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Zivilgesellschaft und Bürgertum

Ernst Bruckmüller

Kurzfassung: Die moderne Formulierung „Zivilgesellschaft“ oder „Bürgergesellschaft“ bezeichnet das gemeinsame Engagement von Menschen in Bereichen außerhalb ihrer familiären und beruflichen Sphären, zumeist auch außerhalb der Politik. Sie kann in „Bürgerinitiativen“ auch die Beeinflussung von Politik und Verwaltung, in Sonderfällen sogar die Umgestaltung des politischen Systems anpeilen (wie das Občanské fórum – Bürgerforum – 1989 im tschechischen Teil der damaligen Tschechoslowakei). Der Beitrag stellt die Frage, inwiefern ältere Entwürfe von Bürgertum und „bürgerlicher Gesellschaft“ etwas mit den modernen zivilgesellschaftlichen Erscheinungsformen zu tun haben. Denn zivilgesellschaftliches Handeln erfolgt in der Regel primär im Rahmen der von „bürgerlichen“ Vordenkern, Vorkämpfern, Revolutionären und Politikern errungenen rechtlichen Möglichkeiten wie dem Recht auf persönliche Freiheit, auf Erwerbsfreiheit, auf Freiheit der Religionsausübung und der Meinungsäußerung, der Pressefreiheit, der Vereins- und Versammlungsfreiheit, dem Petitionsrecht usw.

Bürgergesellschaft, Zivilgesellschaft und Bürgertum

Spricht man heute von „Zivilgesellschaft“ oder „Bürgergesellschaft“, so wird damit das Engagement von Menschen in verschiedensten Bereichen außerhalb der eigentlichen „Politik“ und außerhalb ihrer familiären und beruflichen Sphären bezeichnet. Dieses Engagement äußert sich überaus vielfältig in lokalen, regionalen oder auch überregionalen Initiativen im den Bereichen Kultur, Umwelt, Dritte Welt, Pflege, Betreuung von Asylanten usw., kann aber auch in „Bürgerinitiativen“ die Beeinflussung von Politik und Verwaltung anpeilen. In autoritären Staatswesen kann die Zivilgesellschaft auch zu einer mächtigen Bewegung zur Veränderung des politischen Systems anwachsen.1 Zu erinnern ist an das Občanské fórum (OF; deutsch: Bürgerforum) im tschechischen Teil der damaligen Tschechoslowakei, gegründet am 19. November 1989, zwei Tage nach Beginn der „samtenen Revolution“ in Prag.2 Sowohl die Begriffe „Bürger-“ bzw. „Zivilgesellschaft“ wie auch Občanské fórum orientieren sich am mündigen, aktiv interessierten und engagementbereiten Staatsbürger (oder der entsprechenden Bürgerin).

Die folgenden Überlegungen gelten der Frage, inwiefern ältere Entwürfe von Bürgertum und „bürgerlicher Gesellschaft“ des 19. und frühen 20. Jahrhunderts etwas mit den modernen zivilgesellschaftlichen Erscheinungsformen zu tun haben. Denn in modernen demokratischen Rechtsstaaten erfolgt zivilgesellschaftliches Handeln zumeist im Rahmen der von „bürgerlichen“ Vordenkern, Vorkämpfern, Revolutionären und Politikern errungenen rechtlichen Möglichkeiten. Zentrale zivilgesellschaftliche Freiheiten sind das Recht auf persönliche Freiheit, auf Erwerbsfreiheit, auf Freiheit der Religionsausübung und der Meinungsäußerung, die Pressefreiheit, das Vereins- und Versammlungsrecht, das Petitionsrecht. Ergänzt werden sie durch den Schutz der Privatsphäre (Hausrecht) und das Briefgeheimnis – das die meisten Zeitgenossen heutzutage durch den Gebrauch des Internets durchaus freiwillig entsorgen.

