Kitabı oku: «Mehrsprachigkeit und das Politische», sayfa 15

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4 Sprachliche und kulturelle HybriditätHybridität in Gabija Grušaitė Grušaitė, Gabijas Roman Stasys Šaltoka

Gabija Grušaitė Grušaitė, Gabija, die Autorin des Romans Stasys Šaltoka, wurde 1987 in Vilnius geboren, sie studierte Soziale MedienMedien und AnthropologieAnthropologie in London, lebte sechs Jahre in MalaysiaMalaysia, gründete dort das Kunstzentrum „Hin Bus Depot“ und reiste viel. Seit dem Erscheinen von Stasys Šaltoka lebt Grušaitė in ihrer Geburtsstadt Vilnius und zählt zu den erfolgreichsten Autorinnen der jungen litauischenLitauenlitauisch Literaturszene. Der Roman Stasys Šaltoka wurde 2018 mit dem renommierten Jurga Ivanauskaitė-Literaturpreis ausgezeichnet und in demselben Jahr unter dem Titel Cold East ins EnglischeEnglisch/English übersetzt,1 2019 erhielt die Autorin den Penang Monthly Literaturpreis. Als der Roman 2018 auf dem Festival für Neue Europäische Literatur in New York vorgestellt wurde, gab eine der führenden litauischenLitauenlitauisch Literaturkritikerinnen Violeta Kellertas folgendes Urteil ab: „Gabija Grušaitė’s novel exploded like a bomb on the Lithuanian literary scene, dragging us willy-nilly into the 21st century.“ (ZitatZitat auf der Rückseite des Schutzumschlags) Obwohl man thematisch und stilistisch ähnliche Texte in anderen Literaturen finden kann, war es in LitauenLitauen ein erster Versuch, die eigene Generation in der Weise, nämlich mit Hilfe des SprachwechselsSprachwechsel und der medientypischen Stilistik, sprechen zu lassen.

Es gehört dazu, dass die globale Instagram-Generation des 21. Jahrhunderts, von der im Roman die Rede ist, in ihrer KommunikationKommunikation immer wieder Sprach- und Kulturgrenzen überschreitet, was von einigen litauischenLitauenlitauisch Kritikern als Normverstoß verstanden wurde:

Die Meinungen gehen hierzu weit auseinander: Kritisiert (aber auch positiv wahrgenommen) wurde der umgangssprachliche Ton, zu dem natürlich auch AnglizismenAnglizismen gehören, also all das, was die älteren Sprachredakteure als syntaktische Fehler, unzulässigen Jargon oder Schimpfwörter wegzustreichen pflegten. Kritisiert wurde auch die im Roman beschriebene, von einem Teil dieser Generation gewählte Lebensweise. Der Romanprotagonist und seine Freunde reden so wie viele ihrer Zeitgenossen, die die Welt kreuz und quer bereist haben, aber immer noch hier sind, gespalten zwischen Kulturen, Religionen und Lebensweisen: drei englischeEnglisch/English Wörter, zwei litauischeLitauenlitauisch und darauffolgend ein russischesRusslandrussisch Schimpfwort. Der Roman von Grušaitė Grušaitė, Gabija hilft, diese Generation besser zu verstehen, deren Zuhause überall auf der Welt sein kann, die einen Job nur als Job betrachtet, die LitauenLitauen überall mit sich trägt, aber nur so viel, wie es in dem Moment nötig und bequem ist (Kaniavekienė 2018).

Laura Laurušaitė betrachtet die im Roman vorkommende MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit als „Zeichen der Primitivität des sprachlichen Ausdrucks“, als Hinweis auf die „Wurzellosigkeit“ der heutigen globalen Generation und die „Demythologisierung der MutterspracheMuttersprache/mother tongue“; sie konstatiert eine vermehrte Anzahl solcher fiktivenFiktivitätfiktiv „SprachgrenzüberschreitungenSprachgrenzüberschreitung“ in der neuesten litauischenLitauenlitauisch und lettischenLettland/Latvialettisch Literatur und zieht das Fazit, dass die Sprache in diesen Texten ihre identitätsstiftende Funktion zu verlieren scheint (Laurušaitė 2019: 45).

