Kitabı oku: «500 Jahre Reformation: Bedeutung und Herausforderungen», sayfa 8
2.2 Die Kirche als Gemeinschaft des Lernens
Eine bekannte Einrichtung der Zürcher Reformation war die sogenannte Prophezei. Sie wurde 1525 eingerichtet. Täglich außer freitags und sonntags wurde im Chor des Großmünsters ein Bibeltext aus dem Alten Testament ausgelegt. Zunächst traten die Exegeten in Aktion und interpretierten den Text auf der Grundlage des hebräischen Urtextes und der griechischen Textversion der Septuaginta. Danach wurden die Ergebnisse der Auslegung in deutscher Sprache der Gemeinde vorgetragen. Die Einrichtung hat symbolischen Wert: Dort, wo vorher lateinische Bibeltexte, die niemand verstand, im Kirchengesang ertönten, wurde nun die Bibel ausgelegt. Und dies so, dass man einerseits möglichst nahe an den Urtext herankommen wollte und andererseits nach dem göttlichen Wort für die Gegenwart fragte. Aus dieser Einrichtung ist dann die Zürcher «Hohe Schule» entstanden. Hier hat man Gelehrte angestellt, die die Theologen ausbilden sollten, vor allem in den biblischen Sprachen und in der Auslegung der Bibel. Aber eigentlich ging es nicht nur um die Schulung von Theologen, sondern um die Bildung einer Volksgemeinschaft in der biblischen Wahrheit. Alle sollten das göttliche Wort kennen und verstehen lernen.
Auch die Zürcher Bibelübersetzungen sind aus der Prophezei herausgewachsen. Im Jahre 1529, fünf Jahre bevor die Lutherbibel vollständig war, lag die vollständige Zürcher Bibel in sechs Bänden vor. Im Todesjahr Zwinglis (1531) erschien sie als «Froschauer Bibel» in einem Band vereinigt. In den folgenden Jahren wurde eine große Anzahl von verschiedenen Bibelausgaben und Bibelkommentaren gedruckt, sowohl für die Gelehrten als auch für das Volk. Stärker als Bekenntnisschriften, Katechismen oder Schriften von Reformatoren war es die Bibel selbst, die im Zentrum der Schweizer, speziell der Zürcher Reformation stand. |94|
Im Bestreben, sie mit den besten verfügbaren Methoden auszulegen, griff man dankbar auf die humanistische Bildung zurück. Die Berücksichtigung unterschiedlicher Gattungen biblischer Texte, ihre philologische und rhetorische Analyse und ihre Einordnung in den jeweiligen Geschehens- und Redekontext waren ebenso selbstverständliche Schritte in ihrer Auslegung wie die Berücksichtigung von aramäischen Bibelparaphrasen und der exegetischen Literatur aus der talmudischen Zeit, der Zeit der Kirchenväter und dem Mittelalter. Heinrich Bullinger hat eine Studienanleitung für Theologiestudenten verfasst, in der er eine Bildung in der Literatur der klassischen Antike und ihrer philosophischen, historischen und poetischen Werke zur Voraussetzung für die Auslegung biblischer Texte macht.
Das Studium und die Auslegung der Bibel waren dabei stets ein gemeinsames Unternehmen. Es gibt keine Zwinglibibel, sondern nur eine Zürcher Bibel. Für die Schweizer Reformatoren und Gelehrten war Teamarbeit eine Selbstverständlichkeit. Dazu gehörte die Diskussion über schwierige Bibelstellen und das Akzeptieren von verschiedenen Interpretationen. Entscheidend war das bessere Argument im Blick auf Philologie und Kontext, und dies galt auch für das Verständnis der Abendmahlsworte, die ihrem Verständnis nach im Kontext der hebräisch-biblischen Tradition und im Zusammenhang mit anderen Jesusworten zu interpretieren waren. In Marburg prallten diesbezüglich zwei unterschiedliche Kulturen aufeinander.
