Kitabı oku: «Das Neue Testament - jüdisch erklärt», sayfa 18
Hauptthemen
Jedes Evangelium zeichnet sein eigenes Bild von Jesus. Bei Markus ist Jesus eine von Gott bevorzugte, wenn nicht göttliche Gestalt, die an Jesajas Gottesknecht (Jes 52–53), die Klagepsalmen (z.B. Ps 22) und den leidenden Gerechten (Weish 2–5) erinnert. Markus berichtet von der Zurückweisung Jesu durch seine Familie (Mk 3,19b–21), durch die Einwohner von Nazareth (Mk 6,1–6), durch Nichtjuden, die seine Heilkraft bezeugen (Mk 5,17), durch Petrus (Mk 8,32; 14,71), andere Jünger (Mk 14,50), die Hohepriesterschaft und den Sanhedrin, die „Menge“, das Volk, das durch sie beeinflusst ist (Mk 14; 15,8.11.15), die, die am Kreuz vorbeigehen (Mk 15,29), die beiden mit ihm Gekreuzigten (Mk 15,32) und letzten Endes – dem Anschein nach – auch durch Gott (s. Anm. zu Mk 15,34; und Jesu „Verlassenheitsschrei“).
Man behauptet oft, Markus zeichne einen sehr menschlichen Jesus (sog. Christologie von unten), weil die Vorstellung eines vollkommen göttlichen Christus zur Entstehungszeit des Evangeliums noch nicht artikuliert worden sei. Dennoch gab es schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt (z.B. Phil 2,6–11) sog. Hoheitschristologien auf der Basis der Vorstellung eines göttlichen oder präexistenten Christus. Darüber hinaus lässt Markus Jesus nicht nur dreimal seine Kreuzigung vorhersagen (Mk 8,31; 9,31; 10,34), sondern impliziert an manchen Stellen auch, dass Jesus göttlicher Natur sei, etwa indem er beschreibt, wie Jesus über das Wasser geht (Mk 6,48) und verklärt wird (Mk 9,2). An anderen Stellen werden wiederum Behauptungen der göttlichen Natur Jesu heruntergespielt (s. Anm. zu Mk 16,5). Manchmal wird sogar gesagt, Jesus habe keine Vollmacht besessen (Mk 6,5; s.a. Mk 14,36; 15,34). Markus betont stattdessen die Vorstellung von Jesu Leiden und Sterben als Lösegeld (Mk 10,45). Vermutlich deshalb schließt das Markusevangelium nicht mit einer triumphalen Auferstehungsszene, sondern mit den Frauen, die voller Furcht von Jesu leerem Grab fliehen (Mk 16,8). Die Leserschaft des Markusevangeliums weiß jedoch, dass ihr Schweigen nicht das ultimative Ende der Geschichte ist.
Paradoxerweise beinhaltet dieses beredte Schweigen zugleich ein weiteres Hauptthema des Markus, das Messiasgeheimnis. Vielfach befiehlt Jesus den Menschen, über seine Wunder oder seine Identität Schweigen zu bewahren. Diese Schweigebefehle sind Ausdruck eines „paradoxen“ Verständnisses Jesu, insofern sie die Ehrfurcht vor Jesus gerade steigern (besonders, weil die Leserschaft die wahre Bedeutung des Geheimnisses kennt). Sie weisen darauf hin, dass es in einer Situation, in der die Regierung charismatischen Anführern misstraut (wie man nicht nur an Jesu Kreuzigung, sondern auch am Tod Johannes‘ des Täufers durch Herodes Antipas erkennen kann), oft die beste Strategie ist, sich unauffällig zu verhalten. Das Motiv dürfte Teil der markinischen Christologie sein: Das Evangelium betont, dass Jesu messianische Identität notwendigerweise das Leiden einschließt und Jesu Tod ein „Lösegeld“ darstellt (Mk 10,45); seine Rolle ist daher erst nach der Kreuzigung vollauf verständlich. Der deutsche Bibelforscher William Wrede (1901) schrieb diese Schweigegebote nicht Jesus selbst, sondern dem Evangelisten zu: Wrede vertrat die Ansicht, dass der Autor auf diese Weise zu erklären versuchte, warum nicht mehr Menschen Jesus zu seinen Lebzeiten als Messias angenommen hatten. Während das Motiv der Geheimhaltung von Matthäus und Lukas übernommen wird, fehlt es bei Johannes fast vollständig. Wie das Motiv innerhalb der Erzählung funktioniert und woher es stammt (von Jesus? aus der mündlichen Tradition? von Markus?), bleibt Gegenstand der Diskussion.
