Kitabı oku: «Besonderes Verwaltungsrecht», sayfa 48
bb) Auswirkungen auf die verfassungsgerichtliche Prüfungsdichte
171
Die Unterscheidung zwischen Finanzierungsabgaben als „Sonderabgaben im engeren Sinn“ und Ausgleichsabgaben ohne Finanzierungszweck, also Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion[582], dient dem Bundesverfassungsgericht in seiner jüngeren Judikatur zur Vorjustierung der Striktheit, mit der die Kriterien der Sonderabgabe geprüft werden. Zur Begründung wird angeführt, dass bei den Finanzierungssonderabgaben der Übergriff in den Bereich der Steuer – anders als bei Gebühren oder Beiträgen – besonders nahe liege: „Die für alle nichtsteuerlichen Abgaben geltenden Begrenzungen hat das Bundesverfassungsgericht für Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion (Sonderabgaben im engeren Sinne) in besonders strenger Form präzisiert. Sonderabgaben im engeren Sinne zeichnen sich dadurch aus, dass der Gesetzgeber Kompetenzen außerhalb der Finanzverfassung in Anspruch nimmt, obwohl weder ein Gegenleistungsverhältnis noch ähnlich unterscheidungskräftige besondere Belastungsgründe eine Konkurrenz der Abgabe zur Steuer ausschließen“[583]. Etwaige Lenkungszwecke allein reichen jedoch nicht aus, um die Rechtfertigungsanforderungen für Sonderabgaben herabzusetzen. Wenn der Finanzierungszweck Haupt- oder Nebenzweck ist, ändern hinzutretende Lenkungszwecke nichts an der Geltung der vom Gericht entwickelten Kriterien für die Zulässigkeit einer Sonderabgabe[584].
Problematisch erscheint, dass hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeitsanforderungen für Sonderabgaben i.w.S. weitgehend Kasuistik herrscht; ein einheitlicher, über den Einzelfall hinausgehender Prüfungsmaßstab ist nur begrenzt erkennbar[585].
c) Besondere Finanzierungsverantwortung der Gruppe für den Sachzweck
172
In der Leitentscheidung zur Ausbildungsplatzförderungsabgabe fordert das Bundesverfassungsgericht über das Vorliegen einer homogenen Gruppe hinaus deren besondere Gruppenverantwortlichkeit im Sinne einer Finanzierungsverantwortung für den mit der Sonderabgabe verfolgten Sachzweck:
„Die Erhebung einer Sonderabgabe setzt eine spezifische Beziehung zwischen dem Kreis der Abgabepflichtigen und dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck voraus […]. Die mit der Abgabe belastete Gruppe muss dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck evident näher stehen als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler; andernfalls wäre die Sonderbelastung der durch die Abgabe in Anspruch genommenen Gruppe schon mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nicht zu vereinbaren. Aus dieser zu fordernden Sachnähe der Abgabepflichtigen zum Abgabezweck muss eine besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe entspringen. Die Aufgabe, die mit Hilfe des Abgabeaufkommens erfüllt werden soll, muss demnach ganz überwiegend in die Sachverantwortung der belasteten Gruppe, nicht in die der staatlichen Gesamtverantwortung fallen. Andernfalls würde es sich bei der Verfolgung des Zwecks um eine öffentliche Angelegenheit handeln, deren Lasten nur die Allgemeinheit treffen dürfen und die deshalb nur mit von der Allgemeinheit zu erbringenden Mitteln, das heißt im wesentlichen mit Steuermitteln finanziert werden darf […]. Angesichts der Bedeutsamkeit der ‚Sachnähe‚ für die Zulässigkeit der Erhebung einer Sonderabgabe darf […] die ‚Sachnähe‚ nicht als formales und damit ‚machbares‚ Kriterium aufgefasst werden; es wäre dem Gesetzgeber sonst ohne weiteres möglich, die finanzverfassungsrechtlichen Grundentscheidungen des Grundgesetzes zu unterlaufen […]. Der Begriff der ‚Sachnähe‘ ist daher nach materiell-inhaltlichen Kriterien zu bestimmen, die sich einer gezielten Normierung des Gesetzgebers aus Anlass der Einführung der Abgabe entziehen. Ob eine bestimmte Gruppe eine ‚besondere Sachnähe‚ zu einer bestimmten Aufgabe aufweist, ist mithin unter Anknüpfung an vorgegebene Strukturen der Lebenswirklichkeit bei Berücksichtigung der Rechts- und Sozialordnung zu bestimmen“[586].
