Kitabı oku: «Mehrsprachigkeit und das Politische», sayfa 8
3.1 Manifeste und latentelatent MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit in den analysierten Texten
3.1.1 Briefe eines baltischenBaltikumBaltisch Idealisten von Georg Julius von Schultz-Bertram Schultz-Bertram, Georg Julius von
In den Briefen von Georg Julius von Schultz-BertramSchultz-Bertram, Georg Julius von (al Dr. Bertram) gibt es zahlreiche Beispiele der manifesten MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit. Die anderssprachigenanderssprachig Textteile markieren häufig kulturelle Kontakte zu anderen ethnischenEthnieethnisch Gruppen, sowie deren Akzent. Dies geschieht sowohl durch die SprachmischungSprachmischung wie auch durch den SprachwechselSprachwechsel. Ein schwedischesSchwedenschwedisch Beispiel des SprachwechselsSprachwechsel – „eine dienstfertige, sehr hübsche Flikka [SchwedischSchwedenSchwedisch: Mädchen]1 fragte vergnügt: ‚Ja sso! verstoh!‘“ (Schultz-Bertram 1934: 22).2 Das sprachliche Missverständnis, aufgrund dessen der Kunde statt Suppe Branntwein bekommen hat, wird folgend kommentiert: „Die Flikka hatte SchwedischSchwedenSchwedisch gesprochen und ich ihr auf DeutschDeutschlandDeutsch geantwortet.“ (ebd.) Ein Beispiel aus der Beschreibung einer Begegnung in Schottland – „Die Alte stampfte mit dem Stock heftig auf das Steinpflaster und sagte deutlich: ‚Archeanochranchran dhu Carhouzielostantegle!‘“ (162). Der Leser wird nicht aufgeklärt, wie man den Satz deuten sollte, wohl weil weder der Autor der Briefe noch der Herausgeber es verstehen konnten. Einfacher hingegen sind natürlich die Gespräche auf RussischRusslandRussisch/Russian, das zu den ,Ortssprachen‘ gehörte. Ein Gespräch mit einem russischenRusslandrussisch Bauern: „Prosto prelostj! i karol prußki ss tschornem kolpakom!“ (255).3 Oder eine Konversation mit einer französischen Dame, wo das gesamte Gespräch auf FranzösischFrankreichFranzösisch wiedergegeben wurde: „Monseigneur, Vous donnez des fêtes comme Néron!“ – „Pourquoi?“ – „Parceque [sic] Néron étouffait ses invités sous des amas de fleurs!“ (204).4
Des Weiteren sind anderssprachigeanderssprachig Textteile in den Erzählertext eingebaut und gewähren einen Einblick in die damalige Lebensart der gesellschaftlichen Schicht, der der Autor angehörte. Da es sich um Briefe handelt, kann man vermuten, dass die Elemente der Fingiertheit geringer sind als bei rein fiktionalenFiktionalitätfiktional Texten. Dennoch muss man vorsichtig sein, die abgebildete Sprechweise als historischehistorisch Wirklichkeit zu interpretieren, da die Einbeziehung der Elemente der MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit bei den autobiographischenBiographiebiographisch Texten auch zur Selbststilisierung vorgenommen worden sein kann. Zur Unterstreichung des lokalen Kolorits dienen viele russischeRusslandrussisch Wörter, die transliteriert und meistens mit einer ÜbersetzungÜbersetzung/translation versehen sind, z.B. „‚Kritschjom‘5, sagte er lustig.“ (45), „der alt Müller gehe oft nachts als Domowoi“ (47),6 „Am Dienstag landeten wir ‚sa graniza‘“ (138).7 FranzösischFrankreichFranzösisch verweist auf gute Manieren, Geselligkeitsformen oder Freizeitvergnügen: „Ella spielt jetzt à quatre mains mit Liszt“ (153). Oder „Man nennt das un bain des princes.“ (209), worauf die Bemerkung auf LateinLatein folgt: „Probatum est!