Kitabı oku: «Homo sapiens movere ~ gezähmt», sayfa 2

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Joshs Auftrag

In seiner menschlichen Gestalt erinnerte Josh viele an einen Bären. Eine Meinung, die Alan nicht teilte. Dafür war Josh zu schlank, wenn auch muskulös und wahrhaft groß.

Außerdem war er kein Bär.

In seiner Wergestalt war Josh mörderisch, athletisch, intelligent und schneller als jedes andere Raubtier, was Alan kannte. Sein tierisches Ebenbild trug den stolzen Namen Acinonyx jubatus. Allerdings war Josh, wie auch alle anderen Gestaltwandler, in seiner anderen Form wesentlich größer als sein tierisches Pendant. Obwohl die Magie der Gestaltwandler vielfältig war, so konnte sie doch einen einhundertzehn-Kilo-Mann nicht in einen fünfzig Kilo leichten Gepard verwandeln. Trotzdem schaffte sie es, dem Gestaltwandler in seiner Kampfgestalt Masse und Körpergröße hinzuzufügen, indem sie beide Wesen kombinierte.

Als Geparden-Wer war Josh ideal als Rudelzweiter. Denn was ihm an Teamgeist fehlte, um das Rudel zu führen, glich er durch Stärke, Jagdinstinkt und Intelligenz aus. Nicht viele Raubkatzen konnten mit ihm mithalten. Abgesehen von Alan. Und eventuell Otis. Aber der war mit einem genetischen Defekt zur Welt gekommen und konnte sich nur mit Mühe und erheblichem Zeitaufwand in seine Wergestalt wandeln. Ein Löwe, der hätte Alpha sein sollen, wie sein Vater; was ihm vom Schicksal nicht vergönnt war.

Im Allgemeinen konnte man davon ausgehen, dass, je größer und muskulöser ein Gestaltwandler in seiner menschlichen Form war, umso beeindruckender war auch seine Wer- oder Zwischengestalt.

Natürlich bestätigten Ausnahmen die Regel.

Alan lachte leise, während Josh wie ein aufgeplustertes Huhn quer durch den Raum tigerte. „Vergiss es. Ich kann mit Ribbert nicht zusammenarbeiten! Dieser arrogante, aufgeblasene…“ Alan verwandelte sein aufkommendes Lachen in einen dumpfen Laut, der sich knurrend aus seiner Kehle rang. „Das war kein Wunsch, Josh, sondern ein Befehl. Willst du den verweigern?“ Wut blitzte in Joshs Augen auf, die sofort dem Gehorsam gegenüber seinem Alpha erlosch. „Nein. Ich wollte nur meinen Unwillen ausdrücken. Mal ehrlich, der geht mir so was auf die Nüsse, dieser bekloppte Wolf.“ Alan nickte verständnisvoll, aber keinesfalls nachgebend. „Weiß ich. Aber sie sind unsere Verbündeten, nicht nur, was das Ritual betrifft. Abgesehen von deinem persönlichen Zwist mit Ribbert, sehe ich keinen Grund, dir diesen Auftrag nicht zu erteilen.“ Josh knurrte widerstrebend.

Es war sein Job als Rudelzweiter, sich mit Belangen auseinanderzusetzen, die alle Gestaltwandler betrafen. Der Groll, den er seit beinah sechs Jahren gegen Ribbert hegte, musste zum Wohl des Rudels unterdrückt werden. Sowohl Alan als auch Josh wussten, dass es genügte, wenn Josh sich mit Ribberts Rudelzweitem auseinandersetzte. Doch Ribbert nahm die Dinge gern selbst in die Hand. „Verhalte dich ihm gegenüber so neutral wie möglich. Ich habe keine Lust meinen besten Mann in einem Machtkampf zu sekundieren.“ Josh unterdrückte ein dumpfes Knurren. Sein Alpha wusste nicht, was damals passiert war. Und wenn es nach ihm ging, würde er auch nie erfahren, dass er sich wegen Ribberts unfairen Methoden dessen Schwester nicht mehr nähern durfte. Wenn es nach ihm ginge, verdiente Ribbert eine ordentliche Tracht Prügel. Er mochte Elise. Auch wenn sie nicht die Eine für ihn war. Sie war knallhart, aber trotzdem sehr weiblich. Und lustig. Wer sie nicht kannte, ließ sich durch ihre äußere Erscheinung täuschen.