Die Bedeutung dieses weiteren Kriteriums neben der Anforderung, dass nur eine durch die Rechts- oder Sozialordnung bereits vor der Sonderabgabe klar abgrenzbare homogene Gruppe als abgabenpflichtig in Anspruch genommen werden darf, ist unklar[587]. So verwundert es auch nicht, dass die neuere Sonderabgabenjudikatur von einem „Ensemble […] der speziellen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Sonderabgabe mit Finanzierungszweck“ spricht[588], die Trennschärfe zwischen den Anforderungen „homogene Gruppe“, „spezifische Sachnähe der Gruppe zum Finanzierungszweck“ und „gruppennützige Verwendung des Abgabeaufkommens“ implizit relativiert.
173
Die Notwendigkeit einer besonderen Gruppenverantwortung verlangt jedenfalls, dass es sich um keine öffentliche Angelegenheit handelt, deren Lasten nur die Allgemeinheit treffen dürfen und daher im Wesentlichen mit Steuermitteln finanziert werden müssen. Es ist eine spezifische Sachnähe der Abgabepflichtigen zu dem mit der Abgabeerhebung verfolgten Zweck erforderlich. Die Lastengleichheit setzt voraus, dass der Gesetzgeber diese Sachnähe real oder normativ vorfindet; es genügt nicht, wenn er die Sachnähe erst durch die Sonderabgabe herstellt[589]. Vielfach werden sowohl Allgemein- als auch Gruppeninteressen einander überlagern: Die Gruppennützigkeit muss das Allgemeininteresse an der Maßnahme in diesen Fällen eindeutig überwiegen[590]. Ein öffentliches Interesse an der Aufgabenerfüllung setzt die spezifische Finanzierungsverantwortung besonderer Gruppen voraus, beseitigt sie aber nicht[591].
Bei der sog. Verursacherabgabe kann die Gruppenverantwortlichkeit für den Finanzierungszweck daraus abgeleitet werden, dass der Abgabenschuldner die Kosten staatlicher Maßnahmen verursacht habe. Er soll typisierend mit Kosten belastet werden, die durch seine Handlungen hervorgerufen, aber von der Allgemeinheit getragen werden[592]. Derartige Verursacherabgaben finden sich bislang vor allem in umweltpolitischen Zusammenhängen[593]. Erforderlich ist in diesem Zusammenhang eine Finanzierungsverantwortlichkeit aus vorangegangenem Tun, das die Kosten unmittelbar verursacht hat[594].
174
Hinsichtlich der verfassungsrechtlich zulässigen Höhe der Sonderabgabe ist festzuhalten, dass „mit Blick auf die kollektive Finanzierungsverantwortung der Abgabenpflichtigen als einer Gruppe […] sich die Bestimmung der individuellen Belastung einer genauen Umrechnung auf den einzelnen Abgabepflichtigen nach Kosten, Wert und Vorteil [entzieht]“[595].
