Kitabı oku: «Gestalttherapie in der klinischen Praxis», sayfa 13

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3.1 Der Bereich der Konfluenz. Die Fähigkeit des Being-with ohne die Wahrnehmung von Grenzen

Zum Zeitpunkt der Geburt6 entsteht Kontakt auf konfluente Art und Weise: Mutter und Kind erkennen einander intuitiv. Das Kind nimmt die Umwelt als Teil seiner selbst wahr (Stern 1990) und die Mutter ist sich ihrer Liebe zu ihrem Kind voll bewusst. Weil Konfluenz eine Kontaktmodalität ist, stellt sie die Fähigkeit dar, die Umwelt so wahrzunehmen, als gäbe es keine Grenzen, keine Abgrenzung zwischen der Umwelt und dem Organismus. Diese Fähigkeit bildet die Grundlage für Empathie und ist eine natürliche Qualität, die man in den Neurowissenschaften heute als verkörperte Empathie (»embodied empathy«) bezeichnet (siehe Gallese et al. 2006). Die Fähigkeit zur Konfluenz entspringt unserer fundamentalen Zugehörigkeit zur Umwelt (Philippson 2001). Stern et al. (2000) beschreiben die Kompetenz des Kindes, die Intentionen der Erwachsenen intuitiv zu erkennen und sie zum Abschluss zu bringen. Seine Beobachtungen, die er im Kontext seiner Kritik an Mahlers Theorie des primären Autismus (1968) formuliert, verdeutlichen die kindliche Fähigkeit (tatsächlich das genaue Gegenteil von Autismus), den/die signifikante(n) Andere(n) intersubjektiv zu erspüren. Parallel dazu und unbeabsichtigt bestätigen sie darüber hinaus den ästhetischen Standpunkt der Gestalttherapie: Die natürliche, volle Anwesenheit des Kindes mit all seinen Sinnen an der Kontaktgrenze sichert ihm die intuitive Erfassung durch den/die Andere(n), selbst wenn es an der Grenze einen Mangel der Wahrnehmung der Abgrenzung gibt.


Abb. 2: Gestalttherapeutische Karte der polyphonen Entwicklung der Bereiche

Das gestalttherapeutische Konzept der Konfluenz liefert eine schlüssige Erklärung der Intuition zwischen Mutter und Kind (die sich möglicherweise bis ins Erwachsenenalter fortsetzt): Es handelt sich dabei um eine Sensibilität gegenüber den Vorgängen in der Umwelt oder um eine Sensibilität gegenüber »natürlichen Anhaltspunkten«, um einen phänomenologischen Begriff zu verwenden (siehe Blankenburg 1998). Dieser Bereich bleibt und kann im Lauf des Lebens (weiter-)entwickelt werden.

Das Risiko, das mit einer Desensibilisierung dieses Bereichs einhergeht, ist Wahnsinn: Wahrnehmung ohne Klarheit. Und ich würde sogar sagen: ohne Atem (aufgrund von Angst).

3.2 Der Bereich der Introjektion. Die Fähigkeit des Being-with, während die Umwelt ins Innere aufgenommen wird

Das Kind ist Umweltreizen gegenüber sensibel, da sie ihm die Lernmöglichkeiten bieten: Es wiederholt zunächst Laute, dann Wörter, eignet sich die Syntax sowohl der Sprache als auch der primären Beziehungen an, wirft Gegenstände zu Boden, ahmt die Gesten der Erwachsenen nach usw.). Diese Erfahrungen gehören zum Bereich der Introjektion, einer Kontaktmodalität, die sich durch die Integration von Umweltreizen auszeichnet. Dabei handelt es sich in erster Linie um die Sprache und das gesamte kulturelle Gefüge, in dem das Kind aufwächst (die Gepflogenheiten und Regeln einer Gesellschaft), und die familiären Beziehungsmuster (was bringt die Mutter zum Lächeln, wenn sie müde ist, wie bringt das Kind den Vater dazu, ihm zu erlauben, spielen zu gehen, und was macht ihn wütend usw.). Die Energie des Kindes konzentriert sich darauf, Dingen und Beziehungsmustern Namen zu geben. Das verleiht ihm ein Gefühl der Macht: »Happa-Happa« zu sagen, wenn es hungrig ist, bedeutet, dass das Kind nicht schreien muss, um sich mit seinem Umfeld zu verständigen. Ebenso lässt ein gewinnendes Lächeln den Ärger des Vaters verfliegen, sodass das Kind den »Kampf« mit ihm gewinnt. Sein ganzes Selbst ist darauf ausgerichtet, von der Welt zu lernen, indem es sie in sich aufnimmt. Das Kind zieht Energie und ein Gefühl für das Selbst daraus, dass die Welt es formt. Seine Kreativität drückt sich in der Neugier aus wenn es wissen will, »wie die Welt schmeckt, wenn ich sie esse.« Im Rahmen der Entwicklung dieses Bereiches gibt das Kind auch sich selbst und den eigenen Handlungen einen Namen (»Lukas ist hungrig«, »Lukas ist ein lieber Junge« usw.). Diese Kontaktmodalität wird im Laufe des Lebens immer weiterentwickelt und bildet die Grundlage für die Fähigkeit zu lernen.

