Kitabı oku: «Das verlorene Seelenheil», sayfa 5
„Ja, das ist mir auch aufgefallen, sonst war bei dir alles immer viel schneller verheilt, seltsam“, grübelte er nach und sah ihn stirnrunzelnd an. „Wie fühlst du dich sonst?“
„Alles wieder gut, keine Schmersen mehr, keine Schwindel und auch sonst ist alles wieder beim Alten, deshalb wollte isch disch ja auch um etwas bitten“, hakte er leicht genervt nach.
„Ach ja! Und um was?“, fragte Marius neugierig.
„Naja, isch werde ja wohl bald von hier fortmüssen, aber isch habe keine Geld und da dachte isch mir, dass isch mir welsches verdienen könnte“, erwiderte Amanoue etwas verhalten.
„Ach! Und wie?“, wollte Marius skeptisch wissen und Amanoue setzte sich zurecht.
„Pass auf! Die meisten Soldaten hier können weder lesen noch schreiben und müssen immer su eine Schreiberling in die Stadt gehen, wenn sie jemandem eine Brief schicken möschten! Also dachte isch mir, dass das doch genauso gut isch für sie machen könnte, gegen eine kleine Obolus, selbstverständlisch. Nischd so teuer, wie diese Halsabschneider in die Stadt und sie bräuschten dann auch nischd eine freie Tag dafür opfern! Aber dafür bräuschte isch eine Grundausstattung, verstehst du?“, fragte er verlegen. „Also wollte isch disch bitten, ob du mir eine Feder, Tinte und einige Pergamentstücke besorgen könntest, isch würde es dir selbstverständlisch später surücksahlen.“
Marius hob erstaunt die Augenbrauen. „Du willst dir hier ein Schreibbüro einrichten? Das ist, echt, eine gute Idee! Ja, sicher, besorge ich dir alles was du brauchst, dafür!“
„Oh danke!“, rief Amanoue erleichtert und fiel ihm um den Hals. „Gibt es sonst eigendlisch was Neues?“, fragte er dann allerdings wieder recht geknickt und setzte sich zurück. „Wie geht es, IHM?“
Marius` Lächeln verschwand augenblicklich. „Wie immer! Sitzt da wie ein Ölgötze und vertreibt mit seiner miesen Laune jede Fröhlichkeit“, meinte er mürrisch. „Ihre Majestät packt schon ihre Sachen zusammen“, sagte er verständnislos. „Sie hat unzählige Bittbriefe und Gnadengesuche an ihn geschickt und er hat alle abgelehnt! Weißt du, auch wenn sie ihn betrogen hat, tut sie mir doch leid! Sie ist doch noch so jung und schön und sie war immer so nett zu jedermann und nun muss sie sich in ein Kloster zurückziehen! Der alte Dreckskerl hat sie doch auch jahrelang betrogen und hintergangen, aber das steht in keinster Weise zur Debatte! Ist das nicht ungerecht? Auch dir gegenüber! Ich verstehe es sowieso nicht, dass du ihm immer noch nachtrauerst! Immerhin hast du ihm mehrmals das Leben gerettet und er schert sich einen Dreck darum, was aus dir nun wird“, schimpfte er wütend los.
Amanoue ließ seufzend den Kopf hängen. „Immerhin `at er mir meine Leben gelassen, also steht meine Leben, für seine und damit sind wir dann wohl quitt“, antwortete er traurig. „Und, isch kann es ihm wirklisch nischd verdenken, dass er so reagiert hat. Er muss misch doch dafür hassen, weil isch ihm das angetan `abe und ihm seine Hers gebrochen habe. Dabei habe isch ihn doch geliebt und isch liebe ihn immer noch, was war isch doch für eine Idiot!“
„Oh ja!“, meinte Marius zustimmend. „Du bist in der Tat ein Idiot, wenn du immer noch so für ihn empfindest! Ich wollte es dir eigentlich ersparen, aber jetzt sage ich es dir trotzdem! Seine Majestät hat anscheinend bereits einen Ersatz für dich gefunden“, presste er geradezu angewidert hervor. „Ja, da staunst du, hm? Ein neuer Knappe“, sagte er voller Spott. „Seit gut zwei Wochen ist der erst hier und hat seine Majestät“, wieder betonte er es höhnisch, „bereits um den Finger gewickelt und fest im Griff! Du kannst dir gar nicht vorstellen, was dieser Rotzlöffel sich alles rausnimmt! Er sitzt sogar bei den Audienzen neben Henry! Auf dem Boden! Auf einem dicken Sitzkissen, wie ein Schoßhund und beide flüstern ständig miteinander und er macht sich über die Bittsteller lustig! Und was macht seine Majestät? Guckt darüber hinweg und lächelt! Also, du brauchst dir wegen ihm echt keinen Kopf zu machen, dein Henry hat längst wieder einen, der ihn über dich hinwegtröstet!“, warf er ihm hart entgegen.
