Kitabı oku: «Populismus leicht gemacht», sayfa 3

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An allem sind die Juden schuld … und die Kommunisten … und die Demokraten sowieso

Wir müssen aber natürlich nicht bis nach Ungarn schauen, um zu sehen, welche Auswirkungen eine gescheiterte Revolution haben kann. Die Räterepublik von München und ihre Niederschlagung im April 1919 hatten es schließlich genauso in sich! Die eigentliche Revolution begann in Deutschland schon deutlich früher als in Ungarn, und zwar im November 1918. In den meisten Teilen des Landes flaute die revolutionäre Laune im Laufe des folgenden Frühlings aber schon merklich ab. Nicht so jedoch in Bayern. Nach der Ermordung des revolutionären Ministerpräsidenten Kurt Eisner durch einen rechtsradikalen Attentäter heizte sich die Stimmung ab Februar 1919 erst so richtig auf und mündete Anfang April in der Ausrufung einer Räterepublik nach sowjetischem Vorbild. Die hatte mit ihrem fast zeitgleich entstehenden Pendant in Budapest auch sonst so einiges gemein. In Bayern wie in Ungarn waren Revolution und Räterepublik – soweit kann man es wohl sagen – nie von einer Mehrheit getragen. So genoss diese Republik auch nur in der Stadt München und in der unmittelbaren Umgebung eine gewisse Autorität. Bereits am 1. Mai 1919 war es mit dem Spuk wieder vorbei. Da marschierten antirevolutionäre Truppen in München ein, teils Anhänger des ehemaligen (oder nach seiner Meinung noch aktiven) sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Hoffmann, teils gewalthungrige Freikorps, Überbleibsel der Weltkriegsarmee mit oft rechtsradikalem Hintergrund.

Das Ende der Münchner Räterepublik war dann auch entsprechend blutig. Hunderte meist unschuldige Münchner wurden von den heranrückenden Truppen auf offener Straße ermordet. Als Resultat herrschten in der Stadt schon bald wieder „Recht und Ordnung“. So sehr sogar, dass München in der Folgezeit eine Kehrtwende um 180 Grad hinlegte und vom linksrevolutionären Hort zur „Ordnungszelle“ Deutschlands wurde. Nirgends waren das rechtskonservative und rechtsradikale Lager in der Zeit der Weimarer Republik stärker verwurzelt als hier. Der Feind war in diesem antirevolutionären Lager Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg bereits deutlich erkennbar. In allem, was in Deutschland seit dem Kriegsende schiefgelaufen war, gab es einen gemeinsamen Nenner: die Juden. Die Juden waren daran schuld, dass Deutschland den Krieg verloren hatte. Wir haben ja bereits über die Dolchstoßlegende gesprochen, die zwar ein schon damals offensichtliches Lügenkonstrukt war, trotzdem aber weitum geglaubt wurde. Darüber hinaus war nach Meinung der Rechtsradikalen auch die Räterepublik in München ein jüdisches Konstrukt. Gleichzeitig aber hielten die Juden nach wie vor alle Produktionsmittel und das Kapital der Welt in ihren Händen. Man wollte ja keine altehrwürdigen Vorurteile opfern, nur weil sich auch neue boten. Wie ein und dieselbe Gruppe zugleich den bolschewistischen Umsturz des Systems und die Profitmaximierung in eben jenem System betreiben konnte, das unter einen Hut zu bekommen, war ein besonderes Kunststück … Aber so genau hat damals wohl keiner nachgefragt. Für das Nachfragen sind Rechtsradikale ja auch heute noch nicht berühmt.

