Kitabı oku: «DAS ALIEN TANZT IM SCHLARAFFENLAND», sayfa 4

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Anmerkungen

1 Der Higgs-Teleporter, auch als Großer Häcksler bekannt, ist ein äußerst nützliches Gerät, welches eigens für die Teleportation von Materie ersonnen wurde. Sein Erfinder, ein allseits geschmähtes Genie, betrachtete die Entwicklung eines solchen Apparates als prima Gelegenheit, sich an der Menschheit im Allgemeinen und an seiner Ehefrau im Besonderen rächen zu können.

2 Squirtsch: Ursprünglich ein im altägyptischen Reich verwendetes Leichenkonservierungsmittel. Ein findiger Hohepriester entdeckte, dass eine orale Einnahme noch zu Lebzeiten eine spätere Konservierung nicht nur enorm erleichterte, sondern auch deutlich mehr Spaß versprach. Seitdem ein Exportschlager. Wird auch gern als Rohrreiniger genutzt.

Volker Adam: Die Sache mit den Mucken

»Angekommen, Kinder!« Ich aktivierte die Handbremse und schaltete den Motor aus. Mehr als mein Ausruf schien die plötzlich fehlende Fahrbewegung meine Töchter aus ihrer Starre zu reißen und von ihren Handys zu lösen. Die müden Gelenke streckend quälten sie sich von der Rückbank ins Freie. Wir waren diesmal glatt durchgekommen, einmal quer durch die halbe Republik gereist, und der Spätnachmittag versprach, warm und trocken zu bleiben. Bestens geeignet noch mal Hand an das Auto zu legen, das morgen glänzen sollte, da ich einen wichtigen Firmengast vom Flughafen abholen musste.

»Also, ihr beiden Hübschen: Schnappt euch mal Eimer und Schwamm und schrubbt ihn vorne schön sauber. Ich kümmere mich anschließend um den Innenraum«, verkündete ich meine Bitte. Immerhin hatte ich gerade fünf Stunden für sie am Steuer gesessen, damit sie ihre Cousinen hatten besuchen können. Da sollten sie auch mal was tun.

»Nö, das ist umweltschädlich. Fahr halt zur Waschanlage. Dafür gibt’s die ja«, verkündete die Jüngere und die Ältere fügte hinzu: »Und wieso sauber machen? Das Auto fährt doch noch, das reicht völlig.« Und ehe ich mich versah, stand ich selbst mit Eimer und Schwamm in der Einfahrt. Das nächste Mal können sie von ihrem Taschengeld per Zug zur Verwandtschaft fahren, grollte ich innerlich. Zu meiner Jugendzeit hätte es nach so einer Reise gar keine Diskussion, dafür aber reichlich Spülmittel gegeben. Die Umwelt schützen taten damals weder Fabriken noch Privathaushalte. Und das Beste am Autowaschen war eh der ganze Schaum, den man am Ende wegspritzen konnte.

Da hatten sich die Zeiten doch geändert! Immerhin war ich heute bewusst genug, der Motorhaube und Windschutzscheibe nur mit warmem Wasser zu Leibe zu rücken. Als ich zum Wischen ansetzte und die erste Lage Insektenspritzer anging, beschlich mich plötzlich ein eigenartiges Gefühl. Da war noch etwas Anderes, was sich in all den Jahren geändert hatte, durchfuhr es mich. Ich hielt mit tropfendem Schwamm in der Hand in meiner Bewegung inne und starrte auf die Windschutzscheibe: Statt meiner spiegelte sich in ihr plötzlich ein anderes Gesicht, das ich Jahrzehnte lange verdrängt hatte: Es war meine Tante Else, die mich mahnend anblickte, als wolle sie mir sagen: »Na, habe ich es dir nicht gesagt?!«

Mit einem Schlag stand sie wieder vor mir, und es schien, als wäre es gestern erst gewesen, dass sie auf ihre typische Art verkündete: »Mit Geduld und Spucke fängt man eine Mucke.«

Diesen Satz wiederholte Tante Else in meiner Kindheit stets und ständig. Er war als Kommentar für alle Art Tätigkeit verwendbar, die sie mit uns Kindern unternahm: zum Beispiel Apfelsaft aus selbst gepflückten Äpfeln pressen oder Maiglöckchen zu Sträußen zusammenbinden. Sie spürte es wohl, dass wir ihn gern hörten, und ließ uns meist nicht lange zappeln.

