Kitabı oku: «Mehrsprachigkeit und das Politische», sayfa 7

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1 Einleitung

Die deutschbaltische literarische KulturDeutschbaltendeutschbaltische literarische Kultur ist seit ihrem Anfang im 13. Jahrhundert ein mehrsprachigesMehrsprachigkeitmehrsprachig Phänomen gewesen. Es handelt sich um die Literatur einer deutschsprachigenDeutschlanddeutschsprachig MinderheitMinderheit in den heutigen Gebieten der Republiken EstlandEstland/Estonia und LettlandLettland/Latvia, bestehend aus Adel, Bürgerlichen und Geistlichen, die in diesen Ländern seit der Christianisierung während vieler Jahrhunderte die Oberschicht bildete. Die Geschichte der deutschbaltischenDeutschbaltendeutschbaltisch Besiedlung endete mit dem Zweiten WeltkriegWeltkriegZweiter Weltkrieg, als die DeutschbaltenDeutschbalten im Rahmen der UmsiedlungUmsiedlung (1939–1940) und der darauffolgenden Nachumsiedlung (1941) die Gebiete verließen. Nach dem Zweiten WeltkriegWeltkriegZweiter Weltkrieg war Forschung zur deutschbaltischenDeutschbaltendeutschbaltisch Literatur in Est- und LettlandLettland/Latvia aus politischenPolitik/politicspolitisch/political Gründen unerwünscht. Ebenso wurden die deutschbaltischenDeutschbaltendeutschbaltisch Werke nicht übersetzt, so dass sie den estnischenEstland/Estoniaestnisch bzw. lettischenLettland/Latvialettisch Lesern erst am und nach dem Ende der SowjetzeitSowjetunionSowjetzeit zugänglich wurden und somit für diese alten Texte eine zweite Welle der Rezeption aufkam.

In der aktuellen literatur- und kulturwissenschaftlichen Forschung fehlt der Konsens darüber, wie die deutschbaltischeDeutschbaltendeutschbaltisch Literatur zu bestimmen ist. Traditionell werden estnischeEstland/Estoniaestnisch, lettischeLettland/Latvialettisch und deutschbaltischeDeutschbaltendeutschbaltisch Literatur getrennt betrachtet, wobei vor allem die Sprache (vgl. Hasselblatt 2006: 3), aber auch die Herkunft der Autoren und Autorinnen sowie die behandelten Themen von Bedeutung sind (Wilpert 2005: 16). Diese sprachliche Abgrenzung wird jedoch der kulturellen und sprachlichen Vielfalt der in der Region geschriebenen literarischen Texte nicht gerecht. Jaan Undusk (2011: 561–562) macht darauf aufmerksam, dass die estnischeEstland/Estoniaestnisch und lettischeLettland/Latvialettisch Literatur bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts keine eigenen Literaturen bildeten, sondern als Peripherie der deutschbaltischenDeutschbaltendeutschbaltisch Literatur funktionierten. Diese Peripherie beeinflusste rückwirkend das Zentrum, wobei u.a. das mehrsprachigeMehrsprachigkeitmehrsprachig Schreiben eine bedeutende Rolle spielte. Ebenso kann man vermuten, dass die deutschbaltischeDeutschbaltendeutschbaltisch Literatur wegen der ethnischenEthnieethnisch Mischung der Bevölkerung, gesellschaftlichen und sprachlichen Kontakte, kulturellen Prozesse und Zugehörigkeit der Gebiete zu verschiedenen Mächten in einem mehrsprachigenMehrsprachigkeitmehrsprachig und transkulturellenTranskulturalitättranskulturell Kontext entstand. Neben der deutschbaltischen VarietätDeutschbaltendeutschbaltische Varietät wurden auch finno-ugrischefinno-ugrisch und baltische Sprachen sowie je nach der kulturell-politischen Lage unter anderem auch LateinLatein, PolnischPolenPolnisch/Polish, SchwedischSchwedenSchwedisch, RussischRusslandRussisch/Russian, FranzösischFrankreichFranzösisch verwendet. Der Einfluss dieser sprachlichen Situation auf die Literatur ist jedoch bisher nur am Rande erforscht worden (Wilpert 2005: 16).

