Kitabı oku: «Jakob der Letzte», sayfa 4

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In der Hitze seiner Rede trank er das zweite Gläschen aus.

„Was du da sagst, das ist freilich wahr“, gab der Jakob bei, „vom Herrgott ist der Mensch allemal abhängig.“

„Wenn ich nachher draußen in meinem Schlössel sitze und Kupons abschneide, da kümmere ich mich den Teufel um Wind und Wetter!“ rief der Guldeisner.

Der Rodel neigte sich ein bißchen vor: „Darf man fragen, wieviel er dir geben will?“

„Ist kein Geheimnis“, sagte der Guldeisner kurz und bestimmt. „Wie es liegt und steht – dreißigtausend Gulden kugelrund.“

Die Bauern schauten sich an.

„Guldeisner“, sagte hernach der Rodel, „jetzt hab’ ich keine Schneid mehr, daß ich dir abrate. Es ist viel Geld!“

„Ein Narr müßt’ einer sein!“

„Es ist verflucht viel Geld!“

Der Jakob legte seine Hand auf den Arm des Guldeisner hinüber und sagte: „Ich rate doch ab. Nachbar, bedenk’s. Wenn du von deinem Hochwald einen frischen Lärchbaum versetzest hinaus ins Tal, mitsamt der Wurzel versetzest, und ihm dort die beste Erden gibst und den fettesten Dung, und Naß und Sonne wie du willst – der Lärchbaum geht zugrund. Ein Gebirgsbaum laßt sich nicht versetzen, wenn er ausgewachsen ist, schon gar nicht. Ein Gebirgsmensch auch nicht.“

„Larifari!“ lachte der Guldeisner. „Vom Schlechtern aufs Bessere, das hat der Mensch noch allemal ertragen. Wenn unsere Buben Soldaten werden und gehunzt von den Obristen, da gefällt’s ihnen freilich nicht draußen, das glaub’ ich. Der Holzknecht Simon ist auch vierzig Jahre alt geworden zu Altenmoos; jetzt ist er Werksverwalter in der Krebsau. Der verdorrt gar nicht dorten wie ein versetzter Lärchbaum, der wird dick und fett und verlangt sich nicht mehr zurück ins Altenmoos. Ein Narr müßt’ einer sein!“

„Wer sich’s besser machen kann“, sagte der Rodel achselzuckend, „ein jeder tut’s. Aber gefährlich ist’s. Wohl überlegen, Nachbar, wohl überlegen!“

„Wenn der Guldeisnerhof eine Herrenhub sollt werden, dann möcht’s traurig ausschauen zu Altenmoos“, sagte der Jakob nicht ohne Beklommenheit.

Darauf antwortete keiner etwas.

„Nachbar“, fuhr der Jakob fort und legte seine Hand auf den Tisch hin gegen den Großbauer, „Nachbar, bleib’ da! Du gehörst zu uns. Deine Vorfahren sind auf diesem Fleck geboren worden und gestorben, haben ein zufriedenes Leben geführt, sind alt geworden, wie draußen selten einer wird. Mit Geld und Herrenhuld hat sich kein Guldeisner wenden lassen seit die Schirmtannen stehen da draußen vor deinem Haus. Weit und breit ist dieser Hof bekannt und geachtet als erbgesessen und ehrenfest! Das Guldeisnerblut wär’ ein frischer Brunnen, draußen tät’ er in Sand verrinnen. Und auch unsertwegen, Franz, verlaß’ uns nicht. Viele Verwandtschaft hast in Altenmoos; Leute, die sich bei dir anlehnen müssen, ihnen bist ein Halt, dir macht’s nichts, du bist stark. Dir geht’s gut, bleib’ bei uns. Schau, wir halten alle zusammen, und sollt’ dich auch einmal was Hartes treffen – Gott verhüt’ es! – so sind wir dir brave Kameraden, wie du uns bist.“

„Laß das sein, Reuthofer!“ unterbrach ihn der Guldeisner in gleichgültigem Tone.

„Nein, es ist nicht möglich“, fuhr der Jakob fort, „du kannst nicht davongehen, versuch’s, du kannst nicht. Du wirst sehen, wie der Mensch verwachsen ist mit seiner Erden, mit allen Kräutern und Bäumen, die darauf stehen, selbst mit dem Käfer auf dem Grashalm und mit dem Vogel auf dem Wipfel, geschweige mit dem Vieh auf der Weide. Du wirst es sehen! In den besten Jahren, wie du bist, kannst du die Arbeit nicht entbehren und die Arbeit dich nicht. Ohne Arbeit stirbt der Bauersmensch ab, glaub’ es mir. Wenn du schon was ändern willst, Guldeisner, eine brave Hausfrau nimm dir. Du hast die Wahl weitum. Mit lieb’ Weib und Kind wirst es erst erkennen, was dein festgrundiger Hof bedeutet. – Franz, versprich es uns! Bleib’ daheim!“