d) Gruppennützigkeit der Mittelverwendung
175
Die gruppennützige Verwendung des Abgabeaufkommens wurde ebenfalls bereits in der Ausbildungsplatzförderungsentscheidung als Voraussetzung postuliert:
„Die außersteuerliche Belastung von Angehörigen einer Gruppe setzt voraus, dass zwischen den Belastungen und den Begünstigungen, die die Sonderabgabe bewirkt, eine sachgerechte Verknüpfung besteht. Das ist der Fall, wenn das Abgabeaufkommen im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen, also ‚gruppennützig‘ verwendet wird […]. ‚Fremdnützige‘ Sonderabgaben sind – soweit ihnen nicht schon Bedenken aus den Grundrechten, insbesondere aus Art. 14 GG, entgegenstehen – unzulässig, es sei denn, dass die Natur der Sache eine finanzielle Inanspruchnahme der Abgabepflichtigen zugunsten fremder Begünstigter aus triftigen Gründen eindeutig rechtfertigt […]. ‚Gruppennützige‘ Verwendung der Abgabe besagt allerdings nicht, dass das Abgabeaufkommen im spezifischen Interesse jedes einzelnen Abgabepflichtigen zu verwenden ist; es genügt, wenn es überwiegend im Interesse der Gesamtgruppe verwendet wird“[596].
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedeuten mithin die besondere Sachnähe zum Finanzierungszweck und die korrespondierende Finanzierungsverantwortung, dass die zweckentsprechende Verwendung des Abgabenaufkommens zugleich gruppennützig wirkt[597]. Eine Sonderabgabe ist danach nur dann zulässig, wenn das Abgabenaufkommen vollständig im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen verwendet wird. Eine Einstellung in die allgemeinen Haushalte des Bundes oder der Länder scheidet grundsätzlich aus; etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn haushaltsrechtliche Vorkehrungen dafür getroffen werden, dass das Aufkommen – in Abweichung von dem allgemeinen Non-Affektationsprinzip – ausschließlich gruppennützig verwendet wird. Nicht von der Sonderabgabenrechtsprechung erfasst wäre demgegenüber die Verwendung des Aufkommens zur Ausstattung eines privatrechtlich verfassten Vermögens. Etwaige Überschüsse, die der Fonds aus den Mitteln der Sonderabgabe erzielt, sind, sofern eine gruppennützige Verwendung der Mittel nicht mehr erfolgt oder der Fonds aufgelöst wird, den Abgabenschuldnern zu erstatten[598].
e) Überprüfungs- und Dokumentationspflichten
176
Die Sonderabgabenjudikatur des Bundesverfassungsgerichts war von Anfang an dadurch gekennzeichnet, dass dem parlamentarischen Gesetzgeber eine Überprüfungspflicht in der Zeit aufgegeben wurde. Der die Sonderabgabe einführende Gesetzgeber ist verpflichtet, Mechanismen zur kontinuierlichen, i.d.R. jährlichen Überprüfung der Notwendigkeit der Abgabe zu regeln. Bereits in der Leitentscheidung zur Ausbildungsplatzförderungsabgabe heißt es: „Der Gesetzgeber ist bei einer auf längere Zeit angelegten Finanzierung einer in die spezifische Verantwortung einer Gruppe fallenden Aufgabe durch Erhebung einer Sonderabgabe von Verfassungs wegen gehalten, stets zu überprüfen, ob seine ursprüngliche Entscheidung für den Einsatz des gesetzgeberischen Mittels ‚Sonderabgabe‘ aufrechtzuerhalten oder ob sie wegen veränderter Umstände, insbesondere wegen Wegfalls des Finanzierungszwecks oder Zielerreichung zu ändern oder aufzuheben ist […]. Denn die Sonderabgabe bedarf – im Gegensatz zur Steuer – als Ausnahmeinstrument der fortdauernden Legitimation durch hinreichende Rechtfertigungsgründe“[599]. Diese periodische Überprüfungspflicht wurde in der Folgejudikatur stets beibehalten[600].
Darüber hinaus sind seit einer Rechtsprechungsergänzung 2003 Sonderabgaben, die in Nebenhaushalte („Fonds“) fließen, im Interesse einer wirksamen parlamentarisch-demokratischen Legitimation haushaltsrechtlich vollständig zu dokumentieren[601].
III. Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenz
177
Die Verbandskompetenz für den Erlass eines eine Sonderabgabe einführenden Gesetzes richtet sich – wie bei den übrigen nichtsteuerlichen Abgaben – nach den allgemeinen Sachkompetenzen des Art. 70 ff., nicht nach den Steuerkompetenznormen des Art. 105 GG. Der Gesetzgeber muss durch die Sonderabgabe auf den jeweiligen Kompetenzbereich gestaltend einwirken, um sich „auf Art. 70 ff. GG stützen und im Einzelfall über den bundesstaatlich begründeten Ausschließlichkeitsanspruch der in Art. 104a GG normierten Regeln hinwegsetzen“ zu können. Diese Anforderung ist erfüllt, wenn die Einführung einer Sonderabgabe der Verfolgung eines – über die bloße Mittelbeschaffung hinausgehenden – Sachzwecks dient[602]. Erträge aus Sonderabgaben fließen dem Rechtsträger zu, dem der Abgabenertrag gesetzlich zugeordnet wird – nur in diesem eingeschränkten Sinne folgt die Ertrags- der Gesetzgebungskompetenz[603]. Die Verteilung der Verwaltungszuständigkeit richtet sich nach den Art. 30, 83 ff. GG.
Elftes Kapitel Haushalts- und Abgabenrecht › § 67 Abgabenrecht › G. Sonstige Abgaben
G. Sonstige Abgaben
178
In die Kategorie der sonstigen Abgaben fallen Abgabentatbestände, die weder Steuern, noch Vorzugslasten (Gebühren oder Beiträge) oder Sonderabgaben sind. Solche Abgaben sind angesichts des fehlenden numerus clausus der Abgabenformen grundsätzlich denkbar. Sie sind oft als Allgemeinlasten ausgestaltet, werden aber nicht in erster Linie zum Zwecke der Erzielung von Aufkommen erhoben, sondern verfolgen einen besonderen Lenkungszweck (Ausgleichs- und Lenkungsabgaben). Häufig werden sie – mangels weiterreichender Klassifizierungen – als Abgabentypus sui generis bezeichnet. Diese Aussage trifft vor allem auf die Sozialversicherungsbeiträge und die überkommene Rundfunkgebühr zu.
I. Besondere Ausgleichs- und Lenkungsabgaben
1. Ausgleichsabgaben
179
Ausgleichsabgaben sind Abgaben, die spezifische Lasten oder Vorteile ausgleichen wollen. Sie werden erhoben, wo Einzelne im öffentlichen Interesse besondere Pflichten übernommen haben, ihnen solche Pflichten auferlegt worden sind oder ihnen ein besonderer Vorteil zugeflossen ist, ohne dass ihnen damit ein zuzurechnender Aufwand erwachsen ist. Beispiele für Ausgleichsabgaben bilden die Schwerbeschädigtenabgabe und die Fehlbelegungsabgabe, deren Verfassungsmäßigkeit auch das Bundesverfassungsgericht beschäftigt hat[604]. Das der Entscheidung zugrunde liegende Schwerbehindertengesetz vom 24. April 1974[605] sah vor, dass Arbeitgeber, die über ein bestimmtes Volumen an Arbeitsplätzen verfügten, einen bestimmten Prozentsatz an schwerbehinderten Arbeitnehmern beschäftigen mussten. Die Arbeitgeber, die dies unterließen, waren abgabepflichtig. Bei der Fehlbelegungsabgabe wurden diejenigen Inhaber öffentlich geförderter Wohnungen in Anspruch genommen, deren Einkommen über einer bestimmten Grenze lag. Der Abgabentatbestand knüpfte an die Fehlbelegung einer Sozialwohnung an. Das Bundesverfassungsgericht qualifizierte sie als Abschöpfungsabgabe, die der Rückabwicklung staatlich gewährter Subventionsvorteile diene[606]. Der Einnahmeerzielungszweck fehlt demgegenüber bzw. tritt weitestgehend zurück.