Amanoue blinzelte einige Male verstört, doch dann nickte er leicht. „Ist doch schön, wenn er wieder jemanden gefunden hat und ich wünsche es ihm von gansem Hersen. Hoffentlisch kann diese Junge ihn auch wirklisch wieder glücklisch machen“, erwiderte er relativ gelassen, aber der Schmerz in ihm war unübersehbar.
Marius schnaubte verständnislos. „Du bist einfach zu gut, für diese Welt“, brummte er. „Also ich könnte ihm das nicht so einfach vergeben und erst recht nicht verstehen und das habe ich auch Gregorius gegenüber nicht vor! Wenn er dieses Mal wieder sein Versprechen bricht, dann hau ich eben alleine ab und er kann hier allein versauern oder weiterhin Henry anhimmeln“, knurrte er eifersüchtig.
„Hm?“, machte Amanoue verwirrt und Marius verdrehte die Augen.
„Irgendetwas stimmt da nicht, zwischen den beiden! Ich bin doch nicht blöd! Zuerst hat er kein gutes Haar an ihm gelassen, wollte ihn sogar mehrmals verlassen und jetzt nimmt er Henry ständig in Schutz! Seine Majestät hier und da, er bräuchte ihn eben, der arme Henry und hätte doch niemanden, mit dem er reden könnte, warum ich das nicht verstehen würde und so weiter! Blablabla! Ich kann es nicht mehr hören!“, regte er sich wütend auf.
„Er braucht doch auch wirklisch jemanden, dem er sisch anvertrauen kann und Gregorius ist eine gute Suhörer! Sischer, sind sie nur gute Freunde…“
„Freunde?! Gregorius hat ihn regelrecht gehasst, nachdem was dieser Mistkerl dir alles angetan hatte und jetzt plötzlich sagt er, man müsse auch ihm Verständnis entgegenbringen! Nee, wirklich nicht!“, schüttelte Marius energisch den Kopf. „Und eines sage ich dir, solltest du wirklich weggehen müssen, dann warte ich keinen Augenblick länger und bin ebenfalls fort! Ob mit oder ohne Gregor!“, sagte er entschieden.
„Liebst du ihn denn nischd mehr?“
„Natürlich liebe ich ihn noch! Er ist die Liebe meines Lebens! Aber ich werde mir deshalb das auch nicht länger antun! Wenn er sich für seine Majestät entscheiden sollte, dann werde ich ohne ihn gehen!“, antwortete Marius mit verschränkten Armen.
„Das tut mir escht leid“, murmelte Amanoue betroffen und Marius schnaubte wie ein Stier.
„Mir auch!“, zischte er und stand auf. „Ich geh jetzt wieder rüber, wir haben einige stark erkältete Bedienstete drüben, um die ich mich kümmern muss! Also bis morgen, ja? Ich bringe dir dann das Schreibzeugs mit“, meinte er versöhnlicher und Amanoue nickte ihm dankbar zu.
Und somit eröffnete Amanoue zwei Tage später sein eigenes kleines Schreibbüro, das er sich kurzerhand in einer Ecke des Schlafraumes einrichtete. In der Tat konnten die meisten der gewöhnlichen Gardisten weder lesen noch schreiben und wenn doch, so konnten sie gerademal ihre Namen zu Papier bringen und damit hatte Amanoue erst einmal alle Hände voll zu tun. Jetzt, da auch die Botenreiter wieder ausgeschickt werden konnten, wollte beinahe jeder eine Nachricht nach Hause senden und Amanoue erschrak beinahe über die lange Schlange, die sich vor seinem improvisierten Schreibtisch gebildet hatte.
„Ach du liebe Seit!“, entfuhr es ihm und er blickte an den wartenden entlang.
„Da hast du dir ja was Schönes aufgehalst“, meinte Finn grinsend und Amanoue entkam ein kleiner Seufzer.
Selbstverständlich kamen die Jungs zuerst dran und so begann Finn ihm den ersten Brief zu diktieren. Der nächste, Matto, beugte sich tief zu ihm hin und flüsterte geradezu die Worte, die Amanoue für ihn aufschreiben sollte und bald kniff der die Augen konzentriert zusammen. „Was?“, fragte er, weil er den letzten Satz nicht verstanden hatte. „Kannst du bitte lauter spreschen?“
„Nein“, raunte Matto leise zurück, „das geht denen schließlich nichts an!“
„Ach so! Ja, ähm…“, stotterte Amanoue, als Brac mit lauten Schritten herantrat.
