Kitabı oku: «Fremdsprachenunterricht in Geschichte und Gegenwart», sayfa 9

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3 Hörverstehen im internationalen Diskurs

Ähnlich wie Lados Formel der „auditory comprehension“ (1961) wurde auch „listening comprehension“ der amerikanischen Fremdsprachendidaktikerin Wilga M. Rivers (1966, 196) international rezipiert:

Teaching language as communication has become an accepted aim of the foreign language teacher throughout the world. […] What has been less emphasized, however, is that communication is a process involving at least two people. Speaking does not itself constitute communication unless what is said is comprehended by another person. The greatest difficulty for a traveler in a foreign country is not primarily that he cannot make himself understood; […] his first difficulty, and one that leads to considerable emotional tension and embarrassment, is that he cannot understand what is said to him and around him. […] As a result, there is no communication and the traveler’s speaking skills cannot be exercised to great advantage. […] Teaching the comprehension of spoken speech is therefore of primary importance if the communication aim is to be achieved. A long-neglected area, listening comprehension has its peculiar problems which arise from the fleeting, immaterial nature of spoken utterances. (Rivers1 1966, 196; Fettsetzung durch Meißner)

Deuten Rivers Äußerungen implizit das Vorhandensein eines (Fremd)sprachenerwerbsmodells an, so erläuterte Lado zwei Jahre zuvor für ein anglophones oder Englisch lesendes Publikum (1964) das Folgende. In der deutschen Übersetzung heißt es wiederum drei Jahre später (1967, 55):

Beim Hören verläuft dieser Prozeß teilweise in umgekehrter Reihenfolge […] Auch das Hören der Umgangssprache in einer Zweitsprache ist etwas anderes als die bloße Aneignung theoretischer Kenntnisse über eine Fremdsprache. Bei der aktiven Spracherlernung geht es wesentlich um Sprechen und Hören, und an diesem komplexen Vorgang sind neben linguistischen und psychologischen auch andere Komponenten beteiligt. Um eine Theorie der Zweitsprachenerlernung erstellen zu können, muß zunächst erörtert werden, wie der Sprech- und Hörprozeß abläuft; daraus läßt sich dann folgern, wie er erlernbar ist.

Der Vorgang des Sprechens und Hörens. […] Ausgangspunkt ist eine Motivation, durch die ein Mensch zum Sprechen veranlaßt wird; damit wird die Aufmerksamkeit auf den Sprechinhalt gelenkt. Die Assoziation dieses Inhalts mit sprachlichem Ausdruck führt zur Bildung von Sätzen, die Wörter, Intonation, Phoneme usw. enthalten. In der Umgangssprache vollzieht sich dieser Vorgang mit einer Geschwindigkeit von 500 Lauten in jeder Minute. Um diese Leistung vollbringen zu können, bedarf es einer großen sprachlichen Geläufigkeit und eines guten Gedächtnisses, um die Sätze und Satzfolgen ohne Verletzung sprachlicher Strukturgesetze vollenden zu können.

Beim Hören verläuft dieser Prozeß teilweise in umgekehrter Reihenfolge […] Auch das Hören der Umgangssprache in normaler Sprechgeschwindigkeit erfordert große sprachliche Geläufigkeit, und ebenso muß das Gedächtnisvermögen angemessen ausgebildet sein, um den Inhalt des Gehörten […] aufnehmen zu können.

Auf den folgenden Seiten erläutert Lado breit den HV-Prozess unter Hinweis auf „Gedächtnis, Geläufigkeit, Sprechgeschwindigkeit, Einheiten und Satzbaumuster“ (ebd., 56). Es geht ihm allerdings um mehr als um das HV im engeren Sinn. So widmet er der Lernpsychologie ganze Kapitel und formuliert grundlegende Prinzipien zu: Lerntheorie und Lerngesetzen, Zweitsprachenerlernung mit Ausdruck und Inhalt, Lernen durch Erfahrung, Geläufigkeit, Vorwissen, Erleichterung und Störung, totale und unvollkommene Spracherfahrung, Wollen und Lernen, Motivation, Gedächtnisvermögen und Überwachungsfunktion, Antwortreaktion und Erinnerungszeit und individuellen Unterschieden. Hier legt Lado wichtige Orientierungen für einen zeitgemäßen Fremdsprachenunterricht vor2. Natürlich sind seine Ausführungen bibliographisch breit untermauert. Sie greifen weit in englischsprachige Publikationen verschiedener Bezugswissenschaften hinein. Zum Teil finden sich die Titel in deutschen Publikationen wieder.

