Kitabı oku: «DAS ALIEN TANZT IM SCHLARAFFENLAND», sayfa 3

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Claudia Aristov: Omega und die verschwundene Taverne

Der Weltraum. Fünfter Quadrant der nexutorianischen Hochebene. Unendliche Weiten ewiger Finsternis …

Genau diesem Orkus trostloser Ödnis, um den selbst die Gesetze der Physik einen großen Bogen machten, näherte sich unverdrossen eine kleine Raumkapsel: die Cucullatus. Viele Jahre war sie umhergeirrt – nicht um fremde Welten zu finden, sondern eine schmuddelige Taverne auf Kappa-Omikron-3. Sie tat dies, wenngleich widerwillig, im Auftrage ihrer zweiköpfigen Besatzung: eines ehemaligen Architekten des altägyptischen Großreiches sowie eines in Ungnade gefallenen Hyperraum-Bauingenieurs.

»Geschafft!«, brüllte Omega und rammte Massud begeistert einen Ellenbogen in die Rippen. In den lidlosen Augen irrlichterte fanatische Begeisterung, während sich sein Blick am Übertragungsbildschirm festsaugte, der eine schnell größer werdende Kugel zeigte.

»Da ist es! Kappa!« Der Ingenieur riss eine Snacktüte auf und hielt sie Massud unter die Nase.

»Na, dann eben nicht.« Ungerührt stopfte sich Omega einen Skorpion in den Mund und zerbiss ihn krachend, während er gedanklich schon in einer der dunklen Ecken seiner Lieblingstaverne, des Bumms, weilte. Dann zündete er die antiquierten Bremsraketen.

Die Wucht des Landungsaufpralls ließ keine masochistischen Bedürfnisse unbefriedigt.

»Na, wie habe ich das gemacht?!« Selbstgefällig klopfte sich Omega den Staub von den Schultern, welcher die Zerstörungskraft des Landeanflugs genutzt hatte, um aus rissig gewordenen Raumverschalungen zu entweichen.

»Und jetzt portieren wir uns direkt ins Bumms.« Der Hyperraumingenieur überprüfte den Tarnmodus des Schiffes, trug die Koordinaten der Taverne ein und drückte den Knopf des Higgs-Teleporters.1

Eine Nanosekunde später standen Omega und Massud vor dem Bumms – theoretisch. Massud fluchte, während er argwöhnisch seinen Körper abklopfte, um sicherzustellen, dass sich alle Gliedmaßen an den dafür vorgesehenen Stellen befanden.

»Verdammt! War das wirklich nötig? Ich meine, wir hätten auch einfach laufen können.« Mühsam bewegte er seinen Kopf, der sich anfühlte, als wäre eine wütende Elefantenherde darüber hinweggetrampelt.

Omega hörte gar nicht hin. Seine Augen schienen aus den Höhlen treten zu wollen. Er ruckte den Kopf hin und her, während Lungen, Kiemen oder was immer sich in dem schmächtigen Brustkorb befinden mochte, mit der Vehemenz eines Hochleistungsblasebalgs pumpten. Betäubt stierte er auf etwas unmittelbar vor ihnen. »NEIN! Das ist jetzt nicht wahr!« Sein heiseres Krächzen verlor sich in Gestammel. »Kann … darf … nicht … unglaublich.«

Massud folgte seinem Blick, vermochte aber nichts Ungewöhnliches festzustellen. Vielleicht einmal abgesehen von der bemerkenswerten Geschmacklosigkeit des Gebäudes, welches sich direkt vor ihnen auftürmte.