Nun gibt es im Deutschen ein begriffliches Problem, das die meisten anderen Sprachen nicht kennen. Im Deutschen bezeichnet der Begriff „Bürger“ sowohl den (vollberechtigten) Bewohner einer vormodernen Stadt wie den (vollberechtigten) Staatsbürger. Dagegen unterscheidet das Französische zwischen „citoyen“ (Staatsbürger) und „bourgeois“ (Stadtbürger, von „bourg“, das sowohl „Markt“ bedeutet, wie auch als „fauxbourg“ die „Vorstadt“), das Englische kennt sowohl den „citizen“ (Staatsbürger) als auch den „common“ oder auch „burger“ (Stadtbürger), das Italienische den „cittadino“ und den „borghese“. Klar, dass hier einerseits das lateinische „civis“ und die dazugehörige „civitas“ dahintersteht, andererseits ein germanisch-spätlateinisches „burgus“, was zunächst nur ein Kastell bezeichnete, später aber auch auf – eben – „bürgerliche“ Siedlungen, Märkte und Städte, überging.3 Auch in den slawischen Sprachen wird zwischen Staatsbürger (slowenisch „državljan“) und Stadtbürger (slowenisch „meščan“, ganz ähnlich russisch) unterschieden.

Aber auch im Deutschen bleibt, neben dem heimischen Wort, doch auch das vom „civis“ stammende „Zivile“ lebendig, zunächst einmal als Gegensatz zum Militär, aber auch sehr früh als Begriff, der ein bestimmtes – eben „zivilisiertes“, also gewaltfreies, gleichberechtigtes – Verhalten im Verkehr der Menschen miteinander bezeichnet. Im 16. Jahrhundert aus dem Französischen „civil“ entlehnt (vom lateinischen „civilis“), bedeutete es „bürgerlich“, „patriotisch, staatlich, öffentlich“.4 Im 18. Jahrhundert kam – im Zuge der Aufklärung – die Bedeutung „zivilisiert“ im Sinne von „aufgeklärt, gewaltfrei, gutes Benehmen“ dazu, wobei aber im Deutschen wohl auch noch immer die alte stadtbürgerliche Bedeutung von „Ehrsamkeit“ (eheliche Abstammung, ehrsames Verhalten) mitschwingen mochte. Dieses Verhalten erforderte eine rechtliche Normierung: 1789 definierte der große österreichische Aufklärer Gottfried van Swieten bereits die „bürgerliche Gesellschaft“ im Gegensatz zu „einer Horde wilder Menschen“ durch jene „Grundsätze ihrer Verbindung“, dass es „kein Recht ohne Verbindlichkeit und keine Verbindlichkeit ohne Recht“ gibt.5 Die „bürgerliche Gesellschaft“ (Staatsbürgergesellschaft) benötigt daher als Basis ein „bürgerliches Recht“, das ja nun in ebendieser Zeit kodifiziert wurde und 1812 als „Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch“ (ABGB)6 in Kraft trat. Schon in der Zeit Josephs II. begegnet uns erstmals der Begriff des „Staatsbürgers“ in der Gesetzgebung; auch das ABGB geht von einer gemeinsamen Staatsbürgerschaft der Bewohner jener habsburgischen („österreichischen“) Länder aus, in denen das ABGB in Kraft gesetzt wurde (nicht in Ungarn).

Aber war die „Gesellschaft“ nicht nur in Mitteleuropa, sondern auf dem ganzen Kontinent schon so weit, dass man sie als Gesellschaft gleichberechtiger Menschen ansehen konnte? Tatsächlich bestanden in den allermeisten Regionen noch feudale Abhängigkeiten. Die bäuerliche Bevölkerung, überall noch die Bevölkerungsmehrheit, konnte noch keineswegs als Teil dieser neuen, allgemeinen bürgerlichen Gesellschaft gelten. Die Französische Revolution setzte 1789 erstmals in Europa mit dem Sieg des Slogans „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ die Aufhebung aller feudalen Bindungen durch. Joseph II. hatte schon einige Jahre vorher für seine „österreichische Monarchie“ zumindest die Leibeigenschaft aufgehoben (ab 1781, zuerst für Böhmen), doch blieben die Bauern noch mit ihrem Grund und Boden von Grundherren abhängig. Diese Abhängigkeit existierte im Kaisertum Österreich weiter bis 1848, sie galt als Teil der „Landesverfassungen“, was auch bedeutete, dass diese Verhältnisse nicht vom ABGB erfasst wurden (sie galten also nicht als Pacht).