Die Frage nach dem Einfluss der beschriebenen sprachlichen Vielfalt auf die deutschbaltischeDeutschbaltendeutschbaltisch Literatur im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war das Anliegen eines Projekts von Tallinner Germanistikstudierenden unter der Leitung von Maris Saagpakk, aus dem der vorliegende Beitrag hervorgegangen ist. Am Projekt haben Studierende aus unterschiedlichen Studienjahren teilgenommen. Zwei der Studierenden (Mart Vinnal, Liisbet Erepuu) haben ihre Seminararbeiten zu diesem Thema geschrieben und sind dann aus dem Projekt ausgestiegen,1 drei (Marin Jänes, Annika Saar, Marianne Laura Saar) haben die Arbeit unter Betreuung von Maris Saagpakk fortgesetzt. Die Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausarbeitung des Beitrags wurde von Marin Jänes ausgeführt.

Der Fokus des Projekts lag darauf, in welchen Formen die MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit in der Literatur weitergegeben wird, welche Funktionen die Mehrsprachigkeit in den Werken hat und welche Schlussfolgerungen für die sprachlichen, kulturellen und sozialen Differenzen im historischenhistorisch BaltikumBaltikum daraus gezogen werden können. Lawrence Alan Rosenwalds Satz: „literature can teach us something about linguistic history“ (2008: xi) diente dabei als Arbeitshypothese. Neben der Analyse der literarischen Primärtexte wurde auch die Mehrsprachigkeit in den ÜbersetzungenÜbersetzung/translation der analysierten Texte ins EstnischeEstland/EstoniaEstnisch/Estonian, die seit 1991 erschienen sind, in Betracht gezogen. Darüber hinaus hat die Gruppe ihre persönlichen Mehrsprachigkeitsprofile analysiert, um die eigenen Verwendungsformen und -kontexte sowie die allgemeinen sprachlichen, kulturellen und sozialen Rahmenbedingungen der Mehrsprachigkeit besser zu verstehen. Auf die Analyse der ÜbersetzungenÜbersetzung/translation sowie die didaktische Einbettung und Lerneffekte des Projekts wird im Folgenden nicht näher eingegangen. Der vorliegende Artikel präsentiert die Ergebnisse der studentischen Recherche und stellt sie in den Kontext der Forschungslage zur deutschbaltischenDeutschbaltendeutschbaltisch Literatur und Kultur.

2 Soziokulturelle und sprachliche Rahmenbedingungen der analysierten Werke

Für den vorliegenden Beitrag wurden drei Werke der deutschbaltischenDeutschbaltendeutschbaltisch Literatur ausgewählt, die Informationen zu den früheren Sprachsituationen in den Gebieten des heutigen EstlandsEstland/Estonia liefern – Mein Onkel Hermann von Monika HunniusHunnius, Monika (1921), Briefe eines baltischenBaltikumBaltisch Idealisten von Georg Julius von Schultz-BertramSchultz-Bertram, Georg Julius von (1934) und Der Henker von Edzard SchaperSchaper, Edzard (1940). Obwohl alle drei analysierten Werke in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erschienen sind, deckt die Handlungszeit sowie die Schreibzeit der Werke mehr als ein Jahrhundert ab. Die kulturellen Rahmenbedingungen und die jeweilige politischePolitik/politicspolitisch/political Lage, wie auch die aktuell gültigen Sprachsituationen und -hierarchien1 während des Schreibens und der dargestellten Handlung waren somit bei allen Werken verschieden.

2.1 Georg Julius von Schultz-BertramSchultz-Bertram, Georg Julius von und die Zeit um die Mitte des 19. Jahrhunderts

Die im Jahre 1934 in Leipzig erschienenen Briefe eines baltischenBaltikumBaltisch Idealisten wurden erst Jahrzehnte nach dem Tod des Autors von Johannes WernerWerner, Johannes herausgegeben. Das Werk enthält die Briefe des Schriftstellers, Arztes, Ethnologen und Journalisten Georg Julius von Schultz-BertramSchultz-Bertram, Georg Julius von (1808 Tallinn [damals Reval] – 1875 Wien). Die in der Sammlung publizierten privaten Briefe Schultz-Bertrams an seine Mutter und seinen engen Freundeskreis stammen aus den Jahren 1833–1875.

