Kitabı oku: «Der Staat Israel gegen Adolf Eichmann. Das Urteil», sayfa 3
Bezirksgericht Jerusalem | Strafakt 40/61 |
11.4.–18.4.1961: | 1.–8. Gerichtssitzung: Anklageschrift, Verfahrensfragen, Eröffnungsplädoyer der Anklagevertretung |
18.4.–12.6.1961: | 9.–74. Gerichtssitzung: Zeugenvernehmungen |
20.6.–21.7.1961: | 75.–106. Gerichtssitzung: Kreuzverhöre |
24.7.–25.7.1961: | 107.–109. Gerichtssitzung: Verlesung von Vernehmungsprotokollen |
8.8.–14.8.1961: | 110.–114. Gerichtssitzung: Schlussvorträge der Anklage und der Verteidigung |
11.12.–12.12.1961: | 115.–119. Gerichtssitzung: Verkündung des Urteils |
13.12.1961: | 120. Gerichtssitzung: Replik von Anklage und Verteidigung, Schlusswort Eichmanns |
15.12.1961: | 121. Gerichtssitzung: Verkündung des Strafmaßes |
Gericht
Moshe Landau (1912–2011), Vorsitzender
Benjamin Halevi (1910–1996)
Itzchak Raveh (1906–1989)
Anklagevertretung
Gideon Hausner (1915–1990), Generalstaatsanwalt
Gabriel Bach (*1927), Staatsanwalt
Yaakov Bar-Or (1916–2008), Staatsanwalt
Zvi Terlo (1932–2010), Staatsanwalt
Jacob Robinson (1889–1977), juristischer Berater
Verteidigung
Robert Servatius (1894–1983)
Dieter Wechtenbruch (*1931)
Ausgewählte Literatur zu Eichmann und zum Eichmann-Prozess
Adolf Eichmann
Cesarani, David: Adolf Eichmann. Bürokrat und Massenmörder. Biografie. Aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt, Berlin: Propyläen Verlag, 2004.
Götzen. Die Autobiografie von Adolf Eichmann. Hrsg. und kommentiert von Raphael Ben Nescher, Berlin: Metropol Verlag, 2016.
Hull, William L.: Kampf um eine Seele. Gespräche mit Eichmann in der Todeszelle [Aus dem Amerikanischen von Eberhard Gauhe], Wuppertal: Verlag Sonne und Schild, 1964.
Stangneth, Bettina: Eichmann vor Jerusalem. Das unbehelligte Leben eines Massenmörders, Zürich, Hamburg: Arche Verlag, 2011.
Wojak, Irmtrud: Eichmanns Memoiren. Ein kritischer Essay, Frankfurt am Main, New York: Campus Verlag, 2001; Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 2004.
Eichmann-Prozess
Ambos, Kai u.a.: Eichmann in Jerusalem 50 Years After. An Interdisciplinary Approach, Berlin: Duncker & Humblot, 2012.
Arendt, Hannah: Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen. Aus dem Amerikanischen von Brigitte Granzow, München: Piper Verlag, 1964.
Bilsky, Leora: Transformative Justice. Israeli Identity on Trial. With a Foreword by Richard J. Bernstein, Ann Arbor: The University of Michigan Press, 2004.
Brager, Bruce L.: The Trial of Adolf Eichmann. The Holocaust on Trial, San Diego: Lucent Books, 1999.
Cohen, Nathan: Rechtliche Gesichtspunkte zum Eichmann-Prozess, Frankfurt am Main: Europäische Verlagsanstalt, 1963.
Douglas, Lawrence: The Memory of Judgment. Making Law and History in the Trials of the Holocaust, New Haven and London: Yale University Press, 2001.
Der Eichmann-Prozeß in der deutschen öffentlichen Meinung. Eine Dokumentensammlung von Hans Lamm, Frankfurt am Main: Ner-Tamid-Verlag, 1961.
Gouri, Haim: Facing the Glass Booth. The Jerusalem Trial of Adolf Eichmann. Translated by Michael Swirsky. With a Foreword by Alan Mintz, Detroit: Wayne State University Press, 2004.
Große, Christina: Der Eichmann-Prozeß zwischen Recht und Politik, Frankfurt am Main: Verlag Peter Lang, 1995.