Das Risiko in diesem Bereich geht allgemein von der Desensibilisierung aus, die die Kontaktgrenze betäubt, sodass die Welt in den Organismus eindringt, ohne im Austausch dafür Energie zu bekommen. Die Folge ist eine Depression des Organismus, da er nicht in der Lage ist, das zu benennen, was ihm seinem Gefühl nach nicht gehört.

3.3 Der Bereich der Projektion. Die Fähigkeit des Being-with, indem man sich auf die Welt einlässt

Ein weiterer Bereich betrifft die Kontaktmodalität der Projektion, durch die das Kind fähig ist, sich auf die Welt einzulassen und seine Energie dem/der Anderen und der Umwelt anzuvertrauen. Das Kind ist allem gegenüber neugierig und nutzt seine Energie, um die Welt kennen zu lernen: Es öffnet Schubladen und alles, was geschlossen ist, projiziert das Selbst dorthin, wo es nicht ist und wo es sein könnte. Die Fähigkeit, in die Welt und die Umwelt einzutauchen, wird z. B. in dem Projektionsspiel in der Zeit deutlich, wenn das Kind das Pronomen »du« sehr häufig und mit großem Vergnügen verwendet: »Du … du … du.« Was auch immer zu ihm gesagt wird, es wird dem/der Anderen zurückgegeben.

Die Fantasie, der Mut zur Entdeckung, der Einsatz des Körpers, um Veränderungen im Kontakt mit der Umwelt herbeizuführen, der Tanz als expressive Bewegung in der Welt – dies sind die Fähigkeiten, die der Organismus im Laufe des Lebens mithilfe dieses Bereichs entwickelt. Er drückt die Fähigkeit aus, sich dem/der Anderen anzuvertrauen.

Wie es bei der Introjektion eine Fähigkeit und ein Vergnügen daran gibt, sich die Welt im Selbst anzueignen, handelt es sich hierbei um eine Fähigkeit und ein Vergnügen daran, sich auf diese Welt einzulassen.

Eine Desensibilisierung der Kontaktgrenze birgt das Risiko, dass die Projektion als Versuch entsteht, eine Angst aufzulösen, ohne den/die Andere(n) wahrzunehmen, was zu paranoiden Erfahrungen führt (der/die Andere, auf den/die ich projiziere, ist unfähig oder böse).

3.4 Der Bereich der Retroflexion. Die Fähigkeit des Being-with, während die eigene Energie bewahrt wird

Ein weiterer Bereich betrifft die Modalität der Retroflexion: das Gefühl für die Fülle der eigenen Energie, die im Körper und im Selbst sicher bewahrt ist. Das Kind eignet sich jetzt die Fähigkeit an, allein zu sein, zu reflektieren, kreativ zu denken, Geschichten zu erfinden, wie Stern (1985), Stern et al. (2000) und Polster (1987) ausführen. Wenn sich dieser Bereich auftut, begeistert sich das Kind dafür, Geschichten über sich und andere zu erzählen und Geschichten aus reiner Kreativität zu erfinden: Es erzählt Geschichten und sein ganzes Selbst gibt sich dem Akt des Erschaffens hin. Bei den Erwachsenen ruft dies Verwunderung hervor, was die Fähigkeit des Kindes stärkt, mit anderen und der Umwelt in Kontakt zu treten und sich selbst als erschaffene und erschaffende kreative Gestalt zu präsentieren: Tatsächlich erkennt der/die Erwachsene sich oder die Welt in einer überraschenden Version in der Kontaktmodalität des Kindes wieder. Dieses Wiedererkennen ist sowohl unerwartet als auch harmonisch (gut geformt). Diese Kontaktmodalität wird das ganze Leben hindurch weiterentwickelt, sie bildet die Grundlage für die Kreativität, d. h. die Fähigkeit, sich mit sich selbst sicher zu fühlen und sich selbst zu vertrauen, zu reflektieren und sich der Welt mit seiner eigenen Individualität anzubieten.