Der Großbauer hatte während dieser Worte des Jakob auch das dritte Gläschen Schnaps ausgetrunken. Jetzt stauten sich seine Nasennüstern auf. „Bedank’ mich!“ keuchte er, „keinen Vormund brauch’ ich nicht. Ob ich ledig bin oder verheiratet, das geht dich nichts an, Grabendodl, verdammter! Der Zimmermann, dort hat er das Loch gemacht.“

„Na, na, Guldeisner“, sprach der Sepp, während die drei Bauern aufstanden, „brauchst dich nicht so anzustrengen mit dem Hinauswerfen, wir gehen schon freiwillig. Gute Nacht oder guten Morgen! wie du’s brauchst.“

So viel hatten sie ausgerichtet, die Bauern beim Guldeisner.

„Verdorben hab’ ich’s“, sagte der Jakob, als sie aus dem Hause traten, „ich hab’ ihn zu scharf getroffen.“

„Getroffen oder nicht, es ist ein Stierkopf“, antwortete der Rodel.

Als sie die bezäunte Gasse zwischen Gemüsegarten und Hauswiese hinabgingen, sahen sie ein junges wohluntersetztes Weib, das beschäftigt war, die zum Bleichen über die Wiese hin aufgespannten Leinwandfächer zusammenzurollen.

„Auch eine Guldeisnerin“, murmelte der Sepp, „ob er sie mitnehmen wird in sein Herrenschloß?“

„Ich denk’“, schmunzelte der Rodel, „die laßt er uns da. Daß doch die Gattung nicht ganz ausgeht in Altenmoos.“ –

Sie schritten kopfschüttelnd talwärts. Unten, wo der Weg durch jungen Anwuchs ging, begegnete ihnen der Förster, oder Waldmeister, wie er in der Gegend genannt war. Das war ein großer, stämmiger Mann in Jägertracht und stets mit dem Gewehr auf dem Rücken. Die Gebirgstracht, die er trug, schien aber nicht auf dieser Figur gewachsen zu sein, sie stand nicht ganz zu den manchmal fremdartigen Bewegungen des Mannes. Das Gesicht? Ein schöner roter Vollbart machte alles gut, was etwa die kleinen stechenden Augen und die unförmig lange Nase verdarben. Er war ein Ausländer. Seit wenigen Jahren bei der Herrschaft Rabenberg angestellt, ging er jetzt viel in Angelegenheit des Kampelherrn um, von dem es hieß, daß er auch die Rabenbergischen Waldungen ankaufen wolle.

„Ob der Guldeisner zu Hause ist!“ fragte er die Bauern mit seiner eigentümlich scharfen, dabei etwas näselnden Aussprache.

„Nein“, antwortete der Rodel, „da geht der Waldmeister umsonst hinauf.“

„Will ich lieber umkehren“, knurrte der Förster und schlug seitab einen Waldsteig ein.

„Warum hast du ihn angelogen?“ fragte der Jakob seinen Nachbarn.

„Der wäre jetzt schnurgerad’ hinaufgegangen und hätte ihm das Gut abgekauft“, antwortete der Rodel.

„Mit der Lug’ werden wir’s nicht hintertreiben“, sagte der Jakob. „Schlecht’ Sach’ muß man mit gut’ Sach’ totschlagen. Ich denk’ aber, er verkauft nicht, ’s ist lauter Trutz, was er sagt.“

„Und auch Trutz, was er tut. Nachbarn, der Guldeisnerhof ist hin.“ So der Rodel.

Bald darauf trennten sich ihre Wege. Der Reuthofer dachte auf dem seinen noch lange: Nein, der Franz ist gescheit, er tut’s nicht.

WIE DER JACKERL AUS ANHÄNGLICHKEIT DAHEIM BLEIBT

Als der Jakob Steinreuter nach Hause kam in seinen Reuthof, funkelten am Himmel schon etliche Sterne, und über den schwarzen Baumzacken des Nockwaldes ging der Mond auf.

An der Haustür stand der Jackerl.

„Geh’ hinein!“ befahl der Vater.

„Nein“, antwortete der Knabe.

„Alsdann bleib’ da stehen, so lang’ du willst.“

„Nein!“ knirschte der Knab’. „Ich will Schottensterz haben, dann geh’ ich fort. Ganz fort. Ich bleib’ nimmer da!“

„Warum bist du denn nachher von Sandeben her heimgegangen?“

„Weil ich’s versprochen hab’.“

„Alsdann muß auch ich mein Versprechen halten“, sagte der Jakob, ergriff mit festem Arm den Jungen und führte ihn in den Moosbarren.

