Kitabı oku: «Populismus leicht gemacht», sayfa 4

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Der Vater der Nation kümmert sich um seine Kinder

Es wird Sie kaum überraschen, wenn ich Ihnen sage, dass die Kommunisten in den letzten hundert Jahren unter allen Herrschern am erfolgreichsten darin waren, mit Idealen zu spielen – die gesamte Logik des Kommunismus baut darauf auf. Der Kommunismus steht für eine Ansammlung großer Ideale, die dann auf die eine oder andere Art aufgegeben werden, um eine Einparteienherrschaft durchzusetzen. Die „Diktatur des Proletariats“, das „Arbeiterparadies“, die „Gleichheit aller Menschen, Geschlechter und Nationalitäten“, der „kollektive Wohlstand“, „Freiheit“, das „Ende der Gewalt“ … all das sind Dinge, die der Kommunismus schon versprochen hat, und diese Ideale wurden in der sozialistischen Realität mit großer Verlässlichkeit auf so ziemlich jede erdenkliche Art gebrochen. Am schlimmsten traf es dabei aber wohl die Freiheit. Frei war man als Mensch in keinem kommunistischen Regime, das es auf dieser Welt jemals gegeben hat. Was die Sowjetführung nicht davon abhielt, den eigenen Staat als „freiestes aller Länder“ zu bezeichnen. Aber ich wiederhole es nochmal: Das ist vollkommen egal! Ideale klingen gut und lassen sich wunderbar in einfache Slogans verpacken. Damit erfüllen sie ihren Zweck.

Nun schauen wir doch mal, wie der Vater der kommunistischen Diktatur schlechthin mit solchen Idealen umging. Josef Stalin ist mit Blick auf die von ihm bedienten Ideale eine spannende Person. Bei seiner Machtübernahme in der Sowjetunion der Zwanzigerjahre musste er sich erst mal mit einigen Altlasten herumschlagen. Vor ihm hatte Wladimir Lenin an der Spitze des revolutionären Staates gestanden, ein waschechter marxistischer Theoretiker! Als solcher hatte Lenin ganze Abhandlungen über den Kommunismus geschrieben, die – das versichere ich Ihnen – genauso lesbar und fesselnd sind wie alle anderen kommunistischen Abhandlungen von Marx abwärts. Da ist jede Dauerwerbesendung auf RTL interessanter. Als Konsequenz vertrat Lenin all die Ideale, die man klassischerweise mit kommunistischen Bewegungen verbindet: Gleichheit, Frieden und so weiter – das ganze Programm. Dass er nach der Oktoberrevolution nichts davon wahr machte, ist ein anderes Thema, das kann dem besten Revolutionär passieren. Stalin, als Lenins Nachfolger, fühlte sich diesen Idealen in gewissem Maße verpflichtet, er präsentierte sich als denjenigen, der – im Gegensatz zu seinem bösen, bösen Kontrahenten Leo Trotzki – die Politik Lenins weiterführen wollte. Nicht unbedingt, weil er so sehr an diese geglaubt hätte, sondern weil der Staat auf eben diese Ideale aufgebaut war. Dadurch dass Stalin aber anders als Lenin kein marxistischer Theoretiker war und er keine nennenswerten Schriften vorzuweisen hatte (außer einer Abhandlung über die Nationalitätenfrage, die er wohl auf Drängen Lenins verfassen musste) und auch sonst nicht gerade häufig über solche Ideale sprach, gestaltete sich seine Herrschaft schon bald anders als die seines Vorgängers. Dafür mussten irgendwann neue Ideale her.

Die Grundidee der Herrschaft Stalins kann in bester Marketingmanier mit einem Satz auf den Punkt gebracht werden: „Kommunismus in einem Land“. Das bedeutete für die stalinistische Sowjetunion konkret die Abkehr von der Weltrevolution, wie Lenin oder Trotzki sie noch verfolgt hatten, und eröffnete Stalin ganz neue Ebenen der Gewaltherrschaft. Dadurch, dass der Kommunismus nun zuerst in einem Land, der Sowjetunion, errichtet werden sollte, konnte man sich guten Gewissens daran machen, dieses Land mit Gewalt umzuformen. Das bedeutete zunächst die Kollektivierung der Landwirtschaft, die in den Dreißigerjahren zu Hungersnöten und Toten in Millionenhöhe führte. Als nächstes folgte die Säuberung der Partei, des Militärs und des Staates. Denn wie konnte in der Sowjetunion auch wahrer Kommunismus erreicht werden, wenn es immer noch an allen Ecken und Enden von konterrevolutionären Elementen wimmelte! Im besten leninistischen Duktus nannte Stalin diesen Verfolgungswahn den „verschärften Klassenkampf unter den Bedingungen des sozialistischen Aufbaus“.