Viele Schriften Zwinglis und Bullingers enden mit dem Satz: Wenn mich jemand mit der Bibel widerlegen oder eines Besseren belehren kann, so sei er hiermit aufgefordert, dies zu tun! Die Auslegung der Bibel, die Suche nach dem göttlichen Wort für die Gegenwart, war ein gemeinsames Ringen und Lernen. Und alle waren lernbedürftig. Keiner hatte die Wahrheit alleine in Besitz. Zu diesem Verständnis des reformatorischen Priestertums aller Gläubigen passt, dass es in den Kirchen der Schweizer Reformation keine Bischöfe gibt. Bullinger nennt die kirchlichen Amtsträger «remigatores», Ruderknechte.
2.3 Die Kirche als Gemeinschaft der Versöhnung und des Rechts
Zwinglis Abendmahlsliturgie sah vor, dass das Brot in der Gemeinde herumgereicht wird und jeder sich ein Stück davon abbricht. Dies war angesichts der zeitgenössischen, im kirchlich-liturgischen Leben wie im Volksempfinden tief verwurzelten Sakramentsfrömmigkeit eine Revolution. |95| Zwingli begründete diesen Brauch wie folgt: Wenn jeder dem nächsten das Brot reicht, dann kann es sein, dass während der Abendmahlsfeier Versöhnung zwischen zwei zerstrittenen Nachbarn geschieht. Und damit hätte das Abendmahl als Versöhnungsmahl etwas Wichtiges bewirkt. Ähnlich hatte Zwingli gegen den Abendmahlsbann argumentiert: Das Abendmahl als Feier der Versöhnung könnte auch der Ort sein, an dem ein unbußfertiger Sünder umkehrt und Buße tut. Deshalb darf man ihn nicht ausschließen. In der Kirche als Ort, an welchem die Versöhnung mit Gott in Christus gefeiert wird, kann es nur um Versöhnung auch zwischen Menschen gehen. Ungeachtet mancher aus heutiger Sicht befremdlichen Züge waren auch das kirchliche Ehegericht in Zürich und Bern ebenso wie das Konsistorium in Genf Gremien, denen es weniger um «Sittenzucht» als um Versöhnung zwischen zerstrittenen Menschen in der Gemeinde Christi ging.
Versöhnung gibt es aber nicht, ohne dass Unrecht beim Namen genannt und Recht hergestellt ist. Es gehört zur Eigenart der Schweizer Reformation, dass das Evangelium von Anfang an sehr viel mit Politik, Recht und mit Wirtschaft zu tun hat. Die Reformationsmandate der christlichen Obrigkeiten betrafen nicht nur das religiöse Feld. Sie zielten auch darauf, Unrecht zu beheben, die Schwachen zu schützen, Wucher und unrechtmäßige Bereicherung zu verhindern, dafür zu sorgen, dass niemand mehr betteln muss und dass die Kranken versorgt werden. Schon in seinen Disputationsthesen von 1523 hatte Zwingli aus dem wiederentdeckten Evangelium die Forderung an die Obrigkeit abgeleitet: «Darum sollen alle ihre Gesetze dem göttlichen Willen gleichförmig sein, so dass sie dem Bedrängten Rechtsschutz gewähren, auch wenn er nicht Klage einreicht.» (These 39)
In seiner Schrift «Von göttlicher und menschlicher Gerechtigkeit» hat Zwingli sehr klar unterschieden zwischen dem Reich Gottes und den Realitäten der Welt. Religiöse Utopien waren nicht seine Sache. Zugleich aber war er der Meinung, dass es Aufgabe einer christlichen Gemeinschaft ist, sich an der Gestaltung der weltlichen Verhältnisse mit zu beteiligen und sich dabei an der göttlichen Gerechtigkeit zu orientieren. Das kann immer nur bruchstückweise geschehen, inkohativ, also stets anfangsweise, unvollständig und unter Berücksichtigung der Realitäten. Aber gerade so soll es geschehen.