Der Moosbarren war ein Hintergelaß des Wirtschaftsgebäudes, eine kleine Kammer, in welcher Stallstreumoos getrocknet und aufbewahrt zu werden pflegte. Es hatte zwei kleine glaslose Fenster und eine feste Brettertür, die von außen durch ein Kettlein angehängt werden konnte, so daß sie von innen nicht zu öffnen war. Dieser Barren war im Reuthofe das Zuchthaus.

Und da drinnen lag der wilde Jackerl nun wieder auf dem Mooshaufen, wo er schon recht oft gelegen war. Die Tür von innen aufzubrechen, zu einer Fensterluke hinauszukriechen, ein Fletzbrett zu heben, um unterhalb hinauszukommen, diese unfruchtbaren Versuche waren längst aufgegeben worden. Jetzt lag er rücklings auf dem Moos, ließ den Mond auf sein Gesicht scheinen und war ganz ruhig. Es war ihm ja nichts Neues, im Kriege mit seinem Vater zu unterliegen, und er fand es eigentlich auch in Ordnung so. Er hielt den Vater im ganzen für einen braven Mann, dem man nun eben einmal zu gehorchen hätte, aus dem dummen Grunde, weil man der Schwächere ist. Der Jackerl will aber nicht gehorchen, solchen just am wenigsten, die es scharf von ihm verlangen. Schlecht genug, daß es fast allemal was Vernünftiges ist, was der Vater begehrt. Das jedoch ist nichts Vernünftiges, für alle Ewigkeit im Altenmooser Winkel sitzen zu bleiben, und die Welt ist so weit und ist so schön und hat so viel Sach’! Wir – der Jackerl – sind nun einmal zwölf Jahre alt. Leichter lauft der Mensch sein Lebtag nie, als in diesem Alter, und wenn er da nicht davonlauft, wann soll er’s denn tun? – Einstweilen möchten wir einen Schottensterz haben.

„Jackerl!“ rief draußen in der Nacht jemand, es war die Stimme der Schwester Angerl, „da greif an, wenn du hungrig bist!“ Sie hielt ein Stück Brot zur Fensterluke herein. „So greif an, Jackerl!“

„Nein!“ knirschte der Junge.

Das Dirndl hielt immer noch geduldig hinein, weil aber der Jackerl fürchtete, daß sie die Hand doch zurückziehen könnte, nahm er seinen Filzhut und hieb ihn fest auf die Hand los. Das Brot fiel in der Kammer zu Boden, das Schwesterl draußen ging schluchzend davon. Der Jackerl hob das Stück Brot auf, als er jedoch ihr Weinen hörte, schleuderte er es wieder in den Winkel. „Ich will dich nicht. Sie soll still sein. Ich mag sie nicht weinen hören, ich mag nicht!“ So wimmerte er zornig. Ein gutes Wort wollte er ihr nachrufen, aber statt dessen schrie er zur Luke hinaus: „Du Tretsch, du dumme Tretsch!“ und schlug mit den Fäusten auf die Wand los und ächzte vor Wut.

Durch die Wandfugen strich kühle Luft. Der Knabe grub sich in das Moos bis an den Hals und schlief ein.

Am nächsten Morgen kam seine Mutter zur Tür und rief: „Bist schon wach, Jackerl?“

Er war freilich schon wach, gab aber keine Antwort. Mit einem Tone, der voller Güte war, sagte draußen die Mutter: „Kind, die Suppe steht auf dem Tisch, und du mußt was Warmes essen. Der Vater laßt dir sagen, wenn du brav bist, so darfst du kommen, wenn du aber trutzig wärst, so sollt’ ich nicht aufmachen. Ich bitte dich, mein liebes Kind, tu’ mir das Leid nicht an, sei wieder ordentlich und folgsam wie deine Geschwister, wir haben dich ja lieb und alles ist wieder gut. Geh’, komm her, sei gescheit!“

Kein Lebenszeichen im Barren. Jetzt kam ihr die Angst, es möchte dem Knaben etwas widerfahren sein. Sie ging um die Ecke und schaute zur Luke hinein. Dort im Winkel stand er, strampfte jetzt den Boden und rief: „Nein! Nein!“

„So kann ich dir nicht helfen“, sagte das Weib, „der Trutz ist noch immer stärker wie du, den müssen wir so lange aushungern, bis du ihn unterkriegst. Bleib’ drinnen.“ Sie ging davon.

Der Junge fügte sich ins Unvermeidliche. Er sann auf Zeitvertreib. Auf dem Rücken lag er im Moos und hub an, allerlei Liedchen zu trällern, wie er sie von den Knechten gehört hatte. „Hi, ho! hi ho!“ begann er und:

Tulli ho!