Nach der Niederschlagung der Münchner Räterepublik wurden diese rechten Meinungen in Bayern zum neuen Mainstream. Antisemitismus hatte es zwar schon lange gegeben, so massentauglich wie in der „Ordnungszelle“ war er aber noch nie gewesen. Es gab im München der Zwanzigerjahre ein Feindbild, das die Mehrheit der Menschen bereit war zu glauben. Der Feind, das waren die Kommunisten und als Verlängerung die Juden. Schon bald fand sich konsequenterweise auch jemand, der sich als Lösung für dieses Problem präsentierte: ein junger Österreicher namens Adolf Hitler. Und Hitler gab sich nicht damit zufrieden, die Ängste der Menschen und ihre etablierten Feindbilder auszunutzen, wie das die etwas denkfauleren Autokraten dieser Welt gerne tun. Er fachte diese Vorurteile aktiv an, um die Bedrohung durch den jüdischen Feind weiter aufzublasen. Bei der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten war der Weg somit schon geebnet. In Bayern – aber auch fast überall sonst in Deutschland – war der Antisemitismus im Laufe der Zwischenkriegszeit zur neuen Normalität geworden. Was mit rechten Verschwörungstheorien wie der Dolchstoßlegende begann, hatte es in breite Teile der Bevölkerung geschafft. In den Dreißigern hätten wohl die meisten Deutschen der Parole zugestimmt: Die Juden sind das Problem. Adolf Hitler und die Nationalsozialisten sind die Lösung. Als Folge war es für Hitler auch nicht sonderlich schwierig, über Nacht schwere Geschütze gegen diesen jüdischen „Feind“ aufzufahren. Ohne die vorangegangenen Jahre der Normalisierung des Unmenschlichen ist das Regime Hitlers nicht zu erklären. Ohne die Jahre, in denen von nationalsozialistischen wie anderen Seiten die Unterschiede zwischen „uns“ Deutschen und den „anderen“ heraufbeschworen wurden, kann man den folgenden Weg in Richtung Massenmord nicht verstehen. Gegen Adolf Hitler gab es im Volk jedenfalls keinen echten Widerstand, als er in den Dreißigerjahren mit der massiven Diskriminierung der jüdischen Mitbürger begann. Als er später den Zweiten Weltkrieg vom Zaun brach, war es für die Propaganda des Regimes bereits problemlos möglich, die deutschen Angreifer als die wahren Opfer darzustellen, so absurd das in Wirklichkeit anmutet. Denn sie wehrten sich mit diesem Angriffskrieg doch nur gegen die Bedrohung durch den ewigen Feind, das Weltjudentum! Und selbstverständlich hat in dem Kontext Polen zuerst geschossen. Noch im politischen Testament, das er kurz vor seinem Tod aufsetzte, legte Hitler auf diese Tatsache besonderen Wert. Nicht er hatte den Krieg begonnen, er war ihm und dem deutschen Volk durch das Weltjudentum aufgezwungen worden. Dass ihm die breite Mehrheit der Deutschen in dieser vollkommen geisteskranken Einschätzung zustimmte, zeigt uns die wahre Macht der Feindbilder. Trotzdem scheinen sie bis heute nichts an ihrer Beliebtheit unter autokratischen Zeitgenossen wie Ihnen verloren zu haben.