Unter Heinrich Bullinger hat man in Zürich dann den sogenannten Fürtrag eingerichtet: Die Pfarrer sollten das Recht haben, vor dem |96| politischen Rat aufzutreten und ihn zu ermahnen, ähnlich wie dies die Propheten im Alten Testament gegenüber ihren Königen getan hatten. Dieses prophetische Amt wurde zu einem wichtigen Element der Schweizer Reformation. Und dabei ging es keineswegs nur um religiöse Angelegenheiten: Die Armenversorgung als Aufgabe des gesamten Gemeinwesens, die Verordnung über den Zins, die Einrichtung von Schulen, die Söldnerpolitik, aber auch die Flüchtlingspolitik und die Verwendung öffentlicher Gelder waren tagespolitische Fragen, zu denen Bullinger den Rat auf den göttlichen Rechtswillen hinwies.
2.4 Die Kirche als Gemeinschaft des dankbaren Bekennens
Ulrich Zwingli hat in seiner Abendmahlslehre im «Commentarius» von 1525 das Abendmahl vor allem als «Bekenntniszeichen» und als «Dank» bestimmt. So hat er die biblischen Abendmahlstexte verstanden und sich durch die ursprüngliche Bedeutung des lateinischen Wortes «Sakrament» als «Fahneneid» ebenso bestätigt gesehen wie durch die altkirchliche Bezeichnung des Abendmahls als «Eucharistie», als Dankesfeier.
Dies hat ihm bekanntlich viel Kritik eingetragen. Zwingli selber hat später versucht, dieser Kritik Rechnung zu tragen. Bis heute werden die Abendmahlstexte aus seinen letzten beiden Lebensjahren kaum zur Kenntnis genommen. Die Schweizer Reformatoren nach ihm haben aber daran angeknüpft und sie weitergedacht. Bucer und Calvin haben versucht, von der späteren Position Zwinglis aus eine Brücke zu derjenigen Luthers zu schlagen. Die Abendmahlslehre Heinrich Bullingers wollte nicht einseitig einen einzelnen Punkt oder Bibelvers auf Kosten anderer betonen, sondern alle in der Bibel erwähnten Aspekte des «Mahls des Herrn» zu ihrem Recht kommen lassen. Das Abendmahl wurde so verstanden als Feier, in der sich zeichenhaft das ganze Leben der Kirche verdichtet. Sie ist «Eucharistie», eine Feier der Gemeinde, die dankend Christi Versöhnungstat gedenkt («das tut zu meinem Gedächtnis», 1Kor 11, 24), sie ist als Gemeindefeier eine Form der Christusverkündigung und sie ist zugleich Ausblick auf den zur Rechten Gottes erhöhten und wiederkommenden Christus («denn sooft ihr dieses Brot esst und diesen Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt», 1Kor 11, 26). Sie ist die Feier der Gegenwart Christi in seiner Gemeinde (Mt 18, 20), die an seinen Tisch geladen ist. Und sie besitzt als menschliches Gemeinschaftsmahl auch eine ethische Dimension, denn Gemeinschaft ohne gegenseitige Fürsorge und Rücksichtnahme ist unmöglich (vgl. 1Kor 11, |97| 17–34). Bullingers Abendmahlslehre ist weithin in Vergessenheit geraten. Aber nur, was den Namen ihres Autors angeht. Wer die Abendmahlslehre des Limadokuments mit derjenigen Bullingers vergleicht, wird viele Parallelen finden. Und das ist weniger Zufall, als es zunächst scheint. Immer ist der Gedanke der «Eucharistie», des Dankes, und des Bekennens präsent. Denn öffentliches Bekenntnis und Dank gehören wesentlich zum Leben der Kirche dazu. Sehr viel brennender wurde das Thema Bekennen dann in den protestantischen Kirchen der Diaspora und in den verfolgten Kirchen. Hier bildete sich eine neue Bekenntniskultur aus, zu der besonders Calvin Wichtiges beigetragen hat.