Follt ma da Huat in Boch,

Tulli ho!

Ih lauf eahm noch im Boch,

Tulli ho!

Er is scha weit, viel z’weit,

Tulli ho!

Hon gor ka Freud!

Dann spitzte er die Lippen und pfiff, und bald darauf – der Junge mußte sich in einer recht humoristischen Stimmung befinden – sang er ein anderes Liedl, wovon ihm besonders der letzte Teil anzuklingen schien:

Vormittog buß’ ih –

Wos buß’ ih?

Mei Dirndl in da Ghoam (im Geheimen),

Nochmittog bin ih –

Wo bin ih?

Auf n Tonzbod’n dahoam.

Aft, wann mih mei Voder

Z’an Koder

In d’ Schupfn einspirt,

Tulli, do flick ih –

Wos flick ih?

Mei Hosn ban Knia.

Und daß ma,

Jo, daß ma

Die Zeit nit long wird.

Darauf hub er an zu jodeln, bis er heiser war und sann auf neuen Zeitvertreib. Flink sprang er auf, kletterte an der Wand empor und hüpfte wieder auf das Moos herab; dann stellte er sich auf den Kopf und spreizte die Beine in die Luft. Dann begann er mit Händen und Füßen das Moos aufzumischen, daß die Fetzen nach allen Richtungen an die Wand und bis zur Decke flogen. Dann fiel er ins Gestreu, reckte alle Viere von sich und stellte sich tot.

Die Moosbarrentür blieb von außen angehängt und so lief der Jackerl aus Anhänglichkeit nicht davon.

DER WALDMEISTER SCHÜTTELT DEN BAUM

In Altenmoos begann sich sachte manches zu ändern. Früher hatten die Bauern im Sommer ihre Herden – für die auf den eigenen Grundstücken zu wenig Futter wuchs – gegen mäßiges Entgelt auf die Hochweiden der angrenzenden Großgrundbesitzer getrieben, besonders auf die Rabensteiner Almen. Es war altes Herkommen, das sowohl den Hochweidbesitzern, als auch deren Pächtern, den Bauern, zugute kam. Seit einiger Zeit war das abgestellt worden, der Waldkulturen wegen, wie es hieß. Der Oberförster, Oberjäger und Waldmeister Ladislaus war aber zu leidenschaftlich, um lange ein Hehl daraus zu machen, daß den Bauern die Viehweiden nicht der Waldkulturen, sondern der Wildhegung wegen versagt wurden. Man rechnete so: Bekommen die Bauern von uns die Almweiden nicht, so können sie nicht Viehzucht betreiben, wirtschaften ab, müssen uns gut oder übel ihre Güteln verkaufen, und Herr im Lande ist der Hase und der Hirsch, die wieder unserem Vergnügen dienen. Zur Hälfte betreibt man’s, zur Hälfte geht’s selber. Der Bauer war von jeher ein Feind des Wildes, der Bauer muß ausgerottet werden.

Mit solchen Gedanken und Plänen ging der Ladislaus um. Ging um in der Gegend in Sachen seines „gnädigen Herrn“, des Kampelherrn, und daß er sehe, was schon reif war zum Abfallen und was noch gesengt und gerüttelt werden mußte.

In denselben Tagen war’s, daß er und der Bauer Dreisam zu Altenmoos aneinander gerieten.

Der Waldmeister war mit der Herrschaft Rabenberg käuflich an den Kampelherrn übergangen, er hörte seither nur mehr auf den Titel: Herr Oberförster.

Der Dreisam arbeitete an seinem Waldrain, wo er dran war, mit der Haue den zähen Rasen umzukehren, dem man mit dem Pfluge hier nicht beikonnte und der doch auch als Kornacker urbar gemacht werden sollte. Der Dreisam hatte eine große Glatze, dafür aber einen sehr langen flachsfalben Bart, der schier bis an den Gürtel hinabhing. Damit dieser Bart beim Rasenumgraben nicht hindern konnte, so steckte er ihn am Halse hinter den braunen Brustfleck hinab.

Da kam der Waldmeister gegangen.

„Ihr Altenmooser Bauern seid Trotteln!“ mit diesem schönen Wort grüßte er den arbeitenden Mann.