Mit einem expliziten Verständnis von HV traten alsbald dessen methodische Anforderungen ins Bewusstsein. Auch Mackey kritisiert eine einseitige Förderung der schriftlichen Fertigkeiten und notiert (1972, 356) (in französischer Übersetzung):

Alors que des méthodes peuvent prescrire une pratique abondante et soutenue en compréhension écrite […] du langage […], peu de cours songent à proposer une pratique comparable en compréhension auditive. Le matériel proposé se limite souvent au même vocabulaire et aux mêmes situations présentées dans la section du cours consacrée à l’expression orale. […] Mais si l’on veut exercer l’élève à comprendre tout ce qu’il entend, il devra éventuellement être amené à écouter plus de langue qu’il n’est capable d’en formuler. La compréhension auditive met en cause la compréhension à la fois de la forme et de la signification des énoncés. On peut l’exercer grâce à (1) des exercices d’écoute, (2) des exercices du type regarder-et-écouter (contexte extérieur) et (3) des exercices du type lire-et-écouter (contexte intérieur).

Mit dem Übungstyp regarder-écouter nennt Mackey avant la lettre eine grundlegende Komponente des HSV.

4 Hörverstehen in der deutschsprachigen Fremdsprachendidaktik: begriffliche Füllung und Verbreitung

Zwischen 1970 und 1976, vor allem zwischen 1972 und 1975, publizieren die bundesrepublikanischen Fachzeitschriften zahlreiche Artikel zum HV (Freudenstein 19701; Beile 1971; Kaufmann 1972; Reisener 1972a, 1972b; Schulz 1972; Bufe/Dethloff 1972; O’Neill 1973; Neuner bzw. Autorenkollektiv 1973; Schaefer 1975; Günter 1973; Brockhaus 1975; Günter et al. 1975; Vogel 1975; Urban 1975; Christ, I. 1976)2. Die dort geäußerten Vorstellungen erscheinen zeitgleich mit Ausführungen zu benachbarten fachdidaktischen Schwerpunkten, deren Autoren z. T. auf Ausführungen zum HV offen oder versteckt Bezug nehmen: der Sprachlaborarbeit (z. B. Freudenstein 1970, 1975) und der audiovisuellen Methode (die ja ein Sammelsurium unterschiedlicher Fragestellungen umfasste); der direkten Methode und der Sprechförderung; den Sprachtests, ihrer Konstruktion und ihrer Objektivität bzw. Reliabilität; den pädagogischen Sprachinventaren; der Operationalisierbarkeit von Lernzielen, dem Kommunikativen Ansatz u. a. m.3. Die in der Didaktik übliche hohe Vernetztheit fachdidaktischer Teilbereiche – bedingt durch einen einheitlichen Handlungskontext und ein einheitliches übergeordnetes Lehrlernziel – unterstützt die Popularisierung von (fachdidaktischen) Fachbegriffen.

Den zentralen Bezugspunkt stellte international wie im deutschsprachigen Raum das Lehrziel Kommunikationsfähigkeit in der Fremdsprache (vgl. Meißner 2000). Zum Verhältnis von Kommunikation und HV betont Reisener (1972a, 200) (ähnlich wie Doyé und zuvor Rivers) „(die) Fähigkeit zur interaktiven Kommunikation in der Fremdsprache kann nur soweit erreicht werden, als auch die Fähigkeit zur rezeptiven Kommunikation vermittelt und erworben ist.“ Zugleich weist er in einer Skizze aus, dass HV genauso viele relevante Anwendungsgelegenheiten zählt wie das Leseverstehen (ebd., 201).

Robert O’Neill weist in der Zielsprache Englisch (1973) auf die Bedeutung der „Listening practice“ für fremdsprachliche Kommunikationsfähigkeit hin. Er unterstreicht, dass jemand, der ausschließlich Oxford-Englisch verstehe, weniger als zwei Prozent der Anglophonen verstehen könne. Die Fähigkeit zur Kommunikation in der polyzentrischen Weltsprache Englisch erfordere selbstredend eine viel breitere HV-Kompetenz: Neben den großen diatopischen und diastratischen Varietäten schlösse diese auch besondere Sprechweisen nativer Sprecher ein (Krankheit, Trunkenheit, Nuscheln usw.)4. In der von dem Jubilar langjährig mitherausgegebenen Zeitschrift französisch heute fordert Johannes Kramer 1979 mit Blick auf den Französischunterricht die Berücksichtigung der großen diatopischen Varietäten, worauf der Verfasser im Sinne der diatstratischen repliziert hat (Meißner 1980, auch 2008a).

