Kitabı oku: «Gestalttherapie in der klinischen Praxis», sayfa 20
5. Medikamente als Unterstützung auf der Reise
Es hat sich für uns als nützlich erwiesen, die Einnahme von Medikamenten in einer Psychotherapie durch eine Metapher zu beschreiben. Dabei sollte jede TherapeutIn ihre eigenen Metaphern finden, die als kognitive Landkarten dienen. Eine TherapeutIn kann sich z. B. vorstellen, dass die Medikamente die Funktion einer Jacke im Winter haben. Manche Menschen brauchen nur eine dünne Jacke, andere brauchen eine viel dickere und manche gar keine. Manche Menschen können den Winter ohne eine Jacke nicht überleben, für andere wiederum reicht es, sich eine Jacke um die Hüften zu binden und sie dabeizuhaben.
Wir möchten unseren LeserInnen gerne noch von einer weiteren Metapher erzählen, die uns in unserer Praxis dient. Es ist eine Metapher, in der die Psychotherapie als eine Reise beschrieben wird: Die PatientIn ist auf dem Weg und die TherapeutIn begleitet sie. Wenn die Beine der PatientIn sie nicht gut tragen können, braucht sie Krücken. Diese Rolle übernehmen die Medikamente. So kann zum Beispiel ein Antidepressivum einen Menschen in einer tiefen Depression aufrichten, so dass er weiter nach dem Weg suchen kann. Die Medikamente zeigen nicht den Weg, aber sie erleichtern das Gehen, während man danach sucht. Dies ist eine mögliche Betrachtungsweise der Kombination von Psychopharmaka und Psychotherapie. Medikamente können der PatientIn als Krücke dienen und Psychotherapie als eine Heilgymnastik.10
Eine Krücke kann einen Menschen, der unfähig ist, ohne Hilfe von außen zu gehen, als behindert kennzeichnen. Wir können die Krücken auch als etwas ansehen, was dem Menschen hilft, sein Bewegungspotenzial auszuschöpfen. Hier zeigt sich eine wichtige Verschiebung von Gedanken: Die Krücke bedeutet nicht nur, dass die PatientIn behindert ist, dass die PatientIn hinkt, sondern auch, dass ihre Möglichkeiten mit Krücke größer sind als ohne. Die Krücke ermöglicht es der PatientIn, ihr Potenzial zu nutzen – sie kann arbeiten gehen, shoppen gehen usw. Wenn die PsychotherapeutIn nicht mit den Medikamenten konkurrieren will, muss sie zu dieser Art der Verschiebung von Gedanken in der Lage sein und Medikamente als Unterstützung von außen betrachten, die es der PatientIn ermöglichen, ihr Potenzial umzusetzen, was ohne die Krücke nicht möglich wäre.
Ähnlich verhält es sich mit anderen Arten der Unterstützung. Wenn eine PatientIn nicht genügend Selbstunterstützung hat, braucht sie Unterstützung von außen. Dies trifft nicht nur auf Medikamente zu, sondern auch auf einen strukturierteren und aktiveren Ansatz durch die TherapeutIn. Zu Beginn der Therapie braucht die PatientIn üblicherweise mehr Unterstützung von außen. Dann baut sie langsam ein größeres Vertrauen in ihre eigenen Ressourcen auf, um die äußeren Unterstützungsquellen auszugleichen. Besonders zu Beginn des psychotherapeutischen Prozesses können Medikamente eine wichtige stabilisierende Rolle in Fällen schwerer psychischer Probleme spielen. Dank ihrer biologischen Wirkung können sie die eigenen Kompetenzen der PatientIn stärken und das eigene Potenzial aktivieren. So können z. B. Antidepressiva einer depressiven PatientIn dabei helfen, Energie zu mobilisieren, aus der Isolation zu kommen und Beziehungen aufzubauen. Manchmal ist es dann möglich, die Medikation schrittweise zu reduzieren oder abzusetzen, doch die Kompetenz der PatientIn bleibt, wenn sie in der Psychotherapie integriert und gestärkt worden ist. Im Zuge der Psychotherapie ist es wichtig, dass die PatientIn die Tatsache akzeptieren kann, dass das Medikament ihr nichts Zusätzliches und Neues gibt, sondern dass es ihr dabei hilft, ihr eigenes Potenzial zu wecken.11
Die TherapeutIn und die PatientIn werden sich also nicht nur der Rolle bewusst, die die Medikamente im Leben der PatientIn und im psychotherapeutischen Prozess spielen, sondern sie entdecken auch die neuen Möglichkeiten, die sie für das Leben bringen, und welche Optionen sie in der psychotherapeutischen Arbeit erschließen. Die PatientIn erlebt zum Beispiel eine intensive Angst vor ihren eigenen aggressiven Tendenzen. Diese Angst lähmt sie so sehr, dass sie auch in der Therapie nicht fähig ist, darüber zu sprechen. Die einzige Möglichkeit, mit der Angst umzugehen, sind zwanghafte Rituale. Die Medikamente mildern die Angst, reduzieren sie, so dass sie nicht mehr den gesamten Horizont der PatientIn blockiert. Abgesehen von der Angst kann die PatientIn jetzt auch eine unterstützende TherapeutIn sehen, die ihr gegenübersitzt und zuhört.