Hausner, Gideon: Gerechtigkeit in Jerusalem [Übersetzung aus dem Amerikanischen von Peter de Mendelssohn], München: Kindler Verlag, 1967.
Kaul, Friedrich Karl: Der Fall Eichmann, Berlin: Das Neue Berlin, 1963.
Krause, Peter: Der Eichmann-Prozeß in der deutschen Presse, Frankfurt am Main, New York: Campus Verlag, 2002.
Landsman, Stephan: Crimes of the Holocaust. The Law confronts Hard Cases, Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2005.
Lang, Jochen von: Das Eichmann-Protokoll. Tonbandaufzeichnungen der israelischen Verhöre. Nachwort Avner W. Less, Mitarbeit Claus Sibyll, Berlin: Severin und Siedler Verlag, 1982.
Less, Avner Werner: Lüge! Alles Lüge! Aufzeichnungen des Eichmann-Verhörers. Rekonstruiert von Bettina Stangneth, Zürich, Hamburg: Arche Verlag, 2012.
Lipstadt, Deborah E.: The Eichmann Trial, New York: Schocken, 2011.
Minerbi, Sergio I.: The Eichmann Trial Diary. Translated [from Italian] by Robert L. Miller. [Preface by Gabriel Bach], New York: Enigma Books, 2011.
Mulisch, Harry: Strafsache 40/61. Eine Reportage über den Eichmann-Prozeß. Aus dem Holländischen übersetzt von Johannes Piron, Köln: Verlag DuMont Schauberg, 1963; Neuausgabe: Berlin: Edition Tiamat, 1987.
Nellessen, Bernd: Der Prozeß von Jerusalem. Ein Dokument, Düsseldorf, Wien: Econ Verlag, 1964.
Papadatos, Pierre A.: The Eichmann Trial, London: Stevens, 1964.
Renz, Werner (Hrsg.): Interessen um Eichmann. Israelische Justiz, deutsche Strafverfolgung und alte Kameradschaften, Frankfurt am Main, New York: Campus Verlag, 2012.
Rogat, Yosal: The Eichmann Trial an the Rule of Law, Santa Barbara, Calif.: Center for the Study of Democratic Inst., 1961.
Schmorak, Dov B.: Sieben sagen aus. Zeugen im Eichmann-Prozeß. Mit einer Einleitung von Peter Schier-Gribowsky, Berlin-Grunewald: Arani-Verlag, 1962.
Ders.: Der Prozeß Eichmann. Dargestellt an Hand der in Nürnberg und Jerusalem vorgelegten Dokumente sowie der Gerichtsprotokolle. Wien, Stuttgart, Basel: Hans Deutsch Verlag, 1964.
Shaked, Michal: »The Unknown Eichmann Trial: The Story of the Judge«, in: Holocaust and Genocide Studies, Vol. 29, No. 1, 2015, S. 1–38.
State of Israel/Ministry of Justice, The Trial of Adolf Eichmann. Record of Proceedings in the District Court of Jerusalem, Vol. I–IX, Jerusalem 1992–1995.
Wieviorka, Annette: Le Procès Eichmann, Bruxelles: Editions Complexe, 1989.
Wolfmann, Alfred: Eichmannprozeß. Berichte aus Jerusalem. [Hrsg. vom DGB-Bundesvorstand], Düsseldorf o. J.
Yablonka, Hanna: The State of Israel vs. Adolf Eichmann. Translated from the Hebrew by Ora Cummings with David Herman, New York: Schocken Books, 2004.
BEZIRKSGERICHT JERUSALEM | STRAFAKT 40/61 |
vor den Herren Richtern: | Mosche Landau, VorsitzenderBenjamin HaleviItzchak Raveh |
DER GENERALSTAATSANWALT DES STAATES ISRAEL ANKLÄGER
gegen
ADOLF SOHN DES ADOLF KARL EICHMANN ANGEKLAGTEN
URTEIL
1. Dem vor diesem Gerichtshof stehenden Angeklagten, Adolf Eichmann, werden Verbrechen schwerster Natur zur Last gelegt, Verbrechen gegen das jüdische Volk, Verbrechen gegen die Menschheit und Kriegsverbrechen. Der Zeitabschnitt dieser Verbrechen und ihr historischer Hintergrund ist die Epoche der Hitlerherrschaft in Deutschland und in Europa. Die einzelnen Abschnitte der Anklageschrift enthalten Einzelheiten der Katastrophe, die über das jüdische Volk gekommen war. Es ist ein Kapitel voll von vergossenem Blut und unsäglichsten Leiden, die unvergeßlich dastehen werden in der Geschichte der Menschheit.