In den Texten des Neuen Testaments begegnet eine große Bandbreite von Ansichten, ob Nichtjuden in großer Zahl zur christlichen Gemeinde hinzustoßen würden oder nicht, und ebenso von Meinungen, in welchem Ausmaß das jüdische Gesetz auch weiterhin befolgt werden müsse. Einer der interessantesten Aspekte des Markusevangeliums ist seine Zweideutigkeit in dieser Frage. Nachdem das Markusevangelium lange Zeit als unstrittiges Beispiel für einen an Nichtjuden gerichteten Text galt, wird nun jede Passage in dieser Hinsicht neu hinterfragt. Der Grund für diese Ambivalenz mag schlicht darin liegen, dass der Autor sein Evangelium schrieb, bevor die präziseren Begriffe dieser Debatte aufkamen. Markus könnte so viel typischer für die Diskussionen innerhalb des Judentums des 1. Jahrhunderts sein, als bisher generell angenommen wurde.
Lawrence M. Wills
Markus 1
1 Dies ist der Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes.
2 Wie geschrieben steht im Propheten Jesaja: »Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg bereiten soll.« 3 »Es ist eine Stimme eines Predigers[*] in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht seine Steige eben!«, 4 so war Johannes in der Wüste, taufte und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden. 5 Und es ging zu ihm hinaus das ganze judäische Land und alle Leute von Jerusalem und ließen sich von ihm taufen im Jordan und bekannten ihre Sünden. 6 Und Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Lenden und aß Heuschrecken und wilden Honig. 7 Und er predigte und sprach: Nach mir kommt der, der stärker ist als ich; ich bin nicht wert, dass ich mich vor ihm bücke und die Riemen seiner Schuhe löse. 8 Ich habe euch mit Wasser getauft; aber er wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.
9 Und es begab sich zu der Zeit, dass Jesus aus Nazareth in Galiläa kam und ließ sich taufen von Johannes im Jordan. 10 Und alsbald, als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass sich der Himmel auftat und der Geist wie eine Taube herabkam auf ihn. 11 Und da geschah eine Stimme vom Himmel: Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.
Mk 1,1–11 Die Taufe des Johannes (Mt 3,1–17; Lk 3,1–22; Joh 1,6–34) 1,1 Evangelium, gr. euangelion, übers. „gute Nachricht“, wurde im ersten Jahrhundert nicht auf ein Buch bezogen verwendet; das hebr. Äquivalent (Jes 52,7 [mevaser, übers. „{frohe} Kunde bringen“; gr. euangelizō, übers. „eine gute Nachricht verkündigen“]) suggeriert, dass es sich um die gute Nachricht der Befreiung durch Gott handelt. Im römischen Kontext bezieht sich euangelion auf gute Neuigkeiten wie die des Friedens, der durch den Kaiser herbeigeführt wurde. Markus verleiht dem gängigen Begriff eine neue Konnotation: Die gute Nachricht, die durch und über Jesus verkündet wird. Der Eröffnungssatz identifiziert Jesus als den Christus (aus gr. christos; dahinter steht hebr. maschiach, übers. „Gesalbter“). Der Messiastitel wurde bereits auf Könige Israels, den Hohenpriester, Propheten und sogar auf König Kyrus von Persien angewendet, als dieser Gottes Plan ausführt (Jes 45,1). Der Tanach benutzt den Begriff „Messias“ nie für den idealen, zukünftigen davidischen König, obwohl das Versprechen, dass die davidische Linie andauern wird, in Ps 89,19–37 (vgl. auch 2Sam 7) eine ewige Salbung suggeriert. Die Leserinnen und Leser des MkEv müssen also entscheiden, welche Art von „Messias“ Jesus ist: ein königlicher, priesterlicher, prophetischer, heilsbringender usw. oder eine Kombination der genannten Möglichkeiten. Sohn Gottes, der Hoheitstitel fehlt in manchen antiken Manuskripten (vgl. Anm. zu 1,9–11); es könnte sich auch um eine königliche Titulatur handeln (Ps 2,7; 89,27–28). 