Kitabı oku: «Fremdsprachenunterricht in Geschichte und Gegenwart», sayfa 7

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Grundthemen der Lexisvermittlung im Englischunterricht: Historische Dimensionen, aktuelle Perspektiven
Laurenz Volkmann
1 Grammatik und/oder Lexis?

Viele Kernfragen des Fremdsprachenunterrichts kreisen im Wesentlichen, auch wenn dies bisweilen als sprichwörtlicher ‚Elefant im Raum‘ nicht thematisiert wird, um die Rolle der Grammatikvermittlung. Hat sie (eher traditionell) deduktiv oder (erwerbs- und handlungsorientiert) induktiv zu geschehen? Sollten Grammatikregeln explizit vermittelt werden und an welcher Stelle der Einführung neuer Items soll dies geschehen? Oder sind Grammatikkenntnisse im kommunikativen, handlungsorientierten Unterricht zu vernachlässigen, lediglich als ‚dienend‘ zu betrachten? Sind sie in einem Phasenmodell der Vermittlung (fakultativ) einzuordnen? Es ist aufschlussreich, dass es auf dem Gebiet der Grammatikvermittlung weiterhin eine hohe Zahl an kontroversen Grundproblemen gibt, zu denen die Vertreter und Vertreterinnen der jeweiligen didaktischen Schulen oder Ausrichtungen jeweils entsprechende Ansichten äußern (vgl. die Monografie von Keßler und Plesser 2011).

Zum Thema der Lexisvermittlung hat sich hingegen spätestens seit der Kommunikativen Wende der 1970er Jahre ein weit verbreiteter Konsens ergeben. Gerne wird ein Satz von Michael Lewis zitiert, der eine deutliche Priorisierung ausdrückt: „Language consists of grammaticalised lexis, not lexicalised grammar“ (Lewis 1993, vi). Ähnlich formulierte ein deutscher Fremdsprachendidaktiker:

Man kann sich in einer fremden Sprache auch dann verständigen, wenn man ihre Grammatik nur rudimentär beherrscht. Fehlen einem aber die Wörter, ist Kommunikation unmöglich. Wortschatzarbeit ist also eine der zentralen Aufgaben im Englischunterricht. (Quetz 1998, 272)

In Anlehnung an die vielstimmig vorgetragene Betonung der Notwendigkeit lexikalischer Kompetenzen und deren Vermittlung im Fremdsprachenunterricht unternimmt dieser Beitrag eine historische Fokussierung. Zunächst werden anhand von ausgesuchten, illustrativen historischen Beispielen bis ins Mittelalter zurückreichende, geschichtlich bestimmte Praxen der Lexisvermittlung bis zu dem ‚Paradigmenwechsel‘ der Kommunikativen Wende um 1970 beschrieben und konzeptuell verortet. Anschließend soll der von der Kommunikativen Wende nicht unbeeinflusste Versuch dargelegt werden, die Lexisvermittlung im Sinne eines lexical turn in den 1980er und 1990er Jahren in den Mittelpunkt didaktischer Erörterungen und Vermittlungsdiskurse zu schieben und zu etablieren. Dass dies nicht uneingeschränkt gelang, soll im letzten Teil des Beitrags ausgeführt werden. Es wird kurz erklärt, welche Gründe verantwortlich sind für eine gewisse Aufwertung der systematischen Vermittlung von Lexis bei gleichzeitig anhaltender tendenzieller Überlagerung des Themas durch andere Schwerpunktthemen des Fremdsprachenunterrichts. Dabei sollen wesentliche, historisch gewachsene Grundfragen der Lexisvermittlung beschrieben werden.