„Auch so viel, Herr Waldmeister!“ dankte der Dreisam. „Gescheiter wäre es freilich, alleweil im Feiertag umzugehen mit der Büchsen und sich das Futter von anderen Leuten bringen zu lassen, als selber sein Brot mit harter Müh’ aus dem Boden zu graben.“

„Korn bauen, das ist dumm“, belehrte der Waldmeister, „seit durchs Land draußen die Eisenbahn geht, könnt ihr Bergbauern im Getreidebau mit den Ungarn und Kroaten nicht mehr konkurrieren.“ „Die Kroaten wollen wir auch nicht kurieren“, verdrehte der Dreisam, „wir wollen unseren Magen kurieren.“ „Viehzucht!“ rief der Waldmann, „Viehzucht müßt Ihr betreiben.“

„Ja, und Ihr versagt uns dafür die Hochweiden!“

„Den Pflug in Scherben schlagen. Das Korn kaufen. Brauchst keine Dienstboten. Das Gras wächst von selber auf dem Boden.“

„Schau“, meinte der Bauer so halb für sich und stützte sich breit auf seinen Haustiel, „das wissen meine Ochsen besser wie der Herr Waldmeister. Die Ochsen wollen kein Gras fressen von einer Trift, die jahraus, jahrein nicht umgebrochen wird mit dem Pflug, und nicht manchmal Hafer oder Korn darauf angebaut. Die Ochsen sagen, so ein Ödgartgras wäre sauer und voller Moos. Nun, dem Herrn schmeckt’s vielleicht besser.“

„Mein lieber Bauer“, entgegnete der Waldmeister nun in sehr höflicher, aber sehr überlegener Weise, „wenn Ihr über Landwirtschaft mit mir reden wollt, da müßt Ihr ein wenig weiter in der Welt herumgekommen sein, als von Altenmoos bis Sandeben. Ein wenig weiter, mein lieber Bauer!“

„Glaub’s schon“, sagte der Dreisam, „daß der Herr recht weit gelaufen ist.“

„Gott sei Dank, ja. Ich bin an einem einzigen Tag weiter gekommen, als so ein Waldbauer sein Leben lang springt!“

Dachte bei sich der Dreisam: Mit dem ernsthaft zu streiten, ist mir zu dumm. Er schaukelte sich auf seinem Haustiel und warf plötzlich das Wort hin: „Weiter, als der Herr Waldmeister an einem Tag laufen kann, weiter ist mein Bart schon gewachsen.“ Er riß den langen Bart aus dem Brustfleck hervor.

Wie das gemeint sei?

„Nicht schlecht. Wetten wir eins miteinander, Herr, mein Bart ist länger gewachsen, als er an einem Tag laufen kann!“

„Ist ein Unsinn!“ sagte der Waldmeister.

„Gilt’s?“ rief der Bauer. „Abgemacht. Am Sonntag beim Steppenwirt unten messen wir. Mit Zeugenschaft, Herr Waldmeister! Zehn Maß Unterländer, wenn’s dem Herrn nicht zu viel ist?“

„Zwanzig Maß!“ schrie der Waldmeister, „abgezapft muß er einmal werden, Euer Übermut.“

„Vielleicht zapfen wir auf dreißig Maß“, meinte der Dreisam.

„Gut, auf dreißig! Sehrrr gut!“ schnarrte der Oberförster. „Am nächsten Sonntag beim Steppenwirt. Und jetzt adieu, Bauer. Es tut mir eigentlich leid.“

„Was tut ihm?“ fragt der Dreisam.

„Leid tut es mir, daß ich das Geld wieder davontrage, welches ich für Euch im Sack hab’. Vielleicht mag’s der Nachbar Reuthofer.“ „Ja, ist schon recht“, sagte der Bauer und grub emsig weiter.

Der Oberförster ging davon. Fast unmutig packte er einen Fichtenbaum, schüttelte ihn, daß dürre Zapfen herabfielen und knirschte: „So muß man es schütteln, dieses Altenmoos. Was reif ist, fällt, was heut’ nicht fällt, fällt morgen. Fest anpacken.“ – Er ging gegen den Reuthof.

Der Jakob war eben dabei, seinen Angerzaun, der das Gehöfte umfriedete, auszubessern. Er trieb frische Stecken je zu zweien in den Boden, legte lange Querstangen dazwischen und befestigte sie mit Weidenbändern. Er rüttelte nun an einem solchen Steckenpaar und sagte: „Halten mußt!“ Da stand der Waldmeister vor ihm.

Dieser reichte ihm sogleich biedermännisch die Hand, in die der Jakob die seine ohne viel Gegendruck legte.

Zaun machen, das könne der Reuthofer, lobte der Oberförster, indem auch er einmal und mit Kennermiene an den Stecken rüttelte. Und er denke, der Reuthofer würde auch in anderen Stücken klüger sein, als manch’ anderer Altenmoos-Bauer.

„Ja“, sagte der Jakob, „ich will’s probieren und gleich die Gelegenheit beim Schopf packen.“

„Recht hast“, entgegnete der Waldmeister rasch und griff nach seiner Geldtasche.