Wir können Psychotherapie als Heilgymnastik betrachten. Wenn die PatientIn sich nur auf die Krücke stützt und keine Heilgymnastik macht, bereitet sie sich nicht darauf vor, ohne die Krücke zu gehen, muss sich auf sie verlassen und bleibt vielleicht behindert. Oder die PatientIn legt die Krücke nach einer Zeit weg, in der sie keine Heilgymnastik gemacht hat, hat dann aber größere Probleme mit dem Gehen, als sie mit angemessener Vorbereitung und Heilgymnastik gehabt hätte. Dank der Heilgymnastik kann die PatientIn ihren Körper neu kennen lernen, kann lernen, wie sie ihn gut behandelt, entwickelt vielleicht neue motorische Fähigkeiten und eine neue Beziehung zu ihrem Körper.
Die PatientIn kann zum Beispiel eine Depression nur mit Medikamenten bewältigen. Wenn sie zusätzlich dazu in einer Psychotherapie arbeitet, bewältigt sie nicht nur die aktuellen Probleme, die mit der Depression in Verbindung stehen. Dank der Psychotherapie erweitert sie das Spektrum ihrer Fähigkeiten. Sie lernt, die Warnzeichen einer drohenden Depression zu erkennen und damit umzugehen, sie lernt, sich Unterstützung von außen und von sich selbst zu holen und sie wird vielleicht die existenzielle Botschaft hören, die sich in ihrem depressiven Erleben verbirgt.
Als GestalttherapeutInnen konzentrieren wir uns in der Arbeit mit unseren PatientInnen darauf, das Spektrum der Fähigkeiten mittels Psychotherapie zu erweitern, auf dieselbe Weise wie Heilgymnastik die verbleibenden funktionierenden Muskeln unterstützt. Dieser Ansatz kommt in den Vordergrund unserer Arbeit. Gleichzeitig ist es notwendig, die Medikamente als Krücke für die PatientIn zu betrachten. In diesem Fall ist die medikamentöse Behandlung im Hintergrund unserer psychotherapeutischen Arbeit immer präsent.
Medikamente können unterschiedliche Rollen im Leben der PatientIn und im psychotherapeutischen Prozess spielen. Schematisch können wir zwei Funktionen von Medikamenten unterscheiden: eine vorübergehende Krücke oder eine permanente Prothese. Es handelt es sich um eine sehr vereinfachende Unterscheidung, doch sie ist nützlich als Grundorientierung für die TherapeutIn als grober Entwurf einer differenzierten psychotherapeutischen Arbeit, wenn der Einsatz von Medikamenten im Hintergrund präsent ist.
5.1 Medikamente als vorübergehende Krücke
Bei manchen PatientInnen können wir uns die Funktion der Psychotherapie als Heilgymnastik für einen Menschen nach einer Beinverletzung vorstellen. Die Medikamente lassen sich dann als Krücke betrachten, die man nach einiger Zeit wieder weglegt. Es kann von Vorteil sein, eine solche Metapher zu verwenden, wenn die PatientIn Medikamente nimmt, aber schlussendlich ohne sie funktionieren möchte und diese Möglichkeit tatsächlich besteht. Die PatientIn selbst kommt mit dem Gedanken, die Medikamente abzusetzen, und ist bereit, die unangenehmen Gefühle dabei zu ertragen. Sie will einen aktiven Part in der psychotherapeutischen Arbeit übernehmen, sie ist bereit, sich ihrer Haltungen bewusst zu werden, sie bei Bedarf zu verändern und Veränderungen in ihrem Leben herbeizuführen. Die PatientIn lernt schrittweise, die Möglichkeiten zu nutzen, die ihr das Medikament geboten hat (z. B. dämpft es eine lähmende Angst in einem überfüllten Bus), auch ohne das Medikament selbst (z. B. lernt sie, bei aufsteigender Angst mit dem Atem und der körperlichen Erdung zu arbeiten).