Die Losung „Kommunismus in einem Land“ bedeutete für Stalin darüber hinaus aber auch, dass er das Unmögliche möglich machen konnte: Er konnte in seinem kommunistischen Staat die Nationalismuskarte spielen! Jeder Diktator und jeder, der es noch werden will, weiß: Nichts zieht beim einfachen Volk besser als die Nationalismuskarte. Sie ist immer Trumpf. Im Zweiten Weltkrieg führte Stalin sein neu gefundenes Ideal zu seinem beinahe logischen Höhepunkt. Der Krieg wurde zum „Großen Vaterländischen Krieg“ hochstilisiert in Anlehnung an den „Vaterländischen Krieg“, der 150 Jahre zuvor gegen Napoleon geführt worden war. Was diese kämpferische Nationsrhetorik noch mit Kommunismus zu tun hat? Völlig egal! Viel wichtiger: Stalin selbst wurde inzwischen nur noch als „Väterchen“ bezeichnet. Der große Krieg war Werk des Vaters persönlich. Er allein konnte das Volk zur Erlösung und zum Sieg über den deutschen Faschismus führen. Über die kommunistischen Ideale eines Lenin sprach man schon lange nicht mehr. Aber auch sein eigenes Ideal des „Kommunismus in einem Land“ nahm Stalin nur oberflächlich ernst. Und zwar genau so lange, bis er auf Grundlage dieser Idee die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft durchdrücken, die Rote Armee von „schädlichen Elementen“ befreien oder das Land für einen national gefärbten Krieg mobilisieren konnte. In Wahrheit war das Vaterland für ihn keineswegs die Sowjetunion, Russland oder gar sein Heimatland Georgien. Nein, das Vaterland war Stalin selbst. In der Folgezeit bekam diese Nicht-Ideologie sogar einen Namen: Stalinismus; und der wiederum wurde voll Freude in die frischgebackenen kommunistischen Staaten des „befreiten“ Ost- und Mitteleuropa exportiert. In den Folgejahren eines verheerenden Weltkriegs und mit der Roten Armee im Land war plötzlich so einiges möglich. Auf einmal konnten sich in Rumänien, Ungarn oder Polen Leute an die Macht schwingen, die nach außen hin als Kommunisten auftraten, aber keines der alten kommunistischen Ideale vertraten. Der Stalinismus war alles, was man benötigte, und das änderte sich in den folgenden zehn Jahren auch nicht mehr. Anders als die Herrschaften Gheorghe Gheorghiu-Dej in Bukarest, Mátyás Rákosi in Budapest und Bolesław Bierut in Warschau können Sie, mein geschätzter Leser, aber wahrscheinlich nicht mit der Unterstützung der Roten Armee rechnen, und der letzte Weltkrieg ist leider auch schon etwas her. Den Luxus, keine Ideale vertreten zu müssen, haben Sie also nicht.

