Kitabı oku: «Berufs-, Fach- und Wissenschaftssprachen», sayfa 5

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1.2.4 Zusammenfassung

 Die horizontale Gliederung von Fachsprachen orientiert sich an den Einteilungen der Fächer. Dabei ist problematisch, dass diese fächergeschichtlich begründet ist und möglicherweise zu einer zu feinen, sprachunabhängigen Einteilung führt.

 Innerhalb der Sprache eines Faches kann ebenfalls eine Gliederung aufgezeigt werden, nämlich die vertikale Schichtung anhand des Abstraktionsgrades. Fachsprache wird im Bereich der Behandlung allgemeingültiger Aussagen abstrakter und kontextferner, im Bereich der praktischen Arbeit konkreter.

 Dies lässt sich auch an Textsorten zeigen, die die dritte wichtige Gliederungsmöglichkeit darstellen. Textsorten weisen funktionale und sprachliche Gemeinsamkeiten auf, die dazu dienen, die Inhalte des Faches angemessen zu kommunizieren. Die Vermittlung dieser Muster kann im Unterricht zur Selbstständigkeit der Lerner beitragen.

1.2.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle

1 Wenn Sie Fachsprachenunterricht geben, unterrichten Sie Lerner, die in der Regel bereits fachlich geprägt sind. Bitte fassen Sie in eigenen Worten zusammen, was die horizontale Ordnung von Fachsprachen anhand ihrer Zugehörigkeit zu Fächern für Sie als Lehrkraft bedeutet. Welche Kenntnisse wollen Sie im Unterricht vermitteln und wie strukturiert das Wissen über horizontale Ordnungen Ihren Unterricht?

2 Vergleichen Sie die beiden Ausschnitte aus den Chemielehrwerken (Abbildung 1.7 und Abbildung 1.8). Welche Unterschiede können Sie ausmachen? An wen richten sich die Texte? Notieren Sie in Stichpunkten.

3 Überlegen Sie, wie sich das Problem lösen lässt, dass Sie als Lehrperson unter Umständen wenig über das Fach wissen, dass Ihre Lerner als Expertise mitbringen. Notieren Sie, was Sie sich an Wissen über das Fach und dessen Fachsprache aneignen wollen, ehe Sie mit dem Unterricht beginnen.

4 Überlegen Sie, woran Sie bei Abbildung 1.11 festmachen können, um welche Textsorte es sich handelt. Benennen Sie textexterne und textinterne Kriterien, anhand derer Sie die Textsorte erkennen.

5 Was gilt es bei fachsprachlichem Fremdsprachenunterricht in Bezug auf die Kriterien Horizontale Gliederung, Vertikale Schichtung und Fachtextsorten zu beachten? Fassen Sie zusammen, was Sie in dieser Lerneinheit dazu gelernt haben.

1.3 Genre und Funktion in der fachsprachlichen Kommunikation

Sandra Drumm

Wie wir in der Lerneinheit 1.2 gesehen haben, ist das Hauptkriterium zur Klassifikation von Fachsprachen der Inhalt der Kommunikation (vergleiche Hoffmann 1985: 47). Je nachdem, welcher fachliche Gegenstand verhandelt wird, ändert sich die Fachsprache. Dabei verfügt jede der Subsprachen über einen eigenen Stil, wobei sich die Stile verschiedener Sub- beziehungsweise Fachsprachen ähneln können. Besonders die funktionalen Eigenschaften der Fachsprachen sind es, die deren Gestalt und Ausdrucksweisen bestimmen. In dieser Lerneinheit wollen wir uns deshalb mit den Funktionen von Fachsprachen eingehender befassen. Dabei steht besonders im Vordergrund, wie sich Funktion und Sprache gegenseitig beeinflussen. Außerdem sollen aus den unterschiedlichen Funktionen verschiedene Genres von Fachsprachen abgeleitet werden, die für Unterrichtszusammenhänge bedeutsam sein können.

Lernziele

In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie

 unterschiedliche Funktionen fachsprachlicher Kommunikation kennenlernen;

 sprachliche Mittel zur Verwirklichung dieser Kommunikationsfunktionen kennenlernen;

 die Funktion fachsprachliche Genres kennen und diese unterscheiden können;

 die Bedeutung der Funktion für Fachsprachenunterricht kennen und nutzbar machen können.