1,2–8 Jesaja, eines der biblischen Bücher, das im Judentum – die Anhängerschaft Jesu eingeschlossen – am häufigsten zitiert wurde, aber das Zitat im MkEv beginnt tatsächlich mit Mal 3,1; Matthäus (Mt 3,3) und Lukas (Lk 3,4–6) korrigieren diese Fehlzuschreibung, indem sie „Siehe […] deinen Weg“ auslassen. Markus könnte diese Texte aus der „Testimonienliteratur“ gekannt haben, in der Verse zu einem bestimmten Thema zusammengestellt wurden; in diesem Fall zum Sujet des „Weges Gottes“. „Weg“ ist ein terminus technicus im griechischen, jüdischen und christlichen ethischen Diskurs, bei dem es um die Entscheidung für den guten Weg geht; dieser ist allerdings meist mühevoller als der unmoralische und einfachere Weg. Die Wege Gottes werden in biblischen Perikopen wie Dtn 5,33 und Jer 7,23 herausgestellt. Das Wort „Weg“ (gr. hodos) kann mit den jüdischen Vorstellungen der Halacha (also „wie jemand geht“) und des derech erez (übers. „der Weg des Landes“, vgl. Jub 12,21; 4Esr 7,12-13; Derech Erez Rabba) verglichen werden; äthHen 71,17 spricht von dem „ebene[n] Weg“ des Menschensohns. Nach Apg 9,2 bezeichneten sich die frühen Anhänger Jesu nicht als Christinnen und Christen, sondern als „Anhänger dieses Weges“. Deshalb hörte die Leserschaft des MkEv den Täufer eventuell nicht nur den richtigen „Weg“, sondern vielmehr den „Weg Jesu“ verkündigen. In seinem eigentlichen Kontext prophezeit Jes 40,3 eine Straße in der Wüste, auf der die Exilierten direkt von Babylon nach Jerusalem zurückkehren können. 1,4–5 Johannes, initiierte eine Bewegung, die – indem er Umkehr und Vergebung predigte (Mk 1,15) – der Jesusbewegung sehr ähnlich war. Es gibt sowohl in der israelitischen als auch der jüdischen Überlieferung die Tradition eines Paares aus zwei einander beigeordneten bedeutenden Anführern – Mose und Aaron, David und Jonathan, Elia und Elisa, Esra und Nehemia, Jeschua und Serubbabel, Hillel und Schammai; vgl. auch Petrus und Paulus in der Apostelgeschichte. In allen vier Evangelien sind Jesus und Johannes eng verbunden, wenngleich die Art der Verbindung unterschiedlich ist. Im MkEv beginnt das Wirken Jesu mit Johannes, übertrifft diesen aber; trotzdem ist der Tod des Johannes bedeutsam für die Anhänger Jesu und deutet auf Jesu Tod voraus (vgl. Mk 6,29; 15,45f.). 1,4 Der Tanach erwähnt Reinigungsriten mit Wasser (vgl. Lev 13,6; 15,5–10); während der Zeit des Zweiten Tempels stieg das Interesse an solchen Riten: Jdt 12,7–9 (ca. 100 v.u.Z.) erwähnt Bäder als Reinigungsmaßnahme. Zum Zweck der rituellen Immersion begegnen nach und nach Tauchbecken (hebr. miqwaot) an verschiedenen Orten, v.a. im südlichen Galiläa. Vgl. auch Jos.Bell. 2,130–32; bBer 53b. Ausgedehnte Zisternen und Wasserkanäle in Qumran spiegeln die rituellen Bäder wider, die in 1QS 5–6 erwähnt werden. Taufe der Buße, ein rituelles Bad, dessen Durchführung die Vergebung der Sünden herbeiführen sollte. Damit führt Johannes einer üblichen Praxis eine neue symbolische Dimension zu: Das Ritual dient nicht mehr (nur) der Befreiung von Unreinheit (z.B. aufgrund von Menstruation oder dem Kontakt mit einer Leiche), sondern fungiert als öffentliches Zeugnis der Buße und der Vorbereitung auf das Einbrechen des Reiches Gottes. 1,6 Johannes der Täufer wird als neuer Elia dargestellt (Mk 9,13; 2Kön 1,8). 1,8 Mit dem heiligen Geist taufen, vielleicht ein Reflex frühchristlicher Praktiken (Apg 2,1–4; 8,14–17). 1,9–11 Die Rabbinen bezeichnen Worte vom Himmel als bat qol, übers. „Tochter der Stimme“ (tSot 13,2; bEr 13b); an dieser Stelle sind die Worte von Ps 2,7 und Jes 42,1–2 beeinflusst: Der Psalm zeichnet eine königliche Adoption – sobald der davidische König gesalbt ist, wird er ein Sohn Gottes. Jesus wird von den Jüngern nie als „Sohn Gottes“ bezeichnet, erhält diese Titulatur jedoch von Gott und wird von unreinen Geistern (Mk 5,7), von jüdischen Autoritäten (Mk 14,61, in einer Frage) und von einem römischen Soldaten (Mk 15,39) so angesprochen. In bestimmten christlichen Kreisen schloss der Titel „Sohn Gottes“ die Attribute der Präexistenz (Joh 1,1–14) und der Ebenbürtigkeit Gottes (Joh 5,18) ein. Bei Markus wurde „Sohn Gottes“ wohl eher als Erhöhung eines Menschen in eine Sonderrolle vor Gott verstanden; als Pendants könnten der davidische König und der römische Kaiser gelten (Liv. 1,16). Gott hat Jesus als Gottes Sohn adoptiert, wie auch der König durch Gott adoptiert wurde (wie in Ps 2,7). 1,10 Auftat, vgl. Anm. zu 15,38. Taube, vielleicht als Symbol der Sanftmut (Ps 74,19).