Vier Jahre nicht duschen ist auch ein Ideal

Stalin fand sich also mit der lästigen Situation konfrontiert, dass so unpraktikable Ideale wie Frieden, Freiheit, Gleichheit oder die Diktatur des Proletariats durch Lenin und die Oktoberrevolution zur Grundlage eines neuen Staates auserkoren worden waren. Für einen werdenden Diktator bedeutete das vor allem eines: viel Arbeit. Wie immer, wenn es um marxistische Ideale geht, konnte Stalin aber zumindest die Tatsache ausnutzen, dass diese ohnehin nie in der Realität angekommen waren. Sie standen nur auf dem Papier und waren mühelos zu überlagern. Dadurch gelang es Stalin, eine Form des nationalen Kommunismus zu erschaffen, die ihm letzten Endes die Alleinherrschaft sicherte und ihn zu nichts Geringerem als einen neuen Zaren werden ließ. Die zahllosen Stalinisten von Moskaus Gnaden, die sich ab 1944 in Osteuropa wundersam vermehrten, hatten es da doch um einiges leichter, da sie die neue „Ideologie“ direkt aus der Sowjetunion importieren konnten. Es ist aber wohl auch kein Zufall, dass die Mehrheit dieser stalinistischen Führer in den Ländern des Warschauer Paktes irgendwann gestürzt und durch neue Kader ersetzt wurden. Das geschah spätestens mit dem Tod Stalins und der oberflächlichen Abrechnung mit dem Stalinismus, die sein Nachfolger Nikita Chruschtschow einleitete. Allein auf eine importierte Idee zu setzen und sich bei deren Durchführung auch noch auf eine fremde Armee im Land zu verlassen, führt auf Dauer wohl doch nicht zum Erfolg.

Es gibt in der europäischen Geschichte des letzten Jahrhunderts aber einen Mann, dessen eigener Weg zum Sozialismus besondere Beachtung verdient: Josip Broz Tito in Jugoslawien. Er ist gewissermaßen das Gegenbeispiel. Tito erlangte seine Herrschaft ohne nennenswerte Hilfe der Roten Armee und sorgte mit seinen Partisanentruppen selbst für den Abzug der deutschen und italienischen Besatzer. Sein Weg zur Macht hatte somit von Anfang an eine nationale Komponente. Und wir haben nicht vergessen: Die nationale Karte ist immer Trumpf! Der Mythos Tito, der Aufstieg des zukünftigen Diktators Jugoslawiens, begann im Zweiten Weltkrieg als Partisanenführer. Von 1941 bis zum Ende des Kriegs lieferten sich seine Partisanen Scharmützel und sogar größere Schlachten mit den deutsch-italienischen Besatzern und ihren diversen Handlangern. Das bedeutete, dass sich die Partisanenarmee Titos in den Bergen und Wäldern Bosniens, Montenegros und Serbiens verschanzen musste. Diese Form des Unabhängigkeitskriegs gab der Bewegung von Anfang an eine zutiefst nationale Note. Denn immerhin ging es nicht in erster Linie um den Kommunismus oder die Herrschaft Titos, es ging um die Unabhängigkeit Jugoslawiens! Zumindest wurde das vonseiten der Anhänger Titos immer so rausposaunt. Dass dieses Land dem Wunsch der Partisanen nach später ein kommunistischer Staat werden sollte, war zweitrangig. Hauptsache man wurde die Fremdherrschaft los! Die Ideale, die Tito schon zu Kriegszeiten vertrat, waren in dem Kontext fast allgemeingültig: Unabhängigkeit, Freiheit, Gerechtigkeit, Antifaschismus und aufgrund der monatelangen Aufenthalte in Wäldern und Höhlen geringe Körperhygiene. Bis auf Letzteres kamen all diese Ideale ziemlich gut in der Bevölkerung des kriegsgebeutelten Landes an.

Als Befreier des Landes war Titos politische Rolle nach Ende des Weltkriegs auch im Westen nicht zu ignorieren – Kommunismus hin oder her. Winston Churchill traf sich sogar noch während des Kriegs mit dem Partisanenmarschall. Auch wenn der Westen sich im neuen Jugoslawien sicher eine Allparteienregierung mit freien Wahlen wünschte, konnte Tito durch seine Glaubwürdigkeit schon sehr bald allein regieren. Das Volk war dabei auf seiner Seite. Immerhin stand er für Freiheit und Unabhängigkeit, wie konnte man dagegen sein? Der Teil des Volkes, der trotz all der guten Gründe immer noch nicht für ihn war, musste dann eben verfolgt, umgebracht oder weggesperrt werden. Sicher ist sicher, egal wie universell die eigene Herrschaft sein mag. Auf Basis dieser angeblichen Allgemeingültigkeit der Beweggründe und Ideale Titos konnte er die nächsten drei Jahrzehnte mehr oder weniger ungestört vor sich hin regieren. Ein titoistisches Ideal wie die Unabhängigkeit gab es in der Frühzeit des Regimes aber nur für einen sehr speziellen Teil der Bevölkerung: für die Mitglieder der Kommunistischen Partei. Erst im Laufe der Sechziger- und Siebzigerjahre gelangten auch normale Bürger in den Luxus persönlicher Freiheiten, wie etwa der Reisefreiheit, die sie mit Begeisterung wahrnahmen. Oder was denken Sie, warum es überall in Deutschland und Österreich Balkanrestaurants gibt, die mit einem Kilo Grillfleisch für sechs Euro werben? Tito und seine engsten Anhänger nutzten die Freiheit und Unabhängigkeit, die sie nach den ersten Jahren des Regimes genossen, nach Kräften aus. In den Nobelvierteln Belgrads entstanden bald die Residenzen der neuen Elite. Alte Schlösser und Villen wurden aufwändig renoviert, um den neuen Herrenmenschen Platz zu machen. Und die Luxussucht des neuen Staatschefs kannte keine Grenzen. Titos Yacht „Galeb“, mit der er in späteren Jahren die ganze Welt bereiste, seine luxuriösen Anzüge, sein privater Zoo auf der Adriainsel Brijuni, die teuren Autos … Vier Mal täglich ging er obendrein ins Solarium, und wenn er mal entspannen wollte, gönnte er sich ein Milchbad. Ein Milchbad! Klassischer Kommunist eben.