Der Roman Stasys Šaltoka ist eine Art „Nachdichtung“, die der globalen Instagram-Generation bzw. dem Milieu der urbanen Hipster eine authentische Stimme verleihen soll. Im Hinblick auf die Authentizität der Sprache sagt die Autorin in einem Interview:

Die „Richtigkeit“ der Sprache ist uns aufgezwungen. Dies spiegelt nicht unsere wirkliche Sprache wider, geschweige denn unser Sprechen. Das ist ein Verstoß gegen die Demokratie. Ich wollte ein Buch schreiben, das von hier und jetzt handelt. Die Sprache ist historischhistorisch. Ich denke, in 5 oder 10 Jahren werden wir anders sprechen. Ich wollte eine Art anthropologischenAnthropologieanthropologisch Text verfassen, der die heutige Sprache abbildet. Im Rückblick werden wir sagen: „Im Jahr 2017 haben die Menschen so geredet, wie lustig.“ Die Sprache verändert sich, sie ist nicht statisch. Man soll sie nicht reinigen, man muss sie lassen, so wie sie ist. Wenn wir denken, dass alles, was gegen die Norm verstößt, in Anführungszeichen stehen muss, wird unsere Sprache hölzern. (Grušaitė Grušaitė, Gabija im Interview mit Karolis Vyšniauskas im Jahr 2018)

Dies sind Äußerungen, die als eine Autorenpoetik gelten können und die sich auf zentrale Anliegen der inhaltlichen und formalen Textgestaltung in Stasys Šaltoka beziehen.

Im Zentrum des Romans steht ein 29-jähriger LitauerLitauenLitauer/-in namens Stasys Šaltoka, der Ich-Erzähler und Protagonist, der (sowie die Romanautorin selbst) zunächst in London studiert und Gelegenheitsjobs übernimmt, später in New York lebt und mit Freunden durch SüdostasienAsien reist. Auf den ersten Blick lässt sich der Roman der Gattung MigrationsliteraturMigrant/inMigrationsliteratur zurechnen, aber hier gilt es gewisse Vorsicht walten zu lassen, denn der Protagonist ist eigentlich ein Weltbürger (real und virtuell), der sich überall gleich gut bzw. schlecht fühlt. Seine Heimatstadt Vilnius ist nur ein Ort unter vielen anderen, ein Ort, der Erinnerungen hervorruft und für die postsowjetischeSowjetunionpostsowjetisch IdentitätIdentität/identity des Protagonisten steht, jedoch aktuell keine Berührungspunkte bietet. Die unüberwindbare Distanz wird im Gespräch mit einer amerikanischenAmerika/USAamerikanisch Bekannten zum Ausdruck gebracht: Wenn Stasys verkündet, er möchte New York verlassen, fragt diese, wohin er denn gehen möchte: „Nach Los Angeles? Als ob LA der einzige Ort wäre, wohin man nach dem Verlassen dieser Stadt fahren könnte. – Nach Hause? Nach Vilnius? Ich schüttele den Kopf. Sie hat recht – was würde das alles bringen.“ (SŠ: 35)2

Stasys Šaltoka gehört nicht mehr zu denjenigen osteuropäischenOsteuropaosteuropäisch MigrantenMigrant/in, die für eine bestimmte Zeit ins Ausland gehen, um Geld zu verdienen, sondern er vertritt die Generation, die seit mehr als einem Jahrzehnt frei von jeglichen finanziellen Nöten irgendwo in der Welt lebt, ohne feste Bindungen und Sentiments (SŠ: 27). Ständige Bewegung, DynamikDynamik und (Selbst-)Suche scheinen für diese Generation wichtiger zu sein als ein fester Wohnsitz. „Whatever“ ist daher das am häufigsten vorkommende englischeEnglisch/English Wort im Roman, das sich sowohl auf das eigene Leben des Erzählers, auf die alltäglichen Krisen seiner New Yorker Bekannten, aber auch auf die globalen Natur- und Humanitätskatastrophen bezieht. Diese Global Player fühlen sich überall zuhause, zugleich auch überall fremdFremdheitfremd, was sich vor allem durch Überfluss und Lebenslangeweile erklären lässt. Weder die HeimatHeimat noch die ErstspracheErstsprache bieten für sie eine identitätsstiftende Grundlage, auch die Gemeinschaft mit den anderen entsteht eher per Zufall, und weniger durch ein Hineingeborenwerden in einen Raum oder ein Kollektiv, sondern eher durch einen Mausklick.