„Ah na“, sagte der Jakob abwehrend, „zahlen werd’ schier ich müssen. Um die Viehweide auf der Breitalm, wenn ich wieder bitten dürfte.“

„Mit dem besten Willen nicht, Reuthofer“, beschied der Waldmeister. „Es ist unglaublich, was die Viecher den jungen Baumpflanzungen schaden.“

„Ich treibe ja keine Ziegen und keine Schafe hinauf“, sagte der Jakob, „und die Rinder rühren kein Bäumel an, wenn sie Gras haben. Ehrlich sein, Herr Waldmeister. Er hat’s ja selber schon gesagt, daß wir der Hirschen wegen abgewiesen werden.“

„Nun, wenn du’s weißt, wozu noch anfragen?“ lachte der Oberförster. „Es ist so, die Ochsen sprengen uns den ganzen Wildstand. Können nichts mehr verstatten. Sei klüger, Steinreuter, wie dein Nachbar, der Dreisam, der Narr hat mich mit dem Gelde wieder davongehen lassen. Mußt wissen, ich habe Geld bei mir!“

Er solle es nicht verlieren, meinte der Jakob.

Ob er es nicht da lassen dürfte? fragte der Waldmeister.

„Bedank’ mich schön“, sagte der Jakob, „wir brauchen keins.“

Der Waldmeister stutzte. Er begriff nicht, wie auf der weiten Welt ein Mensch leben könne, der kein Geld braucht. Ja nicht einmal welches haben wolle! Das müsse doch schon eine ganz verkommene Kreatur sein.

Für den Kampelherrn gehe er um, erklärte der Förster. Vorhin sei er auch beim Klachel-Bauer gewesen. Der sei ein kluges Köpfel, der Klachel, und verstehe seinen Vorteil. Dem habe er das Haus abgekauft.

„Der Reuthof ist nicht feil. Behüt’ Gott!“ Mit diesen Worten des Jakob war der Mann abgefertigt, der nun kopfschüttelnd wieder seines Weges ging. Ging diesmal aber nicht weit, ging nur ins Haus hinein, wo Maria, die Bäuerin, am Herde stand und das Mittagsmahl kochte. Zum Vorwand nahm er, daß er am Herd eine Zigarre anbrennen wolle, sagte hierauf der Bäuerin einige Artigkeiten über ihr junges gesundes Aussehen. Es wäre erstaunlich, schon so große Kinder und noch so glatt beisammen! Na, draußen auf der Ebene erst, wenn sie von harter Arbeit frei wäre und sich nichts abgehen lassen müsse, da würde sie erst sehen! – Sie, die Frau, würde diesmal hoffentlich vernünftiger sein als der Mann, der sich eben einmal in den steinigen Boden hinein verbissen habe. Der Jakob würde sich noch alle Zähne ausbeißen, und es sei schade drum.

„Bei so was red’ ich nichts drein“, sagte die Maria, „er wird schon selber wissen, was ihm taugt oder nicht.“

Es seien andere Zeiten, fuhr der Waldmeister unbeirrt fort, Vieh und Hafer werde von Tag zu Tag billiger, Holz habe gar keinen Preis, besonders nicht im entlegenen Altenmoos, die Dienstboten seien kostspieliger und ungebärdiger als je. Früher habe Haus und Grund den Besitzer von dem Soldatenleben befreit, das sei nicht mehr. Früher habe ein Bauerngut beisammenbleiben müssen und hätten die Kinder des Hauses ihr Lebtag daran ein Heim gehabt; heute dürfe jedes Bauerngut zerrissen werden, wie man einen Papierwisch zerreißt, der nichts mehr gilt. Dazu die hohen Steuern, und wer sie rechtzeitig nicht zahlen könne, dem lasse der Staat das Haus verganten ohne Barmherzigkeit. Früher sei der Bauernstand ein Ehrenstand gewesen, heute mache sich über den Bauern jedermann lustig, weil er ja wahrhaftig ein Tor wär’, wenn er es nicht einsehe, daß für ihn die Zeit aus ist.

Wenn der Reuthofer – fuhr der Waldmeister in seinen Auseinandersetzungen fort – sein Gütl verkaufe, so könne er das Geld in die Sparkasse oder auf Wertpapiere anlegen und davon alle Jahre seine Fexung machen ohne Müh’ und Sorge. Wolle er sich nebenbei ’was erwerben oder wollen es die Kinder, so stünden Eisenwerke und hundert Fabriken in der Welt, wo der Mensch glänzenden Verdienst finde. Der Kampelherr meine es nur gut mit den Leuten und gebe ihnen Gelegenheit, das Glück zu ergreifen. Er wolle einen größeren Fleck beisammen haben und zahle die Häuser besser als gut. Das möge sie – die brave Frau – ihrem Manne begreiflich machen. Komme der Kauf zustande, so lege er, der Oberförster, ihr extra zehn nagelneue Dukaten auf die Hand.