Für TherapeutIn und PatientIn kann das Medikament dann ein vorübergehender Verbündeter im psychotherapeutischen Prozess werden. Sie können bewusst und pragmatisch ihre Allianz mit dem Medikament nutzen und mit ihm so arbeiten, wie mit anderen äußerlichen Unterstützungsquellen, wie dem sicheren Job der PatientIn oder ihrem familiären Hintergrund. Die TherapeutIn hilft der PatientIn dabei, den richtigen Moment für das Absetzen der Medikation zu wählen, einen Moment, in dem die PatientIn ausreichende Selbstunterstützung und Quellen der Unterstützung von außen hat. Die TherapeutIn hilft der PatientIn auch dabei, herauszufinden, ob deren durch das Medikament gestärktes Potenzial auch ohne dieses verfügbar ist.
Es kann ein Punkt kommen, an dem sich die PatientIn mit der eingeschränkten Bewegungsfreiheit nur mit Heilgymnastik fortbewegen könnte, sich aber angewöhnt hat, mit einer Krücke zu gehen. In so einem Fall hat sich die Funktion des Medikaments verändert, jetzt wird es als Krücke verwendet, die die PatientIn nicht aufgeben möchte. Die medikamentöse Behandlung fungiert nicht mehr als Unterstützung von außen und schränkt stattdessen die PatientIn in ihrer Suche nach neuen kreativen Anpassungen ein.
Es ist wichtig, dass die TherapeutIn in einem solchen Fall nicht auf Veränderung drängt. Die Einnahme von Medikamenten ist für die PatientIn eine Form der kreativen Anpassung, das Medikament hat eine bestimmte wichtige Funktion für die PatientIn, und dient zum Beispiel als Schutz. Die TherapeutIn akzeptiert die Funktion, die das Medikament für die PatientIn erfüllt, und hilft der PatientIn, sich bewusst zu werden, welchen Nutzen sie von der Medikation hat und wie sie sie einschränkt. Medikamente können der PatientIn Sicherheit verleihen; sie vor zu viel Stress in fordernden Lebenssituationen schützen. Doch sie können auch die Fähigkeit der PatientIn einschränken, Erfahrungen zu machen und in Kontakt mit anderen Menschen zu sein. Die TherapeutIn kann mit dem Medikament als Schutz-Strategie unterschiedlich arbeiten – es bewerten, konfrontieren, vermeiden. Die TherapeutIn hilft der KlientIn dabei, sich des aktuellen Verhältnisses zwischen dem Empfangen von äußerer Hilfe und dem Verlassen auf eigene Ressourcen bewusst zu werden und Verantwortung dafür zu übernehmen.
Michaela leidet seit Langem in sozialen Stresssituationen unter Angst. Die Angst ist manchmal so groß, dass sie sie daran hindert, das Haus zu verlassen. Ihre Hausärztin hat sie zu einer psychiatrischen Konsultation überwiesen, bei der ihr eine Soziophobie diagnostiziert wurde. Der Psychiater hat ihr Xanax verschrieben (Alprazolam – das Medikament löst die Angst, macht potenziell abhängig), das sie im Falle gesteigerter Angst einnehmen sollte. Der Psychiater hat ihr für den langfristigen Gebrauch auch Citalopram verschrieben (ein Antidepressivum mit einer guten angstlösenden Wirkung) und eine Psychotherapie empfohlen.
Für Michaela war das Xanax in Zeiten der Angst sehr nützlich, doch sie machte sich Sorgen, abhängig davon zu werden. Es beruhigt sie, es für den Notfall bei sich zu haben, aber nicht zu verwenden. Sie nimmt seit einigen Monaten einmal täglich Citalopram. Abgesehen davon geht sie regelmäßig zu psychotherapeutischen Sitzungen. Sie kann sich jedoch nicht vorstellen, ohne das Citalopram zurechtzukommen. Das Medikament schützt sie vor der Angst und erlaubt ihr, so zu leben, wie sie es gewohnt war. Sie lernt in der Therapie, dass das Medikament bei ihr bewirkt, dass sie nichts verändert. Sie hat Angst vor der Veränderung und der damit verbundenen Verantwortung. Das Medikament wirkt als ein Schutz für Michaela, sie kann sich ihr jetziges Leben nicht ohne das Medikament vorstellen.