Die Zeit um die Mitte des 19. Jahrhunderts war sowohl politischPolitik/politicspolitisch/political als auch kulturell turbulent. Wie vielerorts in Mittel- und OsteuropaOsteuropa kam es in der estnischsprachigen Bevölkerung zu einem Erwachen des Nationalgefühls, wobei die deutschbaltischeDeutschbaltendeutschbaltisch MinderheitMinderheit anfangs eine unterstützende Rolle spielte. EstlandEstland/Estonia gehörte seit Anfang des 18. Jahrhunderts zum russischenRusslandrussisch Zarenreich, aber die DeutschbaltenDeutschbalten hatten ständische Sonderrechte und baltische Provinzen genossen eine politischePolitik/politicspolitisch/political Autonomie. Für die sprachliche Situation bedeutete diese Zeit einen etwas stärkeren Kontakt zur russischenRusslandrussisch Sprache, aber DeutschDeutschlandDeutsch als Sprache der Verwaltung, höherer Bildung und Wissenschaft blieb an erster Stelle der Sprachhierarchie und die ständische Teilung der Sprachen – DeutschDeutschlandDeutsch als Sprache der Oberschicht und oberen Mittelschicht und EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian als Sprache der unteren Bevölkerungsschicht – blieb bestehen (vgl. Hennoste 1997: 55).

Schultz-BertramSchultz-Bertram, Georg Julius von gehörte zu den estophilen DeutschbaltenDeutschbalten, die der Idee von Johann Gottfried HerderHerder, Johann Gottfried folgten, dass die Trennung zwischen ‚barbarischen‘ und ‚kultivierten‘ Völkern aufgehoben gehört. Er nahm aktiv an den Diskussionen über die Stellung der estnischenEstland/Estoniaestnisch Sprache und Kultur teil (vgl. Saagpakk 2015: 106) und befürwortete, dass die Esten „auf dem natürlichen Entwickelungsgange aus sich selbst einem erhöhten Selbstbewußtsein, einem nationalenNationnational Gefühl und dadurch einer höheren Bildung“ entgegengeführt werden sollten (Schultz 1860: 433). Während seiner Lebenszeit übernahmen nationaleNationnational Aktivisten estnischer Herkunft selbst die Entwicklung der estnischenEstland/Estoniaestnisch Kultur und nahmen diese damit den DeutschbaltenDeutschbalten aus der Hand.

2.2 Monika HunniusHunnius, Monika und ihr Rückblick auf EstlandEstland/Estonia in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Der autobiographischeBiographiebiographisch Roman Mein Onkel Hermann von Monika HunniusHunnius, Monika erschien im Jahre 1921 in Heilbronn. Die Schriftstellerin, Sängerin und Gesangslehrerin Monika Adele Elisabeth Hunnius (1858 Riga – 1934 Riga) lebte ihre ersten zehn Lebensjahre in EstlandEstland/Estonia. Danach war sie vor allem in Riga ansässig, wo sie auch den Ersten WeltkriegWeltkriegErster Weltkrieg erlebte. Eine kurze Periode verbrachte sie danach in DeutschlandDeutschland (vgl. Bender/Peekmann 2019: 46), während der sie zu schreiben begann und der analysierte Roman erschien.