„Sagen will ich ihm’s schon“, entgegnete die Maria, „aber bestechen laß ich mich nicht.“

Damit war der Oberförster auch hier fertig. Überlaut ein munteres Liedel pfeifend, insgeheim über den „dummen Bauernstolz“ knirschend, so ging er von hinnen.

Als er hinter dem Gehöfte am Moosbarren vorüberschritt, hörte er sich rufen. Aus der Fensterluke schaute ein schöner, aber verwilderter Knabenkopf.

„Lieber Herr Waldmeister!“ rief der, „lasse mich aus. Sie haben mich dahier eingesperrt!“

Der Oberförster blieb stehen. „Was?“ fragte er, „eingesperrt? Was hast du nur angestellt?“

„Fort will ich. Bleiben will ich nicht mehr in diesem Altenmoos. Die Welt will ich sehen. Deswegen haben sie mich eingesperrt. Geh’, laß mich aus!“

„Da hört sich doch alles auf!“ murmelte der Waldmeister.

„Die Jugend versteht ihre Zeit. Mit Gewalt aber wird sie gefangen gehalten in Gebirgswinkeln. Mit Gewalt! Alsdann bleibt sie freilich hocken und rostet ein. Und das nennen sie Heimatsliebe! Hundsfötter sind’s! – Bist du dem Reuthofer sein Sohn, Kleiner? Gut ist’s. Ich will den Kerl so lange würgen, bis er dich ausläßt.“

„Mein Vater ist kein Kerl, und dem wirst du nichts tun!“ rief der Knabe, „auslassen sollst mich.“

„Habe ich den Schlüssel?“

„Geh’ nur um die Ecke herum, dort ist die Tür. Die ist auswendig mit einer Kette angehängt. Die Kette mußt du abhakeln, sonst hast du nichts zu tun.“

Der Waldmeister kam dem Auftrage nach, wie ein Knecht dem Befehl des Herrn. Als er das Kettlein losgehakelt hatte, wurde die Tür von innen aufgerissen, der Knabe fuhr heraus, rannte dem Oberförster den Kopf an die Beine und lief gegen den Wald hin.

Der Herr Oberförster-Oberjäger-Waldmeister war durch den plötzlichen, so unvorhergesehenen Anprall zu Boden gestürzt. Als er sich fluchend erhob, um den wilden Knaben zu züchtigen, war dieser freilich schon verschwunden in den Strüppen des Abhanges.

Übrigens ward dem Manne für die Unbill, die er an diesem Tage von den Altenmooser Leuten erfuhr, eine Genugtuung, noch bevor die Sonne überging. Er war ärgerlich seinen Wäldern zugeeilt und seinen Rehböcken, Hirschen und Auerhähnen. Die lieben Tiere, die sich so brav hegen, jagen und totschießen lassen! „Und diese kreuzverwindierten Bauern wollen hocken bleiben in den Waldbergen und möchten leben. Wollte man so einem einmal seinen Laufpaß auf den Buckel brennen, was das für ein Geschrei wäre! Wollte nur ich einmal ein Gesetz machen! Ausgepeitscht müßt’ es werden, das ganze Bauerngesindel, aus der Gegend, wenn’s nicht freiwillig ginge! Bauernwirtschaften! Das könnt’ mir einfallen! Wie soll da der Wildstand aufkommen! Kostet ohnehin genug. Anstatt Hirschen – Ochsen, anstatt Jäger – Wildschützen! Das wäre sauber! Glauben denn diese Poppel, der Herrgott hat die Welt für die Bauern erschaffen? Das wollen wir ihnen anders beweisen, Gott sei Dank!“

Solche Gedanken der Entrüstung wurden unterbrochen durch ein Geschrei, das aus dem Waldstuberhäusel drang, an dem der Waldmeister eben vorübergehen wollte.

Die Waldstuberleute bestanden in acht Personen, welche auf dem kaum zwanzig Joch großen Gütel leben mußten. Da war der Waldstuber und sein Weib, so viel als der Altknecht und die Altmagd, da waren die zwei ältesten Kinder, die schon Jungknecht und Jungmagd abgeben mußten. Das dritte, ein achtjähriges Mädchen, hegte und pflegte die drei jüngsten Kinder, welche im Waldstuberhäusel so recht die Herrschaft spielten, die alles umsonst hatten und tun konnten, was sie wollten.