Die TherapeutIn hilft Michaela, sich bewusst zu werden, welche Funktion das Medikament für sie erfüllt. Michaela sagt, dass das Medikament für sie wie eine »weiche Decke« ist, die ihr hilft, nicht so sehr verletzt zu werden. Die Medikation verlangsamt den Therapieprozess, weil sie dadurch das Gefühl hat, nichts verändern zu müssen. Andererseits ermöglicht ihr das Medikament, die Therapie überhaupt fortzuführen, da sie sonst wahrscheinlich nicht fähig wäre, ihr Haus zu verlassen. Das Medikament zu nehmen ist also eine Form der kreativen Anpassung. Das Medikament verzögert die Veränderung und verhindert gleichzeitig einen Therapieabbruch.
Citalopram dient als »weiche Decke«, die die Patientin zu ihrem Schutz braucht. Ohne sie wäre es, als sei sie nackt. Ohne das Medikament hat sie nicht genügend Unterstützung von außen. Das Medikament bietet ihr Unterstützung und stärkt ihre Kompetenzen. Es befähigt sie, zur Arbeit zu gehen und an der Therapie teilzunehmen. Michaela fühlt sich mit dem Medikament besser und funktioniert besser in ihrem Leben.
Sie betrachtet das Citalopram als den verändernden Faktor. Sie projiziert ihr Veränderungspotenzial und ihre Fähigkeiten auf das Medikament. Dabei handelt es sich um Fähigkeiten, die nicht zu ihrem Selbstbild gehören. Durch die Einnahme des Medikaments erweitert Michaela ihre Kompetenzen, aber sie sieht dies nicht als ihr eigenes Verdienst, sondern als das des Medikaments.
Die Therapeutin hilft ihr, die Fähigkeiten, die sie auf das Medikament projiziert, als ihre eigenen zu betrachten. Michaela begreift langsam, dass sie der verändernde Faktor ist und dass das Medikament und die Psychotherapie Unterstützungsquellen sind, die sie vorher in ihrem Leben nicht hatte. Ihre Einstellung: »Das Medikament ist der Grund, warum ich mich besser fühle«, verändert sich schrittweise in »Das Medikament hilft mir dabei, einen Weg zu finden, so zu leben, wie ich es brauche«.
PatientInnen mit leichteren Depressionen können auch oft von SSRI-Antidepressiva profitieren. Hier scheint die Metapher mit der Krücke nicht so gut zu passen. Menschen mit leichten Depressionen brauchen keine Krücke, sie können gehen, aber ihre Art zu gehen gleicht der von Andersens kleiner Meerjungfrau. Sie hat bei jedem Schritt Schmerzen, als habe sie auf eine Messerklinge getreten. Menschen mit leichteren Depressionen können ihr Erleben mit dieser gesteigerten Schmerzhaftigkeit wahrnehmen. Antidepressiva können ihre Wahrnehmung des Schmerzes mildern, als hätte die Kleine Meerjungrau Schuhe mit dicken Sohlen an. Dies ermöglicht ihnen, auch andere Dinge als den Schmerz in ihren Füßen wahrzunehmen. Sie können sich umsehen und in Kontakt gehen.
5.2 Medikamente als permanente Prothese
Eine schwere psychiatrische Erkrankung schränkt die PatientIn erheblich ein und kann manche ihrer Fähigkeiten für lange Zeit, manchmal sogar ein Leben lang, reduzieren. In diesen Fällen dienen Medikamente als permanente äußere Unterstützung, ohne die die PatientIn nicht auskommt. Hier stehen die Medikamente nicht für eine Krücke, die schließlich weggelegt werden kann, um es mit einer Metapher auszudrücken. Das Medikament könnte vielmehr mit einer Prothese verglichen werden, die das fehlende Glied ersetzt und Bewegung ermöglicht. Die medikamentöse Behandlung dient besonders in solchen Fällen als Prothese, bei denen PatientInnen von Erkrankungen wie einer Schizophrenie, einer schizoaffektiven Störung, einer bipolaren Störung oder einer rezidivierenden depressiven Störung mit endogenen Faktoren betroffen sind.