Im Roman erinnert sie sich an die Sommer ihrer Jugendzeit in Paide (Weißenstein) bei Carl Hermann HesseHesse, Carl Hermann, mit dem sie verwandtschaftliche Verbindungen hatte. Im Geleitwort des Romans mit dem Untertitel Die Erinnerungen an Alt-EstlandEstland/Estonia schreibt Hermann HesseHesse, Hermann (das Enkelkind von Carl Hermann Hesse), dass „es alte Geschichten [sind], die dies Buch erzählt, sie geschahen in einer Welt, die nicht mehr ist“ (Hesse in Hunnius 1921:6). Tatsächlich waren zwischen der im Roman beschriebenen Periode und der Schreibzeit heftige Erschütterungen durch das Land gegangen – die RussifizierungRussifizierung am Ende des 19. Jahrhunderts, die Revolution von 1905 mit dem Niederbrennen von Gutshäusern, die Kriegszeit, Abschaffung der Gutshöfe sowie Stände und aller ständischen Institutionen nach der Gründung der Republik etc. Auch die Sprachsituation veränderte sich drastisch. Die DeutschbaltenDeutschbalten, die sich bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts primär an DeutschlandDeutschland orientiert hatten, fanden sich angesichts des verstärkten nationalenNationnational Selbstbewusstseins der Esten, der langen Isolation von DeutschlandDeutschland und der beginnenden RussifizierungRussifizierung in einer neuen Lage (vgl. Lukas 2006: 40; Plath 2011: 15). Infolge der Russifizierung verloren die bisher an erster Stelle der Sprachhierarchie gelegene deutscheDeutschlanddeutsch Sprache und die gerade erst einen gewissen Status gewonnene estnischeEstland/Estoniaestnisch Sprache an Bedeutung im öffentlichen Leben zugunsten des RussischenRusslandRussisch/Russian. Dies bedeutete jedoch nicht, dass die DeutschbaltenDeutschbalten und Esten sich mit dieser offiziellen Hierarchie abfanden. Für die Deutschbalten blieb das DeutscheDeutschlandDeutsch an erster Stelle und für die Esten stieg das EstnischeEstland/EstoniaEstnisch/Estonian an die Spitze der Sprachhierarchie. So entstanden in der Gesellschaft drei unterschiedliche und konkurrierende Sprachhierarchien, die von unterschiedlichen Nationalitäten und sozialen Schichten getragen wurden (vgl. Hennoste 1997: 58).

Der Roman wurde nach der Gründung der Republik EstlandEstland/Estonia geschrieben. Die Abschaffung der Ständegesellschaft und die ‚Estnifizierung‘ bedingten eine neue Sprachsituation, in der sich der Status des EstnischenEstland/EstoniaEstnisch/Estonian erhöhte. Diese gesellschaftlichen Umwälzungen beeinflussten die Autorin in ihrer Schreibweise, so dass sie ihre Jugendzeit als eine „verschwundene“ (Hunnius 1921: 8) und abgeschlossene Periode, ein „Idyll“ (ebd.) im sogenannten „Alt-EstlandEstland/Estonia“ sieht und diese samt der gesellschaftlichen Hierarchien und Sprachsituation entsprechend abbildet. Die Funktion des Textes besteht für die Autorin, aber auch für die vielen (heimatvertriebenen) Leser im NachkriegsdeutschlandDeutschland, im Jahre 1921 darin, sich in diese „ganze sonnige Welt, die man geliebt“ hatte, zurückzuretten (ebd.).

2.3 Edzard SchaperSchaper, Edzard und die gesellschaftlichen Umwälzungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Der Henker von Edzard SchaperSchaper, Edzard (1908 Ostrów [Ostrowo] – 1984 Bern) erschien im Jahre 1940 in Leipzig. Schaper ist ein Sonderfall der deutschbaltischenDeutschbaltendeutschbaltisch Literaturgeschichte. Obwohl er ein deutscherDeutschlanddeutsch Schriftsteller und Übersetzer war, der lediglich in den Jahren 1930–1940 in EstlandEstland/Estonia lebte, führten familiäre Beziehungen mit den DeutschbaltenDeutschbalten und die Faszination mit der Geschichte des Landes in mehreren Romanen zu einer tiefen literarischen Auseinandersetzung mit deutschbaltischenDeutschbaltendeutschbaltisch Themen.

Der Henker wurde am Vorabend des Zweiten WeltkriegesWeltkriegZweiter Weltkrieg geschrieben. Bis dahin wurden die Prozesse der sprachlichen und kulturellen Kräfteverschiebungen, die mit der Gründung der Republik angefangen hatten, weitergeführt. Mit dem Anfang des Kriegs veränderte sich die Situation grundlegend – die DeutschbaltenDeutschbalten wurden aus den baltischenBaltikumBaltisch Ländern umgesiedelt. Edzard SchaperSchaper, Edzard folgte der Aufforderung „Heim ins Reich“ nicht, sondern flüchtete 1940 nach Finnland, danach nach SchwedenSchweden und fand schließlich eine dauerhafte Bleibe in der SchweizSchweiz.