Eine Desensibilisierung der Kontaktgrenze birgt das Risiko, dass Retroflexion zu Einsamkeit führt und die Kreativität des Subjekts dem/der Anderen gar nicht – oder als Selbstüberschätzung – gezeigt wird.

3.5 Der Bereich des Egotismus. Die Fähigkeit des Being-with in bewusster Kontrolle

Der letzte Bereich betrifft die Modalität des Egotismus: die Fähigkeit, stolz auf sich selbst zu sein. Dabei handelt es sich um die Kunst der »bewussten Kontrolle« (Perls / Hefferline / Goodman 2006, Bd. 1, 322). Das Kind, das den Brei schluckt, den die Mutter ihm auf dem Löffel gibt, und dann den Löffel selbst in die Hand nehmen und allein essen will,7 bezieht Energie daraus, dass es seiner Umwelt zum Trotz eine definierte Figur seiner selbst erschafft (»[der] Versuch, das Unkontrollierbare und Überraschende auszumerzen«, PHG 2006, Bd. 1, 321). Diese Modalität des In-Kontakt-Tretens bildet die Grundlage für Autonomie, für die Fähigkeit, eine Strategie in einer schwierigen Situation zu finden und sich selbst der Welt mit seiner Individualität anzubieten. Diese Fähigkeit entwickelt sich das ganze Leben lang.

Das Risiko einer desensibilisierten Kontaktgrenze ist, dass der Mensch »seine ›Probleme‹ höchst interessant [findet]« (Perls / Hefferline / Goodman 2006, Bd. 1, 321) und dass die Wahrnehmung seiner selbst angesichts der Umwelt ein Gefühl der Langeweile und der Leere erzeugt (die Gestalt ist eine zwanghafte Wiederholung), so dass das Bedürfnis sich zu kontrollieren die natürliche Spontaneität des Seins überlagert. Abbildung 3 zeigt, wie Erregungen, Lebensfähigkeiten und Risiken jeden der Bereiche charakterisieren.

Die Gestalttherapie hat von Anfang an vor den Gefahren des Egotismus gewarnt (siehe Perls / Hefferline / Goodman 2006; Spagnuolo Lobb 2005a) und ihn als Hindernis für Spontaneität und Interesse am Leben betrachtet. Allerdings birgt tatsächlich jede der oben erwähnten Modalitäten diese erlebnisorientierten Möglichkeiten. Es ist eine Tatsache, dass die Fähigkeit spontan zu sein mit der ästhetischen Präsenz verbunden ist, mit dem vollen Gefühl, mit der Verfügbarkeit der Sinne, die wiederum eine Bedingung für eine harmonische Synthese des körperlichen Gefühls, der Definition des Selbst und der Kontaktinterventionen darstellt, also der kreativen Anpassung an die Situation. Spontaneität und Interesse sind dem vollen Gefühl implizit, ebenso der Spontaneität des Selbst und daher der Beziehungsfähigkeit, die in jedem der bereits erwähnten Bereiche ausgedrückt wird. Aus diesem Grund sollte die Resilienz Teil jener Modalität sein, mit der jeder Bereich erlebt wird.8

4. Die gestalttherapeutische Entwicklungsperspektive als klinische Evidenz

Das hier beschriebene Entwicklungsmodell hilft uns dabei, die klinische Evidenz der Vergangenheit im Hier-und-Jetzt des Kontakts zu erfassen. Wir können von einer »klinischen Evidenz der Entwicklungsprozesse« sprechen, um im Hier-und-Jetzt des Erlebens im therapeutischen Kontakt zu bleiben.