»Nun, der Kollege scheint seinen Beruf nicht besonders zu mögen, fürchte ich.« Der Architekt legte den Kopf schief und kniff die Augen zusammen. »Aber bei Osiris, da habe ich schon ganz andere Verbrechen gesehen.«

»Das ist nicht …«

»… schön. Natürlich nicht. Total verbockt. Wir haben in solchen Fällen immer behauptet, dass die minimalistische Bauweise, äh, Ausdruck elitären Understatements ist. Hat prima funktioniert, außer …«

»… das Bumms

»Was?!«

»Das! Ist! Nicht! Das! Bumms!« Omega schien sich soweit von seinem Schock erholt zu haben, dass er nunmehr wieder die vollen Kapazitäten seiner Atmungsorgane nutzen konnte. Und tatsächlich. Dort, wo ehemals das Bumms gestanden hatte, ragte nun ein monströses Bauwerk aus Glas und Stahl empor. Genauer gesagt ragte es nicht, sondern bewegte sich auf einer zehntausend Squotsch langen Vertikalachse zwischen Planeteninnerem und Mesosphäre hin und her. Ein kleines Platinschild wies das Gebäude als Grand Restaurant Sechseinhalb Jahreszeiten aus.

Massud hatte mittlerweile einzelne Informationseinheiten zu einem mehr oder weniger schlüssigen Bild zusammengesetzt. Trotzdem gefiel ihm die Schlussfolgerung nicht. Er übte sich in Hoffnung: »Wie meinst du das? Das ist nicht das Bumms

»Es ist weg. Offensichtlich abgerissen. Sieh dich doch um. Überall dieser Kommerzscheiß. Das ist nicht mehr mein Kappa.«

»Stopp! Stopp! Stopp! Wie abgerissen?«

»Abgerissen halt. Weg. Futsch. Was weiß ich.«

Massud stopfte sich einen Finger ins Ohr, stocherte darin herum und gab vor, etwas daraus entfernen zu wollen. »Ich hab mich verhört, oder? Du willst mir doch nicht im Ernst erzählen, dass wir auf der Suche nach deiner scheiß Taverne jahrelang orientierungslos durch Zeit und Raum taumeln, nur um dann festzustellen, dass sie gar nicht mehr existiert! Das wolltest du NICHT sagen, oder?!«

Der Hyperraumbauingenieur trat nervös von einem Fuß auf den anderen. »Na ja, wir waren immer so beschäftigt, und da habe ich die letzte Zeit nicht mehr …«

»Letzte Zeit?!«, echote Massud. »Das Ding wurde offensichtlich vor Jahren abgerissen. Kriegst du überhaupt mal irgendwas auf die Reihe?«

Empört reckte Omega seine schmächtige Brust: »Das sagt ja der Richtige. Wer kümmert sich denn immer um alles, hä?! Lässt sich wie ein Pharao durch die Gegend kutschieren, kümmert sich einen Dreck um irgendetwas, aber reißt die Klappe auf.«

»Kümmern?!«, giftete Massud. »Kümmern nennst du das?« Mit einer Hand packte er Omega und schüttelte ihn durch.

»Aua, du tust mir weh!«

Erschöpft lockerte Massud seinen Griff ein wenig: »Deinetwegen musste ich aus Ägypten fliehen. Frau und Kind zurücklassen.«

»Meinetwegen? Du spinnst wohl. Deine Frau ist dir weggelaufen, und dein erwachsener Sohn hat sich der nubischen Befreiungsfront angeschlossen.«

Der ehemalige Architekt drückte wieder fester zu. »Idiot! Skorpionfresser! Wag es bloß nicht … ach, was soll’s.« Erschöpft ließ Massud die Hand sinken.

»Und was jetzt?« Omega sah an dem Gebäude hoch und schloss gequält die Augen.

Unschlüssig zuckte Massud die Schultern. »Lass uns reingehen und gucken. Vielleicht ist es ja ganz nett.«

Omega maß ihn mit einem Blick, der ernsthafte Zweifel an Massuds Zurechnungsfähigkeit ausdrückte.

Noch immer drückten sich Omega und Massud vor dem Sechseinhalb Jahreszeiten herum und musterten eine Art gläserne Röhre, die Gäste aufnahm, um sie, nun, verschwinden zu lassen, wie es schien. Architekt und Ingenieur warfen sich einen unschlüssigen Blick zu. Dabei handelte es sich um jene Art touristischer Unentschlossenheit, die einheimische – und vor allen Dingen am Gewinn beteiligte – Mitarbeiter ebenso magisch anzog wie Freudenhäuser klaganische Ordensbrüder.