Die politischePolitik/politicspolitisch/political Situation spiegelte sich auch in Schapers literarischem Werk wider, in dem er sich überzeitlich mit den totalitären Regimen des 20. Jahrhunderts und mit der Verantwortung des Individuums dabei auseinandersetzte (vgl. Gierlich 2014: [5]). Dies trifft auch für Den Henker zu, in dem SchaperSchaper, Edzard die Revolution von 1905 auf dem heutigen Territorium EstlandsEstland/Estonia aus den Perspektiven der deutschbaltischenDeutschbaltendeutschbaltisch Adligen, der russischenRusslandrussisch Zentralmacht und der estnischenEstland/Estoniaestnisch Bauern betrachtet. In dieser Zeit lag an der Spitze der offiziellen Sprachhierarchie das RussischeRusslandRussisch/Russian, in der Gesellschaft war die Sprachsituation aber vielfältiger. Die Esten wurden in ihren Nationalbestrebungen immer selbstbewusster, ebenso war im Gegensatz zu früheren Perioden die Germanisierung nicht mehr eine Voraussetzung des Aufstiegs in der sozialen Hierarchie. Vielmehr wurden Bestrebungen als DeutscheDeutschlandDeutsche oder Russe zu erscheinen nun negativ beurteilt und solche Esten abwertend als HalbdeutscheDeutschlandHalbdeutsch1, und Halbrussen2 bezeichnet (Hennoste 1997: 58). Die Unzufriedenheit und die daraus resultierende revolutionäre Stimmung der Esten war für die DeutschbaltenDeutschbalten eine negative Überraschung. Um den Gründen dieser Entwicklungen nachzugehen, nimmt der Roman die gesamte Geschichte und das Selbstverständnis der DeutschbaltenDeutschbalten unter die Lupe. Im Roman geht es um einen deutschbaltischenDeutschbaltendeutschbaltisch Offizier Ovelacker in russischenRusslandrussisch Diensten, der die Revolution von 1905 im fiktivenFiktivitätfiktiv Ort Drostenholm brutal unterdrückt, später aber dorthin als Erbe des ermordeten Gutsherrn zurückkehrt. Spannung wird aufgebaut zwischen Ovelacker und einem Bauern, der in der Vergeltungsaktion gegen die Aufständischen zwei Söhne verloren hatte. Der dritte Sohn des Bauern wird nach Sibirien verbannt, der Kampf um seine Befreiung kristallisiert das Unrecht gegen die Esten durch die Deutschbalten. Lukas (2002) nennt den Roman in der estnischenEstland/Estoniaestnisch ÜbersetzungÜbersetzung/translation daher einen ,Versöhnungsroman‘, da die Schreibzeit des Romans – Ende der 1930er Jahre, als die Deutschbalten als zur MinderheitMinderheit degradierte einstige Machthaber – die nachdenkliche Stimmung des Werkes, das die Wendepunkte in den deutschbaltischDeutschbaltendeutschbaltisch-estnischenEstland/Estoniaestnisch Beziehungen aufdeckt, bedingte.

3 Elemente der MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit in den analysierten Werken

Es soll nun an die eingangs aufgestellte Hypothese erinnert werden, dass mit Hilfe der Literatur Aussagen über die Sprachgeschichte gemacht werden können. Dabei sollte, wie Dembeck betont, „die sprachhistorische Entwicklung jedoch nicht selbst der Gegenstand des [literaturwissenschaftlichen] Interesses sein“ (2017: 127). Im vorliegenden Beitrag wird daher versucht, erstens die Rahmenbedingungen der Repräsentationen von MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit auszuleuchten, zweitens aber auch stets auf die literarischen Funktionen der Verwendung von Mehrsprachigkeit zu achten.