“ (ebd.). Bei den französischen Textteilen wird unterschieden zwischen längeren Ausdrücken oder Sätzen, die in lateinischerLateinLateinisch SchriftSchrift gedruckt sind und den offenbar als Bildungsdeutsch empfundenen französischen Ausdrücken wie „magnifique“ (56) oder „affreuse“ (19), die wie der übrige Text in gotischer Schrift abgedruckt sind. Im ähnlichen Kontext kommen auch ItalienischItalienItalienisch „Felicissima notte!“ (289) und EnglischEnglisch/English „dem unvermeidlichen Keepsake-Gesicht“ (170) vor, jedoch sehr viel weniger als FranzösischFrankreichFranzösisch. Die besondere Stellung des FranzösischenFrankreichFranzösisch als ,BildungsspracheBildungssprache‘ wird dadurch unterstrichen, dass das FranzösischFrankreichFranzösisch der einfachen Leute in Paris karikiert wird: „Voyez la grosse bête cré coquine! V’là une belle honte! – honte!“ (83). Latein wird zur Unterstreichung des Bildungsstandes herangezogen, teils beiläufig „Er lachte: ‚Also ein mixtum compositum!‘“ (283),8 in vielen Fällen aber auch spaßhaft: „Nikolaus aber betrachtete die dicke Stange und sagte: ‚Viribus unitis!‘“ (239).9 GriechischGriechisch ist selten, wenn überhaupt, wird es ebenfalls im ,bildungssprachlichen‘ Kontext verwendet: „die ich ‚Andrein‘ (vom griechischenGriechischgriechisch „andres“ = Männer) benannt habe. Ebenso giebt es einen weiblichen Magnetismus, den ich ‚Gynäin‘ (vom griechischenGriechischgriechisch ‚gyne‘ = Weib) nenne“ (188). Zahlenmäßig prävalieren klar RussischRusslandRussisch/Russian, FranzösischFrankreichFranzösisch und LateinLatein, wie bereits erwähnt, kann man bei manchen Ausdrücken vermuten, dass es sich eher um Fälle unbewussten Translanguaging als bewusster Verwendung anderssprachigeranderssprachig Elemente handelt.
Schultz-BertramSchultz-Bertram, Georg Julius von hatte starke linguistische und literaturtheoretische Interessen. Seine aufmerksame Betrachtung der grammatischenGrammatikgrammatisch, phonetischen und rhythmischen Eigenarten widerspiegelt sich auch in den Briefen. Er kommentiert den Akzent der Wiener bei der Aussprache der Diphthonge: „Soldaten sprechen DeutschDeutschlandDeutsch, aber sie sagen: ‚Taitsch‘; gegen Abend laufen viele Jungen durch die Straßen und schreien: ‚Taitsche Zai-tung! Taitsche Zai-tung!‘ – das ist sehr komisch.“ (280) und bringt Beispiele von Missverständnissen, die auf falscher Aussprache beruhen, wie aus einem Gespräch mit einer harthörigen Dame: „Sie verstand statt Großvater ‚Curator‘“ (145). Es gibt Beispiele zur fehlerhaften Wortfolge: „‚Ich nicht kann geben die Uhr‘, sagte er ruhig in gebrochenem RussischRusslandRussisch/Russian“ (39). Oder beides – Aussprache und Wortfolge: „Es ist hier das Finnländische Kadettencorps mit 90 Eleven, teils Adelmannssohn, teils Bürgermannssohn – Bauersmannssohn nicht; nur wer weißt Geometrie, Franzch, Deitsch, bleibt genommen“, wie mir Herr Koriander sagte.“ (20)
Zusätzlich zu den Elementen der SprachmischungSprachmischung und des SprachwechselsSprachwechsel und den kommentierten oder unkommentierten Beispielen der SprachkontakteSprachkontakt, Interferenzfehler etc., kommt die MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit bei Schultz-BertramSchultz-Bertram, Georg Julius von auch durch die latentelatent Einbeziehung der Sprachen bzw. SprachkontakteSprachkontakt vor: „wie Pirogoff in seinem schauderhaften DeutschDeutschlandDeutsch sagte“ (102) oder „Nun klingen die Wörter im RussischenRusslandRussisch/Russian noch viel kräftiger und urwüchsiger und der Lakonismus gibt ihnen eine gewisse Größe […]“ (136).
