Kitabı oku: «Frei - Land - Haltung», sayfa 5

Yazı tipi:

Was denkt ihr, wie lernt man Leute in der Stadt kennen?

Luisa: Genauso wie auf hier auf dem Land. Normalerweise auf der Arbeit, in der Schule. Hier auf dem Land lernst du auch deine Freunde, also die richtigen Freunde, in der Schule kennen. Ich kenne meine Freunde seit dem Kindergarten. Es sind immer die gleichen Leute, und ich hoffe, die bleiben auch. Denn die meisten bleiben auch hier, sie schaffen hier, machen ihre Ausbildung, eine studiert in Weingarten, aber die ist trotzdem immer in der Heimat. Keiner von meinen Freunden will auch wirklich weg ausm Dorf.

Roman: In der Stadt hast du auch eine scheißkleine Wohnung, außer du hast Geld, und ich brauch Platz. Im Dorf kannst du schlussendlich ein Haus bauen, in der Stadt nicht. Du hast da eher eine Wohnung, die recht klein ist, und man hat auch kein Grundstück, keinen Garten. Als ich mit Kollegen in Ulm war, haben wir uns eine Wohnung gemietet. Es hat mich sehr gestört, dass allein schon im Gang alles mit Fahrrädern vollgestellt war, es gestunken hat und alles vollgekritzelt war mit hässlichen Wandgraffitis. Im Dorf hast du so was nirgends in einem Hausgang.

Luisa: Wenn man hier ein Haus ansprüht, dann wird man vom ganzen Dorf ausgegrenzt.

Roman: Der einzige Vorteil an Stadt ist, du hast nachts um 0 Uhr immer irgendwo eine Pizzeria offen.

Luisa: Das ist das Geile an einer Stadt! Das ist im Dorf kacke: Du kannst nicht einfach sagen: „Wir gehen jetzt irgendwohin.“ In der Stadt hat am Wochenende immer ein Club offen. Bei uns weiß ich nicht mal, wo der nächste Club ist. Das ist das Geile an der Stadt. Da kriegst du auch alles zu essen. Bei uns gibt es nur einen Italiener und das Landhaus. Wenn man zum Beispiel mexikanisch essen möchte, dann muss man ewig in die nächste Stadt fahren. Wir fahren meistens mit dem Auto irgendwohin, denn auf dem Land bist du verloren ohne ein Auto. Aber wir haben fürs Land hier auch super Busverbindungen: Die Busse fahren normalerweise alle Dreiviertelstunde. Dennoch hat man hier ohne Auto keine Chance. Das ist auch das Erste, was man sich anschafft, wenn man bisschen Geld verdient hat.

Meint ihr, es ist auf dem Land auch sicherer als in der Stadt?

Luisa: Ich würd schon sagen. Ich würde mich nicht trauen, in der Stadt alleine abends zu laufen. Gerad an den Bahnhöfen sind auch megaviele Asis. Hier auf dem Land herrschen eher andere Gefahren: Da muss man aufpassen, dass man nicht von einer Wildsau überrannt wird. Ich bin letztens vom Hüttle in Weizen nach Hause gelaufen, und da sind mir Wildsauen mit Kleinen entgegengekommen. Das ist viel gefährlicher! Oder wenn man am Grillen ist, hört man an jedem Waldrand überall Tiergeräusche. Die wahre Kriminalität, das ist bei uns weniger. In der Großstadt wird viel mehr geklaut und so was. Bei uns wird im Laden nichts geklaut, da sagt man eher: „Du, ich nimms mit und zahle es morgen.“ Das macht meine Mama beim Metzger zum Beispiel manchmal. Sie hat das Geld vergessen und der Metzger sagt: „Macht nichts, zahlst es beim nächsten Mal!“ Man kennt sich halt.

Roman: Ich bin auch voll oft oben im Lädle und habe meinen Geldbeutel vergessen und bringe das Geld später vorbei. Das ist gar kein Thema, weil dich alle kennen. Da ist das Vertrauen viel größer. Wenn dich jemand mit dem Auto mitnehmen will, steigt man auch eher ein als in der Stadt. Man nimmt auch selbst Leute mit. Wenn man jemanden kennt, dann hält man an und nimmt die Person mit. Ich bin sogar auch mal von Grafenhausen gefahren mit drei Leuten im Kofferraum, vier Stück hinten und zwei vorne.