Doch wie stand es um das Konzept von HV selbst? Die Jahre um 1975 markieren, wie eingangs angedeutet, in der Geschichte des HV einen erheblichen Fortschritt. Um diesen zu ermessen, ist ein kurzer Blick zurück angetan. Noch bei Leisinger (1966/1971, 141) hatte es 1966 zu ,Hörverständnis‘ und ,Hörschulung‘ geheißen:

Hörschulung. Die angeborene Fähigkeit, Vorgesprochenes nachbilden zu können, bewährt sich im Fremdsprachenunterricht. Sie besteht aus zwei Faktoren: das Gesprochene richtig zu vernehmen und das richtig Aufgefaßte richtig zu bilden.

,Hörverständnis‘ (also nicht HV) meint hier allein die Fähigkeit, phonetische Muster sprechend zu reproduzieren. Die Machart der sprachlichen Vorlagen blieb von einer lautschulenden Absicht dominiert; die sprachlichen Vorlagen waren unauthentisch. An anderer Stelle (ebd., 210) behandelt Leisinger das ,Hörverständnis‘ (ausschließlich) unter der Überschrift „Textverständnis und Texterschließung“. HV an sich ist im Jahre 1966 noch kein wirkliches, angemessen differenziertes Thema.

Immerhin umfasste die audiovisuelle Methode die konsequente Verbindung von Bild, Text und Ton. Die Kombination folgte laut Werbekatalog des Schöningh Verlages für das dreistufige Lehrwerk How do you do (1969) drei Prinzipien „1 Sprache ist Kommunikation […], 2 Sprache ist Reaktion auf Situationen […], 3 Sprache als Struktursystem“. Die Steuerung verlief vom Sehen und dem gleichzeitigen Aufbau einer simplen inhaltsgerichteten situativen Hörerwartung (der Begriff taucht nicht auf), den „phonetic drills“ und der „Aktivierung der eingeübten Patterns“. Spielszenen leiteten die Schüler zur Reproduktion der „Audio-Visual Dialoges“ (sic) an. Ein Flyer vom 1.7.1969 nennt die Folge „Sehen/Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben“. In der Literatur zum Sprachlabor blieben, soweit geprüft werden konnte, die morphosemantische Merkmalsextraktion aus der Lautkette und der Vorgang der auditiven Sinnkonstruktion unerwähnt. Immerhin unterstützte die audiovisuelle Methode die auch für das HV relevante Unterscheidung zwischen graphischen und phonischen Strukturen (wie es für die Identifikation von Sinneinheiten (Morphemgrenzen) innerhalb einer Lautkette notwendig ist). In Kowalewska et al. (o. J., Livre du professeur, 6) liest man:


vous me le redirez dans le train

Auch hier zeigt sich so etwas wie ein Konzept von HV in statu nascendi. – In Vous avez la parole entfaltet der Schüler folgende Aktivitäten:

1° il écoute en suivant les images ; 2° il écoute en suivant le texte écrit ; 3° a) il ne répète pas mais se met en condition ; b) il répète en suivant la transcription phonétique ; 4°il répète, soit de mémoire, soit en se reportant aux images, soit en s’aidant de la transcription phonétique, ou du texte écrit. Cela au gré du professeur et selon les aptitudes de l’élève. 5° a) il retrouve l’image, b) il reconstitue le texte en s’appuyant sur l’image, c) il écoute la correction, d) il se corrige ou bien répète la phrase qu’il vient d’entendre. (Kowalewska, o. J., Livre du professeur, 6; Reinfried 1997)

Die Rolle der Lehrperson besteht derweil u. a. in folgenden Schritten: schülerseitige Reaktionen überwachen: Inhaltsverstehen überprüfen, und zwar entweder in der Mutter- oder der Zielsprache (sic); Bedienen des Tonträgers, um die Aussprache des Schülers zu überprüfen/durch Wiederholung verbessern; morphologische Kontraste markieren und erklären (l’enfant, les enfants); die „modulation de la phrase“ kontrollieren (Rhythmus und Intonation); Überwachen und Korrigieren der schülerseitigen Reproduktion. Die deutsche Rezeption zum Sprachlabor schloss eng an französisch- und englischsprachige Publikationen an.