Die Genese der „bürgerlichen Gesellschaft“ in der Habsburgermonarchie

Wo können wir den gesellschaftlichen Kern für die neue „bürgerliche Gesellschaft“ suchen? Es waren zunächst die nicht hausrechtlich und nicht feudal abhängigen männlichen Personen – also in erster Linie Stadtbewohner, „Bürger“ im traditionellen Sinne, Inhaber eines Bürgerrechtes einer Stadt, die dem Herrscher (und nicht einem adeligen Herren) unterstanden. Vielfach aus diesem alten Stadtbürgertum heraus entwickelte sich seit Maria Theresia und Joseph II. eine neue bildungsbürgerliche Konfiguration, dominiert von Beamten, aber auch von Schriftstellern, Professoren, Lehrern und Wissenschaftlern, viele von ihnen im Staatsdienst (und nicht wenige Ex-Jesuiten, nach der Aufhebung des Ordens 1773). Daneben wuchs, als Folge des entstehenden überregionalen Marktes (und des fast ebenso wichtigen Marktes der rasch wachsenden Residenzstadt selbst) auch ein unternehmerisches Element, dessen Wohlstand jene Folie bildete, vor der sich später die bürgerliche Kultur des Biedermeiers entfalten konnte. Dieses neue Unternehmertum war zumeist durch ein staatliches Fabriksprivileg bevorzugt, d. h., sie konnten ihren Betrieb ohne jene Begrenzungen und Auflagen führen, die die einzelnen Zünfte, Zechen oder Innungen bisher vorgeschrieben hatten. Sowohl das neue Bildungsbürgertum als auch das neue Unternehmertum waren also Früchte des gerade erst entstehenden Staates.

Das nichtzünftische Unternehmertum, für das sich zum Unterschied vom Handwerksmeister bald die Bezeichnung „Fabrikanten“ einbürgerte, stand mit den neuen bildungsbürgerlichen Schichten zunächst nicht in Verbindung. Nur langsam erlangten auch die Unternehmer etwas von dem sozialen Ansehen, das den Bildungsbürgern schon früher zukam. Der Staat, der beide brauchte, zeichnete besonders hervorragende Mitglieder beider Gruppierungen durch Adelstitel aus.7

Solche Adelstitel (ein einfaches „von“ bis zum „Ritter von“ und höchstens bis zum Freiherren) bezeichneten jene „zweite Gesellschaft“, die (groß-)bürgerlich lebte und in der sozialen Position hinter dem traditionellen Hochadel rangierte, in der sich jedoch Wohlstand, Bildung, Geschmack und gehobene Umgangsformen mit wissenschaftlichen, künstlerischen und literarischen Interessen verbanden. Hier wurde Schubert verehrt und verkehrten Grillparzer und Bauernfeld. Grillparzer war über die Familie Sonnleitner auch familiär eng mit ihr verbunden. Diese Kreise waren die wichtigsten Auftraggeber der in Biedermeier und Vormärz neben Musik und Theater so rasch aufblühenden Malerei, deren Meister – Friedrich von Amerling, Moritz Michael Daffinger, Josef Danhauser, Peter Fendi, Josef Kriehuber, Ferdinand Georg Waldmüller – zahlreiche Porträts von Mitgliedern dieser Gesellschaft geschaffen haben.