Dabei war der Satz nicht nur phonetisch bedenklich, sondern auch inhaltlich irreführend – denn wer hatte schon jemals eine Mücke mit seiner Spucke gefangen? Dass er aus heutiger Sicht pädagogisch zudem noch höchst fragwürdig, da tierquälerisch, war, interessierte in den späten 70ern und frühen 80ern noch kaum jemand. Da lag in jedem Haushalt eine Fliegenklatsche, und die Zeiten, in denen man ähnliche Objekte benutzt hatte, um die eigenen Kinder zu klatschen, waren auch noch nicht so lange vorbei. Selbstredend benutzte niemand Spucke, wenn er zur Fliegenklatsche griff, und auch Geduld gehörte gemeinhin nicht zu den Tugenden eines Menschen, der mit einer Klatsche auf Fliegenjagd ging.

An all diese Zusammenhänge dachten wir als Kinder nicht. Der Spruch gehörte einfach zu Tante Else, die auf ihre liebenswerte Art mit Kindern umzugehen vermochte, weswegen wir uns immer freuten, wenn sie aus dem fernen Düsseldorf anreiste und unsere Oma für ein paar Tage besuchen kam. Vielleicht, so dachten wir, wollte sie altersweise uns ungestümen Kleinen einfach nur eintrichtern, dass gut Ding Weile haben musste und wir einer alten Frau nachsehen sollten, wenn nicht alles ratzfatz erledigt war.

Beindrucken tat sie uns mit ihren spannenden Geschichten, die sie uns nach getaner Garten- oder Hausarbeit erzählte, während unsere Oma für uns kochte. Denen lauschten wir gerne, denn sie waren überraschend modern. Da ging es nicht um »Tischlein deck dich« oder den gestiefelten Kater, sondern um Peterchens Mondfahrt, aber etwas zeitgenössischer: Peter und die seinen hatten Raumanzüge an und erkundeten die Mondoberfläche, ja manchmal ging die Reise weiter bis zum Mars oder der Venus. Tante Else verstand es unglaublich, uns mit spannenden Details und gefahrvollen Ereignissen zu fesseln, die während einer langen Raumfahrt auftreten konnten, wobei Peterchen, Anneliese und Herr Sumsemann immer auch ulkig blieben. Wir wunderten uns schon, woher ein alter Mensch so viel vom Weltall wusste und sich für diese Thematik interessierte. Aber auf »Krieg der Sterne« angesprochen, winkte sie ab. Nein, ins Kino gehe sie seit dreißig Jahren nicht mehr und Laserschwerter oder Todessterne seien Tinnef.

Klar waren wir enttäuscht, dass sie sich in diesem Punkt so von gestern zeigte und über Jediritter nicht mitdiskutieren wollte, aber sie war halt schon um die fünfundsiebzig. Da mussten wir uns eben damit begnügen, dass sie klassische Erzählungen ein wenig aufpeppte, damit es uns nicht langweilig wurde. Deutlich erinnern tue ich mich heute noch an einen Vorfall, der sich im November 1980 zugetragen haben muss. Tante Else war wieder angereist, um meiner Oma beim Sammeln von Kastanien und Nüssen zu helfen. Die Medien überschlugen sich damals mit Berichten und Bildern von der Voyager-Mission am Saturn. Es gab spektakuläre Aufnahmen im Fernsehen zu sehen. Der war bei uns leider noch schwarz-weiß, sodass ich bereit war, mein Taschengeld in zwei Illustrierte zu stecken, die ausführlich und in Farbe von dem Rendezvous im All berichteten. Frisch gekauft brachte ich sie zu unserer Oma mit, wo an dem Tag unser Einsatz im Garten gefragt war. Wir Kinder und die beiden Alten hatten den ganzen Nachmittag im feuchten Novembernebel Kastanien gesammelt. Zur Stärkung bekamen wir hinterher in Omas Küche erst einmal heiße Schokolade. Als ich mit meiner Tasse ins Wohnzimmer schlenderte, sah ich Tante Else, wie sie in meinen Zeitschriften blätterte. Sie sprach dabei zu sich selbst und hatte mich nicht bemerkt. Ich verstand nur wenig. Es schien um die Saturnmonde zu gehen: Das da noch viel mehr seien, die die Voyager nicht entdeckt habe und die sich perfekt als Versteck eigneten. Wenn diese Mucke glaube … in dem Moment muss sie meine Anwesenheit gespürt haben und brach ab. Sie warf mir einen seltsamen Blick zu, wobei um ihre Augen ein grünliches Licht flackerte.