2 Mönchische Sprachexerzitien oder kaufmännische Lexisbeherrschung?

Wer sich Praktiken der Fremdsprachenvermittlung aus der historischen Perspektive annähert, stößt zunächst häufig auf die Vorstellung eines Jahrhunderte währenden uneingeschränkten Primats der Grammatik-Übersetzungsmethode. Deren Usancen werden entsprechend in gängigen Handbüchern und einschlägigen Einträgen in (Online-) Enzyklopädien ausgeführt. Dort, wie beispielsweise im Wikipedia-Eintrag zu dieser Sprachlernmethode, wird das Primat der Förderung analytisch-kognitiver Fähigkeiten bei der Übersetzung schriftlicher Texte sowie der Vermittlung umfassender lexikalischer Kenntnisse und grammatikalischer Systeme beschrieben (Wikipedia, Art. „Grammatik-Übersetzungsmethode“). Evoziert wird das Bild mönchischer Sprachexerzitien beim Übersetzen von Bibelpassagen in eine Fremdsprache sowie beim Auswendiglernen grammatikalischer Regeln – beispielhaft mit Hilfe der berühmten Ars Grammatica, die bereits im vierten Jahrhundert unserer Zeitrechnung verfasst wurde. Bekanntlich bestimmte der Lateinunterricht bis ins 19. Jahrhundert und prägte bis ins 20. Jahrhundert hinein den Fremdsprachenunterricht in Europa und den europäisch beeinflussten Erdteilen. In Deutschland erfuhr die mit ihm verbundene Grammatik-Übersetzungsmethode erstmals entscheidend durch die neusprachliche Reformbewegung unter Wilhelm Viëtor gegen Ende des 19. Jahrhunderts ihre Infragestellung. Dennoch vollzog sich ein Paradigmenwechsel hin zum Lehren und Lernen der modernen Fremdsprachen als lebendige, in lebensweltlichen Kommunikationssituationen einzusetzende linguistische ‚Werkzeuge‘ im Grunde erst im Zuge der Kommunikativen Wende um 1970.

Die einseitige Perspektive auf die klösterliche bzw. von Jesuiten getragene Instruktion in der lingua franca des Mittelalters, verbunden mit Negativbildern des ,Einpaukens‘ von Grammatikregeln und stupidem Auswendiglernen von Vokabellisten, ist allerdings durch die weitere Perspektive auf eine parallel verlaufende Tradition der Fremdsprachenvermittlung zu ergänzen. Denn diese erfolgte nicht nur mittels beispielhafter Bibelpassagen, die in die jeweilige Muttersprache oder Zielfremdsprache übersetzt bzw. zurück übersetzt wurden und mit Hilfe derer induktiv oder deduktiv vor allem grammatikalische Regelhaftigkeiten gelehrt werden sollten. Vielmehr entwickelte sich in historisch unterschiedlich verlaufenden Schüben eine praxisorientierte, auf mündliche Kommunikationsfähigkeit setzende Tradition, welche auf Beherrschung von Lexis setzte. Diese ist vor allem auf dem Gebiet der durch das Mittelalter hindurch ansteigenden internationalen Handelsbeziehungen zu finden. Kaufleute, Fernhändler und im Seehandel tätige Unternehmer eigneten sich auf unterschiedlichste, oftmals autodidaktische Weisen vor allem mündliche Skills an, die sich vor allem auf aktive Sprachhandlung und dem jeweils eigenen Metier affine Lexikbereiche erstreckten. Vom Privattutorium durch Muttersprachler, die als reisende Lehrkräfte ihre Dienste anboten (‚Sprachmeister‘), bis zum geschäftsbezogenen Auslandsaufenthalt in der Kindheit oder Jugend zum Erlernen des metierbezogenen Sprachgebrauchs beim Handelspartner (‚Kavalierstouren‘) erstreckte sich die Bandbreite der Vermittlungskontexte, die von der Quellenlage her nur akzidentiell und schwierig zu erfassen ist (Glück 2002). Die von Helmut Glück durchgeführte Recherche zu Sprachbüchern der frühen Neuzeit belegt, dass diese fast durchgehend auf die funktionalen Bedürfnisse von Kaufleuten oder Handelsmaklern ausgerichtet waren (ebd., 88). Interessant sind dabei zur Lexis folgende Ausführungen:

Die Fremdsprachenkenntnisse, die ein Kaufmann braucht, sind spezieller Art. Es geht im Kern nicht darum, die andere Sprache vollständig zu erwerben, sondern darum, in ihr Gegenstände von Handelsgeschäften benennen und Handelsgeschäfte sprachlich bewältigen zu können. Dazu gehören u.a. Bezeichnungen von Handelswaren und ihre ggf. unterschiedlichen Qualitäten, die Grund- und Ordnungszahlen, Ausdrücke für Maße, Gewichte und Währungen, Farb- und Qualitätsadjektive sowie deren Komparation, Namen der Wochentage und der Monate, Rechtsbegriffe sowie einige Verben und deren Flexion. Die Kenntnis der Wortschätze anderer Domänen war sicherlich von Nutzen, insbesondere wenn sie Bezug zum Handel hatten, etwa das Transportwesen, die Nahrungsmittel, das Finden einer Unterkunft, religiöse Begriffe usw. (ebd., 88)

