Kitabı oku: «Economists4Future», sayfa 2

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DIESES BUCH IST (K)EIN ECONOMISTS4FUTURE-BUCH

In demokratischen Gesellschaften hat Wissenschaft nicht die Aufgabe vorzuschreiben, in welcher Welt wir zukünftig auf welche Weise zu leben haben. Wissenschaft kann aber Möglichkeiten aufzeigen, begründen und rechtfertigen. Und sie kann die Bedingungen benennen und verbessern helfen, unter denen diese möglichen anderen Zukünfte zu verwirklichen sind. Das ist nun alles leichter gesagt als getan. Denn nicht nur Wirtschaft, auch Wirtschaftswissenschaften sind ein Zusammenspiel von Kulturtechniken. Und die herrschenden Wirtschaftswissenschaften sind selbst Ergebnis jenes historischen Prozesses, der die problematischen Praktiken des Wirtschaftens hervorgebracht hat, die einstweilen vom Inhalt auf die Struktur unseres Denkens gewandert sind. Insofern ist das Etablieren von economists4future keine Aufgabe für ein verlängertes Wochenende: Es braucht neben neuen Studiengängen mit neuen Curricula auch Menschen, die diese studieren wollen, sowie Menschen, die diese Curricula bespielen können. Es braucht dafür eine neue Vielfalt an akademischen Laufbahnen, die mit lebenswerten biografischen Perspektiven verbunden sein müssen, eine neue Nachwuchsförderung, die neben der Forschung auch auf die zweite und dritte Mission der Hochschulen vorbereitet – und diese auch anerkennt. Es braucht eine neue Publikationspraxis, die Vielfalt im Denken ermöglicht. Es braucht neue Kooperationen, Netzwerke und Förderprogramme –und letztlich auch eine neue Berufungspraxis, die mehr kann, als Summen zu bilden. Und damit ist über die inhaltliche Dimension noch nicht viel gesagt.

Die gute Nachricht ist: Economists4future gibt es schon lange. Und auch wenn sie ein Nischendasein fristen oder in andere Disziplinen gedrängt wurden, gibt es viele von ihnen – zu viele, als dass sie hier sämtlich zu Wort kommen oder ihnen sämtlich das Wort geredet werden könnte. Dieses Buch ist daher im deutlichen Wortsinn eine notwendige Anmaßung: Es will die Not noch wenden und maßt sich deshalb an, ein economists4future-Buch zu sein und zugleich kein economists4future-Buch zu sein, weil es lediglich einen kleinen Einblick geben kann. Es ist eine Einladung zum offenen, aber veränderungsmutigen Streiten und Debattieren über eine Wissenschaft, die wie vermutlich keine andere aufgefordert ist, inhaltliche und institutionelle Konsequenzen zu ziehen aus der klimapolitischen Gemengelage der Gegenwart.

Das ist ein gesellschaftlicher Auftrag, der nicht als Auftragsforschung missverstanden werden soll. Economists4future im Sinne dieses Buches geht es nicht darum, die Wissenschaftsfreiheit der Wirtschaftswissenschaften zu beschneiden. Es geht auch nicht darum, zu sagen, was nun wie, von wem, warum und wo getan werden muss. Es geht nicht darum, festzuschreiben, was economists4future zu sein, wie sie sich zu einzelnen Phänomenen zu stellen haben und welche Phänomene das im Einzelnen sind. Es geht um die Kultivierung von Verhältnissen, in denen Wissenschaftsfreiheit überhaupt erst wieder in einem seriösen Sinne möglich wird. Denn wer sich heute in den etablierten Wirtschaftswissenschaften querstellt, sich nicht in den natur- und gesellschaftsvergessenen Kanon fügt, wird oftmals kleingehalten oder gar ausgeschlossen. Freiheit in der Forschung, in der Lehre und im gesellschaftlichen Dialog bedeutet jedoch, dass das auch anders möglich sein muss. Statt um Verzwecklichung von Wissenschaft geht es hier also um ihre Versinnlichung. Die Beitragenden dieses Buches wollen niemandem etwas aufdrängen. Sie möchten stattdessen jene, die Teil der Lösung statt des Problems sein wollen, inspirieren, ermuntern und befähigen, Umstände zu schaffen, in denen mögliche andere Zukünfte von Wirtschaft und Gesellschaft auf ihre Bedingungen hin analysiert werden können.