1.3.1 Funktionen fachlicher Kommunikation

Eines der Merkmale, das den Menschen von allen anderen Lebewesen unterscheidet, ist seine Fähigkeit zu differenzierter, sprachlicher Kommunikation. Sprache ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Entstehung und Weitergabe von Wissen und Kultur (Tradierungsfunktion). Weiterhin ermöglicht sie, anderen Menschen sowohl abstrakte als auch konkrete Sachverhalte etwas mitzuteilen sowie Gefühle, Stimmungen oder Meinungen mitzuteilen (Kommunikationsfunktion). Außerdem prägt sie die Beziehungen zwischen Personen (soziale Funktion) und eröffnet die Möglichkeit, diese zu beeinflussen. Sprache hilft uns, die Welt zu ordnen und Sachverhalte zu durchdenken (Kognitionsfunktion) oder uns völlig neue Sachverhalte zu erschließen (Erkenntnisfunktion). Sprache ist Mittel der Kreativität und Phantasie und des individuellen Ausdrucks (expressive Funktion). Die Funktion der Sprache wird durch den sprachlichen Ausdruck realisiert. Das bedeutet, dass die sprachliche Form sich ändert, wenn unterschiedliche Zwecke damit verbunden sind. Im Folgenden wollen wir uns ansehen, was das für die fachliche Kommunikation bedeutet.

In den vorangegangenen Lerneinheiten haben wir uns damit befasst, was ein Fach ist und welche Bestandteile es beeinflussen. Dazu zählen die dort behandelten fachliche Gegenstände, Akteure und Situationen. Im Rahmen dieser fachlichen Umgebung erfüllt Fachsprache bestimmte Funktionen, die wiederum die Auswahl der sprachlichen Mittel bestimmt. Fachkommunikation hat häufig entweder deskriptive, direktive oder instruktive Funktionen. Deskriptive Textedeskriptive Texte beschreiben und erklären einen Sachverhalt möglichst objektiv und neutral. Wir finden diese Funktion bei Lehrbüchern ebenso wie bei wissenschaftlichen Abhandlungen. Direktive Textedirektive Texte hingegen verfolgen die Funktion etwas anzuweisen oder festzulegen, wie etwas getan werden soll, wie beispielsweise Vorschriften und Regelwerke. Instruktive Texteinstruktive Texte sind Anleitungen, Gebrauchsanweisungen und Schritt-für-Schritt-Darstellungen, deren Zweck es ist, mitzuteilen, wie etwas getan werden soll.

Doch was ist eigentlich mit Funktion gemeint? Der Text? Oder vielleicht die Absicht, mit der dieser Text angefertigt wurde? An diesen Fragen lässt sich erkennen, dass wir hier genauer hinschauen müssen. Der kommunikative Zweck ist dabei ein wichtiger Gesichtspunkt, der bestimmt, welche DarstellungsverfahrenDarstellungsverfahren genutzt werden. Darstellungsverfahren wiederum prägen die Ausgestaltung unterschiedlicher Textsorten (vergleiche Möhn & Pelka 1984: 45). Das wollen wir uns an einem Beispiel ansehen: Denken Sie an die Kommunikation zwischen Fachleuten – beispielsweise zwei Forschern oder Forscherinnen unterschiedlicher Universitäten, die sich jeweils mit der Gestaltung eines neuen Bauteils zur Energieoptimierung befassen. Sie arbeiten an unterschiedlichen Standorten und kommunizieren miteinander in der Form von E-Mails, um sich über neue Forschungsergebnisse auszutauschen. Außerdem tauschen sie sich mündlich und schriftlich mit Werkstatt-Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus, die die Bauteile in der Praxis erproben. Die Erkenntnisse ihrer Forschungen vermitteln sie schließlich an Studierende.

Abbildung 1.12:

Funktionen der Fachkommunikation

Wie sich an dem Beispiel erkennen lässt, ist der kommunikative Zweck hier ein deskriptiver. Dieser wird in unterschiedlichen TextfunktionenTextfunktionen umgesetzt, nämlich durch Informieren, Unterrichten und so weiter. Textfunktionen sind also bestimmte Absichten, die beim Verfassen des Textes im Vordergrund stehen. Damit verbunden sind verschiedene Textsorten (vergleiche Lerneinheit 1.2) wie das Lehrbuch, der wissenschaftliche Bericht etc.