„Was zum Geier, is`n hier los? Habt ihr sie noch alle? Das ist unser Schlafraum und ihr trampelt alle mit euren dreckigen Stiefeln hier rein, wie `ne Horde Rindviecher! Wer soll`n das wieder saubermachen?! Raus hier, aber schnell“, donnerte er die dicht gedrängten Soldaten an. „So geht das nicht!“, fuhr er den verdutzten Amanoue an, „hier is ja mehr los, als drüben in der Halle!“
Amanoue zog den Kopf ein und hob unschuldig die Schultern. „Tschuldige, mit so viel Andrang `abe isch escht nischd gereschnet und isch werde nachher alles wieder pudsen.“
„Da brauchst du ja noch die halbe Nacht! Nee, mein Freund, bei aller Liebe und Verständnis, du musst das anderes koordinieren!“, lehnte Brac dennoch rigoros ab.
„Ja, ein bisschen mehr Privatsphäre wäre echt nicht schlecht, muss ja nicht jeder zuhören, was man dir sagt“, mischte sich Matto wieder dazwischen.
Brac sah ihn an, als hätte der sie nicht mehr alle und zeigte zum Ausgang. „Raus hier! Wer nicht hier reingehört!“, brüllte er mit seiner Bärenstimme und die Soldaten zogen murrend Leine. „Kleiner, das geht echt nicht, tut mir leid! Also entweder du lässt die nur einzeln hier rein und ohne Stiefel, was wir an Gestank aber dann bald nicht mehr ertragen würden, oder du suchst dir ein anderes Büro! Benny hat sich bei mir beschwert, weil er sich `ne Stunde aufs Ohr hauen wollte, was ich dieses Mal auch wirklich verstehen kann, da er Nachtwache hat und weißt du, was er mir sagte? Dass die ihn nicht vorbeigelassen haben und er sich gefälligst hintenanstellen sollte, wenn er da rein wolle! In seinen eigenen Schlafraum! Manou, das geht so nicht, in diesem Fall muss ich auf seiner Seite stehen“, sagte er bestimmt.
Amanoue atmete frustriert durch und nickte. „Du hast reschd, das habe isch nischd bedacht und bitte Benny“, sagte er kleinlaut zu dem, „es tut mir leid. Natürlisch kannst du disch hinlegen, wann immer du es möschtest. Isch werde sofort meine Sachen susammenpacken.“
„Ach ja? Und der ganze Dreck? Und schau dir mal die Betten an! Die haben sich einfach draufgesetzt und alles beiseitegeschoben!“, meckerte der ihn mit vor der Brust verschränkten Armen an.
Amanoue schluckte betroffen und biss sich auf die Unterlippe. „Oje!“
„Ja, oje! Oh Mann, du bist und bleibst `ne Nervensäge“, beschimpfte Benny ihn noch wütend und marschierte zickig wieder vor zu seinem völlig zerwühlten Bett. „So `ne Scheiße, Mann“, zeterte er, während er es einigermaßen wieder zurecht machte und Amanoue bekam einen hochroten Kopf.
„Isch hole schonmal die Pudsseug“, nuschelte er verlegen und schmuggelte sich an Brac vorbei.
Tags darauf eröffnete er sein Büro in der Rüstkammer und vergab zu allererst feste Termine an die Soldaten.
***
Die Audienz war in vollem Gange und wie gewöhnlich auch mal wieder recht lautstark. Zwei Händler stritten sich gerade, während sie sich gegenseitig des Betruges bezichtigten. Henry war bereits völlig genervt von ihrem Gezeter, als sich Laurin plötzlich mitten durch die aufgeregte Menge schob. „Eure Majestät!“, rief er mit seiner noch etwas kindlichen Stimme und tänzelte aufgeregt heran. Ohne auf die beiden Streithähne zu achten, hüpfte er die Stufen hinauf und hielt dem König seine zu einem Ball übereinander gelegten Hände hin. „Seht doch nur!“
Henry hob überrascht die Augenbrauen und starrte darauf. Laurin nahm die obere Hand weg und präsentierte einen Zitronenfalter auf seiner unteren Handfläche. Unwillkürlich war es still geworden und aller Augen richteten sich auf den Jungen. Der hübsche Schmetterling hob und senkte die gelben Flügel, was ein leises, schabendes Geräusch verursachte und auf den Lippen des Königs breitete sich ein zaghaftes Lächeln aus. „Ist der nicht hübsch?“, fragte Laurin und sah ihn so zauberhaft unbedarft an, dass sich Henrys erkaltetes Herz augenblicklich ein klein wenig wärmer anfühlte.