Mit denen ist kein Staat zu machen

Lassen Sie mich Ihnen an der Stelle noch eine Weisheit bezüglich Feindbilder mitgeben: Der Staat sind Sie – und Ihre Feinde sind somit die Feinde des Staates. Diese an sich banale Tatsache, die schon im absolutistischen Frankreich von anno dazumal zutraf, hat von ihrem Wert bis heute nichts verloren. Andere politische Gruppen sind nicht nur Ihre „Mitbewerber“, wie das in demokratischen Ländern gerne dahingesäuselt wird. Mit ihnen ist kein Staat zu machen, sie müssen geradezu mit Gewalt ausgemerzt werden. oder Ihre Nation ist dem Untergang geweiht! Diese Argumentation kennen Sie vielleicht. Sie wird besonders gerne von Parteien benutzt, die schon lange allein herrschen. Aber auch als (noch) Außenstehender können Sie sich dieser Tricks bedienen und die (noch) regierende Partei als Feind brandmarken, von dem der Staat schnellstmöglich befreit werden muss. In irgendeiner Form haben fast alle großen Diktatoren der Vergangenheit diesen Trick angewandt, wenn auch in unterschiedlicher Intensität. Ein lehrreiches Beispiel können wir im Österreich der Zwischenkriegszeit finden. Wie auch anderswo in Europa war die politische Lage im damaligen Österreich eine angespannte. Mit Ende der Donaumonarchie fand sich das Land plötzlich als demokratische Republik wieder, ohne nennenswerte Erfahrung in dieser Regierungsform aufweisen zu können. Schnell bildeten sich in dieser Lage zwei politische Blöcke heraus, die sich die Wählerschaft in vollkommener gegenseitiger Ablehnung untereinander aufteilten und sich anschickten, den neuen Staat im Alleingang zu führen. Auf der einen Seite dieses Kampfes standen die Sozialisten mit ihrer breiten Unterstützung innerhalb der seit Kriegsende erstmals wahlberechtigten Arbeiterschaft. Auf der anderen Seite bildeten sich die Christlichsozialen heraus, die die konservativen Kräfte des Adels, des Bürgertums, des Militärs und der Bauernschaft bündelten. Daneben gab es zwar noch kleinere Parteien, etwa die Deutschnationalen, doch die beiden Großblöcke teilten sich die Mehrheit der Wähler. Nach anfänglichen (wohl nie allzu ernst gemeinten) Versuchen der Zusammenarbeit wurde schnell klar, wohin die Reise in diesem Staat gehen würde. Die „Roten“ setzten sich mit einer absoluten Mehrheit in der Hauptstadt Wien fest und dominierten dort schon bald die politische Szene. Der Rest des Landes wurde „schwarz“. Durch das demografische Übergewicht Wiens in der österreichischen Gesamtbevölkerung waren die Ergebnisse der beiden Blöcke bei landesweiten Wahlen dennoch recht ähnlich, und die Sozialisten waren auch landesweit eine ernstzunehmende Kraft. Da sich aber alle politischen Kräfte rechts der Mitte einig darin waren, ihnen keine politische Mitbestimmung zu gewähren, wurden sie isoliert und im Nationalrat zur Daueropposition gezwungen. Die Christlichsozialen (und in geringerem Ausmaß ihre nationalistischen Partner) wussten spätestens zu diesem Zeitpunkt: Der Staat, das waren jetzt sie. Und bald wurde es Zeit, sich den Feinden zuzuwenden.

Dieser Kampf verlagerte sich binnen kurzem vom Parlament auf die Straße. In einem Land, in dem das Gewaltmonopol des Staates so gut wie nicht existierte, bildeten sich schnell die ersten rechten Milizen heraus, die auf den Straßen auf „Rote“ losgingen – die bedeutendste dieser Gruppen war die faschistische Heimwehr. Als Gegenmaßnahme gründeten die Sozialisten schließlich den Republikanischen Schutzbund. Man muss es wohl nicht erwähnen: Diese beiden paramilitärischen Gruppen gingen sich in den nächsten Jahren gehörig an die Gurgel, was die Zentralgewalt des Staates nicht nur einmal an den Rand des Untergangs brachte. Die Nähe zwischen Christlichsozialer Partei und den Heimwehren fluktuierte in dieser Zeit zwar, man arrangierte sich üblicherweise aber schnell. Denn auch wenn die Heimwehren im Gegensatz zu den eher traditionellen Christlichsozialen eine waschechte faschistische Bewegung darstellten, konnte man sich auf das gemeinsame Ziel einigen: Das große Feindbild, die Sozialisten, war mit allen Mitteln von der Macht fernzuhalten! Einen Höhepunkt erreichte das in den frühen Dreißigern. Zuerst war es die Heimwehr, die sich öffentlich vom Parlamentarismus abwandte und einen autoritären „Ständestaat“ forderte. Bald folgten ihr auch die sich rapide radikalisierenden Christlichsozialen unter Engelbert Dollfuß nach. Dieser neue Mann an der Spitze der Partei (wegen seiner wenig beeindruckenden Körpergröße von seinen Gegnern auch „Millimetternich“ genannt) brachte ohnehin einen wahren Zaubertrick zustande. Er schaffte es, die tief autoritäre Christlichsoziale Partei der Zwanzigerjahre noch weiter nach rechts zu rücken und dem Faschismus zu öffnen. Im Frühjahr 1933 war es dann soweit. Kanzler Dollfuß schaltete das Parlament aus und regierte den Staat von nun an offen autoritär. Neue Wahlen verbot er unter anderem mit der großartigen Begründung, dass das den Tourismus in Österreich einschränken könnte … In der Öffentlichkeit gab es außerhalb des sozialistischen Milieus trotzdem keine Aufschreie. Das Feindbilderschmieden der letzten Jahre hatte sich bezahlt gemacht, und von der Demokratie hielten die meisten ohnehin wenig. Das Parlament war für viele konservative Österreicher nicht mehr als das Sprachorgan der Sozialisten. Es zu schließen, war der einzig richtige Schritt.