Es ist dies nicht das erste Mal, daß die Katastrophe im Zuge des gerichtlichen Verfahrens behandelt wird. Sie wurde vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg eingehend im Verfahren gegen die Hauptkriegsverbrecher behandelt, und auch in einigen der darauffolgenden Prozessen. Im gegenständlichen Verfahren stand sie jedoch im Brennpunkt des Prozesses, und das ist auch der Unterschied zwischen dem gegenständlichen Verfahren und seinen Vorgängern. Von hier aus auch rührt die Tendenz her, den Rahmen zu erweitern, was sich im Verfahren bemerkbar machte. Es war das Bestreben zu fühlen, im Zuge des gegenständlichen Verfahrens eine umfangreiche historische Schilderung der Ereignisse der Katastrophe zu geben, wie auch die heldenhafte Tapferkeit der Ghettokämpfer; derjenigen, die in den Lagern den Aufstand wagten, und der jüdischen Freiheitskämpfer hervorzuheben – ein Bestreben, welches durchaus verständlich ist. Es gab auch viele, die bestrebt waren, im gegenständlichen Verfahren ein Forum zu sehen für die Ergründung tiefgehender und unergründlicher Fragen, teils Fragen, die durch die Katastrophe aufgeworfen wurden, teils Fragen, die seit Urzeiten die Menschen beschäftigten und die durch die bis dahin nie dagewesenen Greueltaten erneut an Bedeutung gewannen und in den Vordergrund rückten: Wieso konnte so etwas bei hellem Tage geschehen? Und warum kam dieses große Unheil gerade vom deutschen Volke her? Hätten die Nazis die Möglichkeit gehabt, derartige Greueltaten zu begehen, wenn sie nicht von den anderen Völkern Hilfe und Unterstützung erhalten hätten? Von Völkern, die Juden in ihrer Mitte zählten? Wäre es möglich gewesen, die Katastrophe auch nur teilweise zu vermeiden, falls die alliierten Mächte besseren Willen an den Tag gelegt hätten, den verfolgten Juden zur Hilfe zu kommen? Hat das jüdische Volk selbst in den freien Ländern alles getan, was möglich war, um seinen verfolgten Brüdern zur Hilfe zu kommen und die Hilfe anderer zu erlangen? Was sind die psychologischen und soziologischen Ursachen für diesen Kollektivhaß, der Antisemitismus genannt wird? Ist es möglich, diese uralte Krankheit zu heilen, und mit welchen Mitteln? Was ist die Lehre, die das jüdische Volk und andere Völker aus all dem zu ziehen haben und die auch jeder Mensch in seinen Beziehungen zu seinen Mitmenschen beherzigen muß? Und noch eine Anzahl weiterer Fragen, die hier in extenso nicht aufgezählt werden können.
2. Der Weg des Gerichtshofes inmitten dieses Fragenkomplexes war und ist eindeutig und klar: der Gerichtshof muß der Versuchung widerstehen, in Gebiete einzugreifen, die ihm nicht zustehen. Ein Gerichtsverfahren hat seinen Weg, der vom Gesetz vorgeschrieben ist, und dieser kann und darf sich nicht ändern, was immer auch der Gegenstand des Verfahrens sein möge. Andernfalls würde sowohl die Justiz, wie auch das Verfahren als solches notleiden. Davor müssen sie wegen der ihnen inne wohnenden gesellschaftlichen und erzieherischen Bedeutung bewahrt werden. Überdies würde sonst das Verfahren einem Schiffe gleichen, welches steuerlos auf den brandenden Wogen des stürmischen Meeres hin- und hergeschleudert wird.