Luisa: Wenn wir von Festen heimfahren, wird das Auto auch vollgepackt. Als wir von Ühlingen von der Halloween-Party heimgefahren sind, sind wir zu zehnt in dem Auto zurückgefahren. Der Fahrer und noch zwei vorne, hinten dann ich auf Romans Schoß, neben mir noch ’n Kerle mit ’nem Mädle auf dem Schoß, dann noch zwei und im Kofferraum noch paar. Da hatten wir wirklich Angst, dass uns die Polizei anhält. Aber da hat man mehr Vertrauen und kann so was machen.

Roman: Wir waren an einem 18ten Geburtstag auf der Hütte am Feiern, da ist die Polizei so gegen 22 Uhr gekommen. Dann erst mal so: „Achtung Kontrolle!“ Aber wir kannten die Polizisten zum Glück und es war dann doch nur Spaß. Die haben noch ein Bier mit uns getrunken und sind dann gegangen. Das geht auf dem Land halt schon.

Fallen ausländische oder anders aussehende Menschen auf dem Land mehr auf?

Roman: Ja, natürlich. Bei uns sind es eher die Kanaken.

Luisa: Nee, ich kenne auch viele nette Ausländer. Schweizer sind auch Ausländer und von denen gibt es bei uns ja viele. Schweizer werden bei uns eher gehasst, weil sie können sich bei uns nicht so gut benehmen. Es sind auch die Türken, die bei uns auffallen, weil die sich mit jedem anlegen. In der Stadt fallen die nicht auf, weil eine Stadt viel vielfältiger ist. Bei uns gibt es auch Straßen, da wohnen nur Ausländer. In der einen Straße in Wutöschingen, da wohnen zum Beispiel nur Russen, so was ist im Dorf viel auffälliger.

Wie sieht es mit Homosexuellen oder Transgender auf dem Land aus?

Roman: Wir haben einen im Dorf, der schwul ist, und das wissen alle.

Luisa: Ah stimmt, er ist mit einem aus Wutöschingen zusammen. Aber bei uns gibt es brutal viele Lesben. Die sind alle in einer Altersklasse. Mit denen kommt man super klar. Heute kommen schon alle damit klar. Vielleicht die Älteren, also meine Oma und deine Oma, verkraften es nicht, wenn ich sage: „Ich bin lesbisch.“ Bei der alten Generation ist es noch nicht so angekommen. Für die Eltern ist es immer ein Schock, denke ich. Aber wir …, für uns ist das normal. Ob auf dem Land oder in der Stadt, das ist bei allen langsam angekommen.

„IN DER STADT … GIBT ES ZU VIELE MENSCHEN AUF EINEM FLECK, UND DIE LEBEN ALLE AN EINEM VORBEI.“


Aaron (23) – Zimmermann Melanie (17) – Schülerin Paar, das sich im Musikverein kennengelernt hat

Hallo, Aaron und Melanie, ihr seid ein Paar?

Aaron: Ja, wir haben uns im Musikverein kennengelernt.

Und wie genau, wenn ich fragen darf?

Melanie: Also ich war im Musikverein, und dann ist er irgendwann dazugekommen. Da haben wir uns zum ersten Mal gesehen. Und … [lacht] ja, dann haben wir im Musikverein Ausflüge gemacht und so und haben uns dabei ein bisschen kennengelernt. Dann haben wir angefangen zu schreiben, dann haben wir uns getroffen. Und ja. [lacht]

Was glaubt ihr: Wärt ihr irgendwo in der Stadt auch im Verein zusammengekommen?

Aaron: Wenn, dann auch nur in so einem Musikverein. In der Stadt gibts auf jeden Fall auch Vereine, aber nicht so was Örtliches. Ich glaube, in der Stadt wäre ich auch in keinem einzigen Verein.

Immer nur Musikverein? Oder geht ihr auch schon mal zusammen feiern?

Aaron und Melanie: Ja, klar.

Aaron: Ja, nicht im Club, sondern eher bei Dorfpartys.

Melanie: Fastnacht halt.

Aaron: Aber diese Partys sind ja auch besser als im Club.

Wie kommt ihr denn auf die Partys?

Aaron: Da ist halt immer eine Gruppe, und einer muss fahren. Das gibts in der Stadt auch nicht, da fahren alle mit der U-Bahn und Straßenbahn und glühen dann auf dem Weg vor. Bei uns ist das halt anders. Da fahren alle zum Einen und glühen da vor, und dann fahren alle mit dem einen Fahrer. Und der sagt dann auch, wenn Schicht im Schacht ist.

Melanie: Oder man ruft dann halt die Eltern an, und die müssen dann nachts um halb drei aufstehen.