3 Lexis im berufsbezogenen Kontext: Eine hybride Methode des Mittelalters

Betrachten wir diese funktionalen, pragmatischen Vokabelkenntnisse im Mittelalter kurz genauer und konsultieren dabei eine historische Quelle, die bisher in Didaktikerkreisen kaum bekannt ist. Interessanter Weise passt sie nicht so recht in das Bild des Primats der Grammatik-Übersetzungsmethode in mönchischen Lebenswelten. Sie spiegelt vielmehr als hybrid zu bezeichnende, dialogbestimmte Praktiken in englischen Klöstern des Mittelalters. Es handelt sich um das Lernkompendium des angelsächsischen Mönchs Ælfric (ca. 955-1020). Der Verfasser von Homilien und Heiligenviten war zugleich der Autor einer kleinen Lernfibel, welche als lateinisches Colloquium und altenglisches Colloquy überliefert ist. Präsentiert wird eine typisierte und idealisierte Lehr-Lernsituation, in welcher der unterrichtende Magister seine Schüler, die Mönche, dazu bringt, in die Persona des jeweiligen Berufsvertreters zu schlüpfen. In einem lateinischen Übungsgespräch üben die Lernenden die für das jeweilige Berufsfeld typischen Vokabelfelder ein, unter anderem als Hirte, Weber, Salzsieder, Fischer, Jäger, Schmied und Kaufmann (lateinisch mercator/altenglisch mancgere). Auch wenn Ælfrics Colloquy bisweilen als realitätsgetreue Abbildung der Stände des englischen Hochmittelalters verstanden wurde, geht es in diesem Lateinübungsbüchlein eher um eine interessante Mischung aus dem Vorlesen und freien Vorsprechen auswendig gelernter Dialoge einerseits, andererseits dem Einüben berufstypischer Sprechakte und sogar von Spezialvokabular der jeweiligen Profession. Der folgende Auszug aus dem Colloquy gibt den gesamten Musterdialog zwischen dem fragenden Mönch und dem antwortenden Kaufmann als Rollendialog wieder. Die Passage wird der Einfachheit halber in der deutschen Übersetzung zitiert (im Original im Lateinischen und Altenglischen, Ælfric1940, 138/141):

Was sagst du, Kaufmann? – Ich sage, daß ich dem König, den Adeligen, den Reiche und dem ganzen Volk nützlich bin. – Auf welche Weise? – Ich begebe mich auf ein Schiff und segle mit meinen Waren über das Meer in ferne Länder und tausche meine Waren gegen Kostbarkeiten, die es hierzulande nicht gibt. Ich bringe sie unter großer Gefahr zurück und erleide mitunter Schiffbruch; dann verliere ich all meine Habe und rette kaum das nackte Leben. – Welche Dinge bringst du uns? – Purpurne und seidene Stoffe und Gewänder, Edelsteine und Gold, Wohlgerüche, Wein und Öl, Elfenbein und Kupfer, Erz und Zinn, Schwefel und Glas und eine Menge andere Sachen. – Verkaufst du diese Dinge zu dem Preis, zu dem du sie gekauft hast? – Nein. Was brächten mir dann meine Mühen ein? Ich verkaufe teurer, als ich selber gekauft habe, um einen gewissen Gewinn zu erzielen und um meine Frau und meine Kinder ernähren zu können.

Wenngleich die Musterdialoge in der lingua franca des Mittelalters, dem Lateinischen, aus heutiger Sicht eher schematisch wirken, deuten sie doch an, dass auch in Klöstern und Gelehrtenrunden nicht allein die Grammatik-Übersetzungsmethode vorherrschte. Mit zunehmender Bedeutung des Handelswesens und der wachsenden Kulturkontakte sowie der Genese europäischer Nationalstaaten am Ende des Mittelalters und in der frühen Neuzeit wuchs zugleich die Kritik an weltfremden Vermittlungstechniken von Fremdsprachen.