Die bisherigen Beispiele zeigen, dass Fachsprache in der Regel einer neutralen Form der Kommunikation dienen soll. Im Gegensatz zu Werbesprache und politischer Sprache soll sie nicht durch rhetorische Mittel überzeugen, sondern durch den ausgedrückten Inhalt. Das geht soweit, dass angenommen wird, dass Fachsprache insgesamt ein neutrales, für alle Menschen gleich verständliches Medium des fachlichen Austauschs sei. Das dies eine verkürzte Meinung ist, haben wir in Lerneinheit 1.1 erörtert. Trotzdem kann man für die Fachsprachen besonders folgende Bedingungen hervorheben, die sich in der sprachlichen Gestaltung wiederfinden lassen: Deutlichkeit, Verständlichkeit, Ökonomie, Anonymität und Identitätsstiftung (vergleiche Roelcke 2010: 25ff):


Deutlichkeit Fachsprachen sollen Inhalte darstellen, indem sie einen möglichst adäquaten Bezug zu fachlichen Gegenständen, Prozessen und Verfahren herstellen.
Verständlichkeit Fachsprachen dienen der möglichst fehlerfreien und eindeutigen Vermittlung fachlicher Inhalte. Der sprachliche Aufwand, mit dem fachliche Inhalte vermittelt werden, wird fälschlicherweise häufig mit minimalem Einsatz sprachlicher Mittel bei maximaler fachlicher Darstellung gleichgesetzt. Beide Größen müssen jedoch als veränderlich gesehen werden, da sie immer in Abhängigkeit von Produzierenden und Rezipierenden fachsprachlicher Kommunikation zu betrachten sind. Was für die eine Zielgruppe verständlich ist, ist für die andere nicht mehr nachvollziehbar.
Ökonomie Der Bezug zu fachlichen Gegenständen und Sachverhalten soll durch die Fachsprache unmittelbar hergestellt werden. Damit ist gemeint, dass Akteure außen vor bleiben und lediglich die Sachverhalte und die sie betreffenden Bestandteile oder Abläufe benannt werden. Dies gilt besonders für naturwissenschaftlich-technische Fachsprachen, die darum häufig im Passiv formuliert sind.
Anonymität Die mit der Ökonomie einhergehende Anonymität ist keine Unterstützung der Darstellungsfunktion von Fachsprache, sondern beruht auf der historischen Entwicklung der Fachsprache als objektive, nicht an menschliche Erfahrung gebundene Darstellung von Welt. Fachsprachen sollen Gegenstände so darstellen, dass sie allgemeingültig wirken und von einzelnen Personen oder Orten unabhängig sind.
Identitätsstiftung Wie bereits erwähnt, sind Fachsprachen an Personenkreise gebunden, die mit ihnen über bestimmte Gegenstände kommunizieren. Damit stellen Fachsprachen Gruppensprachen dar, und ihre Beherrschung definiert die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft derer, die über einen Kenntnisbereich kommunizieren (vergleiche Lerneinheit 1.2).

Tabelle 1.1:

Kriterien für Fachsprachen

Mit der identitätsstiftenden Funktion von Fachsprache wird darauf Bezug genommen, dass Menschen bestimmte sprachliche Repertoires haben und nutzen, die als eine Art Ausweis oder Zugehörigkeitsbeleg der jeweiligen Gruppe dienen. Damit wollen wir uns im nächsten Kapitel befassen.

1.3.2 Varietäten, Register und Genres von Fachsprachen

Da Fachsprachen Gruppen voneinander abgrenzen, sind sie als Subsprachen bestimmt, die sich von anderen Subsprachen mehr oder weniger stark unterscheiden. Der Begriff VarietätVarietät umfasst

ein sprachliches System, das einer bestimmten Einzelsprache untergeordnet und durch eine Zuordnung bestimmter innersprachlicher Merkmale einerseits und bestimmter außersprachlicher Merkmale andererseits gegenüber weiteren Varietäten abgegrenzt wird. (Roelcke 2010: 16)