Ein Frack näherte sich ihnen. In ihm steckte ein dürres Männchen mit einem zerknitterten Gesicht, das von einem dafür umso gepflegteren Moustache beherrscht wurde. Die langen, dünnen, zu den Seiten hochgezwirbelten Enden beschworen in Omega irritierende Bilder von schmelzenden Uhren und brennenden Giraffen herauf.

Das Männchen hüstelte diskret. »Darf ich die Ärrän in dän Leichtström-Teleportär gäleitän? Är wird Sie binnen einär Fämtosekünd in dän von Ihnen gewünschtän Bäreich ünsäräs Gron Restoron bringen.« Ohne eine Antwort abzuwarten, schob der Portier die beiden – selbst nach intergalaktischen Maßstäben höchst exzentrischen – Besucher in die gläserne Kabine, um aus sicherem Abstand nach deren Wünschen zu fragen.

»Waas darf äs dänn sein? Unsärä prämierte Ót Cüisin für dän geobänän Geschmáck – krädänzt im lüxüriös-elegont Ombjänte? Odär där Schlämmär-Nostalschie-Tómple für dän gäschichtsbewüsstän Gast odär vielleischt …« Er ließ seinen Blick über das ungleiche Paar gleiten. ». ünsere fliegändän Bars für ein römantisches Tête-à-Tête, n'est-ce pas.« Er lächelte fein.

»Ich nehme näs-pa, das hört sich lecker an«, entschied Massud. Omega rammte ihm den Ellenbogen in die Rippen.

»Und was ist dieses Nostalgiedings?«

»Dort können Sie Speisän aus alle Épock und Galaxie bäställän.«

»In Ordnung«, beeilte sich Massud zu sagen, um seine Chancen auf eine halbwegs akzeptable Mahlzeit zu vergrößern.

»Güte Waal, die Ärrän!«

»Wirklich aus allen Zeitaltern?«, fragte Omega skeptisch.

»Bien sûr«, versicherte der Portier aalglatt, ohne auch nur eine seiner zahlreichen Falten zu verziehen. »Ich wünsche Ihnän eine schöne Aufentaalt.«

Mit leisem Zischen schloss sich die Tür der Leichtström-Teleportationskabine. Und exakt eine Femtosekunde später befanden sich die beiden Baumeister im Nostalgietempel.

»Femtosekunde, blöder Angeber«, schnaubte Omega, als sie die Empfangshalle betraten. »Kürzer als nano geht überhaupt nicht.«

Der Service des Grand Restaurants ließ keine Wünsche übrig. Kaum hatten sie die zweihundertdreiundfünfzigste Ebene erreicht, eilte ihnen schon beflissen ein Bediensteter in Livreé entgegen: »Ich darf Sie ganz herzlich im Sechseinhalb Jahreszeiten begrüßen! In welchem Culinario-Tempel genau wünschen Sie einzuchecken?«

»Hä?«

Das Gesicht des Concierge blieb ausdruckslos. »Was die Herren zu speisen wünschen«, sagte er und schaffte es, durch seine Besucher hindurchzusehen und gleichzeitig jede ihrer optischen Eigentümlichkeiten wahrzunehmen. Nun, vermutlich waren es derer zu viele. Denn obwohl er hätte schwören können, dass ihm irgendetwas an diesem seltsamen Gespann bekannt vorkam, kramte er vergeblich in den Schubladen seines Gedächtnisses. Er schloss sie und besann sich wieder auf seine Rolle.

»Unsere heutigen Tagesempfehlungen sind: ein Zwölf-Gänge-Urzeit-Menü aus der Ära tugarischer Schnorchelbären oder ein supergalaktischer Solarneutrino-Trunk mit …«

»Also, ich hätte gern näs-pa«, verkündete Massud fest und setzte eine weltmännische Miene auf.

Kaum merklich zuckte der Concierge zusammen. »Ich fürchte …«

»Er meint Skorpione«, log Omega glatt.