Wie die Beispiele zeigen, trainiert die audiovisuelle Methode – konsequent verwendet – durch das intensive sehgestützte Hören allenfalls implizit das auf die sprachliche Oberfläche bezogene HV (vgl. Quetz 1979), auch wenn ihr Schwerpunkt bei der Aussprache- und Sprechschulung liegt und die einzelnen Lehrlernschritte nicht mit der HV-Methodik konform sind.

Dass die Methode gegenüber dem traditionell ,tonlosen’ Fremdsprachenunterricht einen Fortschritt darstellte, ist augenfällig. Dies gilt umso mehr, desto näher die Hörvorlagen den Ansprüchen der HV-Methodik Genüge tun konnten. Allerdings war dem Sprachlabor in schulischen Lernkontexten kein Erfolg beschieden5.

Doch zurück zum HV. Reisener führt 1972 beide Seiten des HVs, die die Sprachform und die Bedeutungen umfassen, zusammen. Er erklärt sehr explizit:

Hören […] als das registrierende, diskriminierende, kontrastierende und selektierende Wahrnehmen von Schallgebilden im phonemischen, rhythmischen und intonatorischen Bereich der Sprache. Hören ist auch das Wiedererkennen gleicher Laute und Lautgruppen, auch in Verschleifungen und Reduktionsformen. Hören ist Selektion zwischen signifikanten und redundanten Lautgruppen. (1972b: 656)

Bedeutungsseitig findet er:

Verstehen […] als die Übertragung physikalisch wahrgenommener Schallgebilde in geistig vorstellbare Bedeutungsinhalte. Verstehen ist die Speicherung der auditiv wahrgenommenen Signaleinheiten. Verstehen ist das automatisch-spontane Reagieren, nämlich die Situations- und Intentionserfassung. Verstehen ist die kombinatorische Texterfassung als intraverbale und situative Unterscheidung struktureller – meist lautlich reduzierter – Elemente von den semantischen. Verstehen ist die Ermittlung der Bedeutung unbekannter (oder ungenau wahrgenommener) Elemente der Äußerung aus der Kontexterfassung und der Kontextbeurteilung. (ebd.)

Eckbegriffe von HV sind nach Reisener: „Agglutination“, „Phonemik“, „Redundanz“, „Rhythmus“, „Reduktion“, „Geschwindigkeit“ (Sprechtempo), „Tonhöhe“, „Intonation“. Im Vergleich zum aktuellen elaborierten mainstream-Verständnis von HV fehlen Merkmale der mentalen Verarbeitung, etwa die wichtige Trennung von aszendierenden (bottom up, von der sprachlichen Zeichenoberfläche zu den Inhalten) und deszendierenden (top down, Plausibilitätsproben von den möglichen Inhalten und einer Analyse der Sprechsituation zur der sprachlichen Zeichenoberfläche) Operationen. Möglich ist hier natürlich auch das völlige Ausblenden der sprachlichen Oberfläche mit dem Kurzschließen von Situationsanalyse und erratener Botschaft. In diesen Fällen ist der Spracherwerb qua HV reduziert.

Neben Carol van Parreren (1969) greift auch Ludger Schiffler in Deutschland auf empirische Arbeiten zurück. Schiffler bemerkt aufgrund eigener Untersuchungen mit Schülern der Sekundarstufe und der Erfahrungen Passys, dass „schon eine Erhöhung der Sprechgeschwindigkeit um 20-30 Wörter in der Minute genügt, um die Fremdsprache für den Schüler unverständlich werden zu lassen“ (1973, 26; 1969, 421). Es ist vom „abstrakten Hören“ die Rede (ebd. 1969, 421), dem HV ohne visuelle Unterstützung (Telephonat, Radio usw.). Schiffler wendet sich (ohne diesen zu nennen) gegen den sog. Situational Approach (Hornbys 1950; s. Howatt/Smith 2014, 87): die lehrseitige Semantisierung durch Gestik und Handlungen bei der Einführung von Vokabular.