Das Buch handelt von dieser Neuerfindung der Wirtschaftswissenschaften. Es informiert über die neuen Selbstverständlichkeiten an Hochschulen, die neuen Gewohnheiten im Denken und Handeln sowie jene akademischen Gepflogenheiten, die zu fördern sind, damit economists4future mehr als bislang Fuß fassen und sich dementsprechend zu Wort melden können. Die hier versammelten Autorinnen und Autoren möchten aus unterschiedlichen Blickrichtungen zur Sprache bringen, dass economists4future zwar weder vom Himmel fallen noch an Bäumen wachsen werden, sie aber auch kein Ding der Unmöglichkeit sind. Sie machen Mut. Sie zeigen, welche institutionellen Umgebungen wichtig werden, damit sich Wirtschaftswissenschaftler*innen in der nötigen Tiefe und Sorgfalt mit Fragen zukunftsfähiger Wirtschaft befassen können. Natürlich sind solche Maßstäbe selbst kontingent und verlangen nach Rechtfertigung. Dieses Buch will das leisten. Es entfaltet, ergänzt und substantiiert die von Uwe Schneidewind, Reinhard Pfriem und Kolleg*innen markierten fünf Dimensionen transformativer Wirtschaftswissenschaften:

1.Economists4future reflektieren ihre praktische Wirkungsmacht. #reflexivität

2.Economists4future legen ihre Annahmen offen. #transparenz

3.Economists4future verständigen unterschiedliche Perspektiven. #diversität

4.Economists4future beziehen Betroffene ein. #partizipation

5.Economists4future ermöglichen eine bessere Gesellschaft. #befähigung

Sollte es zutreffen, dass economists4future vom Anliegen getrieben sind, sich den realen Bedingungen und Möglichkeiten gesellschaftlicher Selbstgestaltung zuzuwenden, dann dürfen diese Dimensionen nicht zum Zweck oder gar Sinn von Wissenschaft erklärt werden. Sich auf Werte zu beziehen, nur um sich auf Werte bezogen zu haben, ist ähnlich unbefriedigend wie eine Vielfalt an Theorien zu postulieren, die am Ende Toleranz mit Unmündigkeit verwechselt. Aus dieser Blickrichtung erfordern die angeführten fünf Dimensionen eine inhaltliche Bestimmung, worum es konkret geht, kurz: welche Reflexivität, welche Transparenz, welche Diversität, welche Partizipation und welche Befähigung nun in Anschlag gebracht werden sollen. Das Buch leuchtet die Dimensionen daher in kritischer Absicht jeweils dreifach aus, nämlich im Hinblick auf die drei zentralen Handlungsfelder von Hochschulen:


Lehre
Forschung
Dialog

Mit diesem Vorgehen verbunden ist der Wunsch, an der Demokratisierung von Wissen(schaft) zu arbeiten. Hochschulen werden aus dieser Perspektive als gesellschaftliche Gebilde begriffen. Sie schweben nicht über den Verhältnissen, sondern sind selbst Teil und Triebkraft demokratischer Gesellschaften. Hochschulen tragen dazu bei, dass Gesellschaften sich selbstkritisch statt unreflektiert gestalten. Im Fluchtpunkt des Buches steht die Erwartung, möglichst facettenreich darüber zu informieren, was es bedeuten kann, Wirtschaftswissenschaften als economists4future zu betreiben.