»Wie bitte?«

»Skorpione. Sie wissen schon. Diese kleinen schwarzen Biester mit Giftstacheln. Die gab es hier mal vor geraumer Zeit.« In Omegas Stimme schwang Bitterkeit mit. »Im Bumms

»Im Bumms?!« Trotz jahrzehntelang antrainierter Professionalität vermochte es der Concierge nicht, den leichten Anflug von Ekel aus seiner Stimme zu verbannen. »Nun, unter diesen, äh, speziellen Umständen werde ich mich bemühen, Ihnen etwas Adäquates anzubieten. Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden, ich muss kurz Rücksprache halten.« Ihm gelang das Kunststück, sowohl hastigen als auch würdevollen Schrittes, die Szenerie zu verlassen.

Omega pulte ein Stück Skorpion aus seinen Zähnen. »Komischer Kerl!«

»Finde ich auch«, pflichtete ihm Massud bei und ordnete seinen Lendenschurz.

Das Bemerkenswerteste des Grand Restaurants war, dass das Volumen des Baukörpers um ein Vielfaches größer war, als es nach herkömmlichem Verständnis hätte sein dürfen. Allerdings muss angemerkt werden, dass Kappa seit Beginn seiner Existenz mathematische und physikalische Gesetze rigoros ignorierte. Diesen Umstand nutzte auch das Sechseinhalb Jahreszeiten, dessen Nostalgie-Restaurant sich über Hunderte von Ebenen erstreckte. Als besondere Attraktion galten die im Westflügel untergebrachten Nostalgieblasen, von denen jede eine kleine Welt in sich trug. Der geneigte Gast brauchte nur eine jener Blasen zu betreten, seinen Wunsch zu äußern und schon präsentierte sich ihm ein perfekter kulinarischer Mikrokosmos bei passendem Ambiente.

Omega und Massud hatten an einem der Tische Platz genommen. Der Architekt nahm einen Schluck Squirtsch2 und sah sich um. Unweit von ihnen saß eine vierköpfige Familie, wobei der Ausdruck vierköpfig insofern unpassend erschien, als dass die Wesen keine Schädel im eigentlichen Sinne besaßen. Massud hätte sie für riesige Seeigel gehalten, wären da nicht die oberen und unteren Extremitäten gewesen, die dicken Schläuchen glichen.

»Das sind Echinodorianer«, flüsterte Omega, »ein ganz merkwürdiges Völkchen. Die fressen alles, was tot ist.« Omega schüttelte sich und griff in seine Snacktüte, aus der er einen sich verzweifelt wehrenden Skorpion hervorzog.

Argwöhnisch beobachtete Massud, wie sich die Echinodorianer blau-weiß karierte Tücher auf ihre Stacheln piksten, dort wo bei Menschen die Brust gewesen wäre.

»Nicht hinstarren!«, zischte Omega, »das macht die aggressiv.«

Trotzdem konnte Massud nicht widerstehen. Der Architekt kniff die Augen zusammen und schielte unauffällig zur Seite.

Das echinodorianische Familienoberhaupt blätterte hastig in einem kleinen Buch, während zwei kleinere Exemplare symmetrisch verschlungene Teigwaren in stiefelgroße Krüge tunkten, in denen eine goldgelbe Flüssigkeit schwappte. Ein Frack näherte sich und wies die darin steckende Giganto-Heuschrecke als Servicepersonal aus. Während sie sich dem Tisch der Echinodorianer näherte, durchlief ihre Kleidung eine Metamorphose. An den Schenkeln schlabberte jetzt eine kurze Lederhose. Ein blau-weiß-kariertes Hemd komplettierte die Tracht.

Der Heuschreckenkellner knallte seinen Gästen eine Platte mit weißlichen Zylindern auf den Tisch, welche eine auffällige Ähnlichkeit mit dem Genital des berühmten trakelischen Zwergochsen aufwiesen.

»Weißwuarscht mit Semft, biddscheen«, zirpte er, wobei seine Facettenaugen mit einem undefinierbaren Ausdruck über die kleine Familie glitten.