12 Und alsbald trieb ihn der Geist in die Wüste; 13 und er war in der Wüste vierzig Tage und wurde versucht von dem Satan und war bei den Tieren, und die Engel dienten ihm.
Mk 1,12–13 Jesu Versuchung (Mt 4,1–11; Lk 4,1–13) Dem markinischen Bericht von Jesu Versuchung fehlen die dramatischen Elemente, die sich bei Matthäus und Lukas finden. Satan, der „Widersacher“ oder „Ankläger“, tauchte in jüdisch-nachexilischen Quellen auf, als diese Figur, anfangs unter persischem Einfluss (548–333 v.u.Z), bedeutend wurde (Sach 3,1–2; Hiob 1,6; vgl. BerR 57,4). In Jub 17 und 18 wird Satan Mastema genannt, ein Name, der auch in Qumran auftaucht (1QS 3,23; 1QM 13,11). Christliche Quellen halten Satan gewöhnlich für eine dämonische Macht; die rabbinische Tradition beschreibt den Satan einerseits als böse, stellt ihn andererseits aber immer noch als Satan, d.h. als „Ankläger“ dar, dessen Aufgabe es ist, die Gerechten zu prüfen (wie bei Hiob). Im Babylonischen Talmud (bBB 16a) erklärt Resch Laqisch: „Der Satan, der böse Trieb und der Totesengel sind identisch“. Wüste und vierzig Tage spielen sowohl auf die Wanderungen während des Exodus (Ex 15,22ff.) als auch auf das Fasten von Mose und Elia (Dtn 9,18; 1Kön 19,8) an.
14 Nachdem aber Johannes überantwortet war, kam Jesus nach Galiläa und predigte das Evangelium Gottes 15 und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!
Mk 1,1–15 Einleitung Die Eröffnung bei Markus umreißt mehrere Themenkomplexe: Umkehr und Vergebung (V. 4), den Geist (V. 8.10), Jesus als Sohn (V. 11) und das Königreich Gottes (V. 15). Anders als das MtEv und LkEv enthält das MkEv keine Erzählung von Jesu Geburt.