Das Buch richtet sich an Studierende, Forschende, Lehrende an Schulen wie Hochschulen, an Bildungspolitiker*innen sowie an alle anderen Menschen, die sich offen halten für Möglichkeiten des Verstehens und Staunens. Es will dafür werben, im Studium, in der Forschung und im Alltag zwischen »Wissen« und »Gewissheit« zu unterscheiden. Denn nach wie vor sind viele Zukünfte gesellschaftlicher Selbstgestaltung möglich. Der individuelle wie kollektive Souverän entscheidet, was wie wann wo gemacht wird. Doch was warum und inwiefern unter welchen Bedingungen sinnvoll sein könnte, das beantwortet nur eine Wissenschaft, die ihre Mündigkeit nicht gegen Gleichmut getauscht hat.


Prof. Dr. Lars Hochmann ist Wirtschaftswissenschaftler und arbeitet zu sozialökologischem Unternehmer*innentum sowie ökonomischen Natur- und Weltverhältnissen an der Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung.


»Junge Menschen müssen lernen dürfen, welche alternativen Prozesse des Erkennens ihnen offenstehen, wie sie sich für sie entscheiden und wie sie sie aktiv gestalten können. Sie sollten das Erkennen selbst erkennen und gestalten können.«

Silja Graupe


BIODIVERSITÄT DES ERKENNENS

Visionäre Zukunftsgestaltung braucht reflexive Freiheit

Weltweit gehen junge Menschen auf die Straße. Angesichts von Klimakrise, Ungerechtigkeit und Zerstörung der ökologischen Grundlagen allen Lebens fordern sie die Gestaltung einer neuen, einer anderen und hoffentlich auch besseren Zukunft. Wie aber können sie in der Gegenwart ein Verständnis des Vergangenen und des Gegenwärtigen mit einer Imagination des zukünftig Möglichen vereinen? Wie können Menschen allgemein realistisch und utopisch zugleich agieren? Economists4future nehmen die Herausforderung an, sich diesen Fragen im Bereich des Ökonomischen zu stellen – offen und ohne den Zwang einzig richtiger oder feststehender Antworten. Auch ich möchte in diesem Beitrag keine Antworten vorgeben, sondern in grundsätzlicherer Absicht zuallererst neue, nämlich imaginative Spielräume des Möglichen eröffnen.

DIE AUFGABEN EINER NEUEN REFLEXIVEN BILDUNG

Diese Herausforderung ist keine des abstrakten Elfenbeinturms theoretischer Forschung. Sie ist eine der Bildung. Wie lassen sich Wege finden, um Zukunft gemeinsam mit jungen Menschen gestalten zu lernen? Ich bin, ebenso wie etwa das Netzwerk Plurale Ökonomik, der Überzeugung, dass es hierfür einer neuen Methoden- und Theorievielfalt bedarf. Mehr noch: Modelle und Theorien beruhen immer schon auf bestimmten Vorstellungen darüber, wie Menschen im Allgemeinen und speziell Wissenschaftler*innen die Welt sowie die eigene Stellung, die sie in ihr einnehmen, erkennen können. Elinor Ostrom spricht diesbezüglich von der fundamentalen Ebene der Frameworks, auf der Prozesse des Erkennens hochgradig spezifisch, zumeist aber unbewusst dirigiert werden.

Genau auf dieser Ebene bin ich der Auffassung, dass wir gerade in der Ökonomie dringend eine diversere Erkenntnisvielfalt brauchen. Es bedarf neuer Formen des »Erkennens des Erkennens« – und dies nicht nur in einem passiven Singular, sondern im aktiven Plural. Denn wir leben in hochgradig komplexen Zeiten, in vielfältigsten Lebensräumen. Um diese zu gestalten, brauchen wir mehrere Weisen des Erkennens gleichzeitig und zudem die Fähigkeit, uns ebenso frei wie situationsadäquat zwischen ihnen entscheiden zu können. Es bedarf einer bewusst gestaltbaren Biodiversität des Erkennens, statt eines einzigen Erkenntnisparadigmas, das per definitionem stets stillschweigend vorausgesetzt ist. Diese aber wird es ohne gesteigerte Fähigkeiten zur (Selbst-)Reflexion nicht geben können: Junge Menschen müssen lernen dürfen, welche alternativen Prozesse des Erkennens ihnen offenstehen, wie sie sich für sie entscheiden und wie sie sie aktiv gestalten können. Sie sollten das Erkennen selbst erkennen und gestalten können.