„Josh!“ Tief durchatmend salutierte dieser spöttisch. „Keine Sorge, ich bin in der Lage mich zusammenzureißen.“

Damit drehte er sich auf dem Absatz um und verließ Alans Arbeitszimmer. Sam kam Josh entgegen, nickte ihm aufmunternd zu und tätschelte seinen Arm, bevor sie zu ihrem Mann ins Zimmer schlüpfte.

Stirnrunzelnd betrachtete Josh seinen Arm.

Menschen, er würde sie nie verstehen. Er brauchte keinen Trost. Er kam allein zurecht. Trotzdem schaffte es Sam immer wieder, einen Teil ihrer inneren Ruhe auf ihn zu übertragen. In diesen Momenten wünschte er sich, ebenfalls eine solche Frau zu finden. Nur, um sich im selben Augenblick für seinen Wunsch zu verfluchen. Die Frau, mit der er es länger als eine Nacht aushielt, musste erst noch geboren werden! Selbst Ribberts Schwester war nur ein Betthupferl gewesen. Freilich, ihre leicht aggressive Art hatte ihm viel zu gut gefallen und er war bereit gewesen, sie für einen längeren Zeitraum zu behalten. Zudem waren sie Freunde. Irgendwie.

Zu blöd, dass Ribbert ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.

Alisas Bilanz

Alisas Sorgen, sich mit dieser Frau noch mehr Ärger eingehandelt zu haben, waren unbegründet. Rosalie war ein Mensch. Ein einfacher, netter, sehr zurückhaltender Mensch mit einem freundlichen Lächeln. Kein movere, kein Mischling. Außerdem war Alisa ziemlich stolz auf sich. Abgesehen von dem Desaster auf dem Parkplatz war bisher nichts anderes zu Bruch gegangen. Weder sie selbst noch etwas der gemütlichen Einrichtung des heimeligen, fast nostalgisch wirkenden Cafés. Vielleicht lag es daran, dass sie ihre Hände fest auf die Knie gelegt hatte, um keineswegs wild herum zu fuchteln oder irgendwo hängen zu bleiben. Mit ihrer Uhr zum Beispiel, mit der sie vorhin die blöde Papiertüte zerrissen hatte. „Bingham? Ihr Name ist Bingham? Wie die Agentur?“ Rosalies Augen waren weit aufgerissen und wurden sogar noch größer, als Briony nickte.

Fast hätte Alisa gegrinst, als die Frau ehrfurchtsvoll hauchte, dass sie sich geehrte fühlte mit ihnen am Tisch zu sitzen. Nach kurzem Zögern erzählte Alisa ihr jedoch, dass nur Briony als Bingham zählte. Im Gegensatz zu ihr. Sie arbeitete für Bingham. Und war Brionys Freundin. Außerdem war sie anfällig für Missgeschicke jedes Kalibers. Wie unschwer zu erkennen war.

Rosalie betrachtete Alisas Gips und kommentierte seine Farbe. Ohne es zu bemerken, waren die drei Frauen innerhalb kürzester Zeit in das vertraute Du gefallen. „Es gab noch quietschgrün und grellgelb. Aber noch mehr Aufmerksamkeit, als ich das eh schon tue, wollte ich nicht auf mich lenken. Warum, brauche ich dir nicht zu erklären. Du hast es selbst gesehen.“ Rosalies verständnisvolles Nicken zeugte von Mitleid. Eine Sache, die Alisa ganz und gar nicht brauchte. Sowas war nichts für jemanden wie sie. Würde sie ihre andere Seite nicht permanent untergraben, wäre sie sicher kaum anfällig für all diese dummen und manchmal hochnotpeinlichen Zwischenfälle. Es war ihre eigene Schuld, dass sie ein solcher Trampel war – daran gab es nichts Schönzureden.

Unendlich froh, dass Briony sämtliche Daten für Rosalie weitergab und sich deren notierte, bemerkte Alisa, wie Rosalie sich allmählich entspannte. Sie schien nicht oft mit anderen Leuten zusammen zu sein. Und sie zuckte jedes Mal zusammen, wenn man sie korrigierte. Wie jetzt, als sie behauptete, Alisas Namen schon einmal gehört zu haben. Alisa wies sie lediglich daraufhin, dass dies nicht der Fall sein konnte. Schließlich war sie erst vor ein paar Monaten in die Stadt gezogen.