»Interessierst dich wohl fürs Weltall, gell?! Tolle Bilder, ach, ich wünschte, ich könnte selbst mal hinfliegen.«

»Das geht erst in zweihundert Jahren, wenn es so Raumschiffe wie die Enterprise gibt. Das erleben wir nicht mehr«, platzte es aus mir raus.

»Die Enterprise? Völlig veralteter Antrieb, die kämen nicht mal bis Wolf 359, wenn du mich fragst«, antwortete Else, während sie eher in sich hineinsprach als zu mir und auch ihre Stimme klang nicht nach Tantenstimme. Das musste ihr aufgefallen sein, denn sie fuhr bedeutend freundlicher fort: »Aber setz du dich doch. Warst heute fleißig, Bub. Dann lies mal deine Voyager-Geschichten hier!«

In den folgenden Tagen präsentierte sich Tante Else als verhuschte und schusselige alte Frau, der man kaum zutrauen mochte, alleine mit der Bahn von Düsseldorf in unsere Kleinstadt zu kommen. Nichts erinnerte mehr an die Erzählerin von coolen Weltraummissionen. Das kam mir seltsam vor, denn mir waren die Erlebnisse vom Kastaniensammeltag noch präsent und die passten so gar nicht zu dem Bild, das sie uns nun vermittelte.

Als sie abgereist war, sprach ich meine Oma mal an, woher sie Tante Else eigentlich kenne. Oma überlegte kurz und meinte dann, sie habe Else erstmalig während ihrer Evakuierung Anfang ‘45 kennengelernt, wo sie Evakuierten wie unserer Familie geholfen habe. An der Stelle schwieg meine Oma kurz beim Kartoffelpellen und schüttelte leicht ungläubig den Kopf: »Seltsam, wenn ich das so bedenke, sah Else zu der Zeit schon so aus wie heute. Schon komisch! Nur dass ich jetzt auch eine alte Frau bin.«

»Was ist denn mit Tante Elses eigener Familie«, wollte ich wissen, »darüber hat sie noch nie erzählt.«

Da wisse sie auch nicht viel, meinte Oma, »In dem Punkt hält sich Tante Else immer bedeckt und weicht aus. Sie hat sich aber damals so rührend um unsere Familie gekümmert, dass enge Bande entstanden sind. Und wenn sie über das Thema nicht sprechen möchte, sollte man sie in Ruhe lassen.«

Ehrlich gesagt war ich nach dieser Unterhaltung noch neugieriger als vorher. Ich erzählte es den anderen, aber sowohl Geschwister als auch Cousinen winkten nur ab: Ich hätte zu viel Fantasie und würde mir sonst was einbilden. Tante Else sei auf ihre Art lustig und nicht geheimnisvoll, und Mucke meine eben Mücke, wahrscheinlich sei das Düsseldorfer Dialekt.

In der Winterzeit bekam man Tante Else selten zu Gesicht. Kaum aber war der Frühling in voller Blüte und Tausende von Maiglöckchen reckten in Omas Garten ihr hübsches Hälschen am Hang der Sonne entgegen, da standen meine Oma und Tante Else schon mit hochgekrempelten Ärmeln darüber und zupften sie gnadenlos ab. Mit dem Verkauf besserte Oma ihre kümmerliche Rente auf, und Tante Else machte es offensichtlich Freude uns alle wiederzusehen. Nachdem alle Maiglöckchen gepflückt, gebündelt und zu Großhändlern auf den Wochenmarkt gebracht worden waren, hatte Tante Else wieder Zeit für ihre spannenden Geschichten. Die Kleinen freuten sich auch schon sehr auf neue Abenteuer von Sumsemann und Co. Ich hingegen hörte diesmal nur mit halbem Ohr zu, da ich in Gedanken bei der hübschen Deutschfranzösin aus der Parallelklasse war, die vor ein paar Tagen tatsächlich zugesagt hatte, mit mir ins Kino zu gehen. Insofern wurde ich erst aufmerksam, als herauskam, warum die drei tapferen Reisenden den gemeinen Holzdieb vergeblich auf dem Mond suchten, wohin ihn die Fee zur Strafe ja verbannt hatte. Der war schon längst ausgebüxt und hatte seine Beute, das Maikäferbein, in ein Schmugglerdepot auf der sonnenabgewandten Seite des Merkur gebracht. Als unsere drei Abenteurer dort eintrafen, fanden sie das Depot aber geleert vor. Vom Holzdieb keine Spur, dafür gab es aber deutliche Hinweise, dass hier in organisiertem Ausmaß Hehlerei mit Körperteilen irdischer Insekten getrieben wurde. Überall lagen Reste von Käferbeinen, Mandibeln sowie Bienenflügel verstreut herum.