Wenn man zunächst eine Grobanalyse des SprachwechselsSprachwechsel im Roman Stasys Šaltoka durchführt und sich dabei des von Helmich vorgeschlagenen Instrumentariums bedient, so fällt auf, dass die anderssprachigenanderssprachig (englischenEnglisch/English) Elemente unmarkiert in den litauischenLitauenlitauisch Erzählfluss eingefügt und im ganzen Text lokalisiert werden. Was die Einzelgröße und den Gesamtumfang der englischenEnglisch/English Einfügungen betrifft, benutzt die Autorin sowohl Einzellexeme als auch Wortverbindungen, vollständige Sätze und Textpassagen, die additiv oder synthetisch in den litauischenLitauenlitauisch Text integriert werden und von einem hohen „Vermischungsgrad“ der Sprachen (Helmich 2016: 31) zeugen. Der Roman handelt von einer zweisprachigenZweisprachigkeitzweisprachig bzw. mehrsprachigenMehrsprachigkeitmehrsprachig Generation und richtet sich an ein genauso mehrsprachigesMehrsprachigkeitmehrsprachig Lesepublikum, deswegen findet man im Text keine Verständnishilfen für anderssprachigeanderssprachig Elemente, d.h., das Fremdsprachige wird einfach stehen gelassen, was in dieser PoetikPoetik/poetics der MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit für programmatisch erachtet werden muss.

Dass GrušaitėsGrušaitė, Gabija Roman die Stimme einer mehrsprachigenMehrsprachigkeitmehrsprachig Generation der Global Player um die dreißig möglichst authentisch nachahmen soll, beweist unter anderem die Tatsache, dass anderssprachigeanderssprachig (englischeEnglisch/English) Elemente genauso häufig in der Erzähler- wie in der Figurenrede vorkommen. Bei einem Ich-Erzähler lässt sich aber nicht immer deutlich feststellen, ob es sich um erlebte Rede oder seine an andere Figuren gerichtete Aussagen bzw. seine Posts handelt. In der erlebten Rede kommen der SprachwechselSprachwechsel bzw. die SprachmischungSprachmischung meistens dann vor, wenn der Erzähler über andere Menschen und Beziehungen reflektiert: „Ungodly hour, wenn die Menschen wachwerden und an den bevorstehenden Tag denken, an to do lists, was sollte man erledigen und was weglassen, warum und wofür.“ (SŠ: 11) Wenn zwei anderssprachigeanderssprachig Sätze miteinander kombiniert werden, ist der litauischsprachige Satz meistens neutral und der darauffolgende englischsprachigeEnglisch/English wirkt aussagekräftiger: „Zwei Küsse auf die Wangen. I could fucking murder you now“ (SŠ: 15) oder „Wo sind meine Geschenke und warum habe ich nichts bekommen. Give me my fucking presents“ (SŠ: 17). Mit Hilfe der erlebten Rede werden auch, so der Eindruck, Vorentwürfe für seine späteren, Lebensweisheiten vermittelnden Posts formuliert, so etwa: „Ich werde in 20 Minuten da sein. I have no dignity. No integrity.“ (SŠ: 21); „Nach der Rückkehr liege ich lange im Bett und höre mein Herz schlagen, betrunken, erschöpft. A shadow of a human being.“ (SŠ: 27)