Für die kritischen Teile der Bevölkerung konnte währenddessen von Freiheit und Unabhängigkeit keine Rede sein. Eine Sache teilte das Tito-Regime in Belgrad nämlich mit allen anderen sozialistischen und kommunistischen Staaten der Zeit: Ohne Repression geht gar nichts! Direkt nach dem Krieg fanden tausende Anhänger der alten Besatzungsregimes ihren Tod, etwa in den Bleiburger Todesmärschen, in denen Gefolgsleute der kroatischen und slowenischen Nazikollaborateure in Massen ermordet wurden. Die Tatsache, dass der kroatische Staat die jährlichen „Gedenkfeiern“ für dieses Ereignis bis vor kurzem noch direkt unterstützte, obwohl sich dort erwiesenermaßen Neonazis treffen, sagt auf ihre Weise viel darüber aus, wie gut der Titoismus den Staat nach dem Zweiten Weltkrieg wirklich zusammengeschweißt hat. Auf die Todesmärsche und Verurteilungen nach 1945 folgten bald die ersten Gefangenenlager. Besondere Berühmtheit erlangte die Insel Goli otok, wörtlich die „nackte Insel“. Und der Name ist Programm: Auf diesem lebensfeindlichen Felsen in der Adria wurden politische Feinde seit 1949 festgehalten und mussten Zwangsarbeit verrichten. Böse Zungen mögen nun behaupten, diese Leute hätten herzlich wenig von der versprochenen Freiheit und Unabhängigkeit Titos gehabt. Das wäre aber falsch. Tito war nämlich für alle da. Den Gefangenen auf Goli otok wurde sogar das berühmte Selbstverwaltungssystem Jugoslawiens zuteil! Die schon länger Einsitzenden durften im Gefängnis Wärter und Aufpasser spielen und Neuankömmlinge erstmal zünftig verprügeln. Wenn das mal keine Freiheit ist! Mit dem netten Nebeneffekt, dass die Opfer des Regimes auch gleich zu Mittätern wurden. Wer konnte sich da noch beschweren? Und für Tito selbst funktionierte das System sowieso hervorragend. Im eigenen Land gab es bald kaum noch Widerstand gegen seine Herrschaft oder die der Kommunistischen Partei, und die von ihm vertretenen Ideale wurden zum größten Teil tatsächlich geglaubt. Dass er und seine Elite vielleicht etwas freier, unabhängiger und gleicher waren als der Rest der Bevölkerung, mag diese vielfach hingenommen haben. In den Augen etlicher Zeitgenossen war das einfach der normale Lauf der Dinge. So haben Politiker doch schon immer agiert, und schließlich genossen auch Teile der Bevölkerung ein Maß persönlicher Freiheit, das es in diesem Teil Europas noch nie gegeben hatte. Wer interessiert sich da schon für die paar zigtausend Gefangene und Verfolgte? Oder für den Luxus, in dem Tito und seine Clique lebten? Man selbst konnte in Westeuropa arbeiten und einkaufen, das ist es doch, was wirklich zählte! Auch im Ausland – oder besonders im Ausland – ging die Rechnung für Tito auf. Er blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1980 ein gern gesehener Gast in Ost und West und genießt in vielen Kreisen nach wie vor ein hervorragendes Image.