Machen das denn deine Eltern?

Melanie: Ja, meine Mama macht das schon: Also bevor ich irgendwo bei fremden Leuten mitfahre, steht sie auf jeden Fall auf.

Ihr habt ja vorhin erzählt, dass ihr euch im Musikverein kennengelernt habt. Welche Aufgaben übernehmt ihr denn im Verein, und was spielt ihr?

Melanie: Wir sind jetzt gar nicht mehr drin.

Aaron: Wir haben uns gefunden, und dann sind wir raus.

Der Verein als Dating-App?

Melanie: [lacht] Genau. Aber ansonsten waren wir bei Auftritten dabei. Wenn Jahreskonzert ist, da hilft man bei Auf- und Abbau. Wir machen auch bald wieder beim Maihock [geselliges Beisammensitzen] mit.

Aaron: Und beim Bezirksmusikfest. Maihock ist halt so ein Traditionstreff. Da sind Gastmusiker da. Und die Egginger Musiker bedienen beim Essen.

Habt ihr auch mit anderen Musikvereinen aus anderen Dörfern was zu tun gehabt?

Aaron: Ja, früher schon. Ich hatte ganz viele Klassenkollegen im Stühlinger Musikverein. Und dann haben wir noch Brasslufthammers – ein eigener kleiner Guggemusikverein [alemannische Musik bei Fastnachtsumzügen] und für Partymusik. Die sind hier auf allen Dorffesten.

Aber das sind nur die aus Stühlingen?

Aaron: Nee, Stühlinger, Eberfinger, Egginger.

Und weshalb seid ihr nicht dabei?

Aaron: Hatten keine Lust mehr. Zu viele Termine. Wenn du im Musikverein einen hast, für den der Musikverein Ein und Alles ist, dann wird er sauer auf einen, wenn man mal keine Zeit hat, weißt. Und dann regt er sich auf, und das muss ich mir nicht geben.

Melanie: Manche nehmen das halt schon extrem ernst.

Aaron, bei dir ist ja dein Opa auch schon immer im Musikverein gewesen. Wie war das, ist er einer der Gründe, weshalb du dem Verein beigetreten bist?

Aaron: Er ist heute nicht mehr dabei, er ist jetzt in so einem Alte-Leute-Verein. Ich war in der Grundschule, und da war der Marius, der auch im Verein war. Und ich wollte deshalb dann auch rein. Das hat mein Opa mitgekriegt und hat gesagt: „De Kerle kommt in de Verein!“ Dann bin ich in den Verein, weil Opa das auch gewollt hat. Ja, und dann war ich drin, bis ich 16 war. Weil ich dann meine Ausbildung in der Schweiz angefangen habe, hab ich im Musikverein aufgehört.

Wenn ihr später Kinder habt, wo würdet ihr …

Aaron: Auf dem Land. Auf jeden Fall zusammen Kinder. [lacht]

Melanie: Auf jeden Fall ziemlich hier in der Gegend, also in oder bei Eggingen.

Aaron: Weil man hier auf dem Land alles machen kann. Also zum einen ganz grundlegend wegen der Preise. In der Stadt kaufst du dir vielleicht eine kleine Wohnung. Aber hier bekommst du dafür schon ein Einfamilienhaus. Aber ich kann mir auch ein Haus selber bauen, und dann auch ein schönes, großes Haus, und hab dann noch mehr Geld für bisschen Land drum herum, wo man Zeug anbauen kann. Ja, das zum Ersten, und dann noch, dass man hier viel machen kann. Man hat einen Wald nebendran. Man muss nicht einmal im Sommer ins Sommerlager. In der Stadt kann man einfach nicht sooo viel anfangen. Da gibt es zu viele Menschen auf einem Fleck, und die leben alle an einem vorbei. Dann lebst du lieber im Dorf, wo du mal auch einen Alten siehst, der dich aber auch kennt. Und noch was anderes: Zum Beispiel als ich in Berlin war, wars so: Du hattest ein gutes Mountainbike, konntest damit aber niemals zum Schaffen fahren und es anketten. Das wird geklaut. Dagegen hier daheim: Wenn die Nachbarn sehen, da geht bei dir irgendjemand schmierig um die Garage rum, dann sagen sie was. In der Stadt dagegen können 100.000 vorbeilaufen, da sieht keiner was, und es interessiert auch niemanden.