Es ist Sache jedes Strafverfahrens festzustellen, ob die von der Staatsanwaltschaft gegen den Angeklagten erhobenen Anschuldigungen richtig sind, und, falls der Angeklagte schuldig befunden wird, das Strafmaß festzusetzen. Alles, was zu diesem Zweck erforderlich ist, muß im Zuge des Verfahrens behandelt werden. Alles andere ist auszuschließen. Jeder Versuch, diesen Rahmen zu überschreiten, steht dem Gerichtshöfe nicht zu und muß letzten Endes fehlschlagen. Dem Gericht stehen Mittel zur Erforschung oder Beantwortung von Fragen allgemeiner Art, wie z. B. der oben aufgeführten, nicht zur Verfügung. Zum Beispiel wurde uns für die Schilderung des historischen Hintergrundes der Katastrophe mannigfaltiges Material, sowohl an Urkunden, wie auch an Zeugenaussagen beigebracht, Material, welches emsig gesammelt worden war und zweiffellos im aufrichtigen Bestreben, das Bild, nach Maßgabe der Möglichkeiten, in seiner Gesamtheit dazustellen und klarzustellen. Dennoch ist es nur ein Bruchteil der in dieser Angelegenheit vorhandenen Quellen. Gemäß unseres Rechtssystems ist das Gericht seiner Natur nach »tolerant«. Das Gericht bestimmt nicht die ihm vorzulegenden oder einzureichenden Beweismittel, wie das zum Beispiel vor einer Untersuchungskommission der Fall ist, und schon aus diesem Grunde ist die Möglichkeit der Schilderung allgemeiner Ereignisse beschränkt. Was nun Fragen grundsätzlicher Natur anlangt, die außerhalb des Gebietes der Justiz liegen, sind wir weder ermächtigt, noch legitimiert, solche Fragen zu entscheiden, und unsere Meinungsäußerung darüber ist keineswegs ausschlaggebender als die Meinung jedes Menschen, der diesen Fragen Gedanken und Studium widmet.
Hierbei übersehen wir keinesfalls den gewaltigen erzieherischen Wert, der in diesem Verfahren zu finden ist, sowohl für das Volk, welches in Zion ansässig ist, wie auch für denjenigen Teil des Volkes, der sich außerhalb der Staatsgrenzen befindet. Insofern dieses Ergebnis als eine Begleiterscheinung des Prozesses erreicht wurde, ist es zu begrüßen. Das trifft auch auf die Aussagen zu, welche in diesem Verfahren von Personen gemacht wurden, die die Katastrophe überlebten. Diese Menschen eröffneten auf dem Zeugenstande das, was im tiefsten ihrer Herzen verschlossen war und lieferten einen wertvollen Beitrag an Material für den Forscher, den Historiker. Jedoch für die Zwecke des gegenständlichen Verfahrens sind all das nur Begleitergebnisse des Prozesses.
3. Bevor wir in medias res kommen, wollen wir den Rechtsvertretern der Parteien, die in diesem Verfahren im Interesse der Rechtsfindung bemüht waren, unsere hohe Anerkennung aussprechen. Der Generalstaatsanwalt, Herr Hausner, seine Mitarbeiter, die Herren Dr. Robinson, Bar-Or, Bach und Terlo, welche ihm bei der Führung des Prozesses zur Seite standen, trugen eine schwere Verantwortung auf ihren Schultern. Sie beherrschten vollkommen den umfangreichen Rechtsstoff und auch das Tatsachenmaterial, das ihnen von den Polizeibeamten zur Verfügung gestellt wurde, die ihrerseits in rühmenswerter Weise die Vorarbeit geleistet hatten. Der Generalstaatsanwalt hat sich würdevoll aus dem Dilemma gezogen, das wir vorhin angedeutet haben und das er wohl in seiner ganzen Wucht zu fühlen bekam. Abgesehen von einigen geringen Abweichungen vom schmalen Pfad, welchen der Gerichtshof es für seine Pflicht erachtete festzulegen, führte er die Sache der Staatsanwaltschaft in allen Phasen auf höchstem juristischem Niveau. In seiner glänzenden Eröffnungsrede, einer Rede, durchdrungen von markanter Ausdruckskraft und Blickweite, und wieder in seinem Endplädoyer brachte er die tiefsten Gefühle, die im Herzen des ganzen Volkes pochen, zum Ausdruck.