Trotzdem zuckte die andere Frau zusammen und entschuldigte sich sogar.

Was bei Alisa natürlich die Frage aufwarf, was diese Rosalie dazu veranlasste, sich derart duckmäuserisch zu benehmen. Weder sie noch Briony spuckten, knurrten, drohten ihr oder waren mit einem bösen Fluch belegt. Nun ja, Briony zumindest nicht. War es Aufregung, weil Briony zu den stadtbekannten Binghams gehörte? Oder hatte die Frau schlechte Erfahrungen gemacht? Häusliche Gewalt?

Tief in Alisa regte sich ein Gefühl, welches sie sich nicht erklären konnte und das ihr völlig neu war: Beschützerinstinkt. Warum bei einer erwachsenen Frau? Einer, die älter war als sie? Alisa schätzte Rosalie auf Ende 20.

Um nicht weiter darüber zu grübeln, beschloss Alisa das Thema vorerst ad acta zu legen. Fakt war, Rosalie war nett. Gütig. Freundlich. Und Alisa hätte sie gern auf ihrer kurzen Liste der ihr wichtigen Personen als Freundin hinzugefügt.

Haha, genau!

Nachdem Alisa Rosalies Auto ramponiert hatte, würde diese sie sicher freudig strahlend mit offenen Armen empfangen. Man musste schon gänzlich verblödet oder mit einem starken, reichen, mächtigen Mann verheiratet sein, um eine Freundschaft mit ihr einzugehen. Alisa hielt Rosalie weder für dumm noch für verheiratet. Zumindest trug sie weder einen Ring, noch war ein Abdruck eines solchen zu erkennen. Alisa hatte keine Ahnung, was sie dennoch ritt, danach zu fragen. Es ging sie nichts an. Leicht errötend erklärte Rosalie, dass sie den richtigen Mann noch nicht gefunden hatte. „Dann geht’s dir wie mir.“, entgegnete Alisa mit einem verschwörerischen Lächeln. „Vielleicht sollten wir einen Kochkurs belegen und uns den richtigen backen?“ Rosalie brach in zustimmendes, schallendes Gelächter aus. Rosalie besaß also auch Humor. „Das machen wir. Wie soll deiner denn aussehen? Wie soll er sein?“ Nach kurzem Überlegen flossen Alisa die Worte sehr freimütig über die Lippen. Briony schmunzelte. „Und deiner?“, fragte Alisa an Rosalie gewandt. „Ein bisschen größer darf er gern sein. Nett. Vielleicht ein kleiner Bauch. Nicht allzu schmächtig. Ich will ihn schließlich nicht aus Versehen zerquetschen.“ Sie grinste. „Außerdem humorvoll, charmant, mit guten Manieren. Ein wenig Bildung wäre auch nicht schlecht.“

Rosalie nippte an ihrem Kaffee, während es ungeduldig aus Alisa herausplatzte, wie er denn nun aussehen sollte. „Och, das ist mir egal. Hauptsache, er hat keine Haare auf der Brust.“ Alisa würde das nicht stören. Nur, wenn der Kerl auch Haare auf den Zähnen hätte.

Die drei Frauen plauderten weiter, tranken Kaffee und bemerkten dabei kaum, wie die Zeit verging. Als sie sich trennten, kam es Alisa so vor, als würde sie Rosalie schon ewig kennen. Beinah, als wäre sie eine verwandte Seele.

„Sie ist nett.“, sagte sie deshalb laut auf dem Weg zum Auto. Nur für den Fall, dass Briony diese Bestätigung benötigte. „Hm, ich mag sie auch.“ Alisa hatte nicht gesagt, dass sie sie mochte. Obwohl das der Fall war. Es war auch ziemlich schwer, Rosalies schüchterne, doch gleichzeitig offene und liebevolle Art nicht zu mögen. „Sobald sich mit ihrem Auto und der Versicherung alles geklärt hat, werde ich sie einladen. Es war übrigens unnötig von dir zu sagen, dass es gruselig ist, im Haus eines Vampirs zu sein. Roman ist nicht gruselig. Und er ist ein Pir!“ Alisa kämpfte vergebens gegen das Glucksen, das sich aus ihrer Kehle quetschte. Pir… Vampir… das war doch dasselbe. Und außerdem: „Doch, dein Mann ist gruselig. Du merkst das bloß nicht mehr. Besonders, wenn er zu einer Statue erstarrt. Hast du dir schon mal überlegt, was ist, wenn er so bleibt? Muss ich ihn dann abstauben? Oder in den Garten stellen und hoffen, dass er kein Moos ansetzt?“ Briony schmollte kurz, fing dann jedoch herzhaft an zu lachen. „Du bist einmalig. Unmöglich, ein bisschen tollpatschig und… ach ja… unmöglich. Ah, aber darum mag ich dich ja auch!“ Immer noch lachend entriegelte sie das Auto.