Melanie: Gerade die Nachbarn und so, man kennt sie ja alle persönlich. Und wenn man da ’nen Gefallen haben will, dann bringt man am nächsten Tag einen Kuchen vorbei, und dann ist es gut. In der Stadt geht das nicht so. Gehst halt zum Beispiel mal rüber und fragst, ob die eine Packung Milch haben, das haben wir auch schon gemacht.

Aaron: Ich wohne ja in einem Haus, in dem unten Mieter sind. Die kochen da immer viel, und da steht auch abends mal eine Schüssel Spaghetti vor unserer Tür.

Bei dir, Melanie, wohnen die Eltern und Großeltern auch schon immer hier in Eggingen, oder?

Melanie: Also meine Mam kommt aus Freiburg, aber die war am Wochenende oft hier in der Gegend. Und da hat sie eines Tages meinen Dad kennengelernt. Der kommt vom letzten Kaff. Beide fanden es hier viel schöner als in der Stadt. Sie hat immer erzählt, dass sie zu Hause immer nur eine kleine Wohnung hatten und nur ’nen kleinen Balkon. Deshalb mussten sie immer 20 Minuten in den Park laufen, bis sie mal Sonne tanken konnten. Das fand sie immer richtig schrecklich, deswegen hat sie auch sofort gesagt, dass sie lieber hierherzieht.

Habt ihr schon mal Kommentare zu eurem Dialekt gehört, gerad du Aaron, in Berlin?

Aaron: Also ich hatte eigentlich nie einen richtigen Dialekt. Ich bin dann aber in die Schweiz umgezogen, und da hän sie immer denkt, ich wär Baseler oder ein Badener oder Züricher. Dann hat ich aweng Berner Dialekt angenommen. Irgendwann haben sie es akzeptiert, dass du Schwyzer bist, wussten aber auch, du kommst nicht aus dene ihrem Kanton. Die hän gar nicht mehr gedenkt, dass ich dütsch bi. Und dann bin ich zurückgekommen ins Dütsche und hab de Schwyzer Akzent nimma wegkriegt, und denn hän alle immer gdacht, ich wär ä Schwyzer. Immer wenn ich einkaufen war, hän sie gfragt, ob ich ä Ausfuhrschein brauch. [lacht] Als ich dann auf Berlin gegangen bin, wars extrem kompliziert, da musste ich mir langsam Dialekt abgewöhnen. Danach sind auf einmal so Schwyzer Schüler gekommen und dann hab ich wieder geswitcht in de Schwyzer Dialekt. Ich hab gleichzeitig versucht, hochdeutsch zu schwätzen, aber es war ein Kuddelmuddel.

Hast du nicht berlinerisch geredet?

Aaron: Nee. Icke nisch. [lacht]

Melanie: Also bei mir ist es in der Schule ganz schlimm. Denn da gibts welche, die schwätzen noch mehr wie ich Dialekt. Und die werden von den Lehrern dauernd verbessert. Gerad in Deutsch ist es richtig schlimm. Keine Ahnung, man versteht es dann auch nicht so, das Hochdeutsche. Das sind so viele Fremdwörter für uns.

Was denkt ihr allgemein, was die Menschen vom Leben auf dem Land denken?

Aaron: … dass bei uns tote Hose ist und dass man ewig lange Strecken zurücklegen muss, um zum Kollegen zu kommen oder um ins Kino zu kommen.

Melanie: Ist halt teilweise schon so …

Aaron: … ist halt gar nicht so. In Berlin habe ich außerhalb gelebt, und wenn ich ins Kino gegangen bin mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, dann hab ich mit der U-Bahn 35 Minuten gebraucht. Hier brauche ich 40 Minuten mit dem Auto. Da bin ich gleich schnell und habe noch vier Kollegen mitgenommen. Aber was schade ist, dass es nicht so viele Bars gibt. Wogegen es in Berlin fast an jeder Ecke was gibt, auch wenn’s nur eine Studentenbar ist, wo es zwei, drei gute Cocktails gibt und wo du dann immer ein paar junge Leute siehst. Da gibts bei uns nur das eine, wie heißt es?

Melanie: Live. Ja, dann musste halt nach Wutöchingen fahren.

Gibts hier nicht auch einen Jugendtreff?

Melanie: Ja schon, da war ich aber nicht. Jugendtreff, das ist halt in Lauchringen und da kenne ich jetzt niemanden wie hier in der Umgebung. Und, keine Ahnung, da waren eher so ausländische Leute, die immer unter sich waren. Mein Bruder war da mal und er hat gesagt, er geht da nie wieder hin.