180
Problematisch ist die Abgrenzung zur Sonderabgabe. Die steuerähnliche Sonderabgabe ist gegenleistungsfrei, die Fehlbelegungsabgabe hingegen gleicht die vergünstigte Wohnmöglichkeit und somit einen mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil aus; sie steht mit der ursprünglich beim Bau der Sozialwohnung gewährten Subvention „in einem unlösbaren sachlichen Zusammenhang“[607]. Dieses Ergebnis wird noch dadurch bestätigt, dass die abgeschöpften Mittel wieder zweckgebunden der Förderung des sozialen Wohnungsbaus zugeführt werden[608]. Auch diese systematisch eigenständige Abgabe bedarf freilich einer besonderen Legitimation, wenn sie unter Inanspruchnahme einer Sachkompetenz aus Art. 70 ff. GG erhoben wird. Diese folgt daraus, dass bei der Fehlbelegungsabgabe eine Gesetzgebungskompetenz in Anspruch genommen wird, um aus Gründen der Gestaltung eines Sachbereichs – der Förderung des sozialen Wohnungsbaus – staatliche Einnahmen zu erzielen und diese im Rahmen des Sachprogramms zweckgebunden zu verwenden. „Die durch die Abschöpfung gewonnenen finanziellen Mittel werden durch die Zweckbindung und Zuweisung … wieder der Förderung des sozialen Wohnungsbaus zugeführt“[609].
2. Reine Lenkungsabgaben
181
Zu den sonstigen Abgaben zählen auch sog. Lenkungsabgaben, die, anders als Steuern, ausschließlich erhoben werden, um das Verhalten der Pflichtigen zu beeinflussen. Solche Lenkungsabgaben sind häufig im Bereich des Umweltrechts anzutreffen und erhalten dort zunehmend Bedeutung[610]. Systematisch wären zu den Lenkungsabgaben auch in Geldzahlungspflichten bestehende monetäre Sanktionen, wie Geldstrafen, Buß- und Zwangsgelder zu zählen. Das Recht der Sanktionen hat sich aber historisch gesondert entwickelt, sodass es nicht üblich ist, Sanktionen als Abgaben zu betrachten[611].
II. Abgaben im Sozialversicherungsrecht
182
Schon wegen ihres Aufkommenvolumens im Vergleich zu allen anderen nichtsteuerlichen Abgaben, den Steuern und zum Staatshaushalt, nehmen die Sozialversicherungsbeiträge eine herausragende Stellung ein[612]. Ihre verfassungsdogmatische Einordnung ist jedoch umstritten. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in einer Vielzahl von Fällen und Einzelproblemen der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme gewidmet, insgesamt aber keine konsistente Dogmatik zu dieser Abgabenform entwickelt. Sozialversicherungsbeiträge sind keine Beiträge im finanzrechtlichen Sinne[613]. Der Sozialversicherungsbeitrag ist neben Elementen der Äquivalenz auch durch umverteilende Elemente der Leistungsfähigkeit geprägt und kommt Dritten zugute[614]. Auch kann der Sozialversicherungsbeitrag keine Verbandslast sein, da dies voraussetzen würde, dass die Sozialversicherungszweige eine korporative Legitimation zur Beitragserhebung haben, die zumindest einige von ihnen nicht erfüllen[615]. Der Sozialversicherungsbeitrag ist keine Steuer, da die Sozialversicherungskörperschaften keine Ertragshoheit im Sinne des Art. 106 GG haben und diese Abgabe als Sonderlast konzipiert ist; es fehlt an der dem Steuerbegriff immanenten Voraussetzungslosigkeit[616]. Bei den Sozialversicherungsbeiträgen handelt es sich demnach um einen Abgabentypus sui generis, der als „Sonderlast“ bezeichnet werden kann und seine kompetenzielle Grundlage nach ständiger Rechtsprechung in der Sachkompetenz zur Regelung der „Sozialversicherung“ nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG findet[617].