Es handelt sich um ein Modell, das die Tiefe der Oberfläche erklärt (Cavaleri 2003), jener Oberfläche, die unsere Sinne berührt und die wir wahrnehmen. Unser klinischer Bezugsrahmen ist tatsächlich nicht die Entwicklung der inneren Erfahrungen (von emotionalen Themen), sondern vielmehr die Entwicklung jener Kontaktprozesse, die das Kind bei seinen Bezugspersonen lernt und die später den Hintergrund seines Kontaktmusters als Erwachsener darstellen. Diese Muster kann man in der Therapie beobachten. Grundlegende Prozesse, die Interaktionen regulieren, finden nach Bebee / Lachmann (2002) ursprünglich auf non-verbaler Ebene statt und bleiben das ganze Leben über gleich. Die GestalttherapeutIn beobachtet nicht nur diese Muster, sondern versucht auch, das now-for-next (Spagnuolo Lobb 2012) zu erfassen, jene Intentionalität, die sich hinter dem gewohnheitsmäßigen desensibilisierten Kontaktmuster der PatientIn verbirgt. Da das gestalttherapeutische Modell all dies aufgrund dessen betrachtet, wie es an der Kontaktgrenze zwischen TherapeutIn und PatientIn passiert, impliziert es die Sicht des phänomenologischen Feldes. Aus dem phänomenologischen Feld, das aus der Kontaktmodalität der PatientIn und aus der Reaktion der TherapeutIn entsteht, ergeben sich Möglichkeiten, die Kontaktintentionalität der PatientIn bei ihrer spontanen Entwicklung zu unterstützen.


Abb. 3: Erregungen, Lebensfähigkeiten und Risiken der einzelnen Bereiche

Das Kontakterleben mit der Umwelt (und signifikanten Anderen) ist ein Schlüsselkonzept der Gestalttherapie, mit dessen Hilfe man versucht, die menschliche Natur zu verstehen (wir werden in und für Kontakt geboren und wachsen im Kontakt). Zugleich stellt es den hermeneutischen »Code« der Entwicklung, der Bewegung und der Beziehungsprozesse dar. Wie ich im Vorwort der italienischen Ausgabe von Franks Buch (Spagnuolo Lobb 2005d) geschrieben habe, ist der Körper der Bewusstheit jener Körper, der die Grenze des/der Anderen von dem Zeitpunkt an erlebt, wenn das Baby im Mutterleib zu treten beginnt, und der Beziehungsunterstützung aus der konkreten Erfahrung des Körpers-in-Kontakt aufbaut (z. B. in Berührung mit).

Mit anderen Worten: Die klinische Evidenz der Entwicklungsperspektive findet sich in den Worten der PatientIn und vor allem in ihrer körperlichen Erfahrung und der impliziten gegenseitigen Einstimmung im TherapeutIn-/PatientIn-Kontakt. Nehmen wir als Beispiel die phänomenologische Beschreibung, die Daniel Stern (2005, XII) von dem impliziten gegenseitigen Wissen in einer Sitzung im Vorwort des Buches Der Gegenwartsmoment gibt. Aufgrund von dieser meisterhaften therapeutischen Erzählung, die über jeglichen theoretischen Schemata steht, können wir vermuten, mit welchen Fragen der somatische entwicklungsorientierte Geist des Therapeuten aufwartet. Stern beschreibt Folgendes:

»Sie betritt das Behandlungszimmer und nimmt im Sessel Platz. Sie lässt sich von hoch oben hineinfallen. Rasch entweicht die Luft aus dem Sesselpolster, und danach dauert es noch einmal fünf Sekunden, bis es sich wieder aufgepumpt hat. Darauf scheint die PatientIn zu warten, doch unmittelbar bevor das Polster seinen letzten Seufzer ausstößt, schlägt sie die Beine übereinander und verlagert ihr Gewicht auf die andere Gesäßhälfte. Erneut entweicht Luft aus dem Kissen, und erneut pumpt es sich wieder auf. Wir warten, bis es soweit ist. Vielmehr: Sie wartet, sie lauscht auf das Geschehen im Polster, fühlt ihm nach. Ich war zur Arbeit bereit, seit sie hereingekommen ist, aber jetzt warte auch ich. Es ist schwer zu sagen, wann das Kissen in einen Ruhezustand zurückgefunden haben wird. Aber alles wartet. Ist ihr bewusst, dass sie wartet oder dass sie die Zeit anhält? Alles wartet darauf, dass sie zu sprechen beginnt. Ich habe das Gefühl, mich vorher nicht bewegen zu dürfen. Fast als sollte ich den Atem anhalten, um das Geschehen zu beschleunigen oder um besser beurteilen zu können, wann der Ruhepunkt erreicht ist und die Sitzung ›beginnen‹ kann. Als ich endlich den Eindruck habe, dass ihr Körper und das Kissen nun ›bereit‹ sind, dass das Rascheln und Sich-Einrichten ein Ende nehmen, beginne ich selbst, meine Sitzposition in meinem Sessel zu verändern und in Erwartung dessen, was da kommen wird, freier zu atmen. Doch meine Patientin lauscht noch immer dem leise verklingenden Geräusch nach und ist noch nicht wirklich bereit. Ihr Abwarten veranlasst mich, mitten in der Bewegung innezuhalten. Ich habe das Gefühl, wie ein Pantomime zur ›Statue‹ erstarren zu müssen. Es ist lächerlich. Und ich empfinde wachsende Verärgerung darüber, dass mein eigener Rhythmus so gravierend beeinträchtigt und kontrolliert wird. Soll ich es einfach weiterlaufen lassen? Soll ich es ansprechen? Nicht einmal im Traum käme ihr in den Sinn, dass wir soeben die zentralen Themen der Sitzung und ein wichtiges Thema ihres Lebens zur Darstellung gebracht haben.« (Stern 2005, 13)

Aus dem Oberflächenkontakt, der im Hier-und-Jetzt mit der PatientIn aufgebaut wird, erfasst der Therapeut Entwicklungsmuster, die er während der Sitzung bestätigt finden wird. Die PatientIn ist es gewöhnt, als ursprünglich kreative Anpassung in schwierigen Situationen auf dieses Muster des »abwartenden« Kontakts zurückzugreifen. Aus der Frage des Therapeuten: »Soll ich es einfach weiterlaufen lassen? Soll ich es ansprechen?« können wir auf eine spontane Ko-Beteiligung im Abwarten schließen. Der Therapeut merkt, dass er sich (wenn auch gegen Ende verärgert) an diesem Warten beteiligt, indem er die Kontaktgrenze ihrer Sitzung ko-kreiert. Die PatientIn fühlt, dass sie sich in einem Kontakt der Unsicherheit befindet (was sich im Gefühl des Therapeuten spiegelt, der auch unsicher ist, was er tun soll) und löst diese dyadische Unsicherheit durch Abwarten.9

Es wird interessant sein zu entdecken, welcher Bereich sich im therapeutischen Kontakt hauptsächlich zeigt (wird die PatientIn introjizieren, was die TherapeutIn sagt? Oder ihre Energie auf die TherapeutIn projizieren? Oder schweigend retroflektieren …). Es wird die TherapeutIn sein, die beim Eintreten in denselben Bereich die spezifische Unterstützung bietet, durch die die PatientIn zu einer neuen Wahrnehmung ihrer Kontaktgrenze (einer neuen Gestalt der Bereiche) gelangt. Die TherapeutIn wird gleichzeitig das sein, was ihr zugeschrieben wird, und außerdem eine neue »PartnerIn«, die die unterbrochenen Intentionalitäten unterstützt. Als Gestalttherapeutin erkenne ich mich selbst in dem Konzept wieder, das von Lichtenberg et al. (2000, 104) beschrieben wird, wenn sie sagen, dass die TherapeutIn »die an sie gerichtete Zuschreibung tragen muss« [Übers.: A. J.]. In der Sprache der Gestalttherapie kann dies als das übersetzt werden, was wir die »Ko-Kreation der Kontaktgrenze« nennen: Die TherapeutIn nimmt an der Kontaktmodalität teil, auf die die PatientIn zurückgreift (so gibt sie zum Beispiel Introjekte an einen Menschen, der die Modalität der Introjektion verwendet – siehe dazu das klinische Beispiel im nächsten Absatz), unterstützt aber auch das – und genau darin liegt die Kunst –, was von der PatientIn üblicherweise nicht genutzt wird, nämlich die Erfüllung der Kontaktintentionalität.