Ebenso gebührt dem Verteidiger, Herrn Dr. Servatius, und seinem Assistenten, Herrn Wechtenbruch, der Ausdruck unserer hohen Anerkennung. Dr. Servatius, auf dem fast die gesamte Last dieses schweren Rechtsstreites ruhte, überdies in einem ihm fremden Milieu, hat immer alles darauf angelegt, zum Kern der Sache zu kommen, ohne belanglose Meinungsverschiedenheiten darüber aufzuwerfen, was ihm für seine Verteidigung nicht notwendig erschien. Dadurch hat er dem Gericht wichtige Hilfe geleistet. Auch einige überflüssige Töne in seinem Endplädoyer, die wir als dissonant empfanden, konnten keinesfalls den guten und ernsten Einduck schmälern, den seine Verteidigung in ihrer Gesamtheit auf uns gemacht hat.
4. Vorerst haben wir unseren Beschluß (Nr. 3 vom 17. 4. 1961 – Sitzung 6) zu begründen, daß wir für das gegenständliche Verfahren zuständig sind. Es ist Pflicht des Gerichtes, ex officio, seine Zuständigkeit zu prüfen, selbst wenn der Angeklagte keinen Einspruch erhebt. Selbst gesetzt den Fall, daß der Angeklagte damit einverstanden wäre, von diesem Gericht gerichtet zu werden, wären wir nicht zuständig, ihn abzuurteilen, es sei denn, daß uns das Gesetz Zuständigkeit hierzu verleiht. – Das Gesetz, das uns Zuständigkeit verleiht, den Angeklagten im vorliegenden Verfahren abzuurteilen, ist das Gesetz zur Bestrafung der Nazis und ihrer Helfer, 1950, (kurz das »Israelische Gesetz«, »das Gesetz« oder »einschlägige Gesetz« genannt).
Paragraph 1 (a) des Gesetzes bestimmt:
Wer eine der nachstehenden strafbaren Handlungen begangen hat:
1) Zur Zeit der Herrschaft des nationalsozialistischen Regimes in einem feindlichen Lande eine Handlung begangen hat, die ein Verbrechen gegen das jüdische Volk darstellt;
2) Zur Zeit der Herrschaft des nationalsozialistischen Regimes in einem feindlichen Land eine Handlung begangen hat, die ein Verbrechen gegen die Menschheit darstellt;
3) Während des zweiten Weltkrieges in einem feindlichen Land eine Handlung begangen hat, die ein Kriegsverbrechen darstellt,
wird mit dem Tode bestraft.
Die obigen drei Verbrechenskategorien – Verbrechen gegen das jüdische Volk, Verbrechen gegen die Menschheit, Kriegsverbrechen – sind im Absatz 1 (b) (infra) definiert.
Paragraph 3 (a) bestimmt, daß:
»Wer zur Zeit der Herrschaft des Nationalsozialismus in Europa in einem feindlichen Land einer feindlichen Organisation angehört hat oder in einer solchen Organisation eine Stellung innehatte oder Aufgaben erfüllte, wird mit Gefängnis bis zu sieben Jahren bestraft.«
»Feindliche Organisation« ist im Paragraph 3 (b) (infra) definiert. Im Paragraph 16 werden die Begriffe »Die Zeit der Herrschaft des nationalsozialistischen Regimes«, »während des zweiten Weltkrieges« und »feindliches Land« definiert.
5. Im Strafberufungsfall 22/52, Honigman % den Generalstaatsanwalt (Piskei Din 7, Seite 296, 303) führt Richter Cheshin aus:
»Das gegenständliche Gesetz verfolgt den Zweck, die Aburteilung von Nazis, deren Mittätern und Helfern wegen der Ermordung des jüdischen Volkes … und wegen Verbrechen gegen die Menschheit im allgemeinen in Israel zu ermöglichen.«
»Diese Gesetzgebung unterscheidet sich grundlegend von allen üblichen Strafgesetzen: das Gesetz ist sowohl retroaktiv wie auch extraterritorial …«
Die Worte »in einem feindlichen Land«, »zur Zeit der Herrschaft des Nationalsozialistischen Regimes« und »während des zweiten Weltkrieges«, welche die Anwendung des Gesetzes sowohl vom zeitlichen, wie auch vom örtlichen Standpunkte festlegen, schreiben in unmißverständlicher Weise vor, daß es sich hierbei um »Auslandsstraftaten« handelt und daß das Gesetz rückwirkend ist. Diese beiden Eigenschaften stechen zwar gegenüber der üblichen Strafgesetzgebung hervor, die im allgemeinen für die Zukunft gilt und nicht — oder wenigstens nicht nur – für die Vergangenheit, und für das Inland und nicht – oder wenigstens nicht nur – für das Ausland. Jedoch diese Eigenschaften haben naturgemäß ihren Ursprung im Zweck des Gesetzes, »Nazis und ihre Helfer« abzuurteilen.