Mk 1,14–15 Verkündigung des Reiches Gottes (Mt 4,12–17; Lk 4,14–15) Die Botschaft Jesu betont – wie auch die von Johannes – das Reich Gottes sowie dessen unmittelbare Nähe. 1,14 Galiläa, die Region nördlich von Judäa und Samaria, westlich des galiläischen Meeres, wo der überwiegende Teil der Erzählung stattfindet, bevor Jesus nach Jerusalem kommt. Galiläa hatte keine klaren Grenzen, umschloss aber oft Teile oder das ganze Gebiet der Stämme Issachar, Sebulon, Naftali und Asser (Jos 18–19). Da es ländlicher geprägt und im ersten Jahrhundert u.Z. weniger hellenisiert war als Judäa, offenbart sich – belegt auch durch archäologische Untersuchungen – im unteren Galiläa ein starkes Interesse an jüdischen Identitätsmarkern wie rituellen Bädern, Steingefäßen (denen keine Unreinheit anhaften konnte) und Münzgeld (von Herodes Antipas geprägt; ohne Abbildungen von Menschen). 1,15 Reich Gottes, die Vorstellung, dass Gott der wahre König ist, findet sich bereits in früheren jüdischen Quellen (Ps 5,3; 10,16; 103,19; 145,11.13, usw.), aber der Ausdruck „Reich Gottes“ taucht nur vereinzelt in der Literatur des Zweiten Tempels und in rabbinischen Texten auf (Weish 10,10; mBer 2,2.5); dort bezieht sich der Begriff meist auf das Versprechen eines idealen Staates, wie in Sach 14,9. Tut Buße, gr. metanoia, übers. „Sinneswandel“, wobei „Sinn“ das gesamte innere Wesen meint; normalerweise ist dies die LXX-Übersetzung des hebr. n-ch-m, übers. „bereuen, Buße tun“. In Jer 31,19 wird nicham mit schuv, übers. „sich wenden, umkehren“, in Verbindung gebracht; Buße bezieht sich nicht auf individuelle Sünden, sondern auf das „Zurückkehren“ zu Gott. Glaubt an das Evangelium, das Substantiv „Glaube“ und das Verb „glauben“ (zugrunde liegt dieselbe griechische Wurzel) werden im NT besonders betont (z.B. Mt 8,10; 24,23; Mk 13,21; Joh 11,40; 1Kor 15,11). Im antiken Israel und auch bei Markus bezeichneten „Vertrauen“ und „Glaube“ (hebr. Wurzel: ’aman; vgl. „Amen“, Anm. zu 3,28) häufig Treue und Vertrauenswürdigkeit gegenüber Menschen (z.B. Jes 38,3) und Gott (z.B. Ps 71,22); vgl. auch also die amana bzw. den Glaubensbund in Neh 10,1. Während der Zeit des Zweiten Tempels erlangte Vertrauen/Glaube weitere Bedeutungen: Überzeugung, Beichte und sogar Bekehrung (Jdt 14,10; Weish 1,2; 16,26; Sir 1,14; 2,6). Im rabbinischen Judentum werden die, die den Zehnten gewissenhaft abgeben als ne’emanim, d.h. als „Treue“ bezeichnet (mDem 4,6). Bei Markus werden Glaube und Tora zwar häufig thematisiert, Glaube und Gesetz jedoch nie auf dieselbe Weise kontrastiert wie bei Paulus (vgl. aber Mk 2,1–12).
16 Als er aber am Galiläischen Meer entlangging, sah er Simon und Andreas, Simons Bruder, wie sie ihre Netze ins Meer warfen; denn sie waren Fischer. 17 Und Jesus sprach zu ihnen: Kommt, folgt mir nach; ich will euch zu Menschenfischern machen! 18 Und sogleich verließen sie ihre Netze und folgten ihm nach.
19 Und als er ein wenig weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und Johannes, seinen Bruder, wie sie im Boot die Netze flickten. 20 Und sogleich rief er sie, und sie ließen ihren Vater Zebedäus im Boot mit den Tagelöhnern und gingen fort, ihm nach.
Mk 1,16–20 Die Berufung der ersten Jünger (Mt 4,18–22; Lk 5,1–11; Joh 1,35–42) 1,17 Menschenfischer, das Bild vom Fischfang erscheint in biblischen Texten als positive wie negative Metapher (Jer 16,16; Am 4,2); rabbinische Texte reden teilweise metaphorisch von neuen Jüngern als von Fischen (ARN A 40). In griechischen und römischen Philosophenkreisen sowie im rabbinischen Judentum wird eher beschrieben, dass Schüler sich Lehrer suchen, als dass sie von ihnen berufen werden (wie in Joh 1,35–40; vgl. bEr 30a; bKet 61b). Die jesuanische Methode der Berufung fußt vermutlich auf der Berufung des Elisa durch Elia (1Kön 19,19–21). Sowohl Jesus als auch Elia berufen ihre Nachfolger; die Jünger und Elisa reagieren prompt und verlassen – wie ausdrücklich festgehalten wird – ihre Eltern, um nachzufolgen.
21 Und sie gingen hinein nach Kapernaum; und alsbald am Sabbat ging er in die Synagoge und lehrte. 22 Und sie entsetzten sich über seine Lehre; denn er lehrte sie mit Vollmacht und nicht wie die Schriftgelehrten.
23 Und alsbald war in ihrer Synagoge ein Mensch, besessen von einem unreinen Geist; der schrie: 24 Was haben wir mit dir zu schaffen, Jesus von Nazareth? Bist du gekommen, uns zu vernichten? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes! 25 Und Jesus bedrohte ihn und sprach: Verstumme und fahre aus von ihm! 26 Und der unreine Geist riss ihn hin und her und schrie laut und fuhr aus von ihm. 27 Und sie entsetzten sich alle, sodass sie sich untereinander befragten und sprachen: Was ist das? Eine neue Lehre in Vollmacht! Er gebietet auch den unreinen Geistern, und sie gehorchen ihm! 28 Und die Kunde von ihm erscholl alsbald überall in das ganze Land um Galiläa.