5. Ein klinisches Beispiel: Der verdinglichte Tod

Eine 57-jährige Patientin sitzt starr in dem Sessel, mir, der Therapeutin, gegenüber (Bereich der Retroflexion). Die Patientin lächelt höflich. Sie hat ihre Handtasche auf dem Schoß und hält sie ganz fest, als könne sie sich aus irgendeinem Grund nicht entspannen (Bereich der Projektion). Mir fällt auf, dass ihr Atem flach ist, und zwar so flach, dass sich ihre Haltung durch den Rhythmus des Ein- und Ausatmens nicht zu verändern scheint. Die Patientin nimmt alle meine Versuche wahr, sie zu beruhigen, ihre Reaktion lässt jedoch nicht erkennen, dass sie sich allmählich sicherer fühlt (Bereich der Introjektion). Meine Wahrnehmung an der Kontaktgrenze ist Verwunderung angesichts der extremen Verschlossenheit der Patientin, und ich fühle mich nicht fähig, ihre Reaktion als Angst zu akzeptieren und kodifizieren. Ich spüre ein Gefühl der Kälte an der Kontaktgrenze, die Unfähigkeit zu akzeptieren. Die Beziehungsmuster der Bewegung, meines und das der Patientin, sind gezwungen und zielen vielmehr darauf ab, mögliche Überraschungen zu kontrollieren, als auf eine (gegenseitige) Öffnung der Anderen gegenüber (Bereich des Egotismus). Während ich das beobachte, höre ich der Patientin zu. Im Mittelpunkt ihrer Geschichte steht das Grab der Familie ihres Ehemanns. Dieses Grab scheint ihre Gedanken auf seltsame Weise zu fesseln. Sie fühlte sich verpflichtet, ihrer Ursprungsfamilie zu erlauben, ihre Stiefmutter im Familiengrab ihres Ehemannes zu beerdigen. Sie selbst hatte keine gute Beziehung zu ihrer Stiefmutter und fühlt sich seitdem unglücklich, verzweifelt. Zwei Jahre zuvor ist sie in Rente gegangen und kann sich nicht an diese Veränderung in ihrem Leben gewöhnen. Sie kann nachts nicht schlafen. Sie fühlt sich sehr angespannt und denkt, dass sie kurz davor ist, verrückt zu werden. Sie war bereits bei einem Psychotherapeuten in Behandlung, von dem sie viel Zuspruch für die positiven Dinge bekam, die sie in ihrem Leben getan hat. Zuerst fühlte sie sich besser, doch der Grundgedanke, die Vorstellung eines von einem Außenseiter geschändeten Grabes (es ist das Grab, in dem sie und ihr Ehemann einmal beerdigt werden sollen), lässt sie nicht los (Bereich der Konfluenz). Das körperliche Unwohlsein ist geblieben, trotz des Zuspruchs des früheren Therapeuten, der ihre Persönlichkeitsfunktion, ihre soziale Rolle, unterstützt hat.

Die klinische Evidenz der Es-Funktion des Selbst (ein steifer, kontrollierender Körper und flache Atmung) und der Persönlichkeitsfunktion (das Gefühl, verrückt zu werden, die Kontrolle über sich zu verlieren), ihre Art, sich auszudrücken (Ich-Funktion), die eine auf körperlicher Ebene erlebte Sorge ausdrückt, dass sie eine so intime Sache wie das Familiengrab nicht kontrollieren kann, meine Empfindungen an der Kontaktgrenze, dass es nicht möglich ist, Gefühle mit der Patientin zu teilen – all das sind Aspekte des phänomenologischen Feldes, die für die Diagnose »Persönlichkeitsstörung vom schizoiden Typus« sprechen. Ohne diese Art der »tiefergehenden« Beobachtung der »Oberfläche« hätte ich mich zu der Diagnose »Anpassungsstörung vom depressiven Typus« verleiten lassen. Auch die kürzliche Berentung der Patientin hätte dabei vermutlich eine Rolle gespielt. Daraus hätte sich eine Intervention ergeben, die sich – wie die des vorhergehenden Therapeuten – auf eine Unterstützung der Persönlichkeitsfunktion, die soziale Definition des Selbst, konzentriert hätte. Wenn man sein Augenmerk jedoch auf die Prozesse der Ko-Kreation des Kontakts richtet und die physiologischen Unterstützungen in Betracht zieht, mit deren Hilfe die Patientin in Kontakt tritt, kann man eine Störung der Es-Funktion diagnostizieren, was nach einer gänzlich anderen Art von Unterstützung verlangt.