Aaron: Hier gabs früher so einen Bauwagen, den die Älteren ihren jüngeren Geschwistern sozusagen übergeben haben. Der heißt B(l)auwagen. Das haben immer die zwei älteren Klassenstufen geführt, und da hatten Jüngere gar nichts zu suchen. Aber sobald da einer von ihnen rausgegangen ist und einer hatte ein jüngeres Geschwister, dann haben die Jüngeren den Blauwagen übernommen.

Wie sieht es mit der Beziehungsakzeptanz auf dem Dorf aus?

Aaron: Im Gegensatz zu einer Stadt ist es so, wenn man auf dem Dorf eine Beziehung hat und es noch niemandem erzählt hat, dann weiß es das ganze Dorf trotzdem. In der Stadt passiert so was nicht, weil da kennt man nur ein paar Leute, und die anderen interessiert es nicht. Aber auf dem Dorf ist manchen Menschen langweilig, und dann sind sie froh, wenn sie mal was Neues zum Erzählen haben. Aber das ist nicht unbedingt etwas Negatives.


Melanie: Es macht voll schnell die Runde! Es kriegt gleich jeder mit, weil jeder jeden kennt.

Aaron: Im Musikverein zum Beispiel ist es auf jeden Fall so, wenn zwei Musiker was miteinender haben, dann wird direkt wegen Hochzeit gefragt. Aber an sich gibt es im Dorf keine Heiratserwartungen. Melanies Eltern und meine Eltern, die sind keine Altbackenen und sagen nicht: „Ihr müsst jetzt heiraten und schnell Kinder bekommen!“ Man spürt da keinen Druck, außer ich mach ihn mir selber.

WITZIGE SPRÜCHE ZUM LANDLEBEN

Wenn du abends in der Stadt fünf Bier trinkst, bist du Alkoholiker.

Auf dem Dorf bist du der Fahrer.

Erste Fahrstunde in der Stadt:

„Das ist das Gas, das die Bremse und das die Kupplung.“

Erste Fahrstunde auf dem Land: „Du weißt ja sowieso schon,

wie das geht. Fahr uns mal zum Dönerladen, ich hab Hunger.“

Wenn man Dorfmenschen in Panik versetzen will,

einfach außer der Reihe eine Mülltonne auf die Straße stellen.

Dieser Dorfmoment, wenn du zu spät für den Bus bist, der Busfahrer aber weiß,

dass du immer kommst, und einfach mal auf dich wartet.

Wenn du gefragt wirst, wo du herkommst, und du eine 40 km entfernte

Stadt nennen musst, weil keiner dein Dorf kennt.

Du weißt, dass du in einem Dorf lebst, wenn jemand einfach

17 Baumstämme in den Hof kippt und dir beim Wegfahren zuruft:

„Dein Vater weiß Bescheid, den Kasten Bier hol ich mir morgen ab.“

Ich mag diese Lebenseinstellung auf dem Land. Egal, welches Tier

ich niedlich finde, als Antwort kommt immer: „Schmeckt auch lecker.“

Wenn du Wege kennst, die es nicht mal bei Google Maps gibt.

Geh’n Bauern blau aus Kneipen fort, dann nennt man so was Breitensport.

Fährt der Bauer raus zum Jauchen, wird er nachts ein Deo brauchen.

„ES IST JA AUCH NICHT SO, DASS WIR UNS NUR ZUM TRINKEN TREFFEN. DA IST JA IMMER NOCH VIEL MEHR MIT VERBUNDEN.“


Lewe (23) – macht seine Fachhochschulreife in Flensburg – und Christopher „Chrischi“ (21) – studiert Maschinenbau in Flensburg – haben in einem alten Wohnwagen in ihrem schleswigholsteinischen Heimatort ihre eigene Partyhütte

Hallo, ihr zwei, ich will mit euch über eure Partyhütte sprechen. Aber vorher interessiert mich ganz allgemein: Wie sieht es denn aus, wenn ihr feiern geht? Fangt mal mit der Klamottenwahl an.