4 Richtungsweisende Stimmen der Renaissance und frühen Neuzeit

Beispielhaft sei die Kritik des tschechischen Gelehrten Johann Amos Comenius (1592-1670) genannt. Er beklagte die Ineffektivität der Grammatik-Übersetzungsmethode mit Bezug auf das Fremdsprachenlernen, verlangte motivierendere Lehrbücher und Lerninhalte und verfolgte den Gedanken der Lernprogression vom Einfachen zum Komplexen. Er betonte die Notwendigkeit ganzheitlichen Lernens gerade bei der Vermittlung von Lexis in bedeutungstragenden Kontexten sowie die Verwendung von altersgemäßen Themen, Bildern und Geschichten in didaktisch strukturierten Lehrbüchern. Berühmt wurde sein Bonmot zur Bildung, welches er direkt auf das monotone Auswendiglernen von Vokabellisten münzte: „Wir bilden Menschen, nicht Papageien.“ (Comenius 1971 [1642], 129)

Daraus folgt, daß die Wörter nicht unabhängig von den Sachen gelernt werden sollen, da die Sachen abgesondert weder existieren noch verstanden werden können, sondern nur in ihrer Verbindung (mit den Wörtern) hier und dort vorkommen, dies und jenes bewirken. (ebd.)

Comenius erstrebte eine Verbindung von systematischer Fremdspracheninstruktion mit lebensweltbezogener Kommunikationsfähigkeit, für welche er sogar immersive Auslandsaufenthalte empfahl (Musumeci 2011, 54 ff.).

In engem Zusammenhang mit den fortschrittlichen Ideen Comenius‘ sind die Gedanken des einflussreichen britischen Philosophen John Locke (1632-1704) zu nennen. Zwar betonte dieser in seinem Bildungspamphlet Some Thoughts Concerning Education (1693) in aufklärerischer Manier die Bedeutung der kognitiven Grammatik-Übersetzungsmethode für Lernexerzitien mit Bezug auf die griechischen und lateinischen Klassiker. Zugleich riet er aber zu einem frühen Beginn beim Erlernen von Fremdsprachen (für Locke speziell des Französischen, der ‚Modesprache‘ des 17. und 18. Jahrhunderts). Basierend auf der Erkenntnis, dass Fremdsprachenlernen am effizientesten in Imitation der Erwerbsprozesse der Muttersprache geschieht sowie angesichts der Praxisdefizite institutionalisierten Fremdsprachenerwerbs empfahl Locke immersive Programme und Gespräche in der Zielsprache mit Muttersprachlern. Tutoren und Gouvernanten sollten Lehrmethoden verwenden, die im Wesentlichen eher auf spielerischen Vermittlungsmethoden als auf monotonen ‚Nachplappermethoden‘ beruhen. Lockes Vorstellungen zum spielerischen Habitualisieren von Skills sowie zu modellartiger Präsentation von praxisnahen Sprechakten konnten wesentlich die deutsche Reformbewegung unter Viëtor sowie den Behaviorismus beeinflussen.

5 Die These einer ‚weiblichen Tradition‘ des Fremdsprachenerwerbs durch Konversation im 19. Jahrhundert

Bei genauerem Lesen der Aussagen des englischen Philosophen zum Fremdsprachenlernen fällt auf, wie Locke tendenziell Geschlechterunterschiede bei den Inhalten sowie der Methode markiert (vgl. Locke 1963, §168). Die Arbeit mit den altsprachlichen Klassikern empfiehlt er zur Schärfung des Geistes und zur Bildung nach wie vor seinen männlichen Lernern, preist aber zugleich das Erlernen der modernen Fremdsprachen mit der für ihn eher weiblich konnotierten Methode der Konversation. Er drückt damit stellvertretend ein Verständnis des Fremdsprachenlernens aus, welches beispielsweise in der Studie von Sabine Doff zum Fremdsprachenerwerb im Deutschland des 19. Jahrhunderts anhand von Dokumenten des wilhelminischen Zeitalters eingehend diskutiert wird (Doff 2002).