Bekennen in der Tradition der Schweizer Reformation geschieht aber nicht nur gegenüber den Menschen, sondern es ist zunächst ein Akt gegenüber Christus selbst, zu dem es sich, in Verantwortung vor ihm, zu bekennen gilt. «Reformierte» zeigen nicht auf ihren eigenen Glauben, wenn sie «bekennen». Sie rufen Christus an. Die Überzeugung gehört zum Grundbestand der Schweizer Reformatoren: Kein Christenmensch besitzt einfach den wahren Glauben oder die wahre Glaubenserkenntnis – und kann ihn somit auch nicht einfach «weitergeben». Keine Kirche hat das Recht, sich selbst als verlängerten Arm der göttlichen Gnade auszugeben, keine Sakramentsfeier ist einfach ein Austeilen des Leibes Christi. Alles kirchliche Reden und Tun steht zunächst einmal in der Verantwortung vor Gott und kann nur im Gebet um den Geist geschehen. Die christliche Kirche ist nichts anderes als ein Stück Welt. Aber sie ist betende Welt: «Veni creator spiritus!» Und sie ist so dankende und immer wieder neu bekennende Welt. Das ist die kritische und zugleich heilsame Bedeutung der Betonung des göttlichen Geistes in der Schweizer Reformation. Denn nur so kämpft eine christliche Kirche oder Gruppe nicht für sich selber, sondern für das Kommen des Reiches Gottes und tut, was ihr aufgetragen ist.
2.5 Worin besteht der besondere Beitrag der Schweizer Reformation zur Reformationsbewegung heute?
Vieles von dem hier Erwähnten ist keineswegs Sondergut der Schweizer Reformation. Es wurde bereits gesagt: Eine religiöse Sekte gründen war das Letzte, das sie beabsichtigte. Stattdessen war sie mit der ganz einfachen und zugleich höchst anspruchsvollen Aufgabe beschäftigt, das grundlegende Christliche, Christus selbst als göttliches Wort und Ort der |98| göttlichen Versöhnung ernst zu nehmen. Eine Wiederbelebung des Konfessionalismus oder die Verehrung von Gründervätern stehen dem Geist der Schweizer Reformatoren entgegen. Und doch lohnt es sich, auf die besondere Weise, wie sie ihre Einsichten formuliert und in kirchengestaltender Weise umzusetzen versucht haben, zu hören. Allerdings macht eine Beschäftigung mit ihnen auch schnell deutlich, wie sehr sie, nicht anders als alle anderen Reformatoren, Kinder ihrer Zeit waren und deren Maßstäbe und blinde Flecken teilten. Man denke nur an das brutale und christlich nicht zu rechtfertigende Strafsystem, das keiner der Reformatoren je in Frage gestellt hätte, an die nur sehr ansatzweise kritisierte Ständegesellschaft, an die Selbstverständlichkeit, mit der sie die Notwendigkeit einer öffentlichen Einheitsreligion mit biblischen Texten gerechtfertigt und so die seit der Antike bestehende religiöse Intoleranz weitergeführt und gar verschärft haben, und an vieles mehr. Wäre nicht gerade eine Jubiläumsfeier ein guter Anlass, uns von den Reformatoren auch – in respektvoller, christlich-theologisch argumentierender Kritik – zu distanzieren, dort, wo sie dem, was sie sich zu sagen beauftragt sahen, in ihrem Reden und Handeln nicht gerecht wurden? Gerade Zwingli und Bullinger, die ihre Leserschaft ausdrücklich dazu aufgefordert haben, sie vom Evangelium her zu kritisieren und allenfalls zu korrigieren, müssten dafür eigentlich offen, ja dankbar sein.
So könnte man vielleicht folgendermaßen bilanzieren: Der besondere Beitrag der Schweizer Reformation für die globale Reformationsbewegung heute und morgen besteht vornehmlich in einer Aufgabe: daran zu erinnern und dafür einzustehen, dass alle sich auf Christus berufenden Kirchen wahre Orte der Gemeinschaft des Lernens, der Versöhnung und des Rechts bleiben und immer mehr werden – und dazu gehört das Eingeständnis eigener Schuld und eigenen Versagens, aber auch Orte des Dankes und des Bekennens, und dies auch in sichtbarer und erfahrbarer Form mit politischer und gesellschaftlicher Ausstrahlung. Ob die anstehenden «Reformationsjubiläum» in dieser Hinsicht förderlich sind, ist noch offen.
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Jong Wha Park, Seoul
Protestantismus und Postkonfessionalismus in Südkorea70
Was bedeuten die konfessionellen Wurzeln in den neuen kirchlichen Mustern in Korea?
Koreanische Christen in einem multireligiösen Kontext
Schalom – in Korea sagen wir: Anhyoung Haseyo. Dies ist die Übersetzung des jüdischen Schaloms. Wir begrüßen uns auf diese Weise zu jeder Zeit, morgens, nachmittags und abends: Anhyoung Haseyo – Schalom.
Ich bin sehr glücklich, heute hier zu sein und über Reformation und Konfessionalismus zu sprechen. Voller Stolz kam ich hierher, weil ich Ihnen gerne davon berichten will, wie die Reformation in einem fernen Land, in Korea, realisiert, akzeptiert und praktiziert wird. Korea gehört nicht zu den sogenannten Ursprungsorten der Reformation. Dies ist aber nur ein geografischer Abstand. Korea kommt Deutschland und dessen Reformation tatsächlich immer näher. Ja, das tut es, falls Ihr akzeptiert, dass wir gerne ein authentisches Mitglied der Reformation sein möchten. Die Lehren der Reformation werden von christlichen Kirchen und Konfessionen in der ganzen Welt praktiziert und Korea gehört dazu.
Ich habe für heute ein Skript vorbereitet, das mehr oder weniger auf meinen eigenen persönlichen Erfahrungen und Begegnungen mit Konfessionskirchen und der Reformationsbewegung sowohl hier in Europa als auch in meinem Heimatland und Asien im Allgemeinen aufbaut. Da ich vor etwa 40 Jahren in Deutschland gearbeitet habe, bitte ich Sie um etwas Geduld, wenn ich nun einige wenige Worte auf Deutsch an Sie richte. 71
Ich hatte die Chance, in der zweiten Hälfte der 70er Jahre und bis Anfang der 80er Jahre im Gemeindedienst in Württemberg im Bereich Weltmission und Ökumene mitzuwirken. Ich selbst bin Presbyterianer und reformierter Pastor. Ich arbeitete damals in der Lutherischen württembergischen Landeskirche und ich dachte: Aha, das ist ökumenisch, reformiert und lutherisch. Zudem habe ich |100| gelernt, dass Wittenberg der Ursprungsort, die Ursprungsreformationskirche hierzulande ist. Durch das Zusammenwirken mit dem evangelischen Missionswerk Südwestdeutschland habe ich auch teilweise mit Kirchen hier in der Schweiz zu tun gehabt. Ich arbeitete somit mit den Ursprungskirchen der Reformation hier in Europa. Ich gewann die Vorstellung, dass die Reformation auch hier in Europa, besonders in Deutschland und in der Schweiz, ein Hauptthema ist. Man lebte in der Reformation, mit der Reformation und für die Reformation.
Nach 6 Jahren im Gemeindedienst habe ich beschlossen, weiterzustudieren, damit ich bei meiner Heimkehr nach Korea eine Stelle finden konnte. So habe ich bei einem berühmten reformierten Theologen promoviert, bei Jürgen Moltmann. Anschließend ging ich zurück nach Korea und wurde Professor an einer Uni. Dort habe ich Folgendes gelernt: Reformation ist nicht nur eine Kirchensache, sondern eine epochemachende, weltumfassende Angelegenheit, die wir gern mitfeiern wollen. Dies war theologisch-akademisch kein Problem. So habe ich es auch in Deutschland, in der Schweiz und in Europa erfahren. Bis dahin dachte und handelte ich über die Grenzen des Konfessionalismus hinaus.
Nach 10 Jahren Professur habe ich ein neues Amt erlangt als Generalsekretär in der Kirchenleitung. Bereits nach einiger Zeit habe ich plötzlich realisiert: Aha, ich bin schon ein Konfessionalist. Als Kirchenamtsträger, als Generalsekretär eines Kirchenleitungsgremiums musste ich natürlich meine Konfessionskirche befürworten. Ohne Kirchenamt wäre ich wahrscheinlich immer noch ein überkonfessioneller Theologe, aber wegen dieses Amtes war und bin ich ein konfessionskundlicher oder konfessionsloyaler evangelischer Pfarrer geworden.
Nach 10 Jahren bin ich wieder in ein neues Amt eingestiegen, ins Gemeindepfarramt. Gemeindeglieder hatten und haben kaum Interesse an Konfessionalismus an sich. Von einer methodistischen zu einer presbyterianischen oder von der Pfingstgemeinde zur presbyterianischen Gemeinde: Dieser Konfessionswandel und/oder Gemeindewechsel ist häufig.
Gemeindeglieder also haben kaum Interesse an Konfessionen oder Konfessionalismus. Nur die Theologen sind daran interessiert. Kirchenamtsträger, Kirchenleitungsgremien haben – es tut mir leid, dies zu sagen – mehr oder weniger Interesse an Konfessionalität, an Konfessionalismus und dies auf eine Art und Weise, die in meinen Augen nicht unbedingt weitergeführt werden sollte.
Mein Fazit lautet somit zurzeit: In Europa habe ich gelernt, dass Reformation mit Konfession zu tun hat. Ich erinnere mich an einen französischen Theologen, der gesagt hat: Also, hören Sie, Jesus hat das Reich Gottes gepredigt. Entstanden ist in der Geschichte die Kirche.
Damit möchte ich sagen, dass die Reformatoren sich stark für die Reformation der Kirchen eingesetzt haben, aber in der Folge sind die Konfessionskirchen |101| entstanden. Über das Reich Gottes und die Kirche, basileia und ecclesia, muss noch viel nachgedacht werden. So wie auch über Reformation und Konfession, deren Zusammenhang und Verhältnis, noch viel reflektiert werden muss, wenn wir wirklich dieses Jubiläum gemeinsam feiern wollen.
Weiter lässt sich Folgendes sagen: Reformation wird immer durch eine feste Schiene von Konfessionen tradiert. Der Zug Kirche fährt immer über die Schiene der Konfessionen. Das müssen wir lernen, auch außerhalb Europas. Aber ich muss sagen, dass sich auch die Konfessionen erneuern müssen, um den Reformationsgeist besser und authentischer zu tradieren und weiterzutragen. So wie es in Korea der Fall ist.
Jetzt zu Korea: Da ich hierzu etwas auf Englisch vorbereitet habe, werde ich nun mal wieder die Sprache wechseln.
Wenn man über Religionen in Korea spricht, geht es genauer gesagt nur um jene in Südkorea. Allgemein ist festzustellen, dass die Religionen friedlich koexistieren: Buddhismus, Konfuzianismus, römischer Katholizismus, Protestantismus und andere traditionelle Volksreligionen. Volksreligionen und neu aufkommende religiöse Gesellschaften wie der Islam machen zahlenmäßig total unter 0,5% der Gesamtbevölkerung Südkoreas aus. Der Konfuzianismus, der während der fünf Jahrhunderte dauernden Yi–Dynastie (1392–1910) den Buddhismus als Staatsreligion abgelöst hatte, bleibt bis heute für die öffentliche Ethik, für soziale Normen und für persönliche und verwandtschaftliche Loyalitätsvorschriften (z. B. Ahnenverehrung usw.) maßgeblich. Zu den lebendigen Glaubensrichtungen und Religionen zählen heute in Korea vor allem der Buddhismus und zwei christliche Religionen; daneben gibt es einen interreligiösen Dialog und Kooperationsinstitutionen und Organisationen mit verschiedenen kleinen religiösen Gruppen.
Die heutige Lage der größten Religionen lässt sich anhand von statistischen Daten beschreiben (Kultur- und Tourismusministerium, Volkszählung 2008).
Die Statistiken für 1985, 1995 und 2005 weisen die Prozentanteile der Gläubigen an der Gesamtbevölkerung aus:
a. Anhänger einer Religion: Zunahme von 42,6 % (1985) auf 50,7 % (1995) und auf 53,1 % (2005),
b. Buddhisten: Zunahme von 19,9 % (1985) auf 23,2 % (1995) und dann Rückgang auf 22,8 % (2005), |102|
c. Protestanten: Zunahme von 16,1 % (1985) auf 19,7 % (1995) und Rückgang auf 18,3 % (2005),
d. Römische Katholiken: Zunahme von 4,6 % (1985) auf 6,6 % (1995) und auf 10,9 % (2005).
Die Volkszählung von 2008 wies die Anzahl Religionsanhänger wie folgt aus:
a. Buddhisten 10 726 463 Mitglieder in 21 935 Tempeln mit 49 408 Mönchen,
b. Protestanten: 8 616 438 Mitglieder in 58 404 Kirchen mit 94 615 Pfarrern,
c. Römische Katholiken: 5 146 147 Mitglieder in 1 511 Kirchen mit 14 597 Priestern.
Der Buddhismus bleibt in Korea die älteste und größte Religion. Er war über 1000 Jahre lang die Staatsreligion, bis er 1392 vom Konfuzianismus abgelöst und in geistliche Rückzugsorte in den Bergen gedrängt wurde. Gegen Ende der konfuzianischen Yi-Dynastie kam der römische Katholizismus zuerst aus Westeuropa nach Korea; ein Jahrhundert später der Protestantismus aus dem Westen Amerikas.
Die Anfänge des römisch-katholischen Glaubens werden offiziell mit der Gründung der ersten Hauskirche in Seoul (1784) durch einen der ersten getauften Koreaner, Lee Seung Hoon, in Verbindung gebracht: Er hatte in China Jesuiten kennengelernt und zusammen mit gebildeten Landsleuten neue Techniken und wissenschaftliche Anwendungen wie z. B. den Kompass und das Teleskop, sogenannte so-hak (Wissenschaft aus dem Westen) nach Korea mitgebracht. Inmitten der jahrzehntelangen politischen Kämpfe der Yi-Dynastie schlugen sich die Machteliten des reformfreundlichen, aber letztlich unterlegenen «Namnin–Lagers» auf die Seite der so-hak und traten dabei der damals noch exotischen römisch-katholischen Glaubensgemeinschaft bei. Erschwerend zum Machtkampf kam hinzu, dass die so-hak-Partei sich über Tabus hinwegsetzte und die Ahnenverehrung, das Kernsymbol der konfuzianischen Ethik für Politik und Familie, als «Götzendienst» ablehnte. Darauf folgten Massenverfolgungen von «blasphemischen» Katholiken. Angesichts der Massaker drohte die französische Kriegsflotte von Napoleon mehrmals mit Invasionsmanövern. Die regierende konservative Dynastie und ihre Eliten reagierten mit schärferer Verfolgung der Katholiken, was unter den Geistlichen und Gläubigen immer mehr Opfer forderte. Die Anfänge der |103| Mission des römischen Katholizismus in Korea waren also von politischen und sozialen Turbulenzen geprägt.
Heute entwickelt sich der römische Katholizismus in genau die entgegengesetzte Richtung. Die Mitgliederzahlen wachsen wie oben gezeigt kontinuierlich. Die katholische Kirche gilt als eine der sozial glaubwürdigsten Religionsgemeinschaften. Der interreligiöse Dialog und die Zusammenarbeit verlaufen reibungslos. Heute bekehren sich mehr Protestanten zum römisch-katholischen Glauben als umgekehrt – für die Protestanten ein Denkanstoß und ein Anlass, das Leben und Teilen ihres Glaubens zu überdenken und zu verändern.
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