Engelbert Dollfuß radikalisierte seine Regierung – getrieben vom fanatischen Feindbild der immer noch aktiven Sozialisten – nach Ende des Parlamentarismus stetig weiter, und am Schluss wurde sogar die Christlichsoziale Partei selbst aufgelöst, um in eine neue Staatspartei, die Vaterländische Front, überzugehen. Man gönnte sich bei der Gelegenheit sogar ein hippes neues Logo, das Kruckenkreuz. Ich bin nun zwar kein Anwalt, aber hätten es die Nazis versucht, hätten sie die Front wegen Markenrechtsverletzung drankriegen müssen, so ähnlich sah das Symbol dem Hakenkreuz. Um die endgültige Umwandlung in den „Ständestaat“ zu vollenden, musste Dollfuß nun nur noch die Sozialisten als politische Kraft ausschalten. Die Chance für einen zünftigen Frühjahrsputz ergab sich schließlich im Februar 1934. Da ging die Staatsführung daran, das Gewaltmonopol wiederherzustellen und die Waffenlager des Republikanischen Schutzbundes der Sozialisten auszuheben. Es fällt auf, dass die rechten Milizen und die Heimwehr kein Problem für dieses Monopol darzustellen schienen, obwohl sie mindestens auf genauso vielen Waffen saßen. Es kam, wie es vielleicht kommen musste, und die Militäraktion gegen den Schutzbund artete in einen dreitägigen Bürgerkrieg aus. Die Armee und die Heimwehren auf der einen und der Schutzbund auf der anderen Seite kämpften erbittert um die Gemeindebauten Österreichs, die sich in Festungen und Schlachtfelder verwandelten. Am Ende stand die totale Niederlage der hoffnungslos unterlegenen Sozialisten. Dem Aufbau des autoritären „Ständestaates“ stand nichts mehr im Weg. Na ja, außer vielleicht die Tatsache, dass Engelbert Dollfuß nur Monate darauf von Nationalsozialisten ermordet wurde. Aber was hätte er auch machen sollen? Man kann das Volk ja nicht verwirren. Ihnen zu erzählen, dass nun sowohl die Sozialisten ALS AUCH die Nazis Feinde des Staates waren, das war doch zu viel verlangt vom einfachen Bürger. Während die Sozialisten blutig zerschlagen wurden, konnten die Nazis in Österreich also in Ruhe weiterwerkeln. Erst nach der Ermordung Dollfuß’ zog sein Nachfolger Kurt Schuschnigg auch hier die Daumenschrauben an. Sein Regime endete trotzdem vier Jahre später im „Anschluss“. Die Führer des „Ständestaates“ Österreich sahen sich danach gemeinsam mit den von ihnen eingekerkerten Sozialisten im KZ wieder. Manchmal kennt die Geschichte ja doch Ironie.