Was die Figurenrede im Text betrifft, werden die Gespräche des Ich-Erzählers mit seinen amerikanischenAmerika/USAamerikanisch Freunden, später auch mit dem Russen Alex oder mit Menschen in AsienAsien (Hotel- oder Restaurantpersonal, Taxifahrer, Polizisten, Journalisten, etc.) in englischerEnglisch/English Sprache geführt, aber im Text entweder nur in litauischerLitauenlitauisch Sprache oder eben mit Hilfe der SprachmischungSprachmischung wiedergegeben: „– Ich will meine Frau verlassen, – sagt er [ein amerikanischerAmerika/USAamerikanisch Freund] zum Schluss. – Go ahead – antworte ich. – Warum nicht.“ (SŠ: 23) Dass all die Gespräche vollständig in englischerEnglisch/English Sprache stattfinden, wird an einigen Stellen indirekt verraten, so etwa, wenn bei einem Telefongespräch der Erzähler sich über den amerikanischenAmerika/USAamerikanisch Akzent der Gesprächspartnerin aufregt: „Džanet [Janet], – versuche ich möglichst höflich, – that’s retarded. – Stasys… du brauchst Hilfe, – in dem Moment hasse ich ihren all american Akzent.“ (SŠ: 176) Auch mit dem Russen Alex scheint Stasys in englischerEnglisch/English Sprache zu kommunizieren, wodurch ein klarer Unterschied zu der älteren Generation der LitauerLitauenLitauer/-in, die in der AlltagskommunikationKommunikation mit Russen Russisch bevorzugen, verdeutlich wird. Stasys verweist auf vieles, was ihn mit Alex verbindet, aber anstelle des RussischenRusslandRussisch/Russian als KommunikationsspracheKommunikation tritt das EnglischeEnglisch/English, auch wenn der osteuropäischeOsteuropaosteuropäisch Akzent der beiden sich nicht ganz überhören lässt:

Wir beide wollen allein in der neuen Stadt bleiben, in der Stadt, die wir nicht verstehen, aber der osteuropäischeOsteuropaosteuropäisch Akzent, gleiche Frisuren und die Liebe für Whisky reichen aus, um uns so zu fühlen, als würden wie einander seit hundert Jahren kennen. (SŠ: 63)

Es ist nicht ersichtlich, wie die vermutlich englischsprachigeEnglisch/English KommunikationKommunikation mit den auf den Reisen getroffenen ThailändernThailandThailänder, Malaysiern, Mongolen etc. funktioniert, denn auf der Textebene werden diese Gespräche in litauischerLitauenlitauisch Sprache wiedergegeben.

EnglischeEnglisch/English Begriffe werden immer dann eingefügt, wenn es um modische Produkt-, Berufs- oder Lebensstilbezeichnungen geht: „Ich vermisse gar nicht die New Yorker und ihre life coaches“ (SŠ: 176), „new age Idioten“ (SŠ: 64), „Tänzer trying to make it in a big city“ (SŠ: 21) etc. Geschimpft wird im Roman auch meistens auf EnglischEnglisch/English, seltener auf RussischRusslandRussisch/Russian, wobei das Einfügen von anderssprachigenanderssprachig Schimpfwörtern insgesamt zu den häufigsten im Roman realisierten Formen des SprachwechselsSprachwechsel gezählt werden kann, so z.B. „Oh for fuck’s sake, wie langweilig sind wir, selbstzufriedene geistig Kranke“ (SŠ: 22) oder „Mir hat keiner gesagt, dass Doku-Drehen so fucking boring ist“ (SŠ: 117). Auch ironische oder sarkastische Kommentare werden von dem Erzähler in englischerEnglisch/English Sprache formuliert, obwohl nicht immer laut ausgesprochen, so heißt es z.B. über den Russen Alex: „Alex zeichnete sich von den anderen Menschen seiner Umgebung durch einen gesunden Verstand aus (to be confirmed)“ (SŠ: 79) oder „Alex dachte, das sei der Preis, den er dafür zahlen muss, dass er eine Zeitlang wie eine Prinzessin in einem Elfenbeinturm lebte, aber er war deswegen nicht traurig (sure)“ (SŠ: 83). Ganz häufig fallen dem Erzähler populäre Werbeslogans oder irgendwo gehörte bzw. gelesene ZitateZitat ein, die im Erzählfluss meistens in der Originalsprache, also EnglischEnglisch/English, rekapituliert werden:

Ich bleibe stehen und kaufe mir in dem Laden an der Ecke einen Kaffee. Feed your caffeine addiction. Ich habe zwei Stunden für den Spaziergang Richtung West Village, wo ich mich anlässlich meines Geburtstags mit Freunden zum Mittagessen treffe. (SŠ: 13)

Aus Helmichs Perspektive lohnt es sich, bei der Analyse des SprachwechselsSprachwechsel zwischen verschiedenen Arten von Textumgebungen zu unterscheiden und zu prüfen, ob Fremdsprachiges an besonderen Schauplätzen, in bestimmten Szenen oder sonstigen abgrenzbaren Bereichen gehäuft auftritt (Helmich 2016: 30). In diesem Sinne stechen die Romanstellen hervor, in denen es um englischsprachigeEnglisch/English Posts oder vorformulierte, jedoch nicht realisierte Beiträge im Kopf des Erzählers geht, die sich im ganzen Text verteilen und den unvermittelten SprachwechselSprachwechsel explizit illustrieren. Die Sprache der sozialen Netzwerke sieht immer schon die Integration englischerEnglisch/English Begriffe vor, sodass auch die litauisch-englischeEnglisch/English ZweisprachigkeitZweisprachigkeit als Ausdruck eines globalen MedialektsMedialekt gelten kann. Der Bericht über die verbalen und visuellen Posts, Tweets, Chats etc. wird durch wörtliche ZitateZitat durchdrungen, was zu einer intensiven SprachmischungSprachmischung führt. Hier ein längeres Beispiel, wie man sie häufig im Roman Stasys Šaltoka finden kann:

Why 30th bday drives people insane? #not30yet. Tweet.

Während wir Portobello Burger essen, bekomme ich hunderte Kommentare und Retweets.

What’s on ur BEFORE 30th to do list? Tweet.

Noch mehr Kommentare.

Not to die, schreibt jemand. […]

Wir verabschieden uns, ich komme nach Hause und schlafe ein. Ich erwache, wenn es bereits dunkel ist. Ich sehe, Kanye West hat meinen Tweet beantwortet: TO BECOME A GOD.

Fuckin people. (SŠ: 17)

Wenn der Erzähler an seinem neunundzwanzigsten Geburtstag in der New Yorker Wohnung wach wird, sucht er zunächst nach der besten Perspektive für ein Manhattan-Bild, das sofort in seinem Instagram hochgeladen wird, begleitet von dem englischsprachigen Post: „Klick. #sublime #newyorknights #happydaytome #blessed #happiness“ (SŠ: 11). Solche Posts vermehren sich auf der Reise durch AsienAsien und helfen dem Erzähler, seine zwischen Begeisterung, Gleichgültigkeit oder Abneigung schwankenden Gemütszustände für sich selbst und für die anderen in wenigen Worten zusammenzufassen.

In den früher erwähnten litauischenLitauenlitauisch Migrationstexten wird die mehrsprachigeMehrsprachigkeitmehrsprachig KommunikationKommunikation sowie die transkulturellenTranskulturalitättranskulturell Beziehungen häufig auf das Minimum reduziert, wobei als Grund dafür die fehlende FremdsprachenkompetenzSprachkompetenzFremdsprachenkompetenz der MigrantenMigrant/in gelten soll (Laurušaitė 2019: 46). Im Fall von Stasys Šaltoka ist die oberflächliche, fragmentarische und lakonische Kommunikation nicht durch mangelnde SprachkenntnisseSprachkenntnisse, sondern durch die KommunikationsartKommunikation motiviert. Es handelt sich insofern um eine Art Berufs- bzw. Lebensstilidentität konstituierende Authentizität, wenn am Beispiel eines aktiven Nutzers von Social Media gezeigt wird, wie in seinem Bewusstsein verschiedene Sprachen vorhanden sind und abwechselnd zur Artikulation gelangen. Die Bildervielfalt und SprachmischungSprachmischung dienen bei Grušaitė Grušaitė, Gabija der Demonstration der Weltläufigkeit, aber auch der Charakterisierung eines sozialen Typus, nämlich eines reiselustigen Digital Native, der die Welt mit Hilfe seines Handys wahrnimmt und präsentiert. Darüber hinaus ist die ZweisprachigkeitZweisprachigkeit ein Charakteristikum, das zur Identitätsbildung bestimmter Zielgruppen beiträgt und globale Community-Zugehörigkeit stärkt.