»Ihr müsst wissen«, fuhr Tante Else mit erhobenem Zeigefinger fort, »dass solche Insektenteile manchen Spezies in der Galaxie als Aphrodisiakum dienen und daher heiß begehrt sind.« Ich sah den Gesichtern meiner jüngeren Verwandten an, dass sie nur Bahnhof verstanden.

»Was für Spezies sind das denn?«, fragte ich, um zu zeigen, dass wenigstens ich mitkam.

Mit einem Seufzer antworte Else: »Es handelt sich um kleine, auf zwei Beinen gehende echsenartige Wesen, die ganze Planeten abgrasen, um an solche Leckerbissen zu kommen. Ihre Heimatwelt ist unzugänglich. Daher konnte ihnen bislang nicht das Handwerk gelegt werden.«

Ich bemerkte schnippisch, dass es ja wohl auffallen würde, wenn hier überall kleine Echsenschiffe landen und Minidinosaurier herumlaufen würden.

Ja, das würde es, meinte Tante Else und fügte hinzu: »Deshalb bedienen sie sich interstellarer Diebesbanden, die sich in jede Art Kleintier, ob Säuger, Vogel oder Reptil verwandeln können.« Diese zu enttarnen und zu fangen sei schwer, weil sie sehr gerissen seien. Doch sei es dringend notwendig, ihrem Treiben Einhalt zu gebieten, schloss Tante Else ihre Erzählung an jenem Tag.« Denn sonst wird es auf der Erde in ein paar Jahrzehnten keine Maikäfer, Bienen, Libellen usw. mehr geben.«

Ich atmete auf. Für ein paar Augenblicke hatte die Art, wie Tante Else diese Geschichte erzählte, in mir den Verdacht geweckt, es handele sich nicht um ein Märchen, sondern um etwas Reales, von dem sie Hintergrundwissen besaß. Doch die Vorstellung, es könne irgendwann bei uns keine Maikäfer oder Bienen mehr geben, war dann doch starker Tobak und ein Beweis für ihre blühende Fantasie.

Insofern konnte ich mich unbeschwert auf den Kinobesuch mit Aurélie freuen, der mein ganzes Denken in den kommenden Tagen beherrschte. Leider lief das Treffen anders ab als geplant: Sie hatte zwei Freundinnen mitgebracht, die mit diebischem Vergnügen geschickt alle Ansätze torpedierten, mit der Angebeteten mal einen kleinen Dialog zu führen. Immerhin, Aurélie schloss im Anschluss ein zweites Treffen nicht grundsätzlich aus! Und so stapfte ich nach der Verabschiedung gut gelaunt den Berg zu unserer Wohngegend hoch. Vor lauter Testosteron im Körper beschloss ich nicht den Hauptweg zu nehmen, sondern einen steilen, kaum bepflasterten Nebenweg am Hang zu beschreiten.

Er war jetzt, Anfang Juni, überwuchert mit Unkraut und Sträuchern, sowohl auf der rechten Seite, wo die Gärten der Straßenhäuser endeten, als auch auf der linken, wo es nach wenigen Metern einen bewaldeten Hang hinaufging. Ich schnappte mir einen längeren Ast und begann auf das hochgewachsene Unkraut einzudreschen wie Fanfan, der Husar, auf seine Widersacher. Dutzende von Gegnern säbelte ich auf diese Weise nieder. Als ich den halben Weg zurückgelegt hatte, erspähte ich noch ganz in Kampfeslaune einen Hund weiter oberhalb des Pfades. Beim Näherkommen bemerkte ich, dass es sich um einen Fuchs handelte. Schlagartig wich das Testosteron aus mir und ich stand wie angewurzelt vor Aufregung still. Mir kamen die Gespräche der Erwachsenen in den Sinn, die seit Wochen über Tollwut bei Füchsen redeten und dass das für Menschen sehr gefährlich sei. Und dieser blöde Fuchs kam auch noch auf mich zu getrottet, statt vor mir Reißaus zu nehmen. Mit einem Schlag war ich nicht mehr Fanfan, sondern spürte meine Knie zittern.