Die Grundsprache aller analysierten Werke ist Standarddeutsch. MündlichMündlichkeitmündlich verwendeten die DeutschbaltenDeutschbalten eine VarietätVarietät, die vom Vokabular des EstnischenEstland/EstoniaEstnisch/Estonian, bzw. LettischenLettland/LatviaLettisch/Latvian, RussischenRusslandRussisch/Russian und auch des von der russischenRusslandrussisch Aristokratie benutzten FranzösischenFrankreichFranzösisch beeinflusst war, in der Literatur wurde aber bewusst HochdeutschDeutschlandHochdeutsch verwendet (vgl. Lukas 2006: 494). Kommt die Varietät doch vor, so werden diese Stellen erklärt, manchmal tritt sie als ein ZitatwortZitatZitatwort im natürlichen Wortschatz des Autors auf (vgl. Bender 2017: 603). Lukas verbindet die Verwendung des HochdeutschenDeutschlandHochdeutsch mit dem Versuch „die durch die Sprache vermittelte kulturelle IdentitätIdentität/identity zu bewahren“ (2006: 494). Bei den analysierten Werken spielte es auch eine Rolle, dass als Zielgruppe der Werke die Leserschaft in DeutschlandDeutschland vermutet werden kann. Es muss daher angenommen werden, dass der implizierte Leser, der den Autoren vorschwebte, kein EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian oder RussischRusslandRussisch/Russian kann. Für diesen Leser wären also die entsprechenden Passagen nicht nur schwierig, sondern unmöglich zu verstehen. Die Funktion der Figurenrede, oder auch Namen und Ortsbezeichnungen auf EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian und (weniger) auf RussischRusslandRussisch/Russian ist daher einerseits in der Darstellung des Lokalkolorits zu vermuten, hat aber andererseits auch eine exotisierende Wirkung, insbesondere in der Kombination mit der Betonung der geringeren sozialen Position der Sprecher anderer lokaler Sprachen.

Wie bereits erwähnt, waren die soziokulturellen und die politischenPolitik/politicspolitisch/political Rahmenbedingungen der analysierten Werke sowohl während des Schreibens als auch während der Perioden, in denen die dargestellte Handlung stattfindet, unterschiedlich. Diese Sprachsituationen reflektieren sich in den Werken, wo neben der deutschenDeutschlanddeutsch Grundsprache auch anderssprachigeanderssprachig Elemente zur Verwendung kommen, aber eben durch den Filter der persönlichen (Sprach-)Kenntnisse und -Einstellungen der Schreibenden. Wie die Analyse zeigt, war die MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit in EstlandEstland/Estonia zur Entstehungszeit der geschilderten Werke wesentlich vielfältiger als die obenerwähnte gesellschaftliche Sprachhierarchie – DeutschDeutschlandDeutsch, RussischRusslandRussisch/Russian, EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian. Daneben spielten auch FranzösischFrankreichFranzösisch, LateinLatein, SchwedischSchwedenSchwedisch, LettischLettland/LatviaLettisch/Latvian, FinnischFinnisch und andere Sprachen eine Rolle.

In der Analyse wurde im ersten Schritt das Vorkommen der manifesten MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit aufgezeichnet. Es wird gezeigt, welche Sprachen in den Texten vorkommen, welche Funktion die anderssprachigenanderssprachig Textteile haben und ob es sich um SprachmischungSprachmischung oder SprachwechselSprachwechsel handelt. Darüber hinaus wird auch auf die latentelatent Erwähnung von Sprachen in den Texten hingewiesen.

Da die literarische Widerspiegelung der lokal gesprochenen SprachenSprache, gesprochene bzw. VarietätenVarietät einen Großteil der MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit ausmacht, wurde dieses SprachmaterialSprachmaterial von der Gesamtdarstellung getrennt und separat betrachtet. Die Baltizismen wurden ausgeschrieben und kontextualisiert, das EstnischeEstland/EstoniaEstnisch/Estonian als die am stärksten hierarchisch markierte Sprache wurde detaillierter analysiert – sein Vorkommen in der Figurenrede, im Erzählerkommentar, bei den Namen und Ortsbezeichnungen.

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9783772001406
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