6. Aufgrund der §§ 6–7 des Strafkodexes 1936 (Criminal Code Ordinance) umfaßt die gewöhnliche Gerichtsbarkeit der Gerichte des Staates Israel jede Handlung, die gänzlich oder teilweise, innerhalb des Staatsgebiets oder innerhalb drei Seemeilen von seiner Küste begangen worden ist. Paragraph 3 (b) fügt jedoch hinzu, daß keine Bestimmung des Kodex »die Verpflichtung einer Person beeinträchtigt wegen einer strafbaren Handlung abgeurteilt oder bestraft zu werden«, die aufgrund der Vorschriften »irgendeines Gesetzes, das sich auf die Zuständigkeit Israelischer Gerichte wegen Handlungen bezieht, die außerhalb des gewöhnlichen Zuständigkeitsbereichs dieser Gerichte begangen worden sind«. Eines der Gesetze, die die Zuständigkeit der Israelischen Gerichte wegen bestimmter Kategorien von im Auslande begangenen Strafhandlungen vorschreiben, ist das Gesetz zur Änderung des Strafrechts (strafbare Handlungen im Auslande, 1955). Ein anderes Gesetz dieser Art ist das gegenständliche Gesetz.
7. Die Frage, ob der Israelische Gesetzgeber berechtigt ist, ein retroaktives Strafgesetz einzuführen, wurde im ersten nach der Staatsgründung stattfindenden Strafprozeß vor diesem Bezirksgericht und in der ersten im Staate Israel eingereichten Strafberufung behandelt. Strafberufung 1/48, Sylvester gegen den Generalstaatsanwalt (Pesakim 1, Seite 513, 528). Der Richter Smoira, der erste Präsident des Obersten Gerichtshofs, führte in seinem Urteil, inter alia, aus:
»Und was die Differenzierung zwischen rückwirkenden Gesetzen und ex post facto Gesetzen betrifft, greife ich auf das Urteil des Richters Wills in dem Verfahren Phillips v. Eyre (Q.B. [1871] 1, auf Seite 25) zurück. Es heißt dort folgendermaßen:
»Mr. Justice Blackstone (Comm. 46) describes laws ex-post-facto of this objectionable class as those by which ›after an action indifferent in itself is committed, the legislato then for the first time declares it to have been a crime, and inflicts a punishment upon the person who has committed it. Here it is impossible that the party could foresee that an action, innocent when it was done, would be afterwards converted to guilt by a subsequent law; he had therefore no cause to abstain from it and all punishment for not abstaining must of consequence be cruel and unjust‹… In fine, allowing the general inexpediency of retroactive legislation, it cannot be pronounced naturally or necessarily unjust. There may be occasions and circumstances involving the safety of the State, or even the conduct of individual subjects the justice of which prospective laws, made for ordinary occasions and the usual exigencies of society, for want of prevision fail to meet, and in which the execution of the law as it stood at the time may involve practical public inconvenience and wrong, summum jus summa injuria. Whether the circumstances of the particular case are such as to call for special and exceptional remedy is a question which must in each case involve matter of policy and discretion fit for debate and decision in the parliament which would have had jurisdiction to deal with the subject matter by preliminary legislation, and as to which a Court of ordinary municipal law is not commissioned to inquire or adjudicate.«
»Zu meiner Genugtuung bin ich in der Lage hinzuzufügen«
führt der Präsident weiter aus