3.1.2 Mein Onkel Hermann von Monika Hunnius Hunnius, Monika
Die SprachenvielfaltSprachenvielfalt des Erinnerungsromans Mein Onkel Hermann ist ausgesprochen gering. Es kommt fast keine manifeste oder latentelatent MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit vor, auch an den Stellen, wo man dies vom Inhalt und von den Figuren her erwarten könnte. Es gibt einige Baltizismen, aber obwohl die Handlung in EstlandEstland/Estonia stattfindet, wird EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian kaum verwendet. Auffällig ist auch das Fehlen des RussischenRusslandRussisch/Russian. Es gibt allerdings latentelatent Hinweise darauf, dass man sich im zaristischen RusslandRussland aufhält. Wenn der Onkel auf die Russen schimpft, sagt er: „die elenden russischenRusslandrussisch Wladimirs“ (Hunnius 1921: 28). Auffallend ist, dass „russischeRusslandrussisch Wladimirs“ gesagt wird, da im lokalen Kontext nur der Name genügt hätte. An der Wand hängt ein Gemälde des Zaren Nikolai und der Onkel nennt seine Frau „Katharina die Große“ (86). Auch FranzösischFrankreichFranzösisch und LateinLatein fehlen, bis auf die Nennung der Korporation Livonia (28). Ob die ausgesparte Mehrsprachigkeit im Text auf den Umstand des gerade erlebten Krieges und der daraus resultierenden Abkapselung zurückzuführen ist, ob es damit zu tun hat, dass der Text von einer Frau stammt oder noch weitere Elemente eine Rolle spielen, müssen künftige vergleichende Studien zeigen.
3.1.3 Der Henker von Edzard Schaper Schaper, Edzard
Im Roman Der Henker gibt es zahlreiche Beispiele von manifester und latenterlatent MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit, längere anderssprachigeanderssprachig Passagen kommen jedoch nicht vor. Die Mehrsprachigkeit spiegelt sich vor allem in den Personennamen, Ortsbezeichnungen, festen Wortverbindungen, LehnübersetzungenÜbersetzung/translationLehnübersetzung etc. wider. Neben den estnischenEstland/Estoniaestnisch Personennamen, die unten separat behandelt werden, kommen auch Figuren mit russischenRusslandrussisch Namen vor, wobei öfters auch das Patronym gebracht wird, ebenso kommen manche russischsprachige Ortsbezeichnungen vor. Es gibt einige Beispiele, die auf die Staatsverwaltung hinweisen wie „Urdjanik“, zu dem in einer Fußnote die ÜbersetzungÜbersetzung/translation steht: „Urdjanik (russischRusslandrussisch): Landpolizist“ (SchaperSchaper, Edzard 1941: 321), und einige, die auf die politischePolitik/politicspolitisch/political Situation zu beziehen sind, wie z.B. die Nennung einer lettischenLettland/Latvialettisch Organisation, wiederum mit einer ÜbersetzungÜbersetzung/translation in der Fußnote: „Sáveeniba: lettischeLettland/Latvialettisch terroristische Organisation“ (161). Auffällig ist die Erwähnung der Organisation der Schwarzen Hundert, weil eine Mischung von deutschenDeutschlanddeutsch und russischenRusslandrussisch Namen verwendet wird: „Schwarze Sotnja“ (12, 120). SprachmischungSprachmischung kommt auch im Beispiel „Bumagenwirtschaft“ vor.1 Das Vorkommen der russischsprachigen Elemente in deutscherDeutschlanddeutsch Grundsprache könnte man auch als baltisches Deutsch kategorisieren. Ähnlich fungieren auch die örtliches Kolorit wiedergebenden Elemente wie „,Kukuschka‘ zu spielen“ (442),2 wobei im Roman auf die ÜbersetzungÜbersetzung/translation für den deutschenDeutschlanddeutsch Leser verzichtet wird. Alle russischenRusslandrussisch Wörter im Text sind transliteriert.
Zusätzlich zu den der konkreten Sprachsituation inhärenten Sprachen wie EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian, RussischRusslandRussisch/Russian, LettischLettland/LatviaLettisch/Latvian sowie Baltizismen werden auch bei SchaperSchaper, Edzard westeuropäische ‚Bildungssprachen‘ benutzt, die die Zugehörigkeit der betreffenden Figuren oder des Milieus zu einem bestimmten sozialen Kreis markieren. So wird in Begriffen oder in festen Wortverbindungen LateinLatein bevorzugt – „status quo“ (451), „Pastor loci“ (28) etc., FranzösischFrankreichFranzösisch benutzt man z.B. für die Vermittlung der Emotionen – z.B. beim Träumen von der Abreise: „Aber in den Süden möchte er, wenn es hierzulande Herbst würde […]. Alles käme darauf an, die Reihenfolge: rouge – noir, rouge – noir, rouge – rouge, noir“ (519).