Lewe: Da werden einfach gute Klamotten angezogen. Die ganzen Oberlandwirte und die richtigen Landkinder tragen meistens Hemd. Weiß nicht, was das für ein Trend ist. Ich bin persönlich eher so der Pullover- oder T-Shirt-Träger. Kommt jetzt auch drauf an, was wir machen. Also wenn wir bei uns unten ganz normal Feuer machen oder so, dann braucht man natürlich nicht ganz so gute Klamotten. Da ziehen wir zum Beispiel nicht unbedingt weiße Schuhe an, weil die ja sonst schietig [norddt.: schmutzig] werden. Aber ansonsten ziehen wir uns schon ordentlich an, wenn wir rausgehen. Und wenn wir irgendwo feiern gehen, muss man noch einen Fahrer regeln. Meistens haben wir vorher schon ’n Fahrer, oder wir gehen spontan feiern und dann wird einfach mal die ganze Telefonkontaktliste angerufen, wenn wir nach Hause wollen. Irgendeiner geht dann meistens ran. Irgendwie kommt man schon nach Hause. Und zur Not dann halt mit ’nem Taxi. Ist zwar ’n bisschen teurer, aber was muss, das muss. Ich bin eher so der spontane Typ, ich entscheide das immer ganz spontan, ob ich in die Stadt fahr, zum Feiern oder ob ich irgendwo hingehe. Und ja, natürlich dann Getränke. Hauptsächlich trinken wir Korn, ich trink auch gerne mal ’n Bacardi Oakheart oder ’n schönen Bombay auf die gute Ernte. So wird sich dann auch mal ordentlich belohnt. [lacht]

Und wie ist das bei dir, Chrischi?

Chrischi: Über Klamotten mach ich mir jetzt nicht so die Gedanken. Eher schnackt [norddt.: redet] man meistens mit den Leuten, mit denen man losgehen will, wo man hingehen möchte, regelt vorher schon, wie man hinkommt auf jeden Fall. Wie man zurückkommt … kann auch sein, dass das dann spontan nachts geregelt wird. Wenn man dann in die Stadt geht oder auf irgendein Fest, dann trifft man sich bei irgendeinem von den Leuten, trinkt da vor. Also kauft sich erst mal Getränke, jeder seinen Schnaps, dann trinkt man zusammen vor, fährt mit dem Fahrer hin, ja und dann wird da, wo wir feiern, weitergefeiert. Und irgendwann rufen wir halt den Fahrer an, wann er uns abholen soll. Wenn wir keinen Fahrer geregelt haben, dann rufen wir so lange Kollegen an, bis uns einer abholen kann. Oder zur Not fahren wir dann halt mit dem Taxi.

Wie häufig geht ihr denn ungefähr feiern?

Lewe: Eigentlich schon jedes Wochenende. In den Ferien kann es schon mal sein, dass wir auch häufiger feiern oder zusammensitzen und trinken. Manchmal sind halt auch ’n paar dann nicht da oder haben keine Lust, dann trifft man sich auch nur mal zu dritt oder so und schaut gemütlich einen Film oder sitzt zusammen und trinkt dabei was.

Chrischi: Also in die Stadt gehen wir jetzt nicht ganz so häufig. Meistens feiern wir hier bei jemandem zu Hause oder im Sommer dann auch auf Zeltfesten und so.

Was bedeutet das Feiemgehen an sich so für euch?

Lewe: Ja, was bedeutet das? Ordentlich einen bechern mit Freunden. [lacht] Einfach in ’ner kleinen Runde zusammensitzen in unserem Wohnwagen und ganz genüsslich mal ’n paar Schnappes trinken. Vor allem das Treffen mit den Freunden steht da im Mittelpunkt.

Chrischi: Ja, bei mir ist es eigentlich genau das Gleiche, also auf jeden Fall steht im Vordergrund, Freunde zu treffen.

Auch vielleicht mal neue Leute kennenlernen?

Chrischi: Ja, das schon auch mal, das zählt auch dazu. Aber wenn man im Wohnwagen sitzt, in der kleinen Runde, da kennen sich halt alle. Hier kennt jeder jeden, da lernt man nicht viele neue Leute kennen. [lacht]

Lewe: Da müsste man schon mal in die Stadt fahren, nach Flensburg. Wobei es auch schon ab und zu im Wohnwagen so war, dass irgendjemand jemand anderen mitgenommen hat, also irgend ’n Kumpel oder ’ne Freundin, die die anderen nicht kannten. Oder wenn wir irgendwelche Feriengäste haben, die in unserem Alter sind, dann fragen wir die auch mal, ob sie an ’nem Abend dazukommen wollen. Aber häufig passiert das auch nicht. Ich sag mal so: Hier auf dem Land kennt man halt jeden Dritten. Gerade auf so größeren Zeltfesten kann man sich dann schon viel unterhalten. Aber in der Stadt lernt man halt einfach auch mal neue Leute kennen. Also hat beides immer so seine Vor- und Nachteile.

Ihr wohnt ja mitten auf dem Dorf. Welche Partymöglichkeiten gibts denn hier in der Nähe, was zum Beispiel an Diskotheken?