Stasys Šaltoka reist von New York nach ThailandThailand, von Thailand nach MalaysiaMalaysia, von Malaysia nach HongkongHongkong usw., scheint sich für die fremdenFremdheitfremd Kulturen zu interessieren, aber klemmt fest an seinem typischen Lifestyle, nämlich Instagram, Luxushotels, Whisky u.Ä. Die Langeweile und die Abenteuerlust („wir sind hier for some fun“, SŠ: 169) bewegen Stasys und seine Mitreisenden, den ebenfalls aus den USA eingereisten Kenneth Braun und den Neurussen Alex LermontovLermontov, Michail, dazu, eine Dokumentation über die politischePolitik/politicspolitisch/political Korruption in Malaysia zu drehen, was zu immer neuen unmittelbaren Begegnungen mit Einheimischen führt. Die Gattung des Reiseberichts impliziert Radaelli zufolge fast immer eine Überschreitung sprachlicher Grenzen und das Betreten anderssprachigeranderssprachig Räume (Radaelli 2011: 76). Auch in Stasys Šaltoka offenbart sich durch Reisebeschreibungen ein mehrsprachigerMehrsprachigkeitmehrsprachig kultureller und sozialer Raum, der sich mit seiner VielstimmigkeitStimme, fremdeVielstimmigkeit den Reisenden aufdrängt. Wenn der Erzähler nach einem 30-stündigen Flug in Bangkok landet, lautet sein erster Eindruck folgendermaßen: „Die Straße voll Hitze und glühender Gesichter, hier ist immer Freitag, hier ist immer zu viel Whisky, zu viele Souvenirs, Schmutz und fremdeFremdheitfremd Sprachen.“ (SŠ: 58) Obwohl die selbstverliebten Hipster auf ihre eigenen mehrsprachigenMehrsprachigkeitmehrsprachig Stimmen, sei es auf Instagram oder in der alltäglichen KommunikationKommunikation, fixiert bleiben, lässt sich die VielstimmigkeitStimme, fremdeVielstimmigkeit der asiatischenAsienasiatisch Metropolen nicht überhören, wird aber im Roman nur durch den Erzählerbericht, also nicht explizit, wiedergegeben:

Ich gucke beim Vorbeigehen auf all die Muslime und verstehe, wie leicht man Fremdenhass erwecken kann – plötzlich fühle ich mich durch ihre bunte, synthetische und billige Kleidung verärgert, aber auch dadurch, wie sie ihr fettiges Curry mit Händen essen, wie sie ihre verfluchte Barbarensprache sprechen. (SŠ: 164)

An dieser Stelle wird deutlich, wie fremdFremdheitfremd und undurchdringlich auf den Erzähler die asiatischenAsienasiatisch Kulturen und Sprachen wirken, was auf eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihm und seinem aus den USA eingereisten Bekannten Kenneth Brown, einem rothaarigen Iren, „geboren an den Ufern der Cardiganbucht“, aufgewachsen in Wales (SŠ: 36), einem Streber nach Ruhm und Anerkennung, hinweist. Kenneth wird vom Erzähler als bornierter Fremdenhasser dargestellt („Diese fuckin piece of shit Muslime…“, SŠ: 98), von dem er sich durch seinen spezifischen (post-)sowjetischenSowjetunionpostsowjetisch Lebenslauf, seinen Weltschmerz und seine existenzphilosophischen Reflexionen zu unterscheiden glaubt. Enttäuscht muss er aber zugeben, dass es gar nicht so viele Unterschiede zwischen ihm und Kenneth gibt: „Vielleicht hatten Kenny und ich vor allem das gemeinsam, dass sowohl Vilnius, die Stadt meiner Kindheit, als auch sein Wales nicht mehr existieren. Im Laufe unseres gar nicht so langen Lebens haben die Strömungen der Geschichte viele Gedächtnisschichten weggeschwemmt, die Kanten entschärft […]“ (SŠ: 37–38). Stasys erkennt, dass er mit seinem medial vorgespielten Leben dem WaliserWaliser viel ähnlicher ist, als er das wahrhaben möchte, so etwa, wenn es um ihre scheinbare Sorge um die Welt, eigentlich aber nur um das eigene Image geht (SŠ: 113). Einen Vorteil glaubt er aber gegenüber Kenneth zu haben, nämlich seine MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit, während sich die SprachkompetenzSprachkompetenz des WalisersWaliser auf das EnglischeEnglisch/English sowie seine ganze Weltwahrnehmung auf „das Angelsächsische“ beschränkt (SŠ: 133).