Die Waldstuberleute hatten kein gutes Jahr gehabt. Ihre Äcker, die hoch auf dem Berge am Waldrande lagen, waren dem frühen und späten Schnee und dem Hirschenhunger ausgesetzt. Die Kartoffeln, die von solchen Plagen über der Erde geschützt waren, verfielen unter derselben der faulenden Krankheit, der Kohl wurde auf dem Stengel von den Würmern gefressen. Da die Kinder keine Schuhe hatten, so liefen sie barfuß umher draußen im nassen oder bereiften Grase, sie wurden krank, und der Arzt kostete mehr, als die Schuhe gekostet hätten. Die Sache aber war die: der Schuster konnte nicht borgen, der Arzt gab die Medizinen ohne Geld, schickte aber nach Verlauf des Jahres einen drohenden, Zahlung heischenden Brief.

So war viele Bekümmernis im Waldstuberhäusel, aber nun konnte es besser werden. Die junge Feldfrucht stand sehr hoffnungsvoll, die Kinder waren wieder frisch und munter, und ein Holzkohlengeschäft hatte einen größeren Geldbetrag abgeworfen, den zu holen der Waldstuber eben in Sandeben gewesen war. Froh gestimmt kam er heim, brachte den Kindern Wecken mit und dem Weibe ein Glas Wein mit Zucker und zeigte ihr schmunzelnd auch die mit Fünfguldenscheinen gespickte Brieftasche, welche Scheine nun alle Sorgen dämpfen sollten. Es waren nicht weniger als vierzig Gulden darin. Vor Vergnügen knickte der Waldstuber seine Knie ein und duckte sich zusammen, so daß der ohnehin kleine Mann noch kleiner wurde.

Zur selben Stunde trat ein halb „herrisch gewandeter“ Mann in die Stube. Als der Waldstuber ihn sah, fühlte er urplötzlich eine Herzbeklemmung, denn für den Bauer ist es nie ein gutes Zeichen, wenn ein „Herr“ in sein Haus tritt.

Der Fremde grüßte kühl, zog den grauen Hut vom Kopf und trocknete sich mit dem Taschentuch die Stirne, weil ihm heiß geworden war den Berg herauf. Es war im ganzen Wesen des Mannes etwas wie ein Vorwurf gegen die Waldstuberleute, dererwegen er an diesem Tage so sehr in Schweiß geraten war. Es währte gar nicht lange, so zog er einen Papierpack aus dem Sacke und löste von ihm mit kundigen Fingern einen grauen, länglich gefalzten Bogen.

„Michael Waldstuber, nicht wahr?“ fragte der Fremde leichthin, man wußte aber nicht, fragte er den Genannten oder den Papierbogen. „Für den Waldstuber habe ich etwas.“

„So“, antwortete der Waldstuber, „wär’ mir schon recht, wenn ich was tät’ kriegen.“

Die Kinder, die auf dem Fletz umherkrochen, machten lange Kragen auf den Tisch hin. Die Bäuerin ging in die Küche hinaus, sie ahnte schon, was da kommen würde.

„Da, leset!“ der Fremde überreichte den Bogen.

„Oh, zum Lesen was“, sagte der Waldstuber, „ich kann nicht lesen.“

„So! na, das ist ja wieder einmal recht erfreulich.“

„Mein Vater hat immer gesagt, der Bauer kriegt nicht viel Schönes zum Lesen, er soll’s lieber gar nicht lernen.“

„Steuerrückstände!“ brummte der fremde Herr, denn es war der Steuerbote aus Krebsau.

„Hab’ mir’s gedacht“, murmelte der Bauer, „hab’ mir’s eh’ gleich gedacht. – Wie viel denn?“

„Fünfundzwanzig Gulden dreiundneunzig Kreuzer.“

„Oh, wieso denn?“ fuhr der Bauer erschrocken auf.

„Und fünfzehn Gulden einundfünfzig Kreuzer Zuschläge.“

„Ei, doch nicht, doch nicht!“ rief der Bauer entsetzt.

„Macht zusammen einundvierzig Gulden vierundvierzig Kreuzer, welcher Betrag binnen drei Tagen bei sonstiger Pfändung im Steueramt zu bezahlen ist.“

Der Waldstuber schwieg, ging aber mit über den Rücken gelegten Armen rasch die enge Stube auf und ab, einmal das eine, einmal das andere Kind mit den Füßen von sich stoßend.

„Himmelgottverflucht!“ stieß er plötzlich hervor und begann ein schauderhaftes Schelten und Wettern gegen die Bauernabtrenner und besonders gegen den Steuerboten, der manches scharfe Wort schon gewohnt, verblüfft stillschwieg und zuhörte.

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23 aralık 2023
Hacim:
392 s. 5 illüstrasyon
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9783990404843
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