»Dangschee, Märsi«, sagte der Seeigelvater nach intensiven Studien seines Sprachführers und stippte die Weißwuarscht in eine Soße, die Massud an etwas erinnerte, das er einmal nach einer squirtschdurchtränkten Nacht von sich gegeben hatte.

»Hm, lecker«, sagte Omega und schnalzte genießerisch mit der Zunge.

»Die Wuarscht?«, fragte Massud und beobachtete angeekelt, wie die lange Zunge des Echinodorianers das Fleischprodukt mit einem Schwupps in den Kauapparat beförderte.

»Quatsch. Der Kellner! Vermutlich das einzig Frische hier. Angeröstet mit Feuerwurz eine echte Delikatesse.«

»Apropos. Können wir hier auch irgendwann mal was zu essen bestellen?« Missmutig schnippte Massud gegen die mittlerweile geleerte Flasche Squirtsch2.

Omega beobachtete die vorbeieilenden Kellner, die immer größere Kreise um ihren Tisch zu ziehen schienen. Einer warf ihnen aus dem Augenwinkel einen scheuen Blick zu.

»Gibt sowieso keine Skorpione hier«, behauptete Omega, »jedenfalls nicht auf Bumms-Niveau.« Er schnaubte. »Ich meine, was soll das? Du kannst dich hier quer durch alle Galaxien und Epochen fressen, aber …«

»Komm, lass zahlen und abhauen.« Massud stützte den Kopf auf die Hände und versuchte, das Pochen in seinem Kopf zu ignorieren.

Nachdenklich stierte Omega aus glasigen Augen auf den Tisch. »Ich habe da eine Idee. Ist zwar illegal, aber hey, wer sind wir, dass wir nach den Regeln Anderer spielen!«

Er spürte Massuds skeptischen Blick auf sich ruhen.

»Du kannst mir vertrauen«, fügte er hastig hinzu und bemerkte verwundert, dass er es ernst meinte.

Während Omega mit anarchistischen Gedanken liebäugelte, hatte der Concierge erfolgreich in den Schubladen seiner Erinnerung aufgeräumt und vermochte nunmehr zwei einsame Socken zu einem Paar zu verknüpfen. Vor ihm lag ein Fahndungsplakat. Es zeigte die Gesichter der verruchtesten Kriminellen Kappas in aufsteigender Reihenfolge: Serienkiller, Terroristen, skalische Finanzbeamte und … Der Concierge heftete seinen Blick auf einen Ausschnitt des Steckbriefs. Lidlose Augen starrten ihn aus dem Gesicht eines Mannes an, welchem ein Skorpion halb aus dem Mundwinkel hing. Für die Ergreifung war ein Kopfgeld in Höhe von zwanzigtausend Xerx-Pesetero ausgelobt. Nach einer kurzen Überschlagsrechnung, bei der eigene Lohnhöhe, Bedienung von Krediten sowie Alimente eine Rolle spielten, kam der Concierge folgerichtig zu dem Schluss, dass es an der Zeit wäre, sein bis dato bescheidenes Leben zum Besseren zu wenden. Er schaltete den Kommunikator ein und ließ sich mit einem Captain Meluran vom Dezernat für Verstöße gegen das Raum-Zeit-Kontinuum verbinden.

Omega stellte zwei Fläschchen auf den Tisch. »Bitteschön! Unsere Fahrkarte ins Bumms

Massud starrte ihn verständnislos an.

»Ein Wirklichkeitsverzerrer«, erklärte Omega. »Pass auf. Das Wichtigste in Kürze: Punkt eins: Wer den Wirklichkeitsverzerrer herstellt, sich verschafft und/oder in Verkehr bringt, wird mit Freiheitsstrafe von mindestens zweihunderteinundneunzig Xerx-Jahren bestraft. Punkt zwei: Mit der Einnahme des Wirklichkeitsverzerrers öffnest du eine parallele, real existierende, Wirklichkeitsebene, die nicht verändert werden darf. Punkt drei: Trinke niemals einen Wirklichkeitsverzerrer, ohne dir die Ohren zuzuhalten. Dein sich verflüssigendes Hirn würde hinaustropfen. Punkt vier: Vergiss den ganzen Scheiß, der dich nur nervös macht, und hau weg die Kacke. Prost!«