„Zweite Gesellschaft“ und „Mittelstand“

Die „zweite Gesellschaft“ kann als Spitzengruppe jener neuen, bürgerlichen Klasse gelten, die sich selbst als „Mittelstand“ bezeichnete. Schon um 1770 ist aus Wien ein für das Selbstbewusstsein dieses neuen Mittelstandes bezeichnender Spruch bekannt:

Niemands Herr und niemands Knecht

Das ist des Mittelstandes Recht.

Der „Mittelstand“ steht also in der Mitte zwischen den Herrschaftsträgern (Herrscher, Bürokratie, Militär, Adel) und den noch immer feudaler Herrschaft Unterworfenen, also der Masse der Bauern, aber auch den hausrechtlich Abhängigen, Gesellen, Arbeitern, Dienstboten, Knechten und Mägden.

In einer in Leipzig 1842 anonym erschienenen Schrift, „Pia desideria eines österreichischen Schriftstellers“ bezeichnete Eduard von Bauernfeld alle geistig regsameren Segmente der Gesellschaft, „Professoren, Gelehrte, Künstler, Fabrikanten, Handelsleute, Oekonomen, ja, Beamte und Geistliche“ als jenen „Mittelstand“, der dringend nach einer Lockerung der Zensur, nach einer Änderung der politischen Zustände überhaupt verlangte, denn

[...] die Wiener haben sich geändert; sie sind verzweifelt ernsthaft geworden. Die Industrie hat auch hier, wie allenthalben, ihren Thron aufgeschlagen; ein Volk, das Gewerb-Vereine bildet und Eisenbahnen baut, hat nicht mehr Zeit, sich vorzugsweise mit gebackenen Hühnern, dem Leopoldstädter Theater und mit Strauss und Lanner zu beschäftigen.8

Mit dem Niederösterreichischen Gewerbeverein (1839), dem Innerösterreichischen Gewerbeverein in Graz (1837), dem Juridisch-Politischen Leseverein (1841) oder dem Schriftstellerklub Concordia (1844) schuf sich der neue „Mittelstand“ moderne, neue Organisationsformen – letztlich auch Diskussionsforen, in denen, trotz Zensur und Polizei, gewisse Forderungen auch an den Staat formuliert werden konnten.

Zahlreiche Probleme harrten einer Lösung – die bäuerliche Forderung nach Ende der feudalen Ordnung, die wachsende Not der Unterschichten und die immer dringender werdende nationale Unzufriedenheit, dazu die Lähmung einer Regierung, die (seit dem Tod Franz des Ersten) Absolutismus ohne Herrscher spielte. Denn Ferdinand I. regierte (1835–1848) ja nur nominell.

1848 – „Bürgerliche Revolution“?

Die schon lange erwartete Revolution brach am 13. März 1848 aus – als Echo auf die Pariser Februarrevolution, aber auch als Echo auf eine Brandrede Kossuths im ungarischen Reichstag, der damals im nahen Pressburg (Bratislava) tagte. In bürgerlichen Kreisen wurden mehrere Petitionen an den Hof vorbereitet, aber die klarste Sprache führte die Petition der Studenten, die sie am 12. März in der Aula formuliert hatten und am Vormittag des 13. März im Niederösterreichischen Landhaus in Wien überreichten. Nach ersten Schüssen und ersten Toten („Märzgefallene“) kam überraschend schnell der erste Erfolg: Schon am Abend war Metternich gestürzt, die verhasste Symbolfigur des alten Regimes (dass er damals bereits innenpolitisch entmachtet war, wusste man außerhalb des Hofes nicht).

Rasch errang die Revolution weitere Siege. Pressfreiheit, Volksbewaffnung (Nationalgarden und akademische Legion) und das Versprechen einer Verfassung („Konstitution“) wurden (am 15. März) verkündet. Mit der am 25. April erlassenen sogenannten Pillersdorfschen Verfassung schienen die bürgerlichen Forderungen in der Tat weitestgehend erfüllt. Aber die nach belgischem Muster erstellte Verfassung hatte ihre Schwächen. Sie war von oben erlassen, „oktroyiert“ worden, sie sah ein Zweikammersystem und ein absolutes Veto des Monarchen vor. Dagegen und vor allem gegen die am 9. Mai erlassene, sehr restriktive Wahlordnung richtete sich die „Sturmpetition“ vom 15. Mai, die Mairevolution, getragen hauptsächlich von Studenten, Handwerkern und Arbeitern. Denn deren Situation hatte sich seit dem März nicht verbessert.