III. Rundfunkbeitrag
183
Der Streit über die abgabenrechtliche Einordnung von Rundfunkgebühr bzw. Rundfunkbeitrag schwelt seit langer Zeit. Er dürfte mit der jüngsten Reform und auch mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 nicht beendet sein[618]. Mit dem Urteil des EuGH vom 13. Dezember 2018 ist allerdings die Frage entschieden, ob es sich bei dem Rundfunkbeitrag um eine euoroparechtswidrige staatliche Behilife handelt. Der EuGH verneinte dies erwartungsgemäß[619]. Ein Teil der Schwierigkeiten, die sich bei der abgabenrechtlichen Einordnung des Rundfunkbeitrags stellen, dürften darauf beruhen, dass der Rundfunkbeitrag dogmatisch „zwischen“ Rundfunk- und Finanzverfassungsrecht zu verorten ist. Zum 1.1.2013 wurde durch den 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag mittels des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags und seiner landesgesetzlichen Umsetzungen die Rundfunkgebühr durch einen Rundfunkbeitrag als Haushaltsbeitrag ersetzt[620]. Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber als Beitragsschuldner ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Auf das Bereithalten eines Empfangsgeräts oder darauf, ob Rundfunkleistungen konsumiert werden, kommt es dabei nicht mehr an. Zahlreiche Sondertatbestände treten hinzu. Hintergrund dieser Entwicklung war es, dass das Anknüpfen an klar definierte Empfangsgeräte angesichts der Konvergenz der Endgeräte – Fernsehgeräte, Radiogeräte, Computer mit zahlreichen Zwischenformen – obsolet zu werden drohte[621]. Da der finanzverfassungsrechtlich angezeigte Weg einer Steuerfinanzierung unter Wahrung der Unabhängigkeit und Staatsferne[622] des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von den Rundfunkanstalten aus wenig überzgeugenden Gründen bekämpft wird, gingen die Reformbemühungen dahin, einen geräteunabhängigen Haushaltsbeitrag zu schaffen. Die Abgrenzung zur Steuer gerät so noch mehr ins Schwimmen, gegen diesen neuen Abgabentyp bestehen verfassungsrechtliche Bedenken[623].
184
Eine große Bedeutung hat die Klassifizierung des Rundfunkbeitrags schon allein aufgrund der Frage, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen an ihn zu stellen sind, auch die Höhe betreffend[624]. Das Bundesverfassungsgericht wie auch das Bundesverwaltungsgericht haben die Frage der abgabenrechtlichen Einordnung der bisherigen Rundfunkgebühr offen gelassen[625]. Zum neuen Rundfunkbeitrag lag bisher nur Judikatur von Landesverfassungsgerichten[626] sowie der Verwaltungsgerichtsbarkeit vor[627]. Da es sich bei den Rundfunkanstalten um Anstalten des öffentlichen Rechts handelt, ist der Rundfunkbeitrag zumindest auch nach öffentlich-rechtlichem Abgabenrecht zu beurteilen, insbesondere nach den Vorschriften des X. Abschnitts des Grundgesetzes, der sich am Leitbild des Steuerstaates orientiert[628]. Die Bezeichnung als „Beitrag“ kann allenfalls als Indiz herhalten, letztlich ist der materielle Gehalt entscheidend für die Qualifikation[629].
185
Eine Einordnung als Steuer wird teilweise in der Literatur vertreten[630], jedoch überwiegend abgelehnt[631] obgleich mit der Neugestaltung der Abstand sich weiter verringert hat. Da der Rundfunkbeitrag zur Finanzierung der Gesamtveranstaltung öffentlich-rechtlicher Rundfunk gezahlt wird[632], mithin nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellt, sondern vielmehr von den Ländern zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt wird, liegt eine Einordnung als Steuer nahe[633]. Allerdings spricht gegen die Annahme einer Steuer nicht nur das Argument, dass die hoheitlich auferlegte Abgabe den Landesrundfunkanstalten und somit nicht der öffentlichen Hand im Sinne der unmittelbaren oder mittelbaren Staatsverwaltung, d.h. nicht einem nach der Finanzverfassung Ertragsberechtigten zufließt[634], sondern auch, dass eine Gesetzgebungskompetenz der Länder nach Art. 105 Abs. 2a GG nicht in Frage kommt und somit nur die Annahme einer nichtsteuerlichen Abgabe plausibel ist[635]. Es handelt sich beim Rundfunkbeitrag nicht um eine Steuer[636].