Im Jahr 1972 ist die Aufmerksamkeit für das HSV bereits angelegt: „extralinguistische(n) Elemente, die das Verstehen erleichtern“ – liest man in dem schon erwähnten Aufsatz von Kaufmann (1972, 190). Kaufmann übernimmt das HV-Modell Carol van Parrerens, welches dieser im Zusammenhang mit dem „Mitlesen“ (von Laut- und Schriftbild im Anfangsunterricht) vorgestellt hatte (1969, 363):

1. Der Strom von akustischen Einheiten soll gedeutet (kategorisiert, ‚kodiert‘) werden als eine Sequenz von Phonemen bzw. Phonemkomplexen.

2. Die Sequenz von Phonemen muss zu einer Aufeinanderfolge von Morphemen werden […].

3. Die Aufeinanderfolge von Morphemen soll in der Weise strukturiert, organisiert werden, dass sich sinnvolle, gegliederte Sätze ergeben und die Intention des Sprechers klar wird.

Van Parreren nennt sehr konkret die Schwierigkeiten, welche sich beim HV in fremden Sprachen ergeben, und warnt: „Der Unterricht ohne Hilfe der Schrift ist zwar intensiv, jedoch für den Schüler (und auch den Lehrer) sehr ermüdend“ (ebd., 360). Zuvor hatte Rivers notiert: „Teachers using the purely oral approach expect a degree of accuracy in auditory perception which students do not even possess in their native language.” (Rivers 1964, 109) HSV würde hier also meinen: Visuelle Unterstützung des code écrit oral bezogenen HV durch gleichzeitige Verarbeitung des code écrit graphique. Dies ist eine äußerste Engführung des heute üblichen Begriffs. Die HV-Vorlage ist rein pädagogisch komponiert und alles andere als ‚natürlich-zielkulturell-sprechsituativ’.

Besondere Schwierigkeiten ergäben sich, so Kaufmann, aus der Begrenztheit des Zeitfensters, innerhalb dessen sich der HV-Vorgang vollzieht; aus dem écart zwischen der gewohnten Aussprache der Lehrperson und nativen Sprechern sowie dem unterschiedlichen Sprechtempo.

Schaefer (1975, 265) nennt unter Rückgriff auf Beile (1971) vier Hörformen: „(a) directed listening for detail, (b) directed listening for gist, (c) undirected listening for detail und (d) undirected listening for gist.“ Damit ist auch die Unterscheidung zwischen Grob- oder Globalverstehen und Detailverstehen angelegt. Zu gist wird verdeutlicht: „[…] in understanding the gist, or broad outline of a passage – by listening out for familiar words and patterns“ (Beile 1971, 204). Es begegne das auf die Lautkette und das auf Inhaltliches „gerichtete Hören“ (Aufgabentyp: Du fährst nach Portugal, was sagt der spanische Wetterbericht?).

1975 stellen Günther und Vogel jeweils eine Liste für „Fehlerquellen“ (Vogel 1975, 205 f.) beim HV zusammen: „Störungen des Kanals“ (Geräusche, situative, psychische Faktoren), „Interferenzen durch die Muttersprache“ und das Schriftbild, „Unfähigkeit‚ ‘Superzeichen’ zu bilden“ (unterentwickeltes „Globalverständnis“), „Unfähigkeit, relevante Zeichen einer Nachricht zu selektieren, d. h. Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen“, „[…] Assoziationen zu aktivieren bei der Erschließung unbekannten Wortmaterials und sprachliche Phänomene analogisch zu interpretieren“, „[…] längere Sprachäußerungen in der Fremdsprache zu behalten“, „[…] dem originalen Sprechtempo […] zu folgen“, „[…] sprachliche Einheiten zu diskriminieren und zu identifizieren“, „[…] die der Fremdsprache inhärente Redundanz […] auszunutzen“, „mangelnde Rate- und Kombinationsfähigkeit bei der Rekonstruktion fremdsprachiger Äußerungen“ sowie „mangelnde Sprachkenntnisse“. Sodann stellt Vogel eine Lernzieltaxonomie zum HV auf. Den „Fernzielen“ „1. Befähigung zur Kommunikation mit französischen Sprechern, 2. Förderung der Fähigkeit der Informationsaufnahme und -verarbeitung“ gesellt er „3. Bereitschaft zur Kommunikation und Entschlüsselung unbekannter französischer Texte, 4. Anregung zur Reflexion über Sprache als Kommunikationsmittel und 5. Verstehen von Eigentümlichkeiten der französischen Sprache“ hinzu. Vogels damalige Ausführungen sind in bemerkenswerter Nähe zum heutigen Kompetenzbegriff und seinen Ressourcen aus den interagierenden Feldern von Wissen, Können und Volitionalität. Dies zeigen auch die sog. Fernlernziele zur Aktivierung von lingualen Ressourcen: „phonetisch-phonologische Elemente diskriminieren können, semantisch-lexikalische Einheiten […] in der „chaîne parlée“ voneinander abgrenzen und erkennen […], morpho-syntaktische Relationen (Redundanzen) wahrnehmen können, den Text global und im Detail hörend verstehen; von Ressourcen zum Bereich Bereitschaft/Volitionalität: das „Behalten längerer Satzeinheiten“, „die Bedeutung unbekannter Wörter erschließen“, „Texte global und im Detail verstehen“ wollen sowie „motiviert werden“, „Freude am Kombinieren, Raten und Konstruieren sprachlicher Einheiten“; „Freude am Raten, am zunehmenden Verstehen der Texte, durch Information“. Auch die der Nachhaltigkeit untergeordnete ‘Sprachaufmerksamkeit’ kommt zu ihrem Recht: „Erweiterung des Wortschatzes, Habitualisierung grammatischer Strukturen, Lernen multipler Diskriminationen […], Begriffslernen, […], Problemlösen, u. a. m.