Diamonds are forever – Ideale nicht

Man sollte nun denken, Ideale und Opportunismus schlössen sich gegenseitig aus. Doch kann ich Sie beruhigen. Selbstverständlich tun sie das nicht! Sie müssen es nur richtig anstellen. Und um zu sehen, wie man genau das verwirklichen kann, werfen wir einen Blick in das schöne Rumänien. Auch dort griff der … na ja, nennen wir es mal Kommunismus im letzten Jahrhundert bekanntlich um sich. Anfangs lief es in Rumänien ähnlich wie in allen anderen sowjetischen Satellitenstaaten in Mittel- und Osteuropa. Mit dem Einmarsch der Roten Armee kam nach Ende des Zweiten Weltkrieges eine von Moskau gestützte Partei an die Macht, deren Ideologie auf nichts weiter als plumpen Stalinismus fußte. Von Moskau als neue Machthaber anerkannt zu werden, genügte als Basis für die Herrschaft. Das Gesicht dieser Partei war ein rumänischer Altkommunist namens Gheorghe Gheorghiu-Dej. Er unterschied sich nicht grundlegend von anderen Politikern, die es sich zu jener Zeit in Europa gemütlich machten, war ein früher Anhänger des Kommunismus, saß dafür längere Zeit im Gefängnis und genoss nach Ende des Krieges das Vertrauen Stalins. Andere Ideale waren in diesem Kontext weder vonnöten noch wünschenswert. Das sollte sich erst einige Jahre später ändern, mit der Machtübernahme eines gewissen Nicolae Ceaușescu.

Dieser Mann legte Zeit seines Lebens einen Radikalopportunismus an den Tag, von dem Sie sich dringend eine Scheibe abschneiden sollten. In kommunistische Kreise rutschte Ceaușescu als Jugendlicher eher zufällig, sein erster Arbeitgeber in Bukarest war Kommunist und missbrauchte den Jungen für Botengänge der Partei. Doch mit der Zeit verstand Ceaușescu die Spielregeln und erkannte, wie diese Partei ihm einen sonst kaum erreichbaren Aufstieg ermöglichen konnte. Ceaușescu kam aus einem einfachen Haus und brachte keine nennenswerten Fähigkeiten mit. Vielleicht sehen Sie sich ja selbst ein bisschen in ihm? Schon in den Dreißigerjahren und während des Kriegs heftete Ceaușescu sich an die Fersen Gheorghiu-Dejs. Der war damals bereits eine der bestimmenden Personen in der kommunistischen Bewegung Rumäniens, die Nähe zu ihm konnte also mit Sicherheit nicht schaden. Viel weniger klar ist, warum sich Dej Ceaușescus annahm. Unter den Genossen galt der junge Kommunist als naiv und ungebildet, und er war obendrein nicht sonderlich freundlich oder sympathisch. Später wurde gemunkelt, es hätte zwischen den beiden homosexuelle Annäherungen gegeben, was zwar einiges erklären würde, aber nicht erwiesen ist. Beider Freundschaft schien mit der Zeit zu wachsen, und Ceaușescu konnte sich schon bald auf interessante Aufgaben im Regime freuen. Diese musste Gheorghiu-Dej immer wieder gegen den Willen anderer führender Kommunisten durchsetzen, die im jungen Nicolae nach wie vor einen unnützen Hochstapler sahen. Den Aufstieg Ceaușescus konnten sie nicht aufhalten. War er zunächst noch in der Führung der kommunistischen Jugend tätig, saß er ab 1946 bereits als Abgeordneter im Parlament, bald war er Stellvertreter des Landwirtschaftsministers, dann Stellvertreter des Verteidigungsministers und schlussendlich Sekretär des Zentralkomitees der Partei. Im Laufe dieser steilen Karriere übernahm Ceaușescu nicht nur viele Funktionen, sondern auch so gut wie alle politischen Meinungen seines Schirmherrn, wenn er auch oft noch radikaler stalinistisch agierte als der ohnehin schon stalintreue Herrscher selbst. Das war im Rumänien der Zeit auch die beste Entscheidung, die man als guter Pragmatist treffen konnte.