Ab dem Mai 1848 geriet daher die „bürgerliche“ Revolution in eine schwere Entscheidungskrise. Was war wichtiger, insbesondere für die gehobenen bürgerlichen Schichten – die Ausweitung persönlicher und politischer Rechte oder der Bestand des Habsburgerreiches? Vor diese Alternative gestellt, verstummten nicht wenige der bürgerlichen Unzufriedenen. Oder sie stellten sich, wie Anfang Juni auch Franz Grillparzer mit seinem berühmten Gedicht an den Feldmarschall Radetzky („Glück auf, mein Feldherr, führe den Streich! [...] In deinem Lager ist Österreich“), eindeutig auf die Seite des Gesamtstaates, des Militärs und damit letztlich auf die Seite der Gegenrevolution.

Vor dem Sieg der Konterrevolution trat aber noch der österreichische Reichstag zusammen – das erste gewählte Parlament im westlichen Teil der Habsburgermonarchie (in Ungarn gab es schon vorher Wahlen zum Unterhaus, freilich nur durch die dazu berechtigten Adeligen). Die Wahlen brachten eine deutliche bürgerliche Mehrheit: Etwa 55 Prozent der 383 Abgeordneten waren dem Bürgertum zuzurechnen. 92 – fast ein Viertel – waren Bauern. Für diese war die Verfassungsfrage relativ belanglos, zentral allerdings die Frage nach der Grundentlastung. Tatsächlich beschloss der Reichstag Ende August die Grundentlastung. Damit wurden auch die Bauern zu vollberechtigten Staatsbürgern. Während dieser Debatten hatte sich der Gegensatz zwischen Bürgern und Arbeitern, Besitzenden und Besitzlosen, zugespitzt. Als der Arbeitsminister aufgrund der leeren Staatskassen bisherige Unterstützungen kürzte, kam es zu massenhaften Demonstrationen der Arbeiter, die von den bürgerlichen Nationalgarden blutig auseinandergetrieben wurden. („Praterschlacht“, 23.8.1848). Diese Spaltung konnte nicht mehr überwunden werden.

Den Rest kennen wir. Der kroatische Banus Josef Jelačić marschierte in Ungarn ein, was zum Krieg zwischen Ungarn und der kaiserlichen Armee führte. Als Truppen aus Wien nach Ungarn entsandt werden sollten, löste dies die Oktoberrevolution aus, mit der letztlichen Folge der militärischen Eroberung Wiens durch die Kaiserlichen am 31. Oktober. Zahlreiche Festnahmen und Hinrichtungen folgten.

Aber wie das retardierende Element vor dem katastrophalen letzten Akt der Tragödie trat doch noch einmal der Reichstag zusammen, im mährischen Kremsier (Kroměříž), im repräsentativen Schloss des Erzbischofs von Olmütz – in dessen Olmützer Residenz seit dem Oktober 1848 die kaiserliche Familie weilte. Hier waren die durchwegs „deutschen“ bürgerlichen Liberalen in einer tschechischen Umgebung isoliert, es drohte keine Gefahr eines Volksaufstandes für dieses Parlament. Dennoch leistete der Reichstag bis zu seiner Auflösung am 7. März 1849 noch eine äußerst positive Arbeit – man einigte sich auf den Entwurf einer Verfassung, die nicht nur das Prinzip der Volkssouveränität und die bürgerlichen Freiheiten verkündete, sondern auch das Problem des Zusammenlebens verschiedener Sprachgruppen im Vielvölkerstaat lösen wollte.