Briony lachte sogar noch, als sie längst den Parkplatz verlassen hatten.

Rosalies Neugier

Weller-Opt. Verdammt nochmal, wo hatte ich den Namen denn schon mal gehört? Vielleicht nicht im Zusammenhang mit Alisa, aber der Familienname war mir bekannt. Jeden Moment würde über meinem Kopf eine Glühbirne schweben und mit dem berühmten ‚Aaaah’-Effekt aufleuchten.

Gleich.

Jeden Augenblick.

Nur noch eine Sekunde.

Ich holte tief Luft. Nun, dann eben nicht. Trotzdem war ich mir sicher, dass ich den schon mal gehört hatte. Oder gelesen. Nur wo? Vielleicht war es nur ein ähnlicher Name, denn Weller-Opt erschien mir nicht alltäglich. Möglicherweise…

Die Lippen fest zusammenkneifend, gab ich den Namen in die Suchmaske ein.

Na sieh mal einer an. Weller-Opt. Schwarz auf weiß. Zwar ein Mann, aber immerhin. Ohne zu überlegen klickte ich die Akte an, doch das war es auch schon. Statt dass mir diese geöffnet wurde, blinkte ein fettes ‚Zugriff verweigert’. Wahrscheinlich würden vorn beim Chef jetzt sämtliche Lämpchen blinken und ein Alarm losschrillen. Argh, hätte ich es nur auf sich beruhen lassen!

Eiligst schloss ich die Suchmaske und machte mich an meine eigentliche Arbeit. Nur fünf Minuten später traten zwei Uniformierte ohne Anzuklopfen in mein Büro und forderten mich auf, sie zu begleiten. Unruhig und mit äußerstem Unbehagen meine Hände verknotend, folgte ich den zwei Männern, die bis an die Zähne bewaffnet waren. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie ihre Gewehre auf mich gerichtet und damit vor sich hergetrieben hätten.

Im Endeffekt fühlte ich mich aber auch ohne diese übertriebene Geste wie ein Schwerverbrecher.

Michaals Nerven

Die Ellenbogen auf dem Schreibtisch abgestützt, vergrub Ribbert seufzend seinen Kopf in den Händen. Ein zweites Mal hatte er das Dokument von Alan studiert und hätte es sicher auch noch ein drittes Mal lesen können, ohne dass sich an dessen Inhalt etwas änderte. Joshua Kataman. Oder einfach Josh. Ribbert wusste, dass dieser ziemlich gereizt reagierte, wenn man ihn mit seinem ursprünglichen Namen ansprach und nicht mit der abgekürzten Variante. Er legte weiß Gott keinen Wert darauf, diesen Fehler zu begehen. Alan schickte ausgerechnet diesen aufgeblasenen Geparden zu ihm. Was bezweckte der Alpha des bannenden Rudels damit? Sicher, die Rudel waren durch das sich wiederholende Ritual eng miteinander verbunden und es bestand keinerlei Rivalität oder Aggressivität zwischen ihnen.

Doch der Gepard war ein anderes Kaliber.

Ribbert wusste, dass Josh sich dem Befehl seines Alphas nicht widersetzen konnte, obwohl er mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenso wenig Wert wie er selbst auf diese Begegnung legte. Natürlich könnte Ribbert seinen Rudelzweiten mit der Aufgabe betreuen, doch das Anliegen war zu wichtig, als es nicht selbst zu regeln. Ach was! Er wollte ganz einfach nicht, dass der Gepard mit seiner Schwester zusammenarbeitete, die nun mal den Posten des Rudelzweiten innehatte.