DER ZUSTAND EINER TROSTLOSEN ÖKONOMISCHEN BILDUNG

In der weltweiten ökonomischen Standardlehre ist es um eine solche Diversität denkbar schlecht bestellt. Denn hier herrscht – weitgehend unbemerkt – ein Erkenntnisparadigma vor, das sich von der Metapher des Eisbergs – zu sehen in der Abbildung gegenüber – leiten lässt: Wie sich bei einem Eisberg, der auf dem Meer schwimmt, mehr als 80 Prozent seiner Masse unterhalb der Wasseroberfläche befindet, so soll der Verhaltensökonomik nach der allergrößte Teil menschlichen Erkennens unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegen – und damit der Reflexion entzogen bleiben. Statt einer bewussten und aktiv gestaltenden Diversität des Erkennens soll es jenseits rationalen Denkens nur eine erstarrte und in der Dunkelheit des Unbewussten verharrende Ansammlung unzugänglicher kognitiver Strukturen geben.


1 Eisbergmetapher / Verhaltensökonomik

Was damit gemeint ist, beschreibt etwa der Psychologe und Verhaltensökonom Daniel Kahneman im Bestseller Schnelles Denken, langsames Denken: Bewusst soll nur das rationale Erkennen ablaufen, wie es der Homo oeconomicus symbolisiert. Gemeint ist damit ein kühl berechnendes Zweck-Mittel-Denken. Dessen Funktionsweise lässt sich am ehesten mit der eines Computers vergleichen, dessen Regeln nach der Logik der Mathematik, genauer gesagt nach den Gesetzmäßigkeiten des Optimierungskalküls programmiert sind. Eine (Selbst-)Reflexion dieses Programms kann es nicht geben; die rational Erkennenden haben schlicht nicht die Wahl, wenn es darum geht auszuleuchten, nach welchen Regeln sie ihre Entscheidungen treffen.

Kahneman geht wie andere Verhaltensökonom*innen davon aus, dass sich das rationale Erkennen nur mühevoll und langsam vollziehen kann. Zum Lohn wird es dafür vom strahlenden Licht der abstrakten Vernunft beschienen. Kein Wunder also, dass die weltweit herrschende ökonomische Standardlehre gerade diesen Bereich des Erkennens fokussiert. Ganz gleich, was Studierende zu berechnen haben, es gilt in jedem Falle, dass sie rechnen müssen: Als Erkenntnissubjekte haben sie sich auf frappierende Weise ihrem Erkenntnisobjekt – dem Homo oeconomicus – anzugleichen.

Unterhalb der Schwelle bewusst kalkulierender Wahrnehmung liegt der Eisbergmetapher zufolge ausschließlich das dunkle Reich der Irrationalität. Hier, so Kahneman, treffen Menschen ihre Entscheidungen zwar blitzschnell und mühelos, zugleich aber nicht zu ihrem Besten – zumindest sofern kalkulatorische Maßstäbe angelegt werden. George Akerlof und Robert Shiller, ebenfalls Verhaltensökonomen, sprechen gar von »Affen auf den Schultern«, die den Menschen einflüstern, was sie zu tun hätten – stets ohne bemerkt zu werden und zumeist gegen deren wohl kalkulierte Interessen. Diese im Dunkeln liegende Masse unbewusster Weisen des Erkennens soll vornehmlich aus stillschweigend verinnerlichten Gewohnheiten bestehen, gespeist etwa durch das nahezu reflexhafte Verarbeiten von Sprache, das seinerseits quasiautomatisch durch ebenfalls unbewusste Vorlieben, Emotionen und weltanschauliche Überzeugungen getriggert sein soll.