Latentelatent Passagen auf EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian und RussischRusslandRussisch/Russian kommen im Roman häufig vor und die damalige Sprachsituation bekommt viel Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit wird auch auf die Umwälzungen in Sprache und Kultur gelenkt: „schon war die Sprache in ihren [deutschbaltischenDeutschbaltendeutschbaltisch] Häusern russischRusslandrussisch geworden mit den Namen der Kinder und den Sitten“ (73). Durch die Sprache werden auch die handelnden Figuren und ihre Stellung in der Gesellschaft charakterisiert. Ein Beispiel hierfür ist der aus einer „verrußt[en]“ deutschbaltischenDeutschbaltendeutschbaltisch Familie stammende Graf Ovelacker, dessen deutscheDeutschlanddeutsch Sprechweise als „fremdartig“ (571) beschrieben und mit Unsicherheit verbunden wird:
Die Ovelackers waren ‚verrußt‘. Er hatte mit allen Menschen russischRusslandrussisch gesprochen, mit dem Pastor, mit dem Arzt, mit allen, so mühsam sie es auch radebrechten, der Arzt ausgenommen; er hatte nicht sein DeutschDeutschlandDeutsch sprechen wollen, das ihm, schon wenn er es nur sich selber vernehmbar vor sich hin sprach, ganz anders klang als das baltische Deutsch. (77)
Durch die sprachliche Markierung des Protagonisten Ovelacker, dem die Rolle des Bösewichts zugewiesen wird, wird er von den ‚gewöhnlichen‘ DeutschbaltenDeutschbalten abgegrenzt und als der Andere, nicht wirklich Dazugehörige dargestellt.
3.2 Baltizismen in den analysierten Texten
3.2.1 Briefe eines baltischenBaltikumBaltisch Idealisten von Georg Julius von Schultz-Bertram Schultz-Bertram, Georg Julius von
Schultz-BertramSchultz-Bertram, Georg Julius von als sprachbewusster und -interessierter Autor streut in seinen Text viele lokale Ausdrücke ein, die im baltischenBaltikumBaltisch Kontext selbstverständlich waren, für den deutschenDeutschlanddeutsch Leser jedoch in eckigen Klammern erklärt worden sind. Häufig sind Komposita mit ‚Krons‘1 – „Kronsbeamte“ (18), „Kronseigentum“ (18), „Kronsknöpfe“ (22). Es kommen Hinweise auf Bräuche vor – Ostereier heißen „Lappeneier“ (107), Geistergeschichten heißen „Strabismus“ (108), ebenso Bezeichnungen der Speisen wie etwa „Riezchen“ (182).
3.2.2 Mein Onkel Hermann von Monika Hunnius Hunnius, Monika
Obwohl Hunnius ebenfalls eine Baltin war, werden in ihrem Text nur wenige Baltizismen benutzt und diese sind mit Anführungszeichen, an manchen Stellen auch mit einer Erklärung in darauffolgender Klammer versehen. Meistens handelt es sich um die bereits genannten örtlichen Umstände z.B. „Kronsarzt“ (67) oder die Esskultur. So wird im Roman „Stofbier“ (13) getrunken und über das Essen diskutiert: „‚Wir wollen Goggelmoggel.‘ (Geklopftes Ei mit Zucker.) ‚Nein, Eierkuchen.‘ ‚Nein, Ochsenaugen.‘ (Spiegeleier)“ (65). Als typisch Baltisch kann auch die Bezeichnung der Familien nach dem Hauptsitz und dem Suffix ‚-schen‘ gelten, so kommen im Werk „die Kaltenbrunnschen, die Öthelschen, die Kerroschen“ (80) zu Besuch.