Eine Kombination aus Spontaneität und Nachdenken bringt mich schließlich zu der Entscheidung, die therapeutische Intervention einerseits auf meinem realen Gefühl basieren zu lassen und mich an der Frage zu orientieren, welche innere oder äußere Sicherheit mir helfen würde, mich an der Kontaktgrenze mit der Patientin soweit zu entspannen, dass ich Gefühle für sie empfinden kann. Andererseits will ich mich einer Sprache bedienen, die bei der körperlichen Erfahrung der Patientin beginnt, bei dem Gefühl der verletzten Intimität, aber bestimmt nicht bei Ermutigungen, die kein in der Situation verkörpertes Mitgefühl ausdrücken.

In diesem speziellen Fall lässt mich ein von der Patientin erwähntes Symptom aufhorchen: Sie kann sich das Wort »Tod« nicht anhören. Wenn sie es in einem Buch liest, muss sie das Buch weglegen und kann es nie wieder zur Hand nehmen. Wenn sie es in den Nachrichten im Fernsehen hört, muss sie den Raum verlassen oder den Fernseher abdrehen. Die Macht, die dieses Wort für die Patientin hat – über meine Sorge wegen ihres zwanghaften Erlebens hinaus, das ein Zeichen starker Angst ist und zu einem psychotischen Kollaps führen könnte – gibt mir einen Hinweis auf den Bereich der Konfluenz und erinnert mich an Piagets Entwicklungstheorie (1937) und das Konzept der »Verdinglichung« von Worten und Objekten, die Teil des animistischen Denkens von Kindern sein kann. Für ein Kind, dass sich in der Phase der animistischen Gedanken befindet, hat der Mond eine Seele und einen Willen, und Wörter (oder andere Objekte) können mit einem Eigenleben ausgestattet sein.

Das Auftauchen dieses machtvollen Gefühls und die Erinnerung an Piagets Theorie bilden die Basis für die epoché (ein phänomenologisches, von Husserl begründetes Konzept), in der die therapeutische Intervention gebildet wird. Ich entscheide, im Hinblick auf die Sprache zu intervenieren und sage zu der Patientin: »Das Wort ›Tod‹ ist nur ein Wort, es hat selbst keine Macht. Sie haben Macht über das Wort, nicht über den Tod selbst, aber über dieses Wort schon. Sie können es ausblenden, einfach weghören, es ersetzen. Sie haben Macht über das Wort ›Tod‹.«

Was ich sage, bedeutet keine Geringschätzung ihrer Fähigkeit, in Konfluenz mit dem durch das Wort »Tod« ausgelösten Erleben zu sein. Gleichzeitig gebe ich ihr ein gutes Introjekt, indem ich ihr beibringe, dass sich das Wort vom Tod an sich unterscheidet. Mein Gefühl gibt mir einen Hinweis darauf, dass die Art von Beziehung, die sie gewohnt ist, nach einem »kalten« Partner verlangt, der nicht fähig ist, ihre Angst mitzutragen. Dass ich ihr ein klares Introjekt gebe und dass sie es annimmt, macht es uns möglich, mit weniger Angst in Kontakt zu sein.

Diese sprachliche Neudefinition bewirkt bei der Patientin eine Entspannung des Atems und ein Öffnen ihrer Körperhaltung, die ihr sogar erlaubt, ihre Handtasche abzustellen. In der darauffolgenden Sitzung kann ich sie sogar dazu auffordern, ein paar Sätze aufzuschreiben, die das Wort »Tod« enthalten, und nachzuspüren, wie sie Macht über dieses Wort hat. Nach ein paar Wochen hat die Patientin das Problem ihrer Angst gelöst und beendet die Therapie. Sie erzählt mir, dass sie mit Zustimmung ihrer Ursprungsfamilie eine Umbettung ihrer Schwiegermutter arrangiert hat und dass es ihr viel besser geht. Sie hat das Gefühl, mehr Kontrolle über sich zu haben.

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