»daß, indem ich die rückwirkende Gültigkeit des vorliegenden Gesetzes anerkenne, ich weit davon entfernt bin, ein ›barbarisches Gesetz anzuerkennen, denn gerade infolge der obigen Definition des Richters Blackstone, meine ich, daß man nicht sagen kann, daß die Handlung, die dem Berufungskläger zur Last gelegt wird, zur Zeit der Ausführung an sich eine indifferente Handlung war und daß der Gesetzgeber erst späterhin sie zu seinem Verbrechen erklärt hat‹, wie der Richter Blackstone es zum Ausdruck bringt. Die rückwirkende Gesetzgebung, die hier zur Verhandlung steht, hat kein neues Verbrechen geschaffen, das vorher im besetzten Gebiete Jerusalems nicht bekannt war. Es kann daher nicht behauptet werden, daß der Berufungskläger nicht den sträflichen Vorsatz (mens rea) hegte, indem er nicht wußte – und auch nicht wissen konnte – daß die von ihm begangene Handlung eine strafbare Handlung darstellte. Vielmehr ist vernünftigerweise anzunehmen, daß, wer tatsächlich die ihm zur Last gelegte strafbare Handlung begangen hat, … wußte, daß eine Handlung dieser Art ein Verbrechen ist. – Ich vertrete daher die Auffassung, daß ich mit meiner Schlußfolgerung, daß das Gesetz über die Amtsgeheimnisse (Official Secrets Ordinance) rückwirkende Geltung hat, nicht mit den Grundsätzen der natürlichen oder der elementaren Gerechtigkeit in Kollision gerate.«
Das Urteil des Präsidenten wurde vor der Veröffentlichung des Gesetzes zur Bestrafung der Nazis und ihrer Helfer erteilt, jedoch seine Ausführungen treffen auf den vorliegenden Fall zu. Mehr als über jedes andere Thema kann man über die Verbrechen der Nationalsozialisten gegen die Menschheit im allgemeinen und gegen das jüdische Volk im besonderen sagen, daß »die gewöhnlichen Gesetze, die unter gewöhnlichen Umständen und für den Zweck der üblichen Bedürfnisse der Gesellschaft geschaffen wurden, nicht dazu angetan sind, den Ansprüchen der Gerechtigkeit und der Justiz nachzukommen (ibid, Seite 532). Kein einziges der im Gesetz zur Bestrafung der Nazis und ihrer Helfer aufgeführten Verbrechen war »eine an sich indifferente Handlung zur Zeit der Ausführung, welche erst späterhin vom Gesetzgeber erstmalig zum Verbrechen gestempelt wurde«, im Wortlaut Blackstones. Die hier vorliegende retroaktive Gesetzgebung hat »kein neues Verbrechen geschaffen, das vorher nicht bekannt war«, – weder in Deutschland noch in seinen besetzten Gebieten. All diese Verbrechen waren vielmehr Verbrechen aufgrund der Gesetze aller Kulturvölker, einschließlich des deutschen Volkes vor und nach dem Naziregime. Die verbrecherischen Gesetze und Befehle Hitlers und seines Regimes sind überhaupt keine Gesetze und wurden mit retroaktiver Wirkung durch die deutsche Rechtsprechung selbst aufgehoben (s. infra). Man kann keinesfalls sagen, daß, wer die im vorliegenden Gesetz definierten Verbrechen begangen hat, »keinen sträflichen Vorsatz (mens rea) haben konnte, weil er nicht wußte – und nicht wissen konnte – daß die von ihm begangenen Taten strafrechtliche Handlungen waren« (ibid). Die umfangreiche Tätigkeit, die von den Nationalsozialisten in der Verwischung der Spuren ihrer Verbrechen an den Tag gelegt wurde, sowie die Herausnahme der Leichen der Ermordeten aus den Gräbern und ihre Verbrennung, oder die Vernichtung der Gestapo-Archive vor dem Zusammenbruch des Reichs, beweisen klipp und klar, daß den Nationalsozialisten der strafbare Charakter ihrer Untaten wohl bekannt war. Ein Gesetz, welches infolge seiner rückwirkenden Geltung Aburteilung der Naziverbrecher und ihrer Helfer ermöglicht, steht in keinerlei »Kollision« mit den »Grundsätzen des natürlichen Gesetzes«, wie der Präsident sich ausdrückt. Es verwirklicht, vielmehr, die elementaren Ansprüche der Gerechtigkeit.