Die Meldung kam im denkbar ungünstigsten Moment, frönte doch Captain Meluran gerade hingebungsvoll seiner heimlichen Leidenschaft: dem Ballett. Genauer gesagt befand er sich mitten in einer Pirouette, als der Kommunikator einen eingehenden Anruf meldete und den Übertragungsbildschirm einschaltete. Mit einem Hechtsprung rettete sich Meluran in jenen Teil der Kabine, welcher optisch nicht erfasst wurde. Schnell, hier war eine gewisse Routine erkennbar, zupfte er sich die Ohrclips ab und wischte sich mit einem Tuch über den alarmrot geschminkten Mund, bevor er – betont würdevoll – im Bild erschien.

Im Verlauf des nachfolgenden Gesprächs wich sein anfänglicher Verdruss über die ungehörige Unterbrechung seiner künstlerischen Darbietung einem Hochgefühl. Ein Triumph kündigte sich an. Sein Triumph. Und damit die Gelegenheit, endlich Satisfaktion zu erfahren. Als er den Kommunikator abschaltete, spielte ein sardonisches Lächeln um seine verschmierten Lippen.

Der Wirklichkeitsverzerrer wirkte, und die Physik wehrte sich. Vergeblich. Ein Erinnerungsmoment wurde real. Der Raum krümmte sich. Zeitlinien bildeten zufällige Überlagerungszustände. Wände und Eingeweide des Restaurants flimmerten und veränderten sich. Kurz: Binnen weniger Sekunden wandelte sich das Sechseinhalb Jahreszeiten zu einer düsteren Kaschemme. Und mit ihr zurück kamen all jene, welche sich just in dieser – in Omegas Hirn abgespeicherten – Momentaufnahme im Bumms befunden hatten. Unter ihnen der ehemalige Koch Schmierer, der sich plötzlich in der Küche des Bumms wiederfand. Dies war höchst erstaunlich, denn das Bumms existierte schon seit Jahren nicht mehr. Übrigens ebenso wie Schmierer selbst, welcher nur kurze Zeit nach Schließung der Taverne auf der Gemeinschaftslatrine vor seinem Haus von einem Asteroideneinschlag tödlich getroffen worden war.

Jetzt also stand er wieder an jenem Ort, mit dem ihn eine jahrzehntelange Hassliebe verbunden hatte. Mit äußerstem Misstrauen blickte Schmierer sich in seiner neuen Realität um. Ungewaschenes Geschirr stapelte sich in den Tiefen verkrusteter Spülbecken. Schaben, sogenannte Imperialkakerlaken, flitzten über verstreut liegende Essensreste. Und ein muffig säuerlicher Geruch von Verfaultem und Schimmel lag in der Luft. Kein Zweifel: Er stand in der Küche des Bumms. Und da er – wie nahezu alle kohlenstoffbasierten Lebewesen – einen ausgeprägten Hang zu Automatismen aufwies, seufzte er nur kurz und wandte sich umgehend dem Kunststück zu, halb vergammelte Nahrungsmittel zu einem fast genießbaren Mahl zu veredeln.

Als Captain Melurans schwerbewaffnete Truppen in die zweihundertdreiundfünfzigste Etage des Sechseinhalb Jahreszeiten einrückten, erfasste ihr ratloser Blick lediglich einen verwaisten Tisch. Der Erste Offizier nahm Kontakt mit seinem Vorgesetzten auf: »Verzeihung, Sir. Kommen Sie bitte. Wir haben ein Problem.«

Währenddessen wallte noch einmal ein leichtes Beben durch das Bumms und ließ Becher und Teller auf den derb gezimmerten Tischen erzittern. Ungläubig blickte Omega sich um. Tränen liefen ihm über das Gesicht.

»Endlich!«, hauchte er. »Mein Bumms, ich habe dich so vermisst!« Sein Mund verzog sich zu einem seligen Lächeln. »Na, habe ich zu viel versprochen?« Er machte eine ausladende Geste und kickte unauffällig eine empört quiekende Ratte zur Seite.