Bei jedem anderen Vertreter von Alans Rudel würde er ihr die Angelegenheit überlassen. Sie würde ihn darüber informieren und zusammen würden sie überlegen, wie weiter vorzugehen wäre. Ribbert hob den Kopf, rollte seine Schultern, die seltsam verkrampft waren, ließ seine Nackenwirbel knacken und ballte die Hände abwechseln zu Fäusten. Wie gern würde er Kataman die Kehle zerfetzen!

Verdammt!

Vermutlich dachte Alan sich überhaupt nichts dabei, weil er davon ausging, dass ein Alpha in der Lage war, sich zu benehmen.

Fluchend wischte er den Laptop vom Schreibtisch, der krachend gegen die Wand flog und seine letzten Bits aushauchte. Elise steckte den Kopf zur Tür herein. „Hey Bruderherz, alles ok?“ Er nickte knurrend, wobei er seine Zähne zeigte, die sich in die eines Wolfs verändert hatten. „Na klar doch. Und sicher trägst du Kontaktlinsen, weil du alles unter Kontrolle hast, hm? Deine Augen sind golden. Erzähl mir also keinen Schwachsinn!“ Sie war die einzige, die ihm gegenüber derart großschnäuzig sein durfte.

Sofern sie allein waren.

Grazil und lautlos bewegte sie sich auf ihn zu, legte ihre Hand unter sein Kinn und schaute zu ihm auf. „Komm schon Michaal, was ist los? Dein Laptop ist doch sonst dein ein und alles.“ Knurrend wich er ein Stück zurück, wobei er nach ihrer Hand schnappte wie ein tollwütiger Hund, als sie ihn aufhalten wollte. „Vorsicht, Elise. Ich bin weder zum Reden noch zum Spielen aufgelegt. Geh! Und schließ die Tür hinter dir!“ Schulterzuckend, ihm einen Kussmund zuwerfend, ging sie gemächlich schlendernd hinaus, wobei ihr knackiger Hintern aufreizend vor seinen Augen schaukelte. Oh, diese Göre wusste genau, womit sie ihn reizte. Ihr Vorhaben, eine Beziehung mit der Raubkatze einzugehen, war auch nichts weiter als eine ihrer Launen gewesen, um ihn aus der Fassung zu bringen. Wie damals, als sie ihm ihren Menschenfreund vorgeführt hatte. Diesen Schwächling!

Mühsam ächzend rang er um seine Selbstbeherrschung, die langsam, sehr langsam zurückkehrte. Er durfte niemandem gegenüber diese Schwäche zeigen. Er würde mit Kataman zusammenarbeiten, ohne sich anmerken zu lassen, wie sehr ihm dessen Gegenwart missfiel. Seiner Schwester musste er irgendwann den Hintern versohlen, damit sie kapierte, wer hier das Sagen hatte!

Und wenn das alles nichts half, musste er sie vor dem Rudel dominieren.

Alisas Geheimnisse

Das pulsierende Jucken unter ihrem Gips verdeutlichte Alisa, dass ihre Knochen heilten. Nicht annähernd so schnell, wie in der Gemeinschaft eines Rudels, aber schneller als bei einem normalen Menschen. Der Gips störte sie. Doch wenn sie als Mensch durchgehen wollte, musste sie das nervige Teil noch eine Weile tragen. Ein Problem, dass Alisa noch ungeschickter machte, als sie eh schon war.

Zum Beispiel unter der Dusche.

Oder beim Staubwischen.

Oder beim … ach, es war zum Heulen!

Sie war bloß froh, dass sie Brionys Mann keinen Deut interessierte. Denn als Vampir war er – soweit sie wusste – dazu in der Lage zu erkennen, wie es um ihre Gesundheit stand. Solange Alisa ihre tierischen Instinkte aber unterdrückte, roch sie angehend menschlich. Nicht komplett, aber nichts deutete auf die tierische Seite ihrer Erbanlage hin. Sie war sich sicher, dass er ahnte, dass sie nicht rein menschlich war. Doch er konnte vermutlich nicht sagen, womit er es genau zu tun hatte. Er hatte sie bis jetzt nicht darauf angesprochen. Alisa musste allerdings zugeben, dass er das auch nie tun würde, weil er sie kaum beachtete und demzufolge auch nicht an ihr schnüffelte.

Oder wie auch immer ein Vampir herausfand, was er wissen wollte.