Auf einmal blieb der Fuchs abrupt stehen und blickte wachsam in das Gebüsch auf der Hangseite. Seine Körperhaltung verriet Anspannung und Gefahr. Eine Gestalt in einem dunklen Umhang mit Kapuze brach aus dem Unterholz neben ihm hervor, verharrte am Rande des Gehwegs und blickte in Richtung Fuchs. Mich hatte die Person offenbar nicht wahrgenommen. Plötzlich und unvermittelt stieß sie eine Art große Schleimblase aus, die auf den Fuchs zuschoss und ihn im nächsten Moment völlig eingehüllt hatte. Ich wollte meinen Augen nicht trauen: Diese Flüssigkeit, oder was immer es war, denn es schien sich netzartig um den Fuchs zu wickeln und sich eigenaktiv zusammenzuziehen, war aus Höhe des Gesichtes geschossen gekommen. Das war aus meinem Blickwinkel gesehen zwar durch die Kapuze verborgen geblieben, aber genau dort musste sich bei einem Menschen der Mund befinden. Jede Art Waffe hätte aus Höhe der Hände abgefeuert werden müssen. Die Arme hatten aber im Moment des Ausstoßes am Körper heruntergehangen. So unglaublich es auch klang, die Person musste diese Ladung gespuckt haben. Aber wer konnte eine solche Menge Schleim spucken und was war das für ein fast lebendig wirkendes Zeugs? Während mein Hirn noch versuchte das Gesehene zu ordnen, gab der nun völlig eingewickelte und sich am Boden windende Fuchs ein unheimliches Kreischen von sich, das mir durch Mark und Bein fuhr. Es klang irgendwie unnatürlich. Zwar hatte ich noch nie Füchse bellen hören, aber ich spürte: Hier schrie eine Kreatur in Todesangst.

Vielleicht löste dieses Kreischen meine Lähmung, denn meine Füße begannen sich nach hinten zu bewegen, wobei sie laut über die Rollsteine schlurften. Ruckartig drehte die Gestalt ihr Gesicht in meine Richtung. Ich war aber schon dabei mich umzudrehen und den Weg zurückzurennen. Das Letzte, was ich wahrnahm, war ein grüner Schimmer unter der Kapuze – sonst war nichts zu erkennen.

Zuhause angekommen verkroch ich mich zitternd ins Bett und konnte nur noch an das soeben Erlebte denken. Der Kinobesuch mit Aurélie, um den sich tagelang meine ganze Existenz gedreht hatte, schien völlig vergessen. Am Morgen darauf gab ich mir einen Ruck und rief nach der Schule bei Oma an, um mit Tante Else zu sprechen. Die, hörte ich meine Oma klagen, sei am Morgen leider plötzlich wieder nach Düsseldorf abgereist, um einen wichtigen Arzttermin wahrzunehmen, der ihr kurzfristig angeboten worden sei.

Der Sommer nahm langsam seinen Lauf und recht bald war Aurélie wieder wichtiger als Tante Else. Aber leider nicht weniger rätselhaft, und als ich gegen Ende des Schuljahres mitbekam, dass Aurélie nun mit einem Typen aus der Obersekunda ging, waren für mich die Sommerferien ruiniert, bevor sie begonnen hatten. Missgelaunt zog ich mich von Familie und Freunden zurück, um die Niederlage alleine zu verarbeiten. Der Sommer war warm und regenarm und so streifte ich tagelang durch das Randgebiet der Stadt, um mich abzureagieren. Fand ich einen Ast, bekämpfte ich imaginäre Gegner. Dabei handelte es sich aber nicht mehr um die Schergen Richelieus oder Mazarins, sondern um Obersekundaner. Die mähte ich in jenem Sommer felderweise nieder. Meine Eltern waren froh, dass der Bub in den Sommerferien beschäftigt war – Youtube, Switchboxen, WhatsApp oder Netflix gab es ja noch nicht und all das hätte 1981 ohnehin nach Science-Fiction geklungen.

Anfang August hatte ich mich wieder etwas beruhigt und freute mich auf die Erntesaison in Omas riesigem Hanggarten. Stangen- und Brechbohnen konnten mir dabei gestohlen bleiben, auch wenn Oma stundenlang über deren korrekte Ernte lamentierte. Uns Kinder interessierten die Früchte, insbesondere die vielen Stachel- und Johannisbeeren, die jetzt in voller Reife standen.