„Ja, sehr“, sagte er und Laurin strahlte heller als die Sonne.
„Und er bringt Glück!“, rief Laurin überzeugt aus. Der Schmetterling hob flatternd ab und flog über ihre Köpfe davon. „Huch“, machte der Junge fast ein wenig erschrocken und blickte ihm wehmütig nach. „Jetzt ist er fort!“, meinte er achselzuckend und Richard räusperte sich vernehmlich.
„Merkst du nicht, dass du die Audienz störst?“, fragte er vorwurfsvoll und deutete auf die raunenden Leute.
„Oh!“, entkam es Laurin nur und er lächelte den König an. „Tut mir leid!“
„Das macht nichts, die gingen mir eh auf die Nerven“, meinte Henry leise zu ihm hin und der Junge kicherte in seine vorgehaltene Hand. „Du gehst trotzdem besser nach hinten, hm? Stell dich neben Kai“, sagte der König ungewöhnlich milde und Laurin grinste breit.
„Ich weiß was Besseres!“, sagte er mit erhobenem Zeigefinger und marschierte hinüber zu einer der an den Wänden stehenden Sitzbänken. Kurzerhand nahm er sich ein Kissen, natürlich das dickste und größte und trabte damit zurück. Wieder genau vor Henrys Thron, schräg neben dessen Füßen, legte er es auf den Boden und setzte sich, den König einschmeichelnd anlächelnd, darauf.
„Äh, aber, das geht doch nicht“, stammelte Richard fassungslos und sah auffordernd zu Henry, der allerdings nur lässig die Achseln zuckte.
„Warum denn nicht? An Eurer Seite sitzt immerzu diese hechelnde Töle, da kann ich mir doch auch ein kleines Schoßhündchen zulegen“, meinte er fast herausfordernd zärtlich und strich dem Jungen sogar noch lächelnd über die Wange. „Bleib nur sitzen, aber du musst still sein, ja?“, sagte er, ganz so als würde er tatsächlich zu einem Hündchen sprechen.
Richard durchbohrte zuerst ihn und dann Wilhelm mit einem geradezu tödlichen Blick. „Na Bravo, da hast du ja was Feines angerichtet“, zischte er hinter Henrys Rücken letzterem zu. „Sieh bloß zu, dass du den wieder loskriegst!“
Wilhelm hob entschuldigend die Hände. „So, habe ich es mir sicher nicht gedacht, aber zumindest hat sich Henrys Laune erheblich gebessert, das ist doch schonmal was, oder?“
„Was ist mit mir?“, fragte der prompt und wandte sich um.
„Nichts, Bruder, mach nur weiter“, wiegelte Wilhelm ab und so widmete sich der König wieder den beiden Nervensägen vor ihm, die ihren Streit wieder lautstark aufgenommen hatten.
Nach dem Mittagsmahl, dem Laurin auf Richards Geheiß hin nicht hatte beiwohnen dürfen, zog sich Henry wie immer für eine Stunde in seine Gemächer zurück. Laurin, der beharrlich vor der Tür zum kleinen Saal gewartet hatte, folgte ihm wie selbstverständlich nach, oder besser gesagt ging er eiskalt neben dem König her und das letzte Stückchen lief er sogar noch voraus. Er öffnete die Türe und marschierte ohne auf Henry zuwarten, hinein. Kai war so verblüfft darüber, dass er für einen Moment wie erstarrt stehenblieb und auch die beiden Wachen schienen fassungslos über die Dreistigkeit des Jungen zu sein. Der König selbst hatte nur die Augenbrauen gehoben und schlenderte seinem neuen Pagen lächelnd hinterher. „Normalerweise betrete ICH als erster mein Gemach“, sagte er mit ermahnender Miene und Laurin wirkte ehrlich erstaunt.
„So? Oh, das wusste ich nicht!“, antwortete er und legte keck den Kopf schief.
„Und eigentlich, wäre jetzt zumindest eine Entschuldigung fällig!“, platzte es aus Kai heraus. „Was erlaubst du dir noch alles, hm?“
Laurin zeigte sich keineswegs betroffen über die Rüge und zuckte hochnäsig die Achseln. „Ja, in einem muss ich dir rechtgeben, eine Entschuldigung wäre allerdings fällig! Also, ich warte“, sagte er zum König hin, verschränkte die Arme und tippte ungeduldig mit einem Fuß auf und ab.