Doff beschreibt detailliert, wie sich in dieser Epoche Gendervorstellungen mit Bezug auf das Fremdsprachenlernen verhärteten. Paradigmatische Bedeutung erhält hier ein Originalzitat, demzufolge sich die logisch und analytisch strukturierten alten Sprachen „mehr für den männlichen Geist [eignen], die neueren entsprechen mehr der Eigenart des weiblichen Geistes“ (ebd., 359). Für Doff entwickelte die weiblich beeinflusste Neusprachendidaktik früh ‚alternative‘, auf Gleichwertigkeit drängende Lehr- und Lernformen sowie Inhalte, welche als „durch die Lehrerinnen geprägte Konstante“ (ebd., 339) bis in die Jetztzeit hinein kontinuierlich wirken. Dies zeigt sich etwa in der Betonung des Mündlichen oder der Kommunikationsfähigkeit, welche früher mit dem Terminus der weiblichen ‚Parlierfähigkeit‘ versehen oder von männlicher Arroganz als ‚Plappermethode‘ abgekanzelt wurde (ebd., 398). Eingeübt wurde sie traditionell in sogenannten Konversationsstunden, in denen Mädchen sich während leichter Handarbeiten in der Fremdsprache unterhielten, wobei sie häufig ein ‚Sprachmeister‘ bzw. eine Gouvernante anleitete. In diesem Zusammenhang formuliert Doff die These einer „eigenständigen weiblichen Didaktik des Unterrichts in den neueren Fremdsprachen“ (ebd., 377), wie sie von Gouvernanten, Hauslehrerinnen und schließlich „Oberlehrerinnen“ entwickelt und tradiert wurde. Diese alternativen Traditionen haben frühe Methoden der Reformer des Englischunterrichts am Ende des 19. Jahrhunderts entscheidend geprägt. Es gab starke konzeptuelle Ähnlichkeiten mit und Einflüsse auf Formen des Fremdsprachenunterrichts, wie er „an den höheren Mädchenschulen schon seit Jahren, zum Teil seit Jahrzehnten erprobt und optimiert worden war“ (ebd., 385).

6 „Sensualistische“ Positionen der Reformbewegung um 1880

Dass die so genannte Parliermethode allerdings nicht allein weiblich konnotiert war, zeigt der hier nur skizzenhaft vorgetragene Rückblick weiter oben zum Fremdsprachenlernen in den Kreisen von Kaufleuten und Händlern. Sprachmeister waren zudem seit dem 18. Jahrhundert an den meisten Universitäten in Deutschland tätig. Mit dem Wachsen der wirtschaftlichen Bedeutung Großbritanniens im Zeitalter der Industriellen Revolution konnte Englisch dann bekanntlich im 19. Jahrhundert seine erste Verbreitung als Wahlfach an Schulen erlangen und wurde Mitte das 19. Jahrhunderts Pflichtfach an preußischen Real- und höheren Bürgerschulen (die Gymnasien schlossen sich in den 1890er Jahren an).

Die Reformbewegung der 1880er Jahre, wie die Etablierung des Englischunterrichts an höheren Schulen gewissermaßen eine Reaktion auf den Pragmatisierungsdruck der sich rasant verbreitenden Industrialisierung und Internationalisierung im späten 19. Jahrhundert, gipfelte in dem viel beachteten Traktat Viëtors Der Sprachunterricht muss umkehren von 1882. Sie stellte sich, wie Hüllen (1987, 32) es formulierte, gegen die vorherrschende „rationalistische“ Position und trat dagegen für eine „sensualistische“ Position ein. Sie betonte sprachpraktisches Handeln in kontextualisierten Lehr-Lernsituationen vermittels ‚direkter‘ Methoden, vor allem im Umgang mit Kommunikationsmitteln sowie durch Präsentieren bzw. Wahrnehmen und Üben (vgl. ebd.). In der propagierten direkten Methode erhielten Lexiskenntnisse einen größeren Stellenwert als Grammatikkenntnisse, der neue Wortschatz sollte idealerweise durch natürliche Interaktion angeeignet werden, unterstützt durch Bilder, Imitation und Realien. Die in fortgeschrittenen Lernphasen eingeführten abstrakten Wörter sollten beispielsweise nach semantischen Feldern gruppiert werden.

Über die Verwerfungen der Weltkriege und der Naziherrschaft hinaus ergab sich im Grunde genommen bis in die 1970er Jahre eine Gemengelage von drei konkurrierenden Verfahren: die Lektüre von Originaltexten der großen Literatur, welche wir im nächsten Abschnitt beispielhaft skizzieren werden; die Konversationsmethode mit praxisnahen Übungen; und schließlich konventionelle Formen einer Gedächtnis- und Grammatiklernmethode, die „über das Auswendiglernen von Vokabeln und Grammatikregeln auf Lernfortschritte“ setzte (Gehring 2004, 10).