Selbstredend war Tante Else wieder rechtzeitig angereist und packte kräftig mit an. Ich behielt sie stets im Blick und dabei fiel mir auf, dass sie ab und an verstohlen um sich blickend in dem kleineren der beiden in den Hang gemauerten Lagerräume verschwand, der für uns Kinder tabu war. Dort lagerten angeblich Unkrautvernichtungsmittel und Rattengifte, weswegen er immer verschlossen blieb, damit wir Kinder beim Spielen nicht zufällig reingerieten. Tante Else jedenfalls schien da etwas Geheimnisvolles zu treiben, denn jedes Mal, wenn sie aus dem Raum herauskam, wirkte ihr Blick ernst und nachdenklich. Brechbohnen konnten dafür kaum die Ursache gewesen sein.

Da ich der älteste und stärkste unter den Kindern war, fiel mir am letzten Arbeitstag die Aufgabe zu, nach getaner Arbeit die Ernte- und Gartengeräte einzusammeln und sie in den unteren Lagerraum zu bringen. Als ich dies erledigt hatte, eilte ich nach oben zum Haus, um mir meinen verdienten Lohn in Form von frisch gebackenem Kirschkuchen abzuholen. Und so hastete ich zwei Stufen gleichzeitig nehmend zum Haus hoch, als Tante Else aus dem Lagerraum heraustrat. Unsere Blicke trafen sich und ihrer schien zu sagen: So, Bürschlein. Ich meine, wir sollten uns mal ernsthaft unterhalten!

Wie angewurzelt verharrte ich ihr gegenüber. Schließlich seufzte Tante Else auf und sprach: »Na dann komm schon rein. Groß verheimlichen kann ich dir wohl ohnehin nichts mehr, du Schlaumeier!«

Neugierig trat ich in den Raum, der uns Kindern bisher verwehrt geblieben war. Im spärlichen Dämmerlicht des hereinbrechenden Abends konnte ich zunächst wenig Aufregendes erkennen, nur einen lang gezogenen und breiten Tisch, auf dem undefinierbare Bündel in Reih und Glied lagen. Was mochte da drin sein? Als sich meine Augen etwas an das trübe Licht gewöhnt hatten, fiel mir auf, dass es sich nicht um Plastik- oder Stoffbeutel handelte. Zudem waren die Formen recht unterschiedlich, als würde sich das Verpackungsmaterial perfekt dem Inhalt angepasst haben. Auch merkte ich, dass die Zeitungsblätter, die als Tischbezug dienten, dort, wo die Beutel lagen, feucht wirkten. Je länger ich starrte, und Tante Else gab hinter mir stehend kein Wort von sich, umso mehr konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Beutel glibberig, ich will nicht sagen lebendig, wirkten.

Ich drehte mich zu meiner Tante um und fragte mehr verblüfft als ängstlich: »Was ist das alles?«

»Oh«, meinte sie und schien eine Sekunde wirklich überrascht, »ich dachte, das hättest du erraten. Vor dem da«, und ihre Hand zeigte auf einen Sack in unmittelbarer Nähe, »habe ich dich vor ein paar Wochen beschützt, als er dich anfallen wollte.«

Der Fuchs?!? Dann war sie es also doch gewesen und ich hatte mir das nicht bloß eingebildet!! Doch was war das für ein Fangseil gewesen? Warum tat Tante Else so etwas und was ist das mit ihren Augen? Fragen über Fragen stürzten auf mich ein, heraus kam aber nur eine fast belanglose: »Aber ein Fuchs ist doch viel größer als das, was hier im Sack steckt?!

»Richtig«, gab sie mir zur Antwort, »der Fuchs war ja nur Verkleidung wie bei all den anderen, die hier liegen: Dachse, Feldhasen, Schwäne, Katzen und so weiter. Nachdem ich sie gefangen habe, reduzieren sie sich auf ihre wahre Größe zurück, wenn sie auch die Tiergestalt behalten.«

»Aber, wenn das keine Tiere sind, was sind es dann?« Und was bist du, wollte ich fragen, aber meine Stimme war schon am Ersticken.

»Na, Mucken, was denn sonst?!? Und die fängt man nur mit …« Hier brach sie den Satz bewusst ab und ließ mich ergänzen: »Geduld und Spucke.«

»Genau! Wenn man nicht dauernd von solchen naseweisen Schnüfflern wie dir gestört wird.«

»Wie kannst du bloß so viel spucken?«, fragte ich mit zitternder Stimme und hätte mich dafür ohrfeigen können, da ich spürte, dass es wesentlich wichtigere Fragen gab. Immerhin, auch wenn mir die Knie ein wenig weich geworden waren, verspürte ich neben Tante Else keine wirkliche Angst. Dafür erschrak ich mich einen Moment später fast zu Tode, als zwei der Bündel heftig zu zucken begannen. Ich muss wohl auch geschrien haben, denn Tante Else legte den Finger auf den Mund, um mich zum Schweigen zu bringen, und streichelte beruhigend mit der anderen Hand meinen Kopf.