Chrischi: Direkt bei uns im Umkreis ist eigentlich gar nichts. Außer ab und zu mal Zeltfeste. Koppelheck [Zeltfest in Niesgrau] zum Beispiel ist so ’n Zeltfest, was bekannt ist.

Wie sieht so ’n Zeltfest aus, wie kann ich mir das vorstellen?

Lewe: Das ist dann zum Beispiel in ’ner großen Maschinenhalle und meistens steht noch ’n Zelt davor. Die Maschinen sind natürlich draußen und dann wird da halt ’ne große Bühne oder ’n DJ-Pult aufgestellt, es gibt ’ne Bar oder auch zwei, alles ist schön dekoriert, meistens mit Tarnnetzen. Und dann wird da halt ordentlich Party gemacht.

Wie viele Leute kommen da dann so?

Lewe: Da sind schon immer so 2.000 bis 2.500 Leute drin. Da kommen irgendwie aus allen Dörfern aus der Gegend die Leute, auch aus Kappeln oder Flensburg teilweise.

Und wenn ihr jetzt in so ’ne Diskothek gehen wollt, wo geht ihr dann hin?

Lewe: Nach Schleswig oder dann natürlich nach Flensburg. Wir fahren dann zum Beispiel ins Ela [Diskothek in Schleswig] oder an die Küste.

Chrischi: Wobei ich sagen muss, dass ich Flensburg bevorzuge. Ist halt näher dran, Ela ist dann schon fast ’ne Weltreise. [alle lachen]

Was gibt es denn sonst so für Möglichkeiten für euch zum Feiern, und wie organisiert ihr das?

Chrischi: Da gucken wir dann, dass wir entweder hier im Wohnwagen was organisieren oder bei jemandem zu Hause. Im Sommer machen wir auch mal ’n Feuer. Wir haben auch ’n Kumpel, der direkt am Strand wohnt. Man fährt auch mal zu dem und macht da am Strand ’n Feuer, sitzt da und trinkt ’n bisschen was.

Lewe: Wir haben unsere WhatsApp-Gruppe „Hollehitter Knabenchor“. Da schreiben wir regelmäßig rein, wenn was ist am Wochenende. Meistens ist es ja dann bei uns im Wohnwagen. Den haben wir damals von ’nem Kumpel geschenkt bekommen, und der ist schon ziemlich groß. Den haben wir ’n bisschen umgebaut. Wir haben die Küche und alles rausgerissen und da halt zwei große Sitzecken hingebaut, Anlage, Notstromaggregat, damit wir auch Strom haben. Der steht unten bei uns auf der Pferdekoppel. Einen Perserteppich haben wir zerschnitten, den guten von Opa, vom Boden. Den hatten wir da noch liegen. Soll ja auch ’n bisschen schick aussehen da drin, ne? [alle lachen]

Chrischi: Wir hatten noch ’ne Zeit lang ’ne Spielekonsole drinne, ’ne Wii, wo man dann auch sitzen konnte, ohne direkt zu feiern, aber sich trotzdem mit Freunden treffen konnte. Aber meistens ist es doch ausgeartet und man hat doch einen getrunken. [lacht] Vor allem am Anfang war das echt geil da drinne. Da waren dann schon legendäre Partys. Ein Kollege von uns, der feiert zum Beispiel das Lied „In the Air tonight“ von Phil Collins, und dann hat er zum Schlagzeugsolo sein T-Shirt zerrissen und das haben wir dann später verbrannt. Das fällt mir jetzt so spontan als Beispiel ein. [alle lachen]

Wer kommt da dann zusammen? Eher nur Leute hier aus dem Dorf oder habt ihr auch Kontakte zu Leuten aus anderen Dörfern, die da dann alle dazukommen?

Lewe: Meistens sind das immer dieselben Leute, aber wir haben ’n Ferienhof hier und dann sind halt auch mal ’n paar Feriengäste dabei.

Chrischi: Man ist ja dann auch froh, wenn man auf dem Land mal die Möglichkeit hat, neue Leute kennenzulernen.

Wer bestimmt denn darüber, welche Leute in den Wohnwagen reinkommen und welche nicht?

Lewe: Chrischi und ich haben als „erste Vorsitzende“ das Sagen. Wenn dann Leute kommen, auf die wir nicht so Bock haben, gucken wir uns das an, und dann fliegen die zur Not halt wieder raus. Ich mein, das Gute ist ja, dass der Wagen bei mir hier aufm Grundstück steht. Deswegen ist das eigentlich auch klar, dass ich und auch meine Brüder oder halt auch Chrischi da das Sagen haben.