Mit dem unerwarteten Tod Dejs im Jahr 1965 konnte Ceaușescu die Dividenden seiner Strategie einfahren. Er war in der besten Ausgangslage, die Zügel Rumäniens selbst in die Hand zu nehmen. Sein Amt als Sekretär des Zentralkomitees bot ihm schon mal gewisse Vorteile, da er die Kontrolle über die Kommunikationsstrukturen der Partei innehatte. Das beinhaltete auch die Aufgabe, die Genossen über die Tatsache zu informieren, dass Gheorghiu-Dej aufgrund eines Krebsleidens im Sterben lag. Erst kurz vor dessen Tod informierte Ceaușescu das Politbüro, womit er sich einen Startvorteil im Rennen um die Nachfolge schuf. Von allen schirmte er den sterbenden Parteichef ab, um ihm ja nicht die Gelegenheit zu geben, seine Nachfolge zu regeln. Darüber hinaus konnte sich der als unbeholfen und niederintelligent geltende Ceaușescu als Favoriten einiger wichtiger Parteigranden etablieren, die in ihm das geringste Übel sahen. Die Rechnung ging auf, und Ceaușescu wurde Nachfolger Dejs. Nachdem er sich seiner Macht innerhalb der Partei sicher war, ging Ceaușescu schnell dazu über, seine alten Freunde wieder hinter sich zu lassen. Gerade die Führung, die in ihm doch eigentlich einen schwachen Kompromisskandidaten sah, war bald mit einer bösen Überraschung konfrontiert. In der Außenpolitik zeigte sich der Opportunismus Ceaușescus in seinem vollen Glanz. Auch wurde deutlich, in welcher Vollkommenheit er das Spiel mit den Idealen beherrschte. Ceaușescu erkannte nämlich, dass eine Annäherung an den Westen ihm politisch-wirtschaftliche Vorteile und größere Unabhängigkeit bieten konnte, wie das bei Tito in Jugoslawien schon seit längerem der Fall war. Neue Ideale mussten also her, und Ceaușescu entschied sich für den wohl unpassendsten Anstrich, den dieser zutiefst autoritäre Mann sich überhaupt verpassen konnte: Ab Ende der Sechzigerjahre inszenierte er sich in Richtung Westen als liberaler Reformer.

Die Wette ging auf. Das Ansehen Rumäniens verbesserte sich in der westlichen Welt enorm, insbesondere als sich Ceaușescu 1968 weigerte, am Einmarsch des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei teilzunehmen. Obendrein machte der neue rumänische Machthaber immer häufiger mit antisowjetischen Kommentaren auf sich aufmerksam, die jedoch stets vorsichtig dosiert blieben, um beim starken Mann in Moskau keine zu tiefe Verärgerung auszulösen. Dem Westen genügte das Theater. Die USA und Westeuropa erkannten in Ceaușescu bald schon ihr trojanisches Pferd im Ostblock, was sie sich auch einiges kosten ließen. Schnell fanden erste Investitionen ihren Weg nach Rumänien. Ceaușescu setzte seinen Weg in der Zeit aber noch weiter fort. So nahm Rumänien als erstes Land des Ostblocks diplomatische Beziehungen zu Westdeutschland auf (ein absolutes No-Go in den Augen der „Brüder“ in der DDR), er bemühte sich um ein groß angelegtes Handelsabkommen mit den USA und durfte schließlich sogar Richard Nixon in Bukarest begrüßen! Wer weiß, vielleicht hat Ceaușescu dem amerikanischen Präsidenten bei der Gelegenheit das eine oder andere beigebracht, was der im Watergate-Skandal gut nutzen konnte …