Ein Feindbild will gepflegt sein

Auch wenn wir in diesem Kapitel über eine für uns Demokratieallergiker ganz besondere Zeit in der Geschichte Europas gesprochen haben, die nicht so ohne Weiteres auf andere Zeitpunkte umzulegen ist, sind die Lehren daraus noch immer aktuell. Gewisse Dinge ändern sich nicht, und ein Feindbild ermöglicht Ihnen nach wie vor einen Aufstieg zum Alleinherrscher, wo dieser ansonsten unvorstellbar wäre. Nur wenn eine existenzielle Gefahr besteht, wird Ihr Volk auch bereit sein, Ihnen ohne Widerrede die Zügel in die Hand zu geben. Was Sie dann mit den Zügeln machen, ist freilich Ihnen überlassen und kann vom Volk hingenommen werden oder nicht. Dann schickt man eben die Geheimpolizei. Nun leben wir heute zwar in weitaus weniger radikalen Zeiten als noch 1918. In jüngster Vergangenheit gab es in den meisten Teilen Europas keinen Krieg, es gab keine Revolution, und so gibt es eigentlich nichts, wogegen Sie sich stellen könnten. Das bedeutet aber nicht, dass Sie nicht trotzdem mithilfe von Feindbildern an Ihrer Machtbasis arbeiten könnten. Denn was ein Problem ist, entscheiden immer noch Sie! Heute reicht es ja schon, wenn eine Zeitlang etwas mehr Flüchtlinge als üblich über die Grenzen nach Deutschland kommen. Schauen Sie sich die AfD nur an! Das Feindbild „Flüchtling“ bringt der Partei seit Jahren stetige Gewinne ein, das noch ältere Feindbild „Islam“ spielt dem noch weiter in die Hände. Bei Pegida kann man sogar beobachten, wie die Feindbildmacherei auf ganz neue Ebenen gehoben wird. Da sind es dann plötzlich nicht mehr nur die Flüchtlinge und Muslime, die uns und unsere Lebensart in Deutschland bedrohen. Plötzlich trägt die Kanzlerin persönlich Schuld an alledem und wird zum Teil der Verschwörung. Danke Merkel! Auch der Antisemitismus ist im Europa des 21. Jahrhunderts noch lange nicht tot und findet in neuer Gestalt weiterhin begeisterte Anhänger. Sogar in obersten Regierungskreisen! Die modernste Gestalt des jüdischen Feindbildes ist dabei wohl George Soros, seines Zeichens Milliardär, Philanthrop und internationaler Geldjude vom Dienst. In seinem Geburtsland Ungarn steht er durch das Orbán-Regime schon seit Jahren im Kreuzfeuer und wird für so ziemlich alles verantwortlich gemacht, was schiefläuft. Die von ihm gegründete Central European University wurde aus dem Land gedrängt, und letzten Endes war Soros sogar persönlich an der „Flüchtlingskrise“ schuld, da dieser Jude aus New York doch offensichtlich eine „Umvolkung“ Europas plant. Inzwischen erfreut sich dieses neue antisemitische Feindbild weltweiter Beliebtheit. Überall reden autokratische Geister über diesen Mann. Denn „George Soros“ – das darf man noch sagen. Vom „jüdischen Kapitalisten“ zu reden, kommt heute dagegen nicht mehr so gut an. Das haben inzwischen alle verstanden, von Mitgliedern der FPÖ, die Soros die Unterstützung von Umsturzplänen in Osteuropa andichten (in klassischer 1919er-Tradition) bis hin zu Donald Trump und seinem ehemaligen Chefpropagandisten Steve Bannon, für die Soros sogar Schuld an den Migrationsbewegungen aus Lateinamerika trägt. Manche Feindbilder sind eben einfach zu gut, um sie aufzugeben. Nehmen Sie sich ein Vorbild. Konsequenzen scheint es ja keine zu geben, und auch das genannte Mitglied der FPÖ musste nicht wegen antisemitischer Ausfälle den Hut nehmen. Dazu musste Herr Gudenus dann doch erst nach Ibiza reisen.