Zugleich mit der Auflösung des Reichstages verkündete die Regierung des Fürsten Felix Schwarzenberg eine eigene (wieder: oktroyierte) Verfassung, mit Datum 4. März 1849. Die als radikal geltenden Abgeordneten wurden verhaftet, gegen etliche Todesurteile gefällt (unter anderem gegen den „Prediger der Revolution“, Anton Füster, gegen Josef Goldmark, gegen Ernst (von) Violand und den „Bauernbefreier“ Hans Kudlich, der wie viele andere noch rechtzeitig fliehen konnte).9 Bis zum Sommer 1849 waren auch die Unabhängigkeitskämpfe der Ungarn und Italiener niedergeschlagen, die der Ungarn mit russischer Hilfe.

Der Neoabsolutismus – Restauration oder bürgerliche Herrschaft?

Zum Unterschied vom alten Absolutismus wurde im Neoabsolutismus entschlossen regiert. Rasch führte man die Grundentlastung durch. Jetzt erst wurde das Kaisertum Österreich wirklich zu einem einheitlichen Staat, erhielt eine einheitliche Verwaltung, ein einheitliches Zollgebiet, ein einheitliches (Privat-)Rechtsgebiet. Die Entscheidungsgewalt wurde beim jungen Kaiser Franz Joseph konzentriert. Getragen wurde dieses neue Herrschaftssystem von der Bürokratie. Man könnte sagen: Das deutsch-österreichische, bürgerlich-bürokratische Element erhielt als Ersatz für politische Mitsprache die faktische Herrschaft nicht nur über den Beamtenapparat, sondern über alle Bewohner des Reiches. Oder anders ausgedrückt: Da ab 1848 das deutsch-österreichische Bürgertum zu den Nutznießern und Trägern der Gegenrevolution, des habsburgischen Zentralismus und Großstaatsgedankens wurde, hatte gerade bei ihnen die Erinnerung an die „bürgerliche“ Revolution später einen so geringen Stellenwert. Gleichzeitig begann die langsame Veränderung des traditionellen kulturellen Überlegenheitsgefühls des deutschen Bürgertums der Habsburgermonarchie in Richtung eines immer radikaleren (und immer radikaler antisemitischen) Deutschnationalismus, in dem vom alten liberalen Erbe zuletzt nur der Antiklerikalismus übrig blieb.10

Auch das Unternehmertum profitierte vom neuen Einheitsstaat. Schon während der Revolution hatte es sich auf die Seite der Regierung und des Militärs geschlagen. Ihnen lag alles an der Erhaltung des großen habsburgischen Österreichs, mit überall gleichem Recht und einem einheitlichen Zoll- und Währungsgebiet. Wurde der Bourgeoisie dieses Ziel von der Konterrevolution garantiert, von der Revolution aber bedroht, dann wurde sie notwendig zur Verbündeten der Restauration. Ein kleines Beispiel:

Am 27. März 1848 schrieb Giuseppe Miller-Aichholz, ein aus dem Trentino stammender Wiener Großhändler, an seinen Vater in Cles (in italienischer Sprache), das Verhalten von Mailand und Venedig sei haarsträubend, sie seien eidbrüchige, treulose Verräter. Im Juni reiste er als Mitglied des Gemeindeausschusses nach Innsbruck, um den Kaiser um die Rückkehr nach Wien zu bitten. Begeistert berichtet er dem Vater am 13. August von den Siegen Radetzkys über die Lombarden und Piemontesen. Im März 1849 war Miller Mitglied jener Wiener Bürgerdeputation, die dem jungen Kaiser Franz Joseph den Dank für die oktroyierte Verfassung und die Auflösung des Reichstages (!) zu überbringen hatte. Nur wenige Tage später reiste er mit anderen Gemeinderäten nach Italien, um Radetzky das Ehrenbürgerdiplom der Stadt Wien auf den oberitalienischen Kriegsschauplatz nachzubringen. Das Bündnis von Großbourgeoisie und Armee wurde damit eindrucksvoll besiegelt.

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22 aralık 2023
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9783950493924
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