Henry begann einfach zu lachen und er lachte, wie lange nicht mehr. Auch über Kais verdutztes Gesicht, aber am meisten über diesen rotzfrechen Lümmel, der mit trotziger Miene vor ihm stand. „Lacht Ihr mich etwa aus?! Ich finde schon, dass ich eine Entschuldigung verdient habe, immerhin habt Ihr es zugelassen, dass Euer Onkel mich nicht mitspeisen ließ! Was denkt Ihr eigentlich, von was ich hier leben soll? Etwa von dem Fraß, den man mir in der Küche vorsetzt?!“, erdreistete der sich zu sagen.
„Fraß?! Das ist das normale, tägliche Essen, für die Bediensteten!“, schimpfte Kai wieder los. „Es reicht jetzt wirklich langsam! Mach, dass du rauskommst, du freches Ding!“, rutschte es ihm ganz nach Sebastians alter Manier heraus, wenn dieser früher immer Amanoue auf diese Weise ermahnt hatte und sofort war Henry wieder still.
Der König schnaufte zwangsläufig schwer durch, bei der Erinnerung an die beiden und Kai erkannte augenblicklich seinen Fehler. „Vergebung, Eure Majestät, das wollte ich nicht“, stammelte er betreten und Henry sah ihn an.
„Schon gut, Kai“, meinte er und drehte ihnen den Rücken zu. „Ich möchte allein sein, geht, beide“, raunte er, plötzlich mit belegter Stimme.
Während Kai sich mit einer betretenen Verbeugung abwandte, blickte Laurin ganz offen auf Henrys bebende Schultern. „Was ist mit Euch? Eure Majestät?“, fragte er erstaunt und ging zu ihm. „Eure Majestät, es tut mir leid, ehrlich“, sagte der Junge vorsichtig und vollkommen ahnungslos. „Seid Ihr meinetwegen böse?“
Henry schüttelte langsam den Kopf. „Ich bin nicht böse“, antwortete er leise, „und sicher nicht, auf dich.“
„Warum seid Ihr immer so traurig?“, fragte da Laurin frei heraus und wagte es ihm sachte eine Hand auf den Oberarm zu legen, was Henry regelrecht erzittern ließ.
„Lass ihn los!“, schrie Kai erbost, eilte hinüber und stieß ihn grob weg. „Wie kannst du es wagen, den König anzufassen!“
Laurin schien nun doch erschrocken zu sein und zum ersten Mal senkte er wirklich erschüttert über sein Handeln, den Kopf. „Vergebt mir, Eure Majestät“, murmelte er verlegen, nur um gleich wieder aufzusehen. „Ich möchte Euch doch nichts Böses, ganz im Gegenteil sogar! Ich sehe doch, dass Euch etwas quält und dies ist mir schon von Anfang an aufgefallen. Alle reden hinter Eurem Rücken, über Euch, nennen Euch `ihren traurigen König´, was ja noch recht nett klingen mag, denn ich hörte schon andere Bezeichnungen, die man Euch gibt! `Trauerkloß´, oder `mürrischer, alter Plagegeist´, nennen sie Euch in der Küche und nicht nur da“, empörte er sich, auch mit einem Seitenblick auf Kai, der daraufhin ertappt die Lippen zusammenkniff.
„Naja, ganz unrecht haben sie da wohl nicht“, brummte der König und drehte sich seufzend wieder zu ihnen um. „Die letzten Monate war ich wirklich nicht gerade freundlich und umgänglich. Ist schon gut, Kai, er hat ja recht und wenigstens ist er ehrlich zu mir und heuchelt mir nichts vor!“
„Eure Majestät, ich habe nie…“, erwiderte Kai kleinlaut und Henry schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab.
„Lass es, Kai! Oder denkst du im Ernst, ich wüsste nicht, was du über mich denkst? Was alle, über mich denken? Dass ich ein gefühlloser, undankbarer und empfindungsloser Egoist bin, der seine Gemahlin zwingt in ein Kloster zu gehen und…“ Henry konnte den Namen noch immer nicht aussprechen, es ging einfach nicht, `Amanoue rausgeworfen hat´, dachte er den Satz zu Ende. Und sah bitter zur Seite.