»Sind die, sind die …?«, stotterte ich.

»Noch am Leben? Die meisten ja. Ich möchte die Mucken verhören, bevor ich sie unserer Justiz ausliefere. Aber mach dir keine Sorgen! Aus der Spucke kommen sie nicht mehr raus. Sie hält sie aber auch gleichzeitig am Leben und dient als Raumanzug.«

Ich brachte vor Aufregung keinen Ton mehr über die Lippen und starrte nur auf das Gesicht von Tante Else, das immer noch gütige Züge aufwies.

»Und um deine wichtigste Frage zu beantworten: Weder die Mucken noch ich stammen von diesem Planeten. Wir haben nur die Formen von hier angenommen: Die Mucken die von Kleintieren und ich passe mich euch Menschen an. Jetzt sag nicht, dass du das nicht schon geahnt hast?«, fügte sie verschmitzt hinzu und ihre Augen blinkten kurz in intensivem Grün auf. »Ab und an fällt meine Tarnung auf, da es nicht ganz leicht ist, meine Gestalt euren Hüllen anzupassen und dann auch noch Mucken aufzulauern.«

»Wie siehst du denn in Wirklichkeit aus?« Endlich hatte ich die Sprache wiedergefunden.

»Den Anblick möchte ich dir ersparen. Für euch Menschen sähe ich aus wie eine Mischung aus tibetischem Yak und riesiger Vogelspinne. Das würde dir nicht gefallen!«, antwortete Tante Else und hatte dabei einen Gesichtsausdruck, der mich vor weiterem Nachfragen abhielt.

»Und was ist so schlimm an Mucken?«, fragte ich stattdessen.

Jetzt huschte ein Ausdruck von Sympathie über ihr Gesicht: »Ach, ihr Kinder, was seid ihr doch für zauberhafte Wesen. Erwachsene Erdenbürger hätten längst zu einer Waffe gegriffen, die Polizei alarmiert oder wären hysterisch geworden. Kinder hingegen akzeptieren viel schneller, dass es verschiedene Realitäten gibt, und passen sich denen an. Aber um auf die Mucken zu kommen«, und hier wurde ihr Gesichtsausdruck wieder sehr ernst, »ich habe euch bei Peterchens Mondfahrt schon von ihrem schändlichen Treiben erzählt.« Ihre Hand zeigte auf die Beutel auf dem Tisch. »Das hier ist die Ausbeute dieses Jahres, eine besonders große und hartnäckige Sippe von Insektenbeinhehlern.«

»Dann waren die Geschichten also alle wahr, die du uns erzählt hast?«, fragte ich vor Verwunderung.

»Nur zum Teil. Irdische Erzählungen finde ich meist langweilig, da flicke ich dann eigene Erlebnisse mit ein. Die Mucken hier haben im letzten Jahr die Rückseite des Merkur, solange sie im Schatten lag, genutzt, um ihre Beute zu horten. Ich kam meist zu spät. Wenigstens konnte ich dem Kopf der Bande jetzt das Handwerk legen. Aber es gibt noch so viel zu tun«, seufzte Tante Else und sah auf einmal alt aus.

»Warum jagst du sie denn hier, auf unserem Planeten?«, wagte ich zu fragen, nachdem ein Schweigen eingetreten war.

Sie atmete tief durch und hob an: »Damit ihr nicht das Schicksal erlebt, das uns widerfahren ist. Unsere Heimatwelt hat zu spät darauf reagiert, sodass alle insektenartigen Wesen verschwanden und die Ökosysteme kollabierten. Nun sind große Teile unserer Welt für viele Generationen unbewohnbar geworden und die Mehrheit von uns lebt als Nomaden im Weltall. Ihr Menschen verhaltet euch wie wir damals. Ihr beschäftigt euch mit allen möglichen großartigen Zukunftsplänen und habt keine Augen für die kleinen Dinge neben euch, die ihr für selbstverständlich haltet. Das nutzen die Mucken aus und schwuppdiwupps verschwindet ein Teil eurer Fauna, bevor ihr es gemerkt habt. Und dann nehmen sie sich den nächsten Planeten mit ähnlichen Lebensräumen vor. Daher haben wir ihnen den Kampf angesagt, auch als Rache dafür, was sie uns angetan haben.« Sie hielt einen Moment inne und fuhr dann wesentlich düsterer fort: »… und weil wir uns mit den Hintermännern nicht wirklich anlegen können.«

»Du meinst diese echsenartigen Wesen, die unsere Insekten als Afro, Afro Diadingsbums benutzen?!«, platzte ich stolz, mich an die Zusammenhänge zu erinnern, heraus.