Mk 1,21–28 Exorzismen und Lehre in Vollmacht (Mt 7,28–29; Lk 4,31–37) 1,21 Synagoge, vgl. „Die Synagoge“. Dass sich Menschen am Sabbat in der Synagoge versammelt hatten, verweist auf eine Art Gottesdienst (vgl. Mk 6,2). 1,22–24 Lehre, die Lehre Jesu meint nicht nur seine Worte, sondern auch seine Vollmacht, unreine Geist[er] auszutreiben. Markus verwendet den Begriff unreiner Geist häufiger als die üblichere Bezeichnung „Dämon“. Der Heilige Gottes, Bezeichnung für Elisa (2Kön 4,9); als Gegenpart zum unreinen Geist würde ein solcher Prophet die Grenze zwischen dem dämonischen Reich und der von Gott geschaffenen Welt des Lebens wiederherstellen. 1,25 Bedrohte, ein üblicher Begriff in jüdischen Exorzismen (gr. epitimaō, hebr. ga‘ar; 1QGenAp 20,28–29; vgl. Ps 106,9). Vgl. auch 1QM 14,9–11 mit einem Verweis auf Gott, der Gegner im Kampf besiegt oder Satan überwindet, sowie spätere rabbinische Quellen (BemR 19,8; PesR 36,1). Verstumme, wörtl. „dir sei der Mund geknebelt“, verweist auch auf die Kontrolle über unreine Geister. 1,27 Vollmacht, gr. exousia, die Freiheit, seine eigene Macht auszuüben, indem man lehrt, ohne sich auf andere Lehrer oder Schriftgelehrte zu beziehen, während man gleichzeitig über unreine Geister herrscht.
29 Und alsbald gingen sie aus der Synagoge und kamen in das Haus des Simon und Andreas mit Jakobus und Johannes. 30 Die Schwiegermutter Simons aber lag darnieder und hatte das Fieber; und alsbald sagten sie ihm von ihr. 31 Und er trat zu ihr, ergriff sie bei der Hand und richtete sie auf; und das Fieber verließ sie, und sie diente ihnen.
32 Am Abend aber, da die Sonne untergegangen war, brachten sie zu ihm alle Kranken und Besessenen. 33 Und die ganze Stadt war versammelt vor der Tür. 34 Und er heilte viele, die an mancherlei Krankheiten litten, und trieb viele Dämonen aus und ließ die Dämonen nicht reden; denn sie kannten ihn.
Mk 1,29–34 Kurze Angaben über viele Heilungen (Mt 8,14–17; Lk 4,38–41) Die Summarien, die beschreiben, wie Menschen zu Jesus drängen, werden später ironisch mit den Schweigegeboten Jesu kontrastiert (Mk 2,1–2; 3,7–8; 6,53–56). 1,30–31 Die Schwiegermutter [des] Simon [Petrus], sie erscheint nur in dieser Szene; die Frau von Petrus wird nie erwähnt, vgl. aber 1Kor 9,5. Diente, das gr. Wort für ihren Dienst (diakoneo, vgl. „Diakon“) greift zum einem dem Gebot Jesu voraus, Anderen zu dienen (Mk 10,45); andererseits verweist es auch auf die anderen Frauen, die Jesus zu Diensten waren (Mk 15,41).
35 Und am Morgen, noch vor Tage, stand er auf und ging hinaus. Und er ging an eine einsame Stätte und betete dort. 36 Und Simon und die bei ihm waren, eilten ihm nach. 37 Und da sie ihn fanden, sprachen sie zu ihm: Jedermann sucht dich. 38 Und er sprach zu ihnen: Lasst uns anderswohin gehen, in die nächsten Orte, dass ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen. 39 Und er kam und predigte in ihren Synagogen in ganz Galiläa und trieb die Dämonen aus.
Mk 1,35–39 Der Auftrag Jesu (Mt 4,23–25; Lk 4,42–44) Die Jünger werden Jesu Identität und Mission ständig missverstehen, wobei Jesus tatsächlich oft recht mehrdeutig spricht. Dagegen wurde der Hörerschaft von Markus bereits in Mk 1,1 seine Bedeutung mitgeteilt. Einsame Stätte […] betete dort, Jesus betet häufig allein, was den Eindruck verstärkt, dass er von seinem Umfeld abgesondert blieb (z.B. Mk 1,12–13; 14,35; vgl. Mt 4,1–11 und in der Einleitung).