3.2.3 Der Henker von Edzard Schaper Schaper, Edzard
Die Baltizismen, die bei dem Nicht-Balten SchaperSchaper, Edzard vorkommen, sind vorwiegend mit der baltischenBaltikumBaltisch Geschichte am Anfang des 20. Jahrhunderts verbunden. In vielen Fällen handelt es sich um LehnübersetzungenÜbersetzung/translationLehnübersetzung aus dem EstnischenEstland/EstoniaEstnisch/Estonian, wie „die grauen Barone“ (147), „Borstenrussen“ (526) und „Waldbrüder“ (305). Dabei werden keine ÜbersetzungenÜbersetzung/translation angeführt, der Inhalt wird aber vermittelt. Bei den Borstenrussen folgt in Klammern: „anders nannte er getreu der Predigt des berühmten Pastors Körber die Bauarbeiter gar nicht mehr“ und bei den Waldbrüdern wird ergänzt: „hießen sie beim VolkeVolk“. Ähnlicher Weise wird auch bei den „Kirchenherrn“ in Klammern ergänzt: „wie das VolkVolk seine Pastoren nannte“ (352). Explizit wird nur einmal darauf hingewiesen, dass es sich um einen BaltizismusBaltizismus handelt – es wird ein wohlhabender estnischer Junge als „der Erbsohn des guten, großen Illustgesindes“ beschrieben und in einer Fußnote mitgeteilt, dass das Gesinde im Baltischen einen Hof oder bäuerliches Anwesen bedeutet (181).
3.3 EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian in den analysierten Texten
3.3.1 Briefe eines baltischenBaltikumBaltisch Idealisten von Georg Julius von Schultz-Bertram Schultz-Bertram, Georg Julius von
In Schultz-BertramsSchultz-Bertram, Georg Julius von Text kommt EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian in unterschiedlichen Funktionen vor. Manchmal erscheint es ohne einen thematischen Bezug zu den Esten und der estnischenEstland/Estoniaestnisch Kultur – „so hatten wir recht ein ‚magus jutt‘“1 (145). Des Weiteren an den Stellen, wo der Autor über die Esten spricht – wie bei der Beschreibung einer Naturforscher-Versammlung in Tübingen „eine estnischeEstland/Estoniaestnisch Idylle, die ich im Garten Uhlands einer kleinen Gesellschaft vorlas, erregte die lebhafteste Anerkennung des estnischenEstland/Estoniaestnisch Lauls [VolksliedsVolkVolkslied] als einer neuen Stimme in der größten Völker-Orgel“ (121). Oder bei der Erwähnung des unmittelbaren SprachkontaktsSprachkontakt: „daß auch nicht einer vorübergeht, ohne mir freundlich ‚hää päi‘ zu wünschen“ (20).2
Die Namen der estnischenEstland/Estoniaestnisch Ortschaften im Text sind auf DeutschDeutschlandDeutsch (Dorpat, Reval, Wesenberg, Werro, Hapsal). Da Schultz-BertramSchultz-Bertram, Georg Julius von sich aber als Estophile für die estnischeEstland/Estoniaestnisch Folklore interessierte, bei der die Beseelung der Natur eine große Rolle spielt, finden wir estnischeEstland/Estoniaestnisch Bezeichnungen für Landschaften, Flüsse oder Hügel vor – „Röige oja“3 (128), „Munamäggi und Wäljamäggi“ (235).4 In der Schreibweise der estnischenEstland/Estoniaestnisch Personennamen orientiert sich Schultz-Bertram an der deutschenDeutschlanddeutsch OrthographieOrthographie „Kaddri“ (100) statt Kadri und „Wia“ (180) statt vermutlich Viia.
3.3.2 Mein Onkel Hermann von Monika Hunnius Hunnius, Monika
Manifest kommt das EstnischeEstland/EstoniaEstnisch/Estonian in manchen Personennamen (z.B. „Pik Mart“ [langer Mart] (11)) und Ortsbezeichnungen (z.B. „Ein Flüßchen, die Paide“ [9]) vor, aber meistens agieren im Roman Figuren mit deutschenDeutschlanddeutsch Namen, und bei den Orten werden die deutschsprachigenDeutschlanddeutschsprachig Bezeichnungen verwendet. EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian wird nur ein einziges Mal, latentlatent, im Zusammenhang mit dem EstnischenEstland/EstoniaEstnisch/Estonian Fuhrmann Pik Mart erwähnt: dieser „saß still und stumpfsinnig vorne im Planwagen und trieb dazwischen mit einem estnischenEstland/Estoniaestnisch Fluch die Pferde an“ (13). An wenigen Stellen könnte man vermuten, dass einige von den Figuren EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian sprechen, so z.B.: „denn wir behaupten, mit demselben Eingehen könnte sie die Leidens- und Freudengeschichten der Estenweiber anhören, wie unsere Ergüsse“ (32) oder dass ein Gespräch zum Teil auf EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian geführt wird, z.B. wenn die Kinder in einem „Bauernhäuschen“ nach dem Essen fragen (45). Jedoch wird darauf im Roman keine Aufmerksamkeit gelenkt, der Este bleibt stumm und steht einfach in der Szene. Eine so starke Vermeidung des EstnischenEstland/EstoniaEstnisch/Estonian, auch auf der Ebene der latentenlatent Erwähnung, also der Orts- und Personennamen, ist bei diesem Werk auffallend.