„Seht Ihr, genau das ist es, was ich meinte“, mischte Laurin sich sanft dazwischen. „Dieser traurige Blick und dieser fürchterliche Schmerz, auf Eurem Antlitz. Vielleicht kann ich Euch ja helfen darüber hinwegzukommen, über was auch immer“, sagte er achselzuckend. „Zumindest davon ablenken, hm?“, meinte er so spitzbübisch, dass Henry tatsächlich leicht schmunzeln musste. „Und ich weiß auch schon, wie!“, rief er, darüber ermutigt und grinste breit. „Was haltet Ihr davon, wenn wir heute Abend zusammen speisen?! Nur wir beide und zwar hier! In Eurem Gemach und zwar nach römischer Sitte! Oh ja, bitte“, klatschte er erfreut über seinen eigenen Vorschlag in die Hände. „Bitte, Eure Majestät, ich werde mich auch um alles kümmern“, bettelte er und Henry kaute kurz skeptisch an seiner Unterlippe. „Ich verspreche Euch, dass Ihr es nicht bereuen werdet und, Ihr werdet begeistert sein!“ Laurin sah ihn so herzerweichend an, dass Henry schließlich nur noch nicken konnte. „Oh, danke!“, rief sein Page und wäre ihm beinahe um den Hals gefallen. Im letzten Moment hielt er jedoch noch inne und verzog verlegen den Mund. „Verzeiht mir, ich bin manchmal etwas ungestüm.“
Henry schnaubte leise, wie immer, wenn er sich im Stillen über etwas amüsierte. „Schon gut“, meinte er nur wieder und schon strahlte der kleine Wirbelwind wieder.
„Dann bis heute Abend, ja? Und denkt daran, vorher nichts essen!“, sagte er ermahnend und stürmte hinaus.
„Bitte vergebt mir, Eure Majestät“, wagte Kai sich dazu zu äußern, „aber vielleicht wäre es besser, wenn Ihr diesen Burschen nicht so vertraulich entgegenkommt? Ich meine nur, Ihr kennt ihn doch gar nicht und er erdreistet sich Dinge zu tun oder zu sagen, dass man nur noch fassungslos danebensteht!“
„Ich kann mich zwar nicht daran erinnern, dich um deine Meinung gebeten zu haben, aber nun gut, jetzt hast du sie kundgetan“, raunte Henry achselzuckend und ging nach hinten in sein Schlafgemach. „Wecke mich in einer halben Stunde, falls ich einschlafen sollte!“
Kai hätte ihm am liebsten etwas hinterhergeworfen und nicht nur verbal. „Wenn doch nur Sebastian hier wäre“, murmelte er vor sich hin, drehte die Sanduhr um und hockte sich demonstrativ trotzig auf eine der Liegen. Noch am gleichen Tag verfasste er eine Nachricht an Sebastian und klagte dem darin sein Leid.
***
Laurin hatte nicht zu viel versprochen, denn als der König am Abend wieder zurück in sein Gemach kam, staunte er nicht schlecht. Der Mosaiktisch war überfüllt mit allerlei Köstlichkeiten, gebratene Hühnerkeulen, gedünstetes Gemüse, gekochter Schinken, bereits in Scheiben geschnitten, helles Brot, Käse und eine Schüssel mit kandierten Früchten waren darauf angerichtet und Laurin selbst war wie ein Römer mit einer antikanmutenden weißen Toga bekleidet. Um seine Stirn lag ein goldener Reif und auch das kniekurze Gewand wurde von goldenen Spangen über den nackten Schultern zusammengehalten. Der Junge empfing ihn mit einem strahlenden Lächeln und einem geradezu herausfordernden „Na!“, auf den Lippen und brachte Henry damit prompt wieder zum Lachen.
„Du hast dir wirklich viel Mühe gegeben und in der Tat nicht zu viel versprochen! Ich bin, was soll ich sagen, doch überrascht“, meinte er ehrlich beeindruckt und der Kleine strahlte glücklich.
„Wein?“, fragte er und beeilte sich zwei Becher einzuschenken. Einen davon reichte er Henry und der nahm ihn lächelnd entgegen. „Bitte, mein König, nehmt doch Platz“, forderte Laurin ihn auf und Henry setzte sich auf die vordere Liege. „Hm“, machte der Junge nachdenklich und sah zu Kai, der sauertöpfisch etwas abseitsstand. „Wäre es zu vermessen, wenn ich dich bitte, mir ein wenig zur Hand zu gehen? Wärst du so nett und würdest seine Majestät bedienen? Im Liegen geht das ja wohl schlecht“, erklärte er liebenswürdig.
Kais Gesicht entglitt regelrecht und sein Mund öffnete sich, allerdings weil ihm im wahrsten Sinne die Kinnlade herunterfiel. „Danke, Kai!“, antwortete Laurin daher selbst, trippelte um den Tisch herum und nahm die zweite Liege in Beschlag. Er legte sich sofort seitlich darauf und Henry warf einen Blick auf dessen nackte Beine. Er trug tatsächlich hochgeschnürte römische Sandalen und die Riemchen reichten bis unter die Kniekehlen.