Aus der Perspektive der TherapeutIn ist die diagnostische Evaluation sehr wichtig, ob der Effekt der Medikamente eher mit der Funktion einer permanenten Prothese oder einer vorübergehenden Krücke verglichen werden kann.12 Eine realistische Einschätzung ermöglicht es, die Medikamente zu akzeptieren, und befreit die TherapeutIn von überzogenen Ansprüchen ihrer selbst und der PatientIn. Wenn die TherapeutIn mit dem Medikament einverstanden ist, hilft sie der PatientIn dabei, sich mit der Medikation auszusöhnen. Im Geiste der paradoxen Theorie der Veränderung eröffnet sich dadurch ein Raum für neue Möglichkeiten. Wenn die TherapeutIn hohe Ansprüche stellt (»Die Therapie soll dazu führen, dass keine Medikamente mehr gebraucht werden«), würde sie sich selbst bei Therapien mit PatientInnen mit schwereren psychiatrischen Problemen einschränken und vielleicht sogar einem therapeutischen Nihilismus erliegen und sagen, dass eine Psychotherapie für diese PatientInnen nicht von Nutzen ist.
Ein typisches Beispiel können PatientInnen in einem akuten psychotischen Zustand sein. Ihr Erleben ihrer selbst ist nicht ausreichend von der Umwelt abgegrenzt (Spagnuolo Lobb 2003a). Menschen in dieser Situation werden mit einer großen Menge an Informationen überladen und sind dadurch unfähig, externe Informationen von ihrer eigenen psychischen Schöpfung zu differenzieren. Die Medikamente (Antipsychotika) reduzieren die Menge an Informationen (indem sie Dopamin reduzieren, das die Informationen überträgt), reduzieren die Überladung und helfen der PatientIn, die Informationen zu organisieren.
Die Psychotherapie hat bei der Behandlung solcher schwer psychisch kranken PatientInnen eine wichtige Aufgabe. Wenn wir zu unserer Metapher zurückkehren, können wir sagen, dass auch ein Mensch mit einer Prothese von Heilgymnastik profitiert. Aufgrund der Prothese kann der restliche Körper nicht normal funktionieren, die Prothese schafft falsche Proportionen im Körper, andere Muskelgruppen werden belastet. Die Heilgymnastik kann diese Deformation und die Auswirkungen des Ungleichgewichts zumindest teilweise korrigieren und die verbleibenden Gliedmaßen länger funktionsfähig erhalten. Bei PatientInnen mit chronischer Schizophrenie ergänzt die TherapeutIn zum Beispiel die Behandlung mit Antipsychotika, indem sie mit dem Hintergrund des Erlebens der PatientIn arbeitet (der das Entstehen einer Figur ermöglicht), bemüht sich, Zeit und Raum als rhythmische Faktoren wahrzunehmen, und hilft der PatientIn mit einer ausgeglichenen Bestimmung ihrer selbst, einschließlich der Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse (Spagnuolo Lobb 2003a, siehe mehr in Kapitel 20).