Die außersprachlichen Merkmale können sein: geografisch-regional, sozio-demographisch, historisch und so weiter. Ein bestimmter räumlich gebundener Dialekt ist ebenso eine Varietät einer Sprache wie die Kommunikation unter Jugendlichen (Jugendsprachen) oder unter Fachleuten (Fachsprachen). Diese sozial oder räumlich definierten Gruppensprachen sind innersprachlich durch eine bestimmte Lexik, Syntax, Lautung, Schrift und Textgestaltung charakterisiert. Da Fachsprachen Gruppensprachen sind, stellt die soziale Komponente des Varietätsbegriffs eine wichtige Funktion dar: Durch den Gebrauch der Fachsprache zeigen sich Fachleute der jeweiligen Disziplin zugehörig. Wer in einer fachlichen Gruppe nicht angemessen kommunizieren kann, wird von dieser nicht akzeptiert. Dies spielt besonders im Kontext der Fremd- und Zweitsprachenforschung eine Rolle (vergleiche unter anderem die Lerneinheit 4.1 zum Thema Bildungssprache).

Sehen wir uns folgendes Beispiel an:

Abbildung 1.13:

E-Mail-Beispiel

Der betreffende Student hat einen Ausdruck gewählt, der bei den Adressaten oder Adressatinnen der Mail – seinen Dozentinnen und Dozenten – nicht wohlwollend angekommen ist. Hier hat sich der Absender der E-Mail (abgesehen von Problemen in Satzbau und Wortschatz) im Ton vergriffen. Formen wie Wissen Sie, Ich muss für Konferenz arbeiten. Ich habe viel zu tun. haben den Anschein, der Absender nähme sich selbst ziemlich wichtig. Dieser Eindruck von Unhöflichkeit und Frechheit dürfte seitens des Schreibers nicht intendiert sein, immerhin möchte er etwas vom Adressaten – der kommunikative Zweck wird wahrscheinlich eine respektvolle Anfrage gewesen sein. Im Regelfall wird eine solche Mail wohl einfach unbeantwortet bleiben. Der Verfasser verwendet nicht die passende Varietät beziehungsweise die betreffende Varietät ist nicht Teil seines persönlichen RegistersRegister, was die Kommunikation erschwert oder gar zunichtemacht.

Der Begriff Register bezieht sich auf Varianten einer Sprache, im Unterschied zu Varietäten steht jedoch die individuelle Nutzung des Sprachgebrauchs im Vordergrund. Varietäten beziehen sich auf die Unterschiede der jeweiligen Nutzer und Nutzerinnen von Sprache (Herkunft, Alter, soziale Schicht und so weiter), Register hingegen auf die Anforderung der jeweiligen Situation, in der Sprache verwendet wird (vergleiche Hess-Lüttich 1999: 208). Eine Person verfügt über unterschiedliche sprachliche Register, die je nach Situation und Kontext gezogen werden können. Wenn jemand zum Beispiel mit einem Familienmitglied kommuniziert, wird er oder sie eine andere sprachliche Form wählen, als wenn er oder sie mit einem Vorgesetzten in Kontakt tritt. Diese Unterschiede betreffen wieder die Wortwahl, die Grammatik, den Satzbau und ähnliches. Registerkompetenz meint, dass ein Mensch seine unterschiedlichen Register zielgerichtet, adressatengerecht und zweckorientiert einsetzen kann. Damit gehen Höflichkeit, Gewandtheit und Eloquenz einher – ein Mensch, der registerkonform kommuniziert, fällt in einer Gruppe nicht negativ auf und erreicht die Ziele, die er sprachlich verfolgt, deutlich problemloser, als jemand, der nicht registersicher ist.

Bedeutsam bei der Vorstellung unterschiedlicher sprachlicher Register ist, dass diese nicht auf eine einzige Sprache beschränkt sind. Mehrsprachige Personen verfügen häufig in ihren verschiedenen Sprachen über unterschiedliche Registerkompetenzen. Eine Person, die ausschließlich in einer ihrer Fremdsprachen studiert hat, kann akademische Themen und Diskurse unter Umständen nicht in ihrer Muttersprache ausdrücken. Dafür hat dieselbe Person Schwierigkeiten, Begriffe und Kontexte des häuslichen Zusammenlebens in der Fremdsprache zu kommunizieren. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Menschen ein Register nur erwerben, wenn sie darin auch sprachlich handeln. Die Person, die auf Deutsch studiert und lernt, Referate hält und Arbeiten schreibt, lernt damit auch die Registerausprägungen in dieser Sprache. Damit verbunden werden bestimmte GenresGenre und Textsorten erlernt, die für einen fachlichen oder sozialen Zusammenhang maßgeblich sind.