»Aphrodisiakum«, korrigierte mich Tante Else: »Nein, die armen Würmer meine ich nicht.«

»Wieso denn? Ihr seid doch sicherlich viel größer und intelligenter«, widersprach ich, nun wieder mutiger werdend. »Und außerdem sind die es doch, die auf unsere Insekten aus sind!?«

Else schüttelte den Kopf. »So einfach ist das leider alles nicht. Das hängt mit der intergalaktischen Nahrungskette zusammen. Pass auf: Die Mucken sind nur Gangster, schlau und gerissen, im Prinzip aber an der Erde nicht interessiert. Es sei denn, hier tut sich ein Rohstoff auf, für den andere Spezies bereit sind zu zahlen.«

»Unsere Käfer und Bienen und so …?«

»Richtig! Die Echsen sind aber nicht die Endabnehmer, sondern im Grunde nur die Zwischenproduzenten. Schau: Je mehr Aphrodisiakum sie bekommen, umso mehr Nachwuchs erzeugen sie. Das sind im Frühstadium nichts als Würmer, die erst später Glieder zur Fortbewegung entwickeln. Aber nur, solange sie wurmartig sind, gelten sie einer anderen Rasse als Delikatesse. Und diese verlangt immer mehr davon.«

»Dann müsst ihr die fertigmachen!«, rief ich aus.

Tante Else schüttelte den Kopf und wirkte mutlos.

»Die sind leider viel zu zahlreich und dazu noch extrem kriegerisch. Sie haben mittlerweile begriffen, dass wir die Nahrungskette zu ihrer Leib- und Magenspeise, Gach genannt, unterbrechen, und finden das gar nicht lustig. Noch kennen sie die Erde nicht, denn die Mucken möchten keine Betriebsgeheimnisse preisgeben. Aber glaube mir, wenn die Klingoten, so heißen sie, einmal von der Erde erfahren sollten, dann sind fehlende Bestäuber das geringste Problem, was dieser Planet hat.«

»Klingoten«, murmelte ich, »klingt irgendwie ulkig der Name.«

»Sind sie aber nicht«, fuhr mich Tante Else auf einmal ungewohnt heftig an. »Es ist eine aggressive Spezies, der man besser nicht begegnet!!« Sie hielt kurz inne und fügte dann deutlich milder hinzu: »Du magst vielleicht von ihr gehört haben, bei Star Trek nennt man sie Klingonen.«

»Die gibt es wirklich?«, rief ich vor Begeisterung aus. Ich war hin und weg und hatte Mucken und kollabierende Ökosysteme schon ganz vergessen. »Aber heißt das, dass es auch die Vulkanier gibt?«, wollte ich wissen.

Sehr zu meiner Überraschung prustete Tante Else vor Lachen auf. Nein, so einen Unsinn wie logisch denkende Vulkanier könne sich nur ein Hollywood-Regisseur ausdenken, meinte sie und fügte dann hinzu: »Rabauken wie die Klingoten hingegen kommen in dieser Galaxie leider viel zu häufig vor.

Aber genug für heute, dein Kirschkuchen wird kalt und von der Schlagsahne haben sie uns vermutlich nichts mehr übrig gelassen, die gierigen Hälse. Also schnell hoch, aber kein Wort zu niemandem, hast du verstanden?! Sonst entkommen mir die Mucken!!«

Ich bejahte und wollte mich schon rumdrehen, fragte dann aber: »Was ist mit Oma? Weiß sie alles?«

Tante Else überlegte kurz: »Deine Oma ist eine liebe Freundin. Sie bekommt das eine oder andere mit, ohne Fragen zu stellen. Vorsichtshalber lösche ich aber bei jeder Abreise ihr Kurzzeitgedächtnis.« Sie muss meinen Schrecken bemerkt haben, denn sie fuhr fort: »Bei dir bin ich mir noch nicht sicher, was ich tun soll. Du bist noch ein Kind und ich will dir keinen Schaden zufügen. Aber die Sache muss unter uns bleiben. Würde dir ja auch kaum jemand glauben, oder?«

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