Erschüttert blickte Massud sich um. Der Raum hüllte sich größtenteils in Dunkelheit. Ein Vorteil, wie der Architekt sogleich feststellen musste. Denn die Taverne als Kaschemme übelster Sorte zu bezeichnen, wäre glatt gelogen. Über den stinkenden Strohboden huschten katzengroße Nagetiere, und an den fleckigen Wänden klebten die Reste halb verdauter Mahlzeiten.

Massud schluckte. Aus der Küche drangen Schreie. Ein dreibeiniges Wombathuhn weigerte sich hartnäckig, seinen bescheidenden Beitrag zum Gelingen eines kulinarischen Verbrechens zu leisten. Erbost rannte der selbst ernannte Maître de Cuisine mit einem Beil hinter dem Flüchtigen her, um schlagende Argumente sprechen zu lassen.

Am gleichen Ort in einer anderen Zeitlinie tobte Captain Meluran: »Wie weg? Wie konnte das passieren? Seid ihr jetzt schon zu blöd, um den größten Idioten des Universums einzufangen?!«

»Sir, bitte um Verzeihung, Sir. Offensichtlich haben sie einen Wirklichkeitsverzerrer benutzt und damit eine parallele Zeitlinie eröffnet.«

Meluran stöhnte gequält auf. »Gibt es eine Möglichkeit, ihnen zu folgen?«

»Nun, Sir. Ja, Sir. Ist aber äußerst riskant.«

»Das ist mir scheißegal. Ich will ihn haben!«

»Sir. Bei allem Respekt, aber das könnte eine unkontrollierbare Kettenreaktion in Gang setzen.«

»Bringt. Ihn. Mir!«

»Ja, Sir! Ähm, Verzeihung. Sir? Sie haben da was Rotes an der Lippe.«

Massud bockte. »Ich esse nichts, was mal Wuff oder Miau von sich gegeben hat oder gar einen Namen trägt.« Mürrisch schob er die fleckige Speisekarte in die Mitte des Tisches.

»Das ist so’n Prinzipiending, oder?«, mutmaßte Omega und schloss die Augen. Sachen versprachen immer dann kompliziert zu werden, sobald sie mit Glaubenssätzen behaftet waren. Menschen liebten Prinzipien, entwickelten die absurdesten Konstrukte, um sie dann bei erstbester Gelegenheit auf dem Altar des Utilitarismus zu opfern.

Ein missgelaunter Bass riss ihn aus seinen Überlegungen.

»Hey, Jungs!«

Frieda, die fette Aushilfsköchin, watschelte an ihren Tisch. Ihr einziges Auge starrte Massud humorlos an, während sie ihn mit einem Arm, dick wie ein Baumstamm, packte.

»Pass mal auf, Jungchen. So geht das aber nicht.« Anklagend deutete sie auf die Tüte mit Skorpionen, die vor ihnen auf dem Tisch lag.

»Entschuldigung«, beeilte sich Massud zu erklären, »wir wollten gerade bestellen.«

Frieda hörte gar nicht hin. »Widerlich. Das ist einfach nur widerlich!« Ihr rosiger Zeigefinger bohrte sich in Massuds Rippen. »Die sind ja schon fast tot.« Mit einer Handbewegung wischte sie die Tüte vom Tisch. »Passt mal auf, Jungs. Ich mache euch jetzt mal Skorpione in einer schönen Schwubbelsoße.« Ohne eine Antwort abzuwarten, schob sie sich Richtung Küche.

Während Massud der Köchin verdutzt hinterherstarrte, schnalzte Omega genießerisch mit der Zunge. »Du wirst es lieben. Es gibt nichts Vergleichbares!«

»Davon bin ich allerdings überzeugt«, erwiderte Massud düster. Einmal mehr bedauerte er, nicht auf seine Mutter gehört zu haben, die ihm – statt eines Architekturstudiums – zu einer soliden Ausbildung als Ziegenhirte geraten hatte.