3.3.3 Der Henker von Edzard Schaper Schaper, Edzard
Der Roman räumt dem EstnischenEstland/EstoniaEstnisch/Estonian eine besondere Stellung ein, dieser Zug ist so ausgeprägt, dass im vorliegenden Beitrag nur auf einige Regelmäßigkeiten hingewiesen werden kann. Obwohl manifest keine längeren Passagen auf EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian vorkommen, stehen mehrere Eigennamen, Organisationsnamen, Zeitungstitel, Ortsbezeichnungen etc. auf EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian; auch latentelatent Erwähnung des EstnischenEstland/EstoniaEstnisch/Estonian kommt häufig vor und es gibt mehrere Überlegungen und Diskussionen über die Sprachen.
Quantitativ am auffälligsten sind die Namen, angefangen mit dem Protagonisten Ovelacker, der im Roman von den Esten als „Timukas“ (315, 318),1 bezeichnet wird. Die Eigennamen der Figuren estnischer Herkunft werden meistens auf EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian wiedergegeben, und die SprachmischungSprachmischung kann man lediglich bei manchen Hofnamen, womit die Eigennamen ergänzt werden, bemerken, z.B. „Pöldsche“ (469) anstatt Põllu. Dem estnischsprachigen Leser ist der Hofname der estnischenEstland/Estoniaestnisch Hauptfigur Koiri-Jaan besonders auffällig – Koiri ist klangähnlich mit dem estnischenEstland/Estoniaestnisch Wort „koer“, welches Hund bedeutet. Wahrscheinlich handelt es sich nicht um einen Zufall, weil die Hauptfigur mehrere Male mit TiermetaphernMetapher/metaphor charakterisiert wird. Auf diese Ähnlichkeit wird im Roman auch explizit hingewiesen: „Aber so etwas wie Koer oder Koeras oder Koiri hatte man draußen gesagt […]“ (321), in der deutschenDeutschlanddeutsch Grundsprache wird der mögliche Hintergrund des Namens nicht weitergegeben und der deutscheDeutschlanddeutsch Leser bekommt dies daher nicht mit. Es kommen auch weitere Situationen vor, wo die estnischenEstland/Estoniaestnisch Namen den DeutschbaltenDeutschbalten etwas unklar bleiben, z.B. „Korras hieß er, glaube ich, oder so ähnlich.“ (608) oder „Darauf stand ein belangloser Name, Konstantin Sirg oder so ähnlich“ (699).2 Interessant ist noch, dass, während es sich bei den ersten zwei Beispielen um die Namen der estnischenEstland/Estoniaestnisch Bauern handelt, die wegen der MündlichkeitMündlichkeit undeutlich bleiben, im dritten Beispiel auch der geschriebene Name des estnischenEstland/Estoniaestnisch Studenten nicht wichtig genug ist für den Grafen von Ovelacker. Dies scheint ein Mittel zu sein, womit die gesellschaftlichen Beziehungen und die Hierarchie dargestellt wird.