Aufgrund dieser frischen internationalen Anerkennung folgte bald die Aufnahme Rumäniens in den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank mit allen finanziellen Vorteilen, die diese Institutionen mit sich brachten. Ceaușescu hatte sich seine neuen Reformer-Ideale klug ausgewählt und bei alledem auch Timing bewiesen. Die Sowjetführung hatte nach der Tschechoslowakei keinen Appetit mehr, auch noch in Rumänien einzugreifen. Außerdem war man mit dem Krieg in Vietnam zur Genüge beschäftigt. Solange die Führung in Bukarest also halbwegs auf Linie und im kommunistischen Lager verblieb, ließ ihr Leonid Breschnew in Moskau so ziemlich alles durchgehen. In der Zwischenzeit zog Ceaușescu in Rumänien die Daumenschrauben an. Denn der Liberalismus war schön und gut, aber allein für die Welt da draußen gedacht, nicht jedoch für die Menschen im Land! Es dauerte, bis auch der Westen das Spiel erkannte. Während Ceaușescu schon im Laufe der Siebzigerjahre immer autoritärer regierte, wurde er vom Westen nach wie vor unterstützt und immer wieder zu prestigefördernden Besuchen in die Hauptstädte der „freien Welt“ eingeladen. Erst in den Achtzigerjahren dämmerte es dem Westen langsam, dass man da wohl einem Hochstapler aufgesessen war. Immer häufiger machten Berichte über die untragbaren Zustände in Rumänien die Runde, und langsam wurde der Geldhahn aus dem Westen zugedreht.

Ceaușescus Antwort darauf war ebenso vorhersehbar wie erfolgreich – zumindest auf kurze Sicht. Er schuf sich frische Ideale, die für ihn und das Land zum neuen Selbstzweck wurden: Autarkie, Nationalstolz, die Schaffung eines neuen Menschen – so hieß der wilde Mischmasch aus monarchischen Allüren, gutem alten Nationalismus und einer Dosis Mussolini, auf die der Mann da kam. Dazu gehörten für die Bürger Rumäniens schmerzhafte Einsparungen an allen Ecken und Enden, die komplette Tilgung der rumänischen Auslandsschulden und der Bau absurder Prestigemonumente. Ein wirtschaftlich nicht gerade überzeugender Donau-Schwarzmeer-Kanal und der gigantische Parlamentspalast in Bukarest waren die radikalsten unter diesen Projekten. Der Palast, offiziell „Haus des Volkes“ genannt, wurde von vielen Rumänen schon damals „Haus des Sieges über das Volk“ bezeichnet und ist noch heute einen Besuch wert. Wo sonst kann man so viel über modernes Diktatorentum lernen? Das letzte und wichtigste Ideal der späten Ära Ceaușescu war aber das eigene Luxusleben, das er immer stärker nach außen trug. Es gab im Land schließlich niemanden mehr, der sich über den absurden Lebensstil des Herrschers hätte beschweren können. Ein Zeichen dafür war Ceaușescus Jagdwut. Zwanzig Prozent der Waldfläche Rumäniens waren Ende der Achtzigerjahre den Parteigranden (und vor allem ihm selbst) vorbehalten; in der Trophäensammlung Ceaușescus fand man später allein 400 Bärenschädel, und Tito beschwerte sich einmal darüber, wie wenig Rücksicht Ceaușescu bei der Jagd auf seine Gäste nahm, denen er nichts von der Beute vergönnte. Am Ende der kommunistischen Ära wurde Rumänien nur noch von einer Clique der Ceaușescu-Familie regiert. Seine Frau Elena war stellvertretende Staatschefin, Brüder, Cousins und Schwager saßen an allen wichtigen Schaltstellen der Macht, und was an Posten übrigblieb, war engen Freunden der Familie vorbehalten. Spätestens jetzt war der Kommunismus reiner Anstrich. In der Realität herrschte Ceaușescu wie ein Monarch des 18. Jahrhunderts. Er hatte einen ganzen Hofstaat um sich, nahm auf Auslandsreisen seine eigenen Küchenbediensteten mit, und alle Kinder, die er bei Auftritten küsste, mussten vorher medizinisch untersucht werden. Bei Reisen im Inland sorgten seine Mitarbeiter dafür, dass am Wegesrand wohlgenährte Rinder zu sehen waren. Auch seine bevorzugte Ansprache als „Führer“ (Conducător), die mit der Zeit universelle Verwendung fand, schreit nicht gerade nach Kommunismus. Die Rechnung dafür bekam Nicolae Ceaușescu Ende 1989 serviert, als die eigene Armee sich gegen ihn stellte. Er starb am Weihnachtstag jenes Jahres im Kugelfeuer, die Internationale singend. Man könnte ihm am Ende fast noch die kommunistischen Ideale abkaufen.

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