Jane ist die 35-jährige Mutter zweier kleiner Kinder. Sie hat kürzlich ihre Arbeit wieder aufgenommen, als ihr Mutterschaftsurlaub beendet war. Sie hat einen anspruchsvollen Beruf als Assistentin, in dem sie mit vielen KollegInnen und KundInnen zu tun hat und oft mit Konfliktsituationen umgehen muss. Sie wird für ihre Verlässlichkeit und ihr Verantwortungsgefühl geschätzt, aber sie ist oft im Krankenstand, weil sie Probleme mit ihrem Rücken hat. Keine ihrer KollegInnen ahnt, dass diese Probleme das Resultat ihres Suizidversuchs sind, bei dem sie vom Dach eines Hauses gesprungen ist und nach dem sie in der Psychiatrie untergebracht wurde. Jane befindet sich seit 13 Jahren wegen ihrer Psychose in Behandlung, und bis jetzt ist sie vier Mal in einem akuten psychotischen Zustand ins Krankenhaus eingeliefert worden, in dem ihre Wahrnehmung der Umwelt und ihr Verhalten durch paranoide Wahnvorstellungen verändert war. Sie fühlt sich, als sei sie die Auserwählte, die unseren Planeten vor der Zerstörung retten soll. Sie nimmt seit 13 Jahren Antipsychotika, manchmal zusammen mit Antidepressiva und Anxiolytika. Sie macht eine Einzel- und eine Gruppentherapie. Sie hat zwei Mal versucht, die Medikamente wegen Nebenwirkungen und einer Schwangerschaft abzusetzen, aber es ging ihr dabei so schlecht, dass sie ins Krankenhaus musste. Sie hat sich daran gewöhnt, Zyprexa zu nehmen, obwohl sie sich anschließend müde fühlt, einen größeren Appetit hat und sich emotional verflacht fühlt. Vor Kurzem war sie überlastet, erschöpft von anhaltendem Stress. Sie hatte wieder das Gefühl, dass ihre KollegInnen hinter ihrem Rücken über sie redeten, und sie konstruierte komplexe Verschwörungstheorien. Sie musste die Dosis erhöhen. Die Psychotherapie half ihr, die Situation klar zu sehen, und sie hat sich entschieden, in Teilinvalidenrente zu gehen, für die sie lange gekämpft hat. Jetzt ist sie froh, da sie kürzere Arbeitszeiten haben und besser für den Haushalt und ihre Kinder sorgen können wird, wobei ihr Ehemann eine große Hilfe ist.
Die Situation kann im Fall einer bipolaren Störung komplexer sein, da die PatientIn nach einer manischen oder depressiven Episode annehmen kann, dass sie die Medikamente nicht mehr braucht. Außerdem können diese PatientInnen denken, dass der verschriebene Stimmungsstabilisator ihr Gefühlsleben verflachen lässt und sie daran hindert, sich selbst und ihre Beziehungen mit anderen Menschen voll zu erleben. Das Absetzen von Stimmungsstabilisatoren wird jedoch höchstwahrscheinlich zu einer Dekompensation führen, zu einer manischen oder depressiven Episode, die durch das Medikament zumindest hinausgezögert oder abgeschwächt hätte werden können. Die Aufgabe der Therapie ist in diesem Fall, der PatientIn dabei zu helfen, sich der Einschränkungen durch die Störung und die Psychopharmaka bewusst zu werden und diese zu akzeptieren.
Eine ähnliche Situation kann bei PatientInnen auftreten, die an einer rezidivierenden depressiven Störung leiden und die in ihrer Krankengeschichte immer wieder schwere depressive Phasen erlebt haben, besonders in Verbindung mit den Jahreszeiten und ohne Impuls von außen. Man muss sich in Erinnerung rufen, dass hier Antidepressiva als Prothese für die PatientIn dienen, obwohl es zwischen den einzelnen depressiven Phasen scheinen kann, als sei sie nicht nötig.
Die PatientIn kann an den Nebenwirkungen der Medikamente leiden (Einschränkung, Verlangsamung, emotionale Verflachung, Übergewicht, körperliche Steifheit), was dann zu Isolation und zur Stigmatisierung der PatientIn führen kann. Gleichzeitig kann die PatientIn die Medikamente nicht absetzen, ohne eine erhebliche Verschlimmerung ihres psychischen Zustands zu riskieren. Die TherapeutIn versteht die Probleme, die die Medikamente der PatientIn verursachen, und sieht auch realistische Gründe für die Notwendigkeit ihres Gebrauchs. Die TherapeutIn akzeptiert die Medikamente als Einschränkung, die die Möglichkeiten der kreativen Anpassung im Leben der PatientIn und in der psychotherapeutischen Arbeit selbst reduzieren. Die TherapeutIn arbeitet mit der Medikation in dem Wissen, dass sie eine unvermeidliche Einschränkung für die Therapie darstellt, so wie die Psychotherapie mit anderen Einschränkungen arbeitet (z. B. nicht unterstützender Hintergrund, eingeschränkte finanzielle Mittel oder niedrige intellektuelle Kapazität). Die TherapeutIn passt den therapeutischen Stil daran an und hilft der PatientIn, sich der Einschränkungen in ihrem Leben und in der therapeutischen Beziehung bewusst zu werden. Die TherapeutIn hilft der PatientIn dabei, die Einschränkung zu akzeptieren und abgesehen davon die vorhandenen Fähigkeiten zu entdecken und zu entwickeln.