186
Aufgrund der fehlenden konkreten Gegenleistung – eine Inanspruchnahme des Programms der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist nicht Bestandteil des die Zahlungspflicht auslösenden Abgabentatbestands – und der nicht unbedingt gegenleistungsbezogenen Verwendung des Aufkommens liegt auch keine Gebühr vor[637].
187
Von nicht wenigen Autoren und jetzt auch vom Bundesverfassungsgericht wird die Abgabe als Beitrag angesehen[638]. Die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme spricht für die Einordnung als Beitrag, da es nicht auf die tatsächliche Nutzung des Angebots der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ankommt. Allerdings muss die Beitragspflicht eine unmittelbare Verbindung zu „konkreten, einzeln greifbaren wirtschaftlichen Vorteilen“ aufweisen[639]. An diesem Vorteil fehlt es, wenn der Empfang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überhaupt nicht gewünscht wird. Ein Vorteil entsteht noch nicht durch das bloße Angebot, da dieses auch noch abgefragt werden muss. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts liegt der durch den Rundfunkbeitrag ausgeglichene Vorteil in der Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen zu können. Für die Staatspraxis dürfte die Qualifikation dieser Abgabe damit zunächst entschieden sein, angesichts des Streitpotentials die Diskussion jedoch anhalten. Einzige überfällige Korrektur des Ersten Senats war die Verfassungwidrigerklärung der Erhebung des Beitrags auf Zweitwohnungen.[640]
188
Auch die Einordnung als Sonderabgabe ist zu erwägen[641]. Ist der Gegenleistungscharakter des Rundfunkbeitrags schon problematisch hinsichtlich der Einordnung als Sonderabgabe[642], kann die Gruppe der Rundfunkteilnehmer jedenfalls schon allein aufgrund ihrer Größe nicht als homogen angesehen werden und unterscheidet sich nicht hinreichend von der Allgemeinheit. Spätestens seit der Umstellung von der Rundfunkgebühr auf den Rundfunkbeitrag und damit auf die Anknüpfung an jeden Haushalt sind die Abgabepflichtigen mit der Allgemeinheit identisch. Auch die besondere Sachnähe zur finanzierten Aufgabe und die Gruppennützigkeit der Aufkommensverwendung erscheinen problematisch[643].
189
In der Rundfunkgebühr wurde – und Entsprechendes gälte wohl auch für den Rundfunkbeitrag – von einigen Autoren eine sog. sachkompetenzimplizite Abgabe gesehen[644]. Demnach soll eine eigene, verfassungsunmittelbare Abgabenerhebungskompetenz bestehen[645]. Diese könnte aus Art. 70 Abs. 1 und aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG hergeleitet werden, nach denen die Länder ein funktionsfähiges öffentlich-rechtliches Rundfunksystem zu gewährleisten hätten[646]. Allerdings ergäben sich daraus keine weitergehenden Rückschlüsse in Bezug auf die inhaltlichen Anforderungen an die Abgabe[647], da in erster Linie die Kompetenz für die Erhebung der Rundfunkgebühren geklärt würde – diese liegt unbestritten bei den Ländern[648].
190
Es bleibt das dogmatisch nicht sehr befriedigende Ergebnis, den Rundfunkbeitrag anders als das Bundesverfassungsgericht als Abgabe sui generis einzuordnen[649]. Aufgrund der großen Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kommt dem Rundfunkbeitrag damit eine Sonderstellung im Bereich der öffentlich-rechtlichen Abgaben zu[650]. Die Ausgestaltung durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag mit der Grundanknüpfung der Wohnung und zahlreichen problematischen Erweiterungen ist im Detail problematisch (Zweitwohnungen[651]; Betriebstätten bzw. Kraftfahrzeugen[652] usw.) und Gegenstand zahlreicher Streitigkeiten[653]. Die weitere Entwicklung ist insbesondere angesichts des Bedeutungsverlusts des klassischen Rundfunks und der unausgeglichenen Regelung offen.
Elftes Kapitel Haushalts- und Abgabenrecht › § 67 Abgabenrecht › H. Kommunale Abgaben