40 Und es kam zu ihm ein Aussätziger, der bat ihn, kniete nieder und sprach zu ihm: Willst du, so kannst du mich reinigen. 41 Und es jammerte ihn, und er streckte seine Hand aus, rührte ihn an und sprach zu ihm: Ich will‘s tun; sei rein! 42 Und alsbald wich der Aussatz von ihm, und er wurde rein. 43 Und Jesus bedrohte ihn und trieb ihn alsbald von sich 44 und sprach zu ihm: Sieh zu, dass du niemandem etwas sagst; sondern geh hin und zeige dich dem Priester und opfere für deine Reinigung, was Mose geboten hat, ihnen zum Zeugnis.
45 Er aber ging fort und fing an, viel davon zu reden und die Geschichte bekannt zu machen, sodass Jesus hinfort nicht mehr öffentlich in eine Stadt gehen konnte; sondern er war draußen an einsamen Orten; und sie kamen zu ihm von allen Enden.
Mk 1,21–45 Eine Reihe von Heilungen Krankheit wurde weitgehend mit dämonischer Besessenheit assoziiert (Ps 91; Jos.Bell. 7,185; bKet 61b). Bei Markus dienen Heilungen dem Vollzug der eschatologischen Versprechen von Jes 35,5–6, begründen die Macht Jesu über die Kräfte des Satans und sind ein Nachweis dafür, dass das Reich Gottes nahe ist. Unreine Geister wurden manchmal mit gefallenen Engeln in Verbindung gebracht. (äthHen 15,8–16,1; Jub 7,21; 10,1; 1QM 13,5; 11QPsa19,15). Der moderne Ansatz, zwischen den Heilungen Jesu einerseits und den Wundertaten von Juden seiner Zeit (etwa Chanina ben Dosa) oder nichtjüdischen Wundertätern (etwa Apollonius von Tyana) andererseits zu unterscheiden (vgl. „Jüdische Wundertäter und Zauberei in der Spätzeit des Zweiten Tempels“), ist vielleicht theologisch motiviert. Die Wunder der Evangelien bedienen sich derselben Verfahren, Heilungsformulare (z.B. „den Mund geknebelt bekommen“, „bedrohte ihn“ V. 25) und Erzählstrukturen wie auch die jüdischen und nichtjüdischen Quellen.
Mk 1,40–45 Heilung einer Hautkrankheit (Mt 8,2–4; Lk 5,12–16) Aussatz, der Begriff Lepra verweist heute auf die Hansen-Krankheit, eine schwerwiegende, entstellende und ansteckende Erkrankung. Das hebr. zara‘at (gr. lepros, übers. „schuppig, spröde“) bezeichnet wohl eher Schuppenflechte, einen Hautausschlag oder eine Pilzinfektion (vgl. Lev 13–14), also geringfügige Hautkrankheiten, die als eine Art ritueller Unreinheit galten. 1,41 Rührte ihn an, die Berührung des unreinen Mannes verletzt kein Gebot und die Bibel führt nicht explizit aus, dass die Unreinheit dieser Krankheit ansteckend ist. Rein, vier Mal betont Markus, dass Jesus den Mann rein von seiner Krankheit macht, was andeutet, dass dies das Hauptaugenmerk der Heilung ist. Diese Reinigung hebt die Reinheitsgesetze nicht mehr auf, als es die Reinigung des Naaman in 2Kön 5,10 tat. Jesus gebietet dem Mann, das in der Tora vorgeschriebene Opfer darzubringen. Im Hinblick auf die geistliche Welt unterscheidet Markus zwischen dem „heiligen“ Geist und unreinen Geistern (vgl. Sach 13,1–2; äthHen 10,17–11,2; 38,2; 1QS 4,20–21; 9,3). Das rabbinische Judentum erwähnt eine Reinigung, die nahe dem Tempelaltar stattfindet (mSev 9,1); in apokalyptischen Texten wird teilweise angenommen, dass diese Reinigung auch die errettete Gemeinschaft betrifft, die sich fern vom Tempel aufhält (1QM 13,2–6; 1QS 4,18–23). Bei Markus tilgt Jesus die jüdischen Unterscheidungen von Unreinheit nicht, sondern er besiegt unreine Geister durch die Tätigkeit des Heiligen Geistes. Diese Beseitigung der Unreinheit ist ein Zeichen der Erneuerung der Gemeinschaft am Ende dieses Zeitalters, was besonders in den Exorzismen sichtbar wird.

