kann nicht allein auf mitgliedstaatlicher Ebene befriedigt werden. Im Übrigen kann die Unterschiedlichkeit nationaler Umweltstandards den Binnenmarkt beeinträchtigen. Wenn etwa die zum Schutz der Umwelt erlassenen mitgliedstaatlichen Produktstandards divergieren, ist die unionsweite Verkehrsfähigkeit von Waren beeinträchtigt. Solche Beeinträchtigungen können nur durch Rechtsangleichung überwunden werden. Eine gewisse Vergemeinschaftung der Umweltpolitik ist daher unvermeidlich. Die Union ist gem. Art. 192 Abs. 3 AEUV insbesondere befugt, umweltpolitische Aktionsprogramme zu verabschieden. Diese haben inzwischen zur Schaffung eines umfangreichen umweltrechtlichen Sekundärrechts geführt. Die Union ist im Übrigen gem. Art. 191 Abs. 2 AEUV in allen ihren umweltpolitischen Aktivitäten an bestimmte Handlungsprinzipien gebunden, nämlich an die Grundsätze der Vorsorge und Vorbeugung sowie das Verursacherprinzip und den Grundsatz, dass Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen sind. Da es beim Umweltschutz um die Bewältigung externer Effekte geht, die von der Wirtschaftstätigkeit auf die natürliche Umwelt ausgehen, sind hoheitliche Eingriffe auch ökonomisch legitim. Richtig verstandene Umweltschutzpolitik ist daher durchaus marktkonform (siehe zur Berücksichtigung nichtwettbewerblicher Ziele im Rahmen der Freistellung vom Kartellverbot gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV unten Rn. 937 ff.).

(4) Verbraucherpolitik

Literatur:

Borchert Verbraucherschutzrecht (2. Aufl. 2003); Reich/Miklitz Europäisches Verbraucherschutzrecht (4. Aufl. 2003); Tamm Verbraucherschutzrecht (2011); Heiderhoff Europäisches Privatrecht (4. Aufl. 2016); Bieber/Epiney/Haag/Kotzur Die Europäische Union (12. Aufl. 2016) § 31, A.: Verbraucherschutz, 604.

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Schließlich hat sich im Laufe der Zeit auch der Verbraucherschutz zu einer eigenständigen Unionspolitik entwickelt (Art. 4 Abs. 2 lit. f AEUV), die inzwischen insbesondere in einem umfangreichen sekundärrechtlichen Verbraucherprivatrecht ihren Niederschlag gefunden hat.[45] Er ist in Art. 12 AEUV ebenfalls zum Gegenstand einer sog. Querschnittsklausel gemacht worden, so dass er auch im Rahmen aller anderen Unionspolitiken zu berücksichtigen ist. Die Verbraucherinteressen artikulieren sich als Nachfrage nach Gütern und Leistungen am Markt. Diese Nachfrage ist auf Güter und Leistungen gerichtet, die qualitativ den gezahlten Preisen entsprechen sollen. Insoweit besteht allerdings die Gefahr von Informationsasymmetrien, dh von unzureichenden Informationen der Verbraucher über die Produkteigenschaften, die eine Form des Marktversagens darstellen. Sie stellen die Wahlfreiheit der Verbraucher und die Effizienz ihrer Kaufentscheidungen in Frage. Gem. Art. 169 AEUV geht es beim unionsrechtlichen Verbraucherschutz daher vor allem um den Schutz der Gesundheit, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher durch Produktstandards und Informationspflichten. Der Bezug auf den Binnenmarkt ist dadurch gewährleistet, dass die Gemeinschaft die Verbraucherschutzziele durch Rechtsangleichungsmaßnahmen gem. Art. 114 AEUV sowie durch Unterstützung, Ergänzung und Überwachung der mitgliedstaatlichen Verbraucherpolitiken verfolgt, die ihrerseits an das Binnenmarktrecht gebunden sind (siehe zum Aspekt des Verbraucherschutzes im Wettbewerbsrecht Rn. 937 ff.).