Ein Kichern unterdrückend widmete sie sich der Treppe, die sie mit großer Sorgfalt wischte. Sie wollte keine Katastrophe herauf beschwören, darum ging sie sehr langsam dabei vor. Als sie jedoch ein Geräusch hörte und erschrocken herumfuhr, fegte sie mit dem Gips den Wassereimer um, dessen Inhalt sich platschend über die Treppe und den Vorraum ergoss. Argh, warum immer sie? Edgar kreischte; Alisa schlug die Augen nieder und schluckte. „Geh nach Hause, Alisa! Solange du diesen Gips trägst, bist du eine Gefahr für dich selbst und deine unmittelbare Umgebung.“ Alisa wagte es nicht, Edgar ins Gesicht zu sehen. Errötend und mit zitternden Lippen nickte sie. Sie war nah daran, einfach loszuheulen.

Langsam und vorsichtig, um nicht auch noch die Länge der Treppe beziehungsweise des Vorraums zu messen, stieg sie hinunter, mit gesenktem Kopf vorbei an Edgar, der sie jedoch ermahnte, darauf zu achten, wohin sie lief. Haha, als ob ihr das irgendwas nutzte!

Nur zehn Minuten später verließ Alisa das Anwesen. Wie auf Kommando fing es an zu regnen. Erst waren es nur ein paar Tröpfchen, und innerhalb von zehn Sekunden goss es aus vollen Kübeln. Ehe sie den Rucksack abgestreift und den Regenschirm entnommen hatte, war sie bereits patschnass. Leise vor sich hin fluchend, wollte Alisa sich im ersten Affekt umdrehen und von Edgar ein Taxi rufen lassen. Doch derartige Ausgaben waren nicht geplant. Ganz besonders jetzt, wo ihre Versicherung vermutlich ein weiteres Mal in die Höhe stieg.

Also trottete sie, einen Fuß vor den anderen setzend und dem Regen trotzend, die drei Kilometer bis zu ihrer Wohnung. Nasser konnte sie eh nicht werden. Das Wasser lief ihr den Rücken hinunter und sammelte sich zwischen ihren Pobacken. Ein widerliches Gefühl! Und als ob das nicht reichen würde, stolperte sie gut zwanzig Meter vor ihrer Wohnung über eine Bodendelle und legte sich der Länge nach auf den Gehweg. Nach einer Bestandsaufnahme feststellend, dass nichts gebrochen war, rappelte sie sich wieder auf, sah sich um – niemand hatte ihr Malheur bemerkt – und lief weiter. Der Gips war intakt. Lediglich ihre Jeans war kaputt. Gut, dass sie gleich mehrere davon im Sonderangebot ergattert hatte.

Sie verabscheute ihr ungeschicktes Selbst.

Andererseits war es weitaus gefährlicher, wenn sie ihr Wesen nicht unterdrückte und ihrem gemischten Genpool freien Lauf ließ. Wer weiß, ob Briony dann noch mit ihr befreundet sein wollte.

Klatschnass und vor Kälte zitternd schloss Alisa die Tür hinter sich, streifte mit klammen Fingern den Rucksack ab, ließ den Regenschirm und die Jacke an Ort und Stelle fallen, drückte mit einem quietschenden Geräusch die Schuhe von den Füßen und pellte sich aus der Jeans, die an ihr klebte, wie eine zweite Haut. Auch das Shirt, die Socken und die Unterwäsche zog sie aus. Nackt lief sie durchs Wohnzimmer zur Couch. Dort hüllte sie sich in eine flauschige Decke und setzte sich. Alle ihre Instinkte drängten sie, ihre Gestaltwandlersinne zu aktivieren. Doch mit geschlossenen Augen und gekreuzten Beinen auf der Couch hockend und tief ein- und ausatmend vor sich hin meditierend, hielt sie diesen Drang zurück.

Eine Stunde später hatte Alisa die nassen Klamotten in die Waschmaschine verfrachtet, die rumpelnd vor sich hin wusch, sich selbst unter der Dusche etwas aufgewärmt, sich einen heißen Tee mit ordentlich Zucker und Zitrone gemacht, hockte wieder auf der Couch, die Beine untergeschlagen, an ihrem Tee nippend und sah fern. Sie liebte Zitrone über alles, obwohl das ihrer Wergestalt die Haare sträubte.

Obwohl sie schon seit Jahren ihre tierische Seite unterdrückte, konnte sie die Abscheu deutlich fühlen.