Markus 2
1 Und nach etlichen Tagen ging er wieder nach Kapernaum; und es wurde bekannt, dass er im Hause war. 2 Und es versammelten sich viele, sodass sie nicht Raum hatten, auch nicht draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. 3 Und es kamen einige, die brachten zu ihm einen Gelähmten, von vieren getragen. 4 Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, gruben es auf und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag. 5 Da nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.
6 Es saßen da aber einige Schriftgelehrte und dachten in ihren Herzen: 7 Wie redet der so? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott allein? 8 Und Jesus erkannte alsbald in seinem Geist, dass sie so bei sich selbst dachten, und sprach zu ihnen: Was denkt ihr solches in euren Herzen? 9 Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin? 10 Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden – sprach er zu dem Gelähmten: 11 Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim! 12 Und er stand auf und nahm sogleich sein Bett und ging hinaus vor aller Augen, sodass sie sich alle entsetzten und Gott priesen und sprachen: Wir haben solches noch nie gesehen.
Mk 2,1–12 Glaube und die Vergebung der Sünde (Mt 9,1–8; Lk 5,17–26) 2,4 Dächer wurden typischerweise aus Holzbalken über den Wänden errichtet, die mit Schilf und Ton bedeckt wurden. Es wäre wohl möglich gewesen, den Ton abzutragen, um eine Person zwischen den Balken herabzulassen, es ist aber schwer vorstellbar, wie dieser Prozess durchgeführt werden konnte, während Menschen darunter versammelt waren. In der Erzählung werden die außergewöhnlichen Maßnahmen zu einem Zeichen des Glaubens, das Jesu Aufmerksamkeit verdient. 2,5 Die Umkehr von den Sünden wird hier nicht erwähnt (dagegen: Mk 1,4.15; 6,12). Glaube, der Glaube an Jesu Heilungskräfte ist das entscheidende Kennzeichen derer, die Jesus nachfolgen (vgl. Anm. zu 1,15). Vergeben, teilweise hat die christliche Tradition in dieser Erzählung einen Gegensatz zwischen einem Judentum mit eingeschränkter Vergebung und einem Christentum gesehen, in dem Vergebung schon erteilt wird, bevor danach gefragt wird. Keine der beiden Auffassungen ist präzise. Im Judentum gibt es verschiedene Verständnisse von Vergebung und dem Prozess, durch den Sünder wieder angenommen werden. Das NT bejaht an anderen Stellen Ausschluss, Meidung, Verfluchung und sogar den Tod von Sündern (Mt 18,17; Apg 5,1–11; 1Kor 5,1–5.9–11; 2Kor 6,14–7,1). 2,6–7 Schriftgelehrte, in einer zum Großteil illiteraten Gesellschaft waren Schriftgelehrte gebildete Personen, die mit der Handhabung von Texten und Aufzeichnungen betraut waren und darüber hinaus die Ausleger des Gesetzes waren. Sie traten sowohl auf lokaler Ebene in den Dörfern Galiläas als auch auf den höchsten Ebenen der Jerusalemer Gesellschaft auf. Wenngleich sie in den Evangelien häufig mit den Pharisäern assoziiert werden, waren sie auch Funktionsträger in anderen Gruppen. Hier und in den nachfolgenden Perikopen erscheinen sie als pedantisch gegenüber ihren Regeln und unfähig, die Bedeutung von Jesu Wirken zu verstehen. 2,7 Er lästert Gott, da Gott selbst es ist, der vergibt, verstehen die Schriftgelehrten die Aussage als Blasphemie; Jesu Anhängerschaft hingegen erhob Anspruch auf die Kraft der Vergebung (vgl. Mt 16,19; 18,18; Joh 20,22–23). Ein älterer jüdischer Text, das Gebet des Nabonid (4Q242), beschreibt einen jüdischen Exorzisten, der dem babylonischen König Nabonid seine Sünde vergibt und ihn heilt. In der Hebräischen Bibel können Menschen zwar bei Gott Fürsprache dafür einlegen, dass er anderen vergebe, aber sie vergeben nie – nicht einmal Mose – unmittelbar (z.B. Num 14,19; Am 7,2). 2,10 Menschensohn, vgl. „Der Menschensohn“.