8. Der Verteidiger übersieht keinesfalls, daß das auf die dem Angeklagten zur Last gelegten Handlungen anwendbare israelische Gesetz uns die Zuständigkeit verleiht, im gegenständigen Verfahren Recht zu sprechen. Sein Einwand gegen die Zuständigkeit des Gerichts beruht nicht auf diesem Gesetz, sondern auf dem Völkerrecht. Der Verteidiger behauptete:
a) Das israelische Gesetz, das Handlungen unter Strafe stelle, die außerhalb des Hoheitsgebiets des Staates Israel und vor seiner Gründung gegen Personen, die keine Israelischen Staatsangehörigen waren, vor einer Person begangen wurde, die kraft ihres Amtes im Namen eines anderen Staates (Staatsakt) handelte, widerspreche dem Völkerrecht und übertrete den Zuständigkeitsrahmen des Israelischen Gesetzgebers.
b) Die Stellung des Angeklagten vor Gericht in Israel infolge seiner Entführung aus einem anderen Staate widerstrebe dem Völkerrecht und verneine die Zuständigkeit des Gerichts.
9. Bevor wir die meritorische Seite dieser beiden Einwände behandeln, wollen wir ihr Verhältnis zueinander klären. Die beiden Einwände sind von einander unabhängig. Der erste Einwand, der die Zuständigkeit des Gerichts anficht, den Angeklagten wegen der strafbaren Handlungen aufgrund des vorliegenden Gesetzes abzuurteilen, steht nicht im Zusammenhänge mit den Umständen seiner Überführung nach Israel und ist auch nicht davon bedingt.
So lautet der erste Einwand des Verteidigers: Selbst wenn der Angeklagte aus freien Stücken und aus eigenem Antrieb nach Israel gekommen wäre, zum Beispiel als Tourist unter falschem Namen, und hier, nach Feststellung seiner Identität verhaftet worden wäre, hätte das israelische Gericht keine Zuständigkeit, ihn wegen irgendwelcher strafbaren Handlungen aufgrund des vorliegenden Gesetzes abzuurteilen.
Der zweite Einwand lautet dahin: welches auch immer die Zuständigkeit eines Israelischen Gerichts sei, die dem Angeklagten zur Last gelegten strafbaren Handlungen unter gewöhnlichen Umständen abzuurteilen, jedenfalls sei dem Gericht die Zuständigkeit durch die Sonderumstände der Entführung des Angeklagten aus dem Gebiete eines anderen Staates und seiner Gestellung vor Gericht in Israel entzogen. – Wir wollen nun diese beiden Einwände der Reihe nach behandeln.
10. Der erste Einwand des Verteidigers, daß das israelische Gesetz dem Völkerrecht widerspreche und daß es aus diesem Grunde nicht in der Lage ist, diesem Gericht Zuständigkeit zu verleihen, wirft die Vorfrage auf, wieweit das Völkerrecht in Israel zur Anwendung zu bringen ist und ob es im Falle des Konflikts Vorrang über die Staatsgesetze hat. Der in Israel obwaltende Grundsatz der Rechtsprechung gleicht der Rechtsprechung in England. Siehe Oppenheim (Lauterpacht) International Law, 8. Auflage, 1955, Seite 39.
»As regards Great Britain, the following points must be noted: (a) All such rules of customary International Law as are either universally recognised or have at any rate received the assent of this country are per se part of the law of the land. To that extent there is still valid in England the common law doctrine, to which Blackstone gave expression in a striking passage, that the Law of Nations is part of the law of the land.«
andererseits (auf Seite 41)
»(c) English statutory law is absolutely binding upon English courts, even if in conflict with International Law, although in doubtful cases there is a presumption that an Act of Parliament did not intend to overrule International Law. The fact that International Law is part of the law of the land and is binding directly on courts and individuals does not mean that English law recognizes in all circumstances the supremacy of International Law.
(Note 3) It is of importance not to confuse, as many do, the question of the supremacy of International Law and of the direct operation of its rules within the municipal sphere. It is possible to deny the former while fully affirming the latter.«
Siehe auch Croft v. Dunphy (1933) A.C. 156 (p. 164):
»Legislation of the Imperial Parliament, even in contravention of generally acknowledged principles of International Law, is binding upon and must be enforced by the Courts of this country, for in these Courts the legislation of the Imperial Parliament cannot be challenged as ultra vires (Mortensen v. Peters).«