Die geteilten Lebenserfahrungen und Erinnerungen, so etwa an „die elektrisch grüne Farbe der Flurwände in sowjetischenSowjetunionsowjetisch/Soviet Schulen“ (SŠ: 65), nicht zuletzt auch die MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit verbinden Stasys mit dem Russen Alex LermontovLermontov, Michail, den er zufällig in Bangkok trifft. Der Name Lermontov kann nicht nur als ironische Anspielung auf die russischeRusslandrussisch Literaturklassik, sondern auch als eine weitere, latentelatent Form literarischer Mehrsprachigkeit gelten. Im Hinblick auf den SprachwechselSprachwechsel, der durch die Einführung fremdsprachiger Eigennamen geschieht, spricht Radaelli von den Worten, „die stärker als andere mit Bedeutung aufgeladen sind und grundlegende Sinnbeziehungen, ja ganze Vorstellungswelten entstehen lassen“ (Radaelli 2011: 100). Dem Stereotyp eines reichen Oligarchensohns entsprechend, verweist Alex’ Familienname zwar auf das in russischerRusslandrussisch Sprache verfasste Weltliteraturgut (SŠ: 61), aber sein erstsprachlicher Wortschatz beschränkt sich in der aktuellen KommunikationKommunikation auf die wenigen Schimpfwörter, wie etwa „Geh nahui“ (SŠ: 93). Die Bedeutung dieser Schimpfwörter ist nur für Alex und Stasys, aber nicht für Kenneth erschließbar und somit können sie als Mittel zur Markierung osteuropäischerOsteuropaosteuropäisch Verbundenheit betrachtet werden (auch Stasys selbst reagiert spontan auf einen schlecht schmeckenden Kaffee mit „Nx bl“ (SŠ: 97), was eine Abkürzung vom üblen russischenRusslandrussisch Schimpfwort „Nahui blyat“ ist und so etwas wie „Hau ab“ oder „Verpiss dich“ bedeutet).

Es ist häufig der Fall, dass in den Migrationsromanen, die das Leben litauischerLitauenlitauisch bzw. osteuropäischerOsteuropaosteuropäisch (Arbeits-)MigrantenMigrant/in schildern, z.B. der Roman Wir waren gestern auf der Insel (2011) von Aleksandra Fomina, das RussischeRusslandRussisch/Russian als die einzige Verständigungssprache und als Mittel zur Überwindung vom Integrationsschock präsentiert wird. In dem Roman von Grušaitė Grušaitė, Gabija scheinen die beiden aus dem (post-)sowjetischenSowjetunionpostsowjetisch Raum stammenden Figuren, Stasys und Alex, sich auf EnglischEnglisch/English zu verständigen (SŠ: 63). Dies soll unter anderem als Beweis dafür gelten, wie weit der Transformationsprozess aus einem OsteuropäerOsteuropaOsteuropäer in den englischsprachigen Global Player im Fall von Stasys bereits fortgeschritten ist, sodass er für das Denken und Handeln von Alex häufig genauso wenig Verständnis findet wie für die Malaysier oder ThailänderThailand. Das Verhältnis von Stasys zu dem Russen Alex ist insgesamt als ambivalent zu bewerten: Manchmal braucht er ihn als Identifikationsfigur, mit der man gewisse Lebenserfahrungen teilen und in russischerRusslandrussisch Sprache schimpfen kann, manchmal aber distanziert er sich von Alex, um sich als „richtiger“ New Yorker fühlen zu können (die KommunikationKommunikation in englischerEnglisch/English Sprache ist offenbar ein Mittel, diese Distanz zu bewahren).