Ein schriller Pfeifton beendete abrupt die traute Harmonie. Das InterFluKom, ein interstellarer Flugobjektkommunikator, meldete die unmittelbar bevorstehende Ankunft eines nexutorianischen Zeitstrahlgleiters und ließ Omega gleich mehrfach die Gesichtsfarbe wechseln. »Verdammt. Sie sind uns auf den Fersen.«

Panik wallte in Massud auf. »Wer?«

»Captain Meluran und seine Mannschaft natürlich.«

»Was heißt hier natürlich. Scheint ja beileibe nicht der Einzige im Universum zu sein, der dich auf dem Kieker hat.«

»Ja, aber DER macht Ernst! Hält sich für den Hüter des Raum-Zeit-Kontinuums.«

»Apropos Zeit. Wie viel haben wir?«

»Kann ich nicht sagen. Das InterFluKom tickt nicht sauber.« Omega schüttelte das kleine Gerät, als könnte er ihm so eine Antwort entlocken. Er machte eine Pause und probierte es jetzt mit Klopfen.

»Lass das. Das bringt doch nichts. Wie konnten die uns überhaupt finden?«

Der Ingenieur drückte den schmalen Rücken durch und holte tief Luft. »Die Eröffnung einer rückwärtsgewandten Parallelzeitlinie mit exponentiellem Abweichungswachstum hinterlässt Spuren. Signaturen, denen sie folgen können.« Er dachte kurz nach. »Trotzdem merkwürdig. Sie müssen gewusst haben, dass wir uns auf Kappa befinden.«

Bis auf den letzten Teil hatte Massud kein Wort verstanden, hielt es aber angesichts der Situation für klüger, keine ehrgeizigen Fragen zu stellen. »Alles klar. Dann nichts wie weg.« Schon zerrte er an der Miniaturausgabe des Großen Häckslers in Omegas Tasche.

Omega kreischte auf. »Bist du wahnsinnig? Und die Skorpione? In Schwubbelsoße?« Er schlug nach Massuds Hand und entriss ihr den Teleporter, der mit dieser groben Verfahrensweise nicht einverstanden war. Ein leises, dafür umso bösartigeres, Klicken ertönte, als sich ein Schalter umlegte.

Nun geschahen mehrere Dinge gleichzeitig:

Frieda brachte eine dampfende Schüssel Schwubbelsoße an den Tisch, in der eine Armee Skorpione kraulte.

Ein nexutorianischer Zeitstrahlgleiter durchbrach die Hinterwand des Bumms und feuerte Zeitschlingen in die Tiefe der Taverne.

Der Teleporter spuckte Raum-Zeit-Blasen aus.

Tempuslinien überlappten sich. Wahrscheinlichkeiten und Unwahrscheinlichkeiten rangen miteinander. Zeit reiste rückwärts. Und der Raum krümmte sich, bis ihm schlecht wurde.

Schmierer warf entnervt das Handtuch in die Ecke und beschloss, das Schicksal zu beschwören, indem er eine Gemeinschaftslatrine aufsuchte.

Chaos gewann die Oberhand …

… und drei Personen verschwanden vor den Augen Captain Melurans.

(Absolute Finsternis)

»Omega?«

»Hm.«

»Ziemlich dunkel hier.«

»Kann man wohl sagen.«

»Sind wir tot?«

»Ich glaube nicht.«

»Äh, ich möchte jetzt nicht unnötig kompliziert wirken. Aber wo sind wir?«

»Könnte eine chaotische Raum-Zeit-Blase sein.«

»Ach so. Dann ist ja gut.« (Pause) »Äh, ist das jetzt gut oder schlecht?«

»Kommt ganz drauf an.«

»Verstehe.« (Lange Pause) »Wie hoch ist unsere Chance zu überleben?«

»Reicht dir eine Wahrscheinlichkeit von eins zu zehn hoch dreiunddreißig?«

(Sehr lange Pause) »Und was jetzt?«

»Ach, das wird schon.«

»Hey Jungs, ich will euch ja nicht bei euren philosophischen Betrachtungen stören, aber die Skorpione werden kalt.«

»Frieda?«

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9783957658296
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