Kitabı oku: «Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4», sayfa 10
4. Die 1980er Jahre – Aufbruch zur Stadt der Dienstleistungen
Wer nach einem optischen Beleg für die Ereignisse der 1980er Jahre sucht, wird schnell fündig: Die Sprengung des Hochofens A an der Essener Straße am 11. Juli 1980. Das Bild vom langsam wegknickenden 90 Meter hohen Stahlriesen bewegte Stahlarbeiter und Zuschauer, wurde vielfach fotografiert und inspirierte den Oberhausener Künstler Walter Kurowski zu bewegenden Bildern. Aus heutiger Sicht ein visionäres Bild für die einschneidenden Veränderungen, die in diesem Jahrzehnt, insbesondere in den Jahren 1983 und 1987, in Oberhausen stattfinden sollten: Im Bergbau, in der Stahlindustrie, im Maschinen- und Anlagenbau und in der Struktur des Arbeitsmarktes. Immer mehr Menschen arbeiteten in den verschiedenen Bereichen des Dienstleistungssektors und immer weniger in der