In den Lehrplänen der DDR begegnet die Formel verstehendes Hören schon 1966 als

Verstehen der für den Unterrichtsgebrauch festgelegten Aufforderungen, Fragen und Wendungen. Erfassen einfacher Äußerungen, die vom Lehrer, von Mitschülern und von Personen mit Französisch als Muttersprache (Tonbandaufzeichnungen) vorgetragen werden, im Rahmen des bekannten und rezipierbaren Sprachmaterials (Frage, Antwort, kurzes Gespräch und kurze Darstellung eines Handungsablaufs). (Ministerrat 1.9.1966; in Zapp/Schröder 1883, 313)

Spätestens 1973 ist – so für Gerhart Neuner und ein Autorenkollektiv – das verstehende Hören eine eigenständige Fertigkeit. Inzwischen wurde die einschlägige Literatur international und ‚innerdeutsch’ rezipiert.

(Im Russischunterricht) wurden zwischen den einzelnen Zielfertigkeiten und -fähigkeiten Hören, Sprechen, (stilles) Lesen und Schreiben Abstufungen vorgenommen, die vor allem darauf beruhen,

- […]

- daß im Kommunikationsprozeß das Hören und Sprechen die vergleichsweise schwierigsten und in ihrer Entwicklung zeitaufwendigsten Sprachtätigkeiten sind. (Autorenkollektiv 1973; in Zapp/Schröder 1983, 277)

Günther unterstreicht (1975, 268 f.) die Parallelität unterschiedlicher „Teilprozesse“ beim HV. Günther et al. (1975) nennen: das „lautrichtige“ Hören; „Lautkomplexe, die eine Aussage bilden“ identifizieren; die Verfasser trennen „Wortlautverstehen“ und „Wortsinnverständnis“, zwischen denen eine Wechselwirkung festgestellt wird; des Weiteren findet Günther eine „Filterfunktion des Kontextes“ – allerdings ohne klare Unterscheidung zwischen Kotext und Kontext; gemeint ist auch die Identifikation von Satzbaumustern. Von einer notwendigen semantischen Disambiguierung ist – freilich mit anderen Worten – die Rede: Es geht um „Beziehungserfassen“, nicht zuletzt von Satzbauteilen. Hier wird implizit deutlich, dass HV-Aufgaben auch zur Förderung syntaktischer Schemata genutzt werden können. Schließlich zählt das Autorenkollektiv eine Vielzahl von praktischen Leitsätzen „für die Entwicklung des verstehenden Hörens“ (ebd., 269 ff.) und die Konstruktion von Übungen auf. Die Überprüfung des HVs erfolgt nach der Vorgabe des Lehrplans (vgl. Dornhof 1994).

Dass es trotz der konzeptionellen Anreicherung der didaktischen Theorie des HVs um dieses im Unterricht vor 1980 (und darüberhinaus?) nicht zufriedenstellend bestellt war, belegen Peter Bayers Beobachtungen (1981). Vom HV heißt es: „weiße(r) Fleck auf dem Feld der deutschen Forschung“ (Urban 1975, 195), „Aschenputtel der sprachlichen Fertigkeiten“ (Raasch 1976, 37).

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