„Hübsche Schuhe“, sagte er und deutete schmunzelnd darauf, was Laurin erröten ließ.
„Habe ich mir auch aus Rom mitgebracht“, flötete er, sich ein wenig genierend windend.
Henry nickte nur und trank einen Schluck. „Ähm, ja, dann lass uns doch anfangen, ich bin wirklich hungrig“, meinte er und Kai stampfte heran wie ein wütender Ochse. Unwirsch spießte er eine der Fleischscheiben auf und pfefferte sie auf einen der Teller.
„Gemüse?“, fragte er brummig und Henry nickte, wenn auch leicht irritiert. Kai nahm eine Kelle voll davon, klatschte es daneben und stellte den Teller lautstark vor dem König ab, während Laurin sich selbst etwas von den Speisen nahm.
Genüsslich begann er zu essen und auch Henry widmete sich seinem nicht gerade ansehnlich aussehenden Mahl. Wenigstens schmeckte es vorzüglich, der Schinken war zart und saftig und so sah er darüber hinweg. Als des Königs Becher leer war, hob der diesen um sich nachschenken zu lassen hoch, doch Kai reagierte nicht darauf. „Seine Majestät hätten gerne noch etwas Wein“, sagte Laurin liebreizend und dem Diener platzte der Kragen.
„Dann schenke ihm welchen ein! Die Karaffe steht doch genau vor deiner Nase, du Wicht“, fuhr er den Jungen unbeherrscht an.
„Kai!“, entkam es Henry empört, „was ist denn los mit dir?“
„Was mit mir los ist?! Ich habe die Schnauze sowas von gestrichen voll!“, fauchte Kai zurück. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und verließ wutentbrannt das königliche Gemach.
Die beiden starrten ihm nach, sahen sich an und begannen zu lachen. „Herrje, was war das denn?“, kicherte Laurin überaus amüsiert und Henry schüttelte nur den Kopf über das Verhalten seines Dieners.
„Wenn das so weiter geht, werde ich mich in Zukunft wohl wirklich noch selbst bedienen müssen“, meinte er nachdenklich und schenkte sich eben selbst ein. „Irgendwie laufen mir in letzter Zeit alle Diener weg!“
Laurin zuckte die schmalen Schultern. „Wir brauchen ihn doch eh nicht und so ist es doch wesentlich intimer. Nur wir zwei, hier allein“, hauchte er mit einem verheißungsvollen Augenaufschlag.
Der König sah ihn schief an und räusperte sich leise. Von der etwas seltsamen Situation irritiert, trank er rasch einen großen Schluck und beobachtete mit wachsender Unruhe, wie Laurins Toga immer mehr verrutschte. Nicht nur der obere Teil, eine Schulterseite war nach unten gerutscht und entblößte mittlerweile eine Brusthälfte des Knaben, auch der Saum glitt merkwürdigerweise immer höher und gab einen guten Ausblick auf dessen milchweiße Schenkel preis. „Tja, wie wäre es mit etwas Süßem, zum Nachtisch?“, fragte er etwas verlegen und Laurin setzte sich auf.
„Oh ja, sehr gerne! Und ich wüsste auch, wo Ihr Euren Nachtisch vernaschen könntet“, antwortete er lasziv und stand mit einer fließenden Bewegung auf.
„Ähm“, machte Henry, sich schon in Abwehrstellung begebend, doch der Junge ging einfach an ihm vorbei und schlenderte hinüber ins Schlafzimmer. Der König war erst einmal baff über diese erneute Ungeheuerlichkeit und marschierte ihm schließlich hinterher.
Tatsächlich lag der Kleine bereits erwartungsvoll auf dem Bett und löste sich gerade verführerisch die Riemchen der Sandalen. „Was machst du da?“, fragte Henry fast amüsiert.
„Ich bereite Euren Nachtisch vor“, antwortete Laurin und ließ die erste Sandale verheißungsvoll baumeln, bevor er sie fallen ließ.
Henry legte grübelnd einen Zeigefinger vor die Lippen und verschränkte dann die Arme. „Wenn du dich damit meinen solltest, muss ich dich enttäuschen. Ich pflege mein Bett nicht mit Kindern zu teilen, also verlasse es bitte“, erwiderte er gelassen.