Die Autorin präsentiert einen LitauerLitauenLitauer/-in, der sich auf seinen Reisen von westlichen fremdenfeindlichen Stereotypen und Klischees leiten lässt oder, was auch ziemlich häufig geschieht, sich die ganze Schuld der „weißen privilegierten Männer“ (SŠ: 291) für Diskriminierung, Ausbeutung, Armut, Hunger usw. auf die eigenen Schultern legt. Die Identifikation mit der „westlichen“ Schuld soll, genauso wie die fortgeschrittene ZweisprachigkeitZweisprachigkeit, die Integration in den westlichen mentalen Raum bestätigen. Grušaitė Grušaitė, Gabija bringt die Selbstidentifizierung eines LitauersLitauenLitauer/-in mit der westlichen Welt zum Ausdruck, indem sie sein Verhältnis bzw. seine stereotypische Wahrnehmung des Ostens (ThailandThailand, MalaysiaMalaysia, HongkongHongkong) präsentiert. Der Romanprotagonist kann seine kulturelle Zugehörigkeit bestätigt bekommen, wenn er merkt, dass er den Osten auf eine westliche Art, nämlich als „weißer privilegierter Mann“, konsumieren kann (Repečkaitė 2018). Während er in New York immer noch von den Erinnerungen an seine Jugend in Vilnius heimgesucht wird, personifiziert in der Gestalt einer imaginierten Unbekannten, und eine gewisse Distanz zum amerikanischenAmerika/USAamerikanisch oberflächlichen Lifestyle empfindet (SŠ: 19), hört er in SüdostasienAsien aufgrund seiner Rasse und unbegrenzten finanziellen Möglichkeiten auf, ein „OsteuropäerOsteuropaOsteuropäer“ zu sein. Die Literaturbloggerin Daiva Repečkaitė hat bemerkt, dass die Konsumierung des Ostens auch durch den unterschiedlichen Umgang der Autorin mit verschiedenen, im Roman explizit oder latentlatent vorkommenden FremdsprachenFremdsprache geschieht: So werden z.B. die englischenEnglisch/English Eigennamen konsequent ins LitauischeLitauenLitauisch transkribiert („Džanet“; „Izabelė“, etc.), die südostasiatischenAsienasiatisch Toponyme dagegen stehen meistens in englischerEnglisch/English Sprache, als ob Grušaitė nicht wüsste, wie man sie aussprechen soll (Repečkaitė 2018). Ähnliches gilt auch für asiatischeAsienasiatisch Eigennamen, die sogar durch kreative AlternativenAlternative ersetzt werden, so etwa der Name eines Zimmermädchens: „wir nennen sie Mel, weil wir ihren Namen nicht aussprechen können“ (SŠ: 279). Aus imagologischer Sicht ist immer die Frage, ob die Stereotypisierungen auf der Textebene dekonstruiert oder im Gegenteil verstärkt werden, was im Fall des Romans Stasys Šaltoka im Zusammenhang mit seiner MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit diskutiert werden kann. Die sarkastischen Bemerkungen über den westlichen Konsum des Ostens, z.B. die FremdeFremdheitFremde sei nur als „exotische Lokation“ für Instagram-Bilder interessant (SŠ: 107), sollen die im Roman enthaltene Kritik an so einer begrenzten Perspektive betonen; die weitgehend zum Schweigen gebrachte Sprachen- bzw. VarietätenVarietät-Vielfalt und die Reduzierung der KommunikationKommunikation auf EnglischEnglisch/English als globale Verständigungssprache zeugen jedoch von sprachlicher und kultureller Hegemonie, wie sie auch aus der Kolonialzeit für die Region bekannt ist, und somit von gewisser Inkonsequenz des auf Überwindung von Stereotypen aufbauenden Romankonzepts.

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