ELITENGESTEUERT STATT BILDUNGSFÄHIG

Da das Unbewusste als prinzipiell der Reflexion unzugänglich gilt, scheint in seinem Bereich keinerlei aufklärerische Bildung möglich. Ein neues Verständnis sprachlich gefasster Konzepte ebenso wie Reaktionen darauf können etwa, so formulieren es Gregory Mankiw und Mark Taylor als Autoren eines der wichtigsten ökonomischen Standardlehrbücher weltweit, lediglich in einer Art »epistemischem Hürdenlauf« antrainiert werden, der von Studierenden freilich unbewusst zu absolvieren ist. Auch etwa das Change Management spricht davon, Denk- und Verhaltensänderungen bei anderen Menschen dadurch zu bewirken, dass der vermeintliche Eisberg des Unbewussten durch unterschwellige Methoden gelenkt und dadurch aufgetaut, verflüssigt und dann bewegt wird, bevor er in den neuen – gewünschten – Strukturen und Mustern wieder eingefroren wird. Wie dies in der ökonomischen Standardlehre funktioniert, habe ich an anderer Stelle gezeigt.

Abseits solcher Bemühungen erscheint gerade der Verhaltensökonomik eine Bildung der allermeisten Menschen schlicht als sinnloses Unterfangen – nicht nur zu langwierig und zu aufwendig, sondern aufgrund der vermeintlichen Herrschaft des Unbewussten auch systematisch unmöglich. Vielmehr imaginiert sie eine Elite, welche die »Affen auf den Schultern« anderer Menschen in Form von Reiz-Reaktionen (die Verhaltensökonomik spricht von »nudges«) unbemerkt in die »richtige« Richtung dressiert – wobei über die »Richtigkeit« auch nur sie selbst entscheiden können soll. Cass Sunstein und Richard Thaler sprechen offen von einem »libertären Paternalismus«, in dem sogenannte »Entscheidungsarchitekt*innen« den Rahmen für das Verhalten der Masse setzen sollen. Woher die Kreativität und die Moral jener Elite kommen sollen, um all die »Affen auf den Schultern« zu dressieren, bleibt dabei geheimnisvoll. In den Standardlehrbüchern jedenfalls findet sich dazu nichts.

EIN GRUNDLEGENDER METAPHERNWECHSEL

Meines Erachtens ist die Standardökonomik hier in eine Sackgasse geraten. Denn ihre erkenntnisleitende Metapher des Eisbergs ist schlicht irreführend. Stattdessen schlage ich vor, menschliches Erkennen und Entscheiden nicht mehr wie einen massiven, erstarrten Block zu beschreiben, der sich kategorisch nur in einen sichtbaren, bewussten und einen unsichtbaren, unbewussten Teil zweiteilen lässt. Menschliche Erkenntnis mag tatsächlich manchmal starr sein, aber ihre grundsätzliche Natur ist dies nicht: Wir Menschen sind dazu in der Lage, unser Erkennen von innen heraus und damit freiwillig immer wieder zu verflüssigen, um es in steten Wechselbeziehungen zu unseren Erfahrungen des konkreten Lebens und seinen Anforderungen aktiv umzugestalten. Richtig ist, dass es uns zumeist vorkommt, als vollzögen sich solche dynamischen und kreativen Prozesse wie unterhalb des rationalen Erkennens. Doch sie sind deswegen nicht unbewusst und damit gänzlich unzugänglich, sondern lediglich anders-bewusst: Sie kennzeichnen vollständig neue Habitate eines vielfältigen Erkenntnisbiotops. Diese Habitate gemeinsam mit jungen Menschen zu erkunden und zu kultivieren, sehe ich als zentrale Aufgabe einer neuen reflexiven ökonomischen »Bildung for Future«.