Und wie ist das dann: Habt ihr ’n Schlüssel oder kann da jeder zu jeder Zeit rein?

Lewe: Nee, der steht immer offen. Da kann jeder reingehen. Das ist auf jeden Fall ’ne Touri-Attraktion! [alle lachen]

Chrischi: Es ist ja auch so, dass der wirklich uns gehört. Deshalb kann nicht einfach jemand Fremdes rein. Wenn wir da feiern wollen, dann wird das vorher ausgemacht. Deswegen gibts da eigentlich auch eher selten Stress, weil das dann eigentlich immer unsere Leute sind, die wir ja auch schon lange kennen. Deswegen brauchen wir auch keinen Schlüssel. Man könnte den, glaub ich, eh nicht mehr abschließen. [lacht]


Wie ist das mit euren Eltern, wenn ihr zu Hause feiert oder auch hier bei euch auf dem Grundstück mit dem Wohnwagen? Haben die da keine Probleme damit?

Lewe: Nee, wir stehen ja ziemlich weit unten auf der Koppel. Daher kriegen die das nicht wirklich mit.

Gut: Ab und zu haben sich Feriengäste beschwert, aber ganz selten. Dann haben wir die Musik ’n bisschen leiser gemacht, und dann lief das auch wieder.

Chrischi: Meine Mutter hat da auch nicht so das Problem mit, wenn wir bei mir zu Hause mal feiern. Wenn das jetzt jedes Wochenende wäre, dann vielleicht schon, aber so ab und zu ist das schon für sie in Ordnung. Manchmal sitzt sie dann auch mit uns, und das ist eigentlich immer ganz witzig.

Was sind denn so die Vorteile vom Feiern auf dem Land?

Chrischi: Auf jeden Fall, dass es halt keinen interessiert, ob du da laut Musik hörst. Kannst einfach mal ganz spontan so ’ne Party starten. Du kannst hier eigentlich sowieso machen, was du möchtest. Da kommt niemand und möchte dir an die Karre pissen. [lacht] Das ist eigentlich ganz gut so.

Lewe: Das Geile bei solchen Partys hier ist, dass man halt einfach spontan auch mal ’n Feuer machen und da dann sitzen kann. Haben wir auch schon häufiger gemacht, wenn wir im Wohnwagen waren. ’n bisschen Stockbrot essen nebenher. Du hast deine Ruhe, kannst machen, was du willst.

Was sind denn eurer Meinung nach die Vorteile vom Feiern in der Stadt?

Chrischi: Wenn du hier auf dem Land bist und du hast ’n Zeltfest und das ist scheiße da, dann gibts halt nichts anderes. In der Stadt sagst du dann halt: „Ok, geh ich halt in den nächsten Club.“

Lewe: Oder auch im Winter, da sind dann hier natürlich keine Zeltfeste. Dann muss man in die Stadt, wenn man feiern will, weil die Diskos haben ja immer auf.

Wie ist das, wenn dann Leute aus anderen Dörfern zu euch kommen, wie kommen die von A nach B?

Lewe: Fremdes Leid! [alle lachen] Nein, da findet sich eigentlich jedes Wochenende ein Döschi [plattdt.: Dummkopf], der die andern durch die Gegend fährt. Es gibt immer einen, der keine Lust hat, dieses Wochenende zu trinken. Braucht man hier auch. Wir wechseln dann natürlich auch mal durch. Wir haben jetzt keine feste Regelung, aber jeder ist mal dran mit fahren.

Chrischi: Das ist gegenüber der Stadt dann doch auch noch ein Nachteil, weil du halt immer einen brauchst, der nüchtern bleiben muss. Hier fährt halt einfach dann kein Bus oder ’ne S-Bahn.

Das wäre jetzt meine nächste Frage gewesen: Wenn ihr in der Stadt feiern geht, habt ihr von dort noch irgendwie nachts ’ne Busanbindung in euer Dorf?

Chrischi: Zur Not wird der erste Zug morgens nach Sörup genommen, und dann muss man halt schauen, wie man von dort anschließend nach Hause kommt. Das sind noch mal so um die fünf Kilometer. Und hier bei uns im Dorf direkt hält eigentlich nur der Schulbus. Also wir haben hier nicht mal ’n Linienbus, deswegen müssen wir uns über ’nen Nachtbus gar nicht unterhalten. [alle lachen]

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