Genres können als spezialisierte Formen des Diskurses, die bestimmten Traditionen, Konventionen und Erwartungen entsprechen, beschrieben werden (vergleiche Vollmer 2009: 5). Zentral dabei ist, dass Genres immer in spezifische soziale Situationen eingebettet sind. Es handelt sich um sprachliche Ausprägungen, die eine spezifische, festgelegte Form haben, mit einer bestimmten Bezeichnung versehen sind und spezifische Charakteristika beinhalten, die sie strukturieren und von anderen abgrenzen. Dazu zählen zum Beispiel eine bestimmte Örtlichkeit, in der das Genre Anwendung findet, Personen, die daran beteiligt sind, oder ein spezielles Medium. Genres werden einerseits von Aspekten wie der sozialen Situation, dem Kommunikationsziel, der medialen Form und der Art der sozialen Interaktion bestimmt, andererseits gründet sich auf ihnen auch die Art, wie kommuniziert und interagiert wird. Im Rahmen eines Gebets wird das Ziel verfolgt, sich an ein höheres Wesen zu richten. Die mediale Form ist häufig so gestaltet, dass ein Priester oder eine Priesterin das Gebet in der Gruppe spricht und die Gläubigen entweder leise oder lautlos mitsprechen oder zuhören.

Wie wir in den vergangenen Lerneinheiten gesehen haben, sind Fachsprachen durch ihre Funktions- und Gruppenbezogenheit gekennzeichnet. So entstehen unterschiedliche Genres innerhalb der Fachsprachen, die sich durch ebenso individuelle Strukturen und Formen auszeichnen, wie wir das eben anhand der nicht-fachlichen Genres behandelt haben. Aufgrund dieser strukturellen Fixiertheit sind die fachlichen Genres auch für Laien, wenn schon nicht nachvollziehbar, dann doch zumindest erkennbar. Da Genres fest mit sozialen Situationen verbunden sind, in denen sie eine Rolle spielen, sind in bestimmten Situationen nur bestimmte Genres wählbar. In einigen Genres von Fachsprachen dominieren elliptische Strukturen, zum Beispiel in Fahrplänen oder Durchsagen an das Personal in Kaufhäusern. Die Äußerung Lokführer 70667 Anschluss 1665 entspricht einem Imperativ, der dem Lokführer der Regionalbahn von Bayreuth nach Weiden über Kirchenlaibach mitteilt, dass er die Ankunft des ICE aus Nürnberg abzuwarten habe (Beispiel aus Roche 2003: 149). Auch hier ist der Zweck der Kommunikation die Form für die sprachlichen Mittel. Möglichst kurz und eindeutig sollen Informationen von Fachleuten für Fachleute übermittelt werden. Das jeweilige Genre dient als eine Art Raster, dem bestimmte Merkmale von vornherein zugeordnet sind (wer, was, wo, warum, wie), und teilt den Beteiligten mit, was sie zu erwarten haben und welche Verhaltensmuster von ihnen gefordert sind. Gleichzeitig prägt das Wissen über Genres unsere Vorerwartung, die wir an einen Text haben.

Im Gegensatz zum Register wird im Genrebegriff also die Verarbeitung durch die Rezipienten mitgedacht. Ist ein Text nicht registerkonform, wirkt das irritierend. Das wollen wir uns an einem Beispiel ansehen:

Rotkäppchen 1

Als in unserer Stadt wohnhaft ist eine Minderjährige aktenkundig, welche infolge ihrer hierorts üblichen Kopfbedeckung gewohnheitsrechtlich "Rotkäppchen" genannt zu werden pflegt. Vor ihrer Inmarschsetzung wurde die R. seitens ihrer Mutter über das Verbot betreffs Verlassens der Waldwege auf Kreisebene belehrt. Sie machte sich infolge Nichtbeachtung dieser Vorschrift strafbar und begegnete beim Überschreiten des diesbezüglichen Blumenpflückverbotes einem polizeilich nicht gemeldeten Wolf ohne festen Wohnsitz. Dieser verlangte in unberechtigter Amtsanmaßung Einsicht in den zum Transport von Konsumgütern dienenden Korb und traf zwecks Tötungsabsicht die Feststellung, dass die R. zu ihrer verwandten und verschwägerten Großmutter eilends war. Da bei dem Wolf Verknappungen auf dem Ernährungssektor vorherrschend waren, beschloss er, bei der Großmutter der R. unter Vorlage falscher Papiere vorstellig zu werden. Da dieselbe wegen Augenleidens krankgeschrieben war, gelang dem Wolf die diesfällige Täuschungsabsicht, worauf er unter Verschlingung der Bettlägerigen einen strafbaren Mundraub ausführte. Bei der später eintreffenden R. täuschte er seine Identität mit der Großmutter vor, stellte der R. nach und durch Zweitverschlingung derselben seinen Tötungsvorsatz unter Beweis. …