7 Sinnerschließung mit Literatur und/oder Fremdsprachenerwerb?

Eine weitere Kernfrage der Fremdsprachenvermittlung bis in die Gegenwart hinein betrifft die Rolle der Literatur bei deren Vermittlung. Hier gab die Grammatik-Übersetzungsmethode eine richtungsweisende Antwort: Vermittelt wurde die Fremdsprache durch die Lektüre von und Arbeit an den jeweiligen kulturtragenden Textzusammenstellungen, die sich historisch aus der Bibel und kanonisierten christlichen Texten speisten und sich im voranschreitenden Zeitalter des Säkularen aus literarisch-ästhetischen Texten der ‚Höhenkammliteratur‘ zusammensetzten. Sie galten als sprachliche wie bedeutungstragende Exemplaria – an ihnen wurden Sprachregeln erschlossen und man führte Sinnexegese durch. Praktiziert wurde dies bis weit in das 20. Jahrhundert hinein nicht allein in der Zielsprache (vgl. eingehender Volkmann 2016). Literatur wurde eher einer erweiterten Definition gemäß für den kommunikationsorientierten Unterricht brauchbar gemacht, gerade mit Bezug auf die von Hellwig so bezeichneten ‚Einfachen Formen‘. Karlheinz Hellwig (2000, 23 f.) betont, dass bereits in der Renaissance Sentenzen, Prosastücke, nursery rhymes und Lerngedichte verwendet wurden, die im 17. bis zum 19. Jahrhundert in Großbritannien beispielsweise durch so genannte chap books ergänzt wurden. Mit Hilfe von Kurztexten, unterstützt von kleinen Bildgeschichten und anderen visuellen scaffoldings, bot man damit Lernhilfen an. Der folgende Textauszug aus einem Lernbüchlein des Jahres 1840 diente offenkundig dem Lernen des Alphabets:

A was an apple-pie

B bit it

C cut it,

D dealt it,

E Eat it,

F fought for it,

G got it,

H had it,

I inspected it,

J jumped for it,

K kept it, […] (ebd., 23)

Es sollte nicht vergessen werden, dass auch die Vertreter der Reformbewegung gerade die hochrangige Literatur als Sprech- und Diskussionsanlass verstanden (vgl. die Ausführungen hierzu in Volkmann 2016). Allerdings wurde mit der zunehmenden, sich in historischen Schüben vollziehenden Hinwendung zur Vermittlung pragmatischer und funktionaler Fremdsprachenkenntnisse vor allem in den 1960er bis 1980er Jahren eine Konfliktlage entlang eines Bildung-gegen-Ausbildung-Gegensatzes offenkundig und in entsprechenden fremdsprachendidaktischen Organen diskutiert. Zugespitzt formuliert Brusch (1996, 140) diese Inkompatibilität als in der damaligen Zeit so erkannte Unmöglichkeit, im Fremdsprachenunterricht die großen Werke der Literatur mit den beschränkten kommunikativen Fähigkeiten der Lernenden in der Fremdsprache zu behandeln – die Prinzipien „des Bildungswertes und des Gebrauchtwertes“ von Literatur schienen inkongruent (Hüllen 1970, 367).

Die Diskussion der 1960er bis 1980er war damit im Grunde genommen eine Wiederholung der Gegensätze von pragmatischen Fremdsprachenkompetenzen und analytischer Auseinandersetzung mit Bildungsgut, wie sie sich als Konflikt zwischen Reformern und Traditionsbewussten am Ende des 19. Jahrhunderts zugespitzt hatte. Einerseits beklagten fortschrittliche Didaktiker den Mangel an kommunikativen Fähigkeiten bei deutschen Schülerinnen und Schülern und benutzten den pejorativen Begriff des ‚Schulenglischen‘, welches in der realen Welt wenig zu verwenden sei. Andererseits mokierten sich die nach altphilologischen Usancen sozialisierten Gymnasialprofessoren und -professorinnen dieser Jahrzehnte, die die philologisch exakte, bisweilen immer noch in deutscher Sprache vollzogene Interpretation einer Shakespeare-Tragödie in der Oberstufe als krönenden Abschluss der Schullaufbahn definierten, über ein allzu idiomatisches Allerweltsenglisch und taten es als ‚Oberkellner-Englisch‘ ab (Brusch 1996, 187). Derart obsolete Vorstellungen verloren dann über die nächsten Jahrzehnte zunehmend ihre Salonfähigkeit in didaktischen Debatten. Sukzessiven Bedeutungsverlust erlebten sie in den Schüben der Kommunikativen Wende, der Hinwendung zum interkulturellen Lernen, der Forderung nach Pragmatisierung und Outputorientierung sowie dem neuen Paradigma der interkulturellen kommunikativen Kompetenz und den Ausrichtungen der neokommunikativen Methodenpluralität (Reinfried 2001) – so dass die Literaturdidaktik gegenwärtig eher unter einem gewissen Legitimationsdruck mit Bezug auf Kompetenzorientierung steht.

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