Ebenso vielsagend ist die Anwendung der Toponyme. Bei den Kreisen, Städten und anderen größeren Orten, die in den heutigen Gebieten EstlandsEstland/Estonia, weniger auch LettlandsLettland/Latvia liegen, werden meistens die deutschsprachigenDeutschlanddeutschsprachig Namen benutzt. Dabei spielt eine bedeutende Rolle, dass es sich meistens um die realen Orte handelt, wohingegen Drostenholm, der Gutshof von Graf von Ovelacker, ein fiktiverFiktivitätfiktiv Ort ist. Besonders auffällig wird diese Tatsache in der estnischenEstland/Estoniaestnisch ÜbersetzungÜbersetzung/translation (SchaperSchaper, Edzard, übers. von Kaugver 2002), weil bei den realen Orten die estnischenEstland/Estoniaestnisch Namen verwendet werden, aber Drostenholm DeutschDeutschlandDeutsch bleibt. Auf dieselbe Weise wie Ovelacker mit den deutschsprachigenDeutschlanddeutschsprachig Namen assoziiert wird, ist Koiri-Jaan mit dem estnischenEstland/Estoniaestnisch Kontext, der auch durch die Namen reflektiert wird, verbunden. Exemplarisch dafür stehen „Er fuhr in den eisigen Wind, der vom Kibejöggi-Moor herüberkam, dem großen Morast um das Bett des ,bitteren Flusses‘“ (220) oder „ Aber mit diesem Schmerz war es wie mit den Wassern des Salajöggi“ (246). In den beiden Fällen werden die estnischsprachigen, auf Emotionen basierenden Ortsnamen (Kibejõgi, Salajõgi) benutzt und deren Bedeutung dem deutschenDeutschlanddeutsch Leser erklärt.
Der estnischeEstland/Estoniaestnisch kulturelle Kontext wird nicht nur durch die Namen, sondern auch durch die Figurenrede bzw. durch innere Monologe wiedergegeben. So fragt sich Olli, die estnischeEstland/Estoniaestnisch Magd von Koiri: „Zogen die Schwäne, kam jetzt der Schnee?“ (228)3 und pfeift ein estnischer Jungknecht „Wie weit es noch bis Ösel ist…“ (507).4 Dem deutschenDeutschlanddeutsch Leser wird der Hintergrund dieser Passagen nicht erläutert.5
Die Sprache bestimmt grundlegend die Angehörigkeit zu einer Gruppe:
Weil sie sich nicht als Herren unter Knechten fühlten, sondern als Bürger unter Bürgern, waren die meisten der DeutschenDeutschlandDeutsche, die erst in jüngster Zeit aus dem Reich zugezogen, den Alteingesessenen verächtlich geworden. Sie taten, was denen als schwere Verfehlung wider das kolonialeKolonialismuskolonial Gesetz galt: sie heirateten ins VolkVolk der Letten und Esten. LettischLettland/LatviaLettisch/Latvian oder EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian wurde oft genug ihre Umgangssprache, ihre Kinder fühlten sich, kaum daß sie wußten, was sie fühlten, als Letten und Esten und verleugneten ihre Herkunft, wenn sie nicht sogar das DeutscheDeutschlandDeutsch zu hassen begannen. Wie sprach der Verwalter mit ihm? EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian, so unvollkommen der Westfale das beherrschte. […] Und es wäre besser so, hatte der Verwalter beharrt, wie lebhaft auch sein Gutsherr ihm widersprach. Eine Sprache für die Leute und eine andere, die die Leute am besten gar nicht verstünden, für die Herrschaft. Mit dem Förster estnisch zu sprechen, darauf wäre er natürlich nicht verfallen, weil dieser Reichsdeutscher war. Der gehörte zu den Herrschaften, war Reserveoffizier, besaß Manieren. Mit den einfachen Leuten die Sprache der Herrschaft sprechen zu müssen, war peinlich. Sie hatten ja nicht die Umgangsformen von Herrschaften und konnten das Ansehen des DeutschenDeutschlandDeutsch nur vermindern. […] Er, Ovelacker, hatte sich als bedingungsloser Gegner dieser Umvolkung bekannt, aber was half es, […]. (404–405)
Solche Ausführungen verweisen auf den soziokulturellen Hintergrund der Sprachverwendung und des SprachwechselsSprachwechsel. Es wird jedoch ersichtlich, dass Risse in der vorher beschriebenen Sprachhierarchie möglich waren und Bewegung zwischen den Gruppen vorkam. Dies hilft auch, den symbolischen Wert des Romanendes besser zu kontextualisieren, wenn der Deutschbalte Graf von Ovelacker auf EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian zu sprechen anfängt: „Ich werde schreiben, daß der… der Junge kommt! fügte er in seinem mühsamen EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian hinzu, ohne auch nur im mindesten zu zögern, ohne daß sein Stolz sich dawider empörte.“ (749) Dieser latentlatent dargestellte SprachwechselSprachwechsel illustriert, wie die Sprache die gesellschaftliche Position und Haltung definierte, und unterstreicht den symbolischen Akt der Versöhnung.