EINE NEUE GEOLOGIE DES ERKENNENS

Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, schlage ich vor, die verschiedenen Schichten des Erkennens nicht mehr in Ähnlichkeit zu einem Eisberg, sondern zum geologischen Aufbau der Erde zu imaginieren, und so eine Geologie des Erkennens zu entwerfen. Die Abbildung unten zeigt, wie dies erlaubt, sich das Erkennen in seiner Tiefe als fundamental dynamisches Geschehen vorzustellen, das immer flüssiger wird: Ganz oben befindet sich eine äußerst dünne, wie vollkommen versteinerte und erstarrte Erkenntniskruste. Diese sieht sich von einem etwas dickeren, aber ebenfalls noch sehr schmalen, äußerst zähflüssigen oberen Erkenntnismantel getragen. Unterhalb von diesem nun befindet sich nicht einfach Nichts, sondern die mächtige Schicht eines unteren Erkenntnismantels, der tragfähig und zugleich plastisch gestaltbar ist. Nach unten hin grenzt dieser Mantel an einen flüssigen Kern, der aus einem lebendigen Erfahrungsschatz der gegenwärtigen Welt und ihren Möglichkeiten und damit aus allem noch nicht Erkannten, aber potenziell Erkennbaren besteht. Hier versammeln sich alle Chancen wie Risiken der wirklichen Welt und ihrer Möglichkeiten. Diese sind nur einem radikal-imaginären Erkennen zugänglich, das sich seinerseits aus einem inneren Kern reiner Kreativität speist. Dieser Kern lässt sich in keiner Weise vergegenständlichen und kann deswegen nur widersprüchlich als eine »Bestimmtes ohne Bestimmendes« oder als ein »schöpferisches Nichts« charakterisiert werden. Er ist reich an Potenzial, aber leer an bereits Erkanntem und Begriffenem. Cornelius Castoriadis etwa bezeichnet ihn als »Magma« und verweist auf dessen gesellschaftlichgeschichtliche Dynamik als »unerschöpfliche Quelle von Neuem in der Geschichte und nie erlahmende Triebkraft der Selbstveränderung der Gesellschaft«.


2 Geologie des Erkennens

DER PREKÄRE STATUS DER STANDARDÖKONOMIE

Überträgt man das Zwei-Schichten-Paradigma der Eisbergmetapher auf jene der Vier-Schichten-Imagination der Geologie des Erkennens, so wird deutlich, dass ersteres nur auf die äußersten und dünnsten Schichten menschlichen Erkennens abstellt. Darunter hingegen befindet sich Terra incognita: ebenso unerforschte wie unentwickelte, weil verschüttete Habitate des Erkennens. Zugleich wird der grundsätzlich prekäre Status dieser beiden Schichten deutlich: Solange sie wie versteinerte und verkruste Strukturen den gesamten Erkenntniskörper umschließen, kann sich die Dynamik des Magmas in dessen Tiefe nur in Form fundamentaler Erschütterungen oder explosionsartiger Ausbrüche ihren Weg an die Oberfläche bahnen. Denn weder können diese Schichten dem inwendigen Druck standhalten, noch sich durch plastische Verformung anpassen. Die Folge ist ein periodisches plötzliches Zerreißen, bei dem zumindest Teile der Außenschicht mit großer Heftigkeit weggesprengt werden. Dies ist für mich das Sinnbild einer krisengeschüttelten Ökonomie, die über keinerlei seismografisches Instrumentarium zum Umgang mit gesellschaftlichen und ökologischen Dynamiken verfügt, obwohl diese sich direkt unter ihren Füßen abspielen. Eine reflexive ökonomische Bildung anhand der Imagination der Geologie des Erkennens sollte helfen, diesen Zustand abzustellen.

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