Finden Sie Ideale und unterwandern Sie sie

Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Haben Sie diesen Spruch schon mal gehört? Er ist absoluter Blödsinn. Es gibt da so einiges auf dieser Welt, das mächtiger ist als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Eine sauber indoktrinierte Geheimpolizei zum Beispiel oder die Armee! Trotzdem haben die Menschen eine gewisse Schwäche für Ideen. Denn gut formulierte Ideen sind einleuchtend, wir können sie uns leicht merken und uns mit ihnen identifizieren. Wenn Sie gerade auf dem Weg zur absoluten Macht stehen – oder sich zumindest gerne den Glauben daran erhalten und ausbauen möchten – kann es also nicht schaden, ein paar Ideen mit auf diesen Weg zu bringen. Wobei: Echte Ideen sind vielleicht doch ein bisschen gar speziell. Da müssten Sie am Ende noch Ahnung davon haben, wovon Sie sprechen. Aber wozu Ideen, wenn es Ideale gibt? Ein Ideal, dieser kleine Bruder der Idee, ist etwas wahrlich Fantastisches. Im Gegensatz zur Idee muss ein Ideal nämlich gar nichts! Es muss keine tatsächliche Position wiedergeben, sondern kann aus einer Anhäufung leerer Phrasen bestehen. Mit der Hilfe von Idealen können Sie so tun, als ginge es Ihnen in der Politik um die Sache, als würde sich bei Ihnen nicht alles um sich selbst drehen und als ob Sie von Ihren Idealen und nicht etwa von der Aussicht auf die Macht getrieben würden. Umso vager Sie sich bei der Formulierung Ihrer Ideale halten, desto besser ist es am Ende für Sie. Ihr Ideal muss für möglichst viele Menschen intuitiv gut und richtig klingen, dann haben Sie schon einen weiten Teil des Weges hinter sich gebracht. Im Zeitalter des Marketings kann es darüber hinaus auch nicht schaden, wenn sich Ihre Ideale in eine einfache Formel pressen lassen, einen simplen Slogan. Wir wollen die Aufmerksamkeitsspanne des Volkes ja nicht überstrapazieren.

Einige Ihrer Kollegen führen das bereits auf beeindruckende Weise vor. Schauen Sie nur auf Donald Trump – und ja, jetzt stelle ich ihn in diesen Kontext. Während des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 ließ sich seine politische Linie mit einigen markanten, aber gleichzeitig völlig inhaltsleeren Slogans zusammenfassen. „Make America Great Again!“ Was soll das denn heißen? Was bedeutet denn „great“ genau? Und warum „again“? Wann war Amerika zuletzt „great“, und wie wollen wir dahin zurückkehren? Vollkommen egal! Hauptsache jene Amerikaner, die sich aus welchen Gründen auch immer abgehängt fühlen, können sich in den Slogans wiederfinden. Donald Trump bietet ihnen ein Ideal. Er will dem Land und vor allem den Abgehängten wieder zu alter Größe verhelfen, oder zumindest glauben ihm die Menschen das. Auch andere von Trumps Slogans verfolgen dieselbe Logik. „Drain the Swamp“ etwa. Den Sumpf trockenlegen. Das klingt doch super! Die Abgehängten fühlen sich von Washington nicht vertreten, die Politikerszene dort ist für sie ein großer Sumpf, der trockengelegt werden muss, und dieser Trump spricht genau das aus. Klasse! Das ist unser Mann! Da macht es dann auch nichts, wenn der Kerl in Wirklichkeit selbst Teil eines korrupten Systems ist, sich so gut wie ausschließlich auf eine Politik für die Superreichen des Landes konzentriert und in ziemlich jeden Skandal verwickelt ist, den man sich nur vorstellen kann. Doch um den Sumpf trockenzulegen, muss man eben erst mal knietief in ihn eintauchen, werden Trump-Anhänger entgegnen. Aber auf solche Diskussionen müssen wir uns nicht einlassen. Was Sie als Diktatorenaufsteiger mitnehmen sollten, ist klar: Machen Sie es wie Donald der Große. Finden Sie einfache Ideale, fassen Sie sie prägnant zusammen und hintergehen Sie sie dann nach Lust und Laune. Sie werden sehen: Im Nullkommanichts gelten Sie als Mann des Volkes. Oder Frau des Volkes, wobei Sie damit schon eine bemerkenswerte Ausnahme wären.

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