Laurin schnürte die zweite Sandale auf und warf sie ihm vor die Füße. „Ich bin kein Kind mehr, immerhin bin ich schon fünfzehn und werde bald sechzehn“, meinte er hochnäsig und Henry lachte kurz auf.
„Und damit zumindest noch ein halbes! Und jetzt raus, aus meinem Bett!“, wurde er um einiges deutlicher.
„Wollt Ihr nicht wenigstens davon kosten?“, ließ Laurin sich nicht von seinem Verführungsversuch abbringen und schob sich die Toga ganz über die Schultern.
„Was hast du an dem gerade von mir Gesagtem nicht verstanden?“, fragte Henry ihn stirnrunzelnd. „Nochmal, ich gehe nicht mit dir ins Bett! Du bist mir zu jung! War das jetzt deutlich genug? Und wenn du jetzt nicht sofort machst, dass du da rauskommst, lasse ich dir den Hintern versohlen und zwar von Kai! Ich möchte wetten, dass der sich darüber mehr freuen würde, als über jedes noch so kostbare Geschenk“, erklärte er ihm geradezu sanft.
Laurin zog ebenfalls die Stirn kraus und schnaufte beleidigt aus. „Hat der alte Mann etwa Angst vor mir?“, versuchte er es deshalb auf die provokante Tour.
„Alter Mann?“, empörte Henry sich erheitert, „ich gebe dir gleich selbst was auf deinen kleinen Hintern! Ich bin nicht alt, ich bin noch nicht einmal dreißig!“
Laurin wirkte tatsächlich überrascht. „Wirklich? Ich habe Euch viel älter geschätzt, eher im Alter meines Vaters, so um die vierzig, mindestens“, schnappte er höhnisch zurück und jetzt reichte es Henry endgültig.
„Raus, du frecher Bursche! Und das ist jetzt die allerletzte Aufforderung!“, raunte er ernst und der Tonfall schien anzukommen. Der frühreife Bengel zog zwar eine beleidigte Schnute, rutschte aber doch aus dem Bett und hob zickig seine Sandalen auf. „So! Und versuche das nie wieder“, riet ihm Henry unmissverständlich und trat einen Schritt beiseite, um den Durchgang freizumachen. „Ach, und Laurin, vergiss nicht abzuräumen! Wenn du gehst, sei so gut und schicke Kai zu mir, ja“, meinte er noch milde und sah dem beleidigten Jungen kopfschüttelnd hinterher.
Allerdings schien die Abfuhr Laurin nicht weiter zu kümmern, denn tags darauf nahm er ohne sich etwas anmerken zu lassen, seinen Platz zu Henrys Füßen wieder ein und wirkte so fröhlich ungezwungen wie eh und je. Ganz anders Kai, der sich fortan eiskalt weigerte, Laurins Aufgaben zu übernehmen und so betrat der König am selben Abend ein unaufgeräumtes Gemach. Der Tisch war nicht abgeräumt, neben dem Abendmahl vom Vortag standen noch die Frühstücksreste, das Bett war nicht gemacht und der Nachttopf randvoll. Henry durchschritt seine Gemächer und blieb durchschnaufend stehen. „Kann mir mal einer erklären, warum es hier aussieht, wie in einem Schweinestall?!“, fragte er noch ruhig seine beiden Diener.
Laurin zuckte unschuldig die Achseln und Kai verzog keine Miene. „Ich erwarte eine Antwort!“, fuhr der König nun in einem wesentlich schärferen Ton die beiden an und Kai hob seine Hände.
„Eure Majestät, seht Ihr das?“, fragte er und nickte auch gleich. „Genau, ich habe nur zwei Hände und teilen, kann ich mich auch nicht! Meine Aufgabe ist es, Eure Majestät jederzeit zur Seite zu stehen! Ich soll Euch ankleiden, Euch nach unten begleiten, um Euch gegebenenfalls zu bedienen, auch während der Audienzen und beim Mittagsmahl, stehe mir, um es auf gut Deutsch zu sagen, den ganzen Tag die Beine in den Arsch, während Euer Page es sich auf einem Sitzkissen gemütlich macht und, während Eure Majestät ein Mittagsschläfchen hält, habe ich meine wohlverdiente Pause. Eigentlich, denn auch ich muss zumindest ab und zu Nahrung zu mir nehmen! Und, da ich einstweilen die Position Eures davongelaufenen Leibdieners übernommen habe, sehe ich nicht ein, in meiner mir zustehenden Freizeit auch noch die Aufgaben eines zweiten Dieners zu übernehmen, der ja eigentlich dann in der Zwischenzeit Eure Gemächer sauber halten sollte“, brachte er es auf den Punkt.