Rotkäppchen 2

Für das aus der Reaktion eines unbekannten Chemikers mit seinem weiblichen Reaktionspartner, der im folgenden kurz mit dem Trivialnamen Mutter bezeichnet wird, hervorgegangene Produkt hat sich in der internationalen Nomenklatur der Name ’Rotkäppchen’ allmählich durchgesetzt, da das seinen Kopf bedeckende Kunstfasergewebe mit dem roten Phenazinfarbstoff Safranin gefärbt war. Aus einer Veröffentlichung in Carnevalistica Chimica Acta 11,11 entnahm die Mutter, dass der weibliche Reaktionspartner der Reaktion, bei der sie ihrerseits gebildet worden war – im folgenden mit Großmutter bezeichnet – einem Angriff von Stoffwechselprodukten von Bakterien ausgesetzt war. Die Großmutter reagierte exotherm, was an einer negativen Reaktionswärme zu erkennen war, die von ihrer Oberfläche an die sie umgebende Gasphase abgegeben wurde. Zur Erhöhung ihrer Aktivierungsenergie hatte sich die Großmutter auf einem sonst zu Recreationszwecken des menschlichen Körpers dienenden Gestell ausgebreitet. Die Mutter entnahm ihrer Chemikaliensammlung einige Flaschen mit Reagenzien, die geeignet waren, die schädlichen bakteriellen Stoffwechselprodukte nebst ihren Präparatoren aus der Großmutterlauge auszufällen. Die Reagenzien verpackte sie bruchsicher in einem mit Holzwolle ausgekleidetem Traggestell und beauftragte Rotkäppchen, dieses zur Großmutter zu befördern, es ermahnend, nicht das durch silikatische Gesteinsstücke befestigte Wegesystem zu verlassen. …

Rotkäppchen in der Fachsprache der Juristen und Chemiker (zitiert nach Ritz 2000)

An diesen beiden Beispielen lässt sich gut erkennen, dass Sprache und Sache untrennbar zusammenhängen. In der Sprache kommt die Sichtweise des Faches zum Ausdruck und die Sichtweise des Faches wird durch die Sprache bestimmt. Aufgrund des Themas und der Situation, in der ein Text entsteht, werden bestimmte genrespezifische Strukturen und Merkmale erwartet. Treffen diese auf den Text nicht zu, entsteht ein irritierender (im vorliegenden Fall witziger) Eindruck. Das Märchen als Genre verlangt andere Genremerkmale als die hier gewählten fachsprachlichen. Gleichzeitig kann ein solches Beispiel aber auch die Aufmerksamkeit dafür wecken, wie zentral die Wahl des richtigen Genres ist. Ein ungewollter Fehlgriff kann die Kommunikation erschweren und im schlimmsten Fall unmöglich machen. Außerdem kann ein falscher Registerzugriff die Beziehung der Kommunizierenden belasten, da Sprache immer auch Rückschlüsse auf die kommunizierende Person ermöglicht, wie wir an dem Beispiel der missglückten E-Mail gesehen haben. Zur generischen Kompetenz gehört es, dem jeweiligen Kontext und Interaktionszweck entsprechende Genres zu verstehen und selbst verwenden zu können sowie auf der Basis dieser Genre-Merkmale eigene Äußerungen produzieren zu können (vergleiche Hallet 2012: 61). Damit zeigt sich eine Person als einer bestimmten Wissenschaftskultur zugehörig. Wie sich diese in sprachlicher Hinsicht und bezogen auf das Lernen von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache auswirken, werden wir im Laufe dieses Bands noch eingehend behandeln. Im Folgenden soll daher nur ein kurzer Einblick in das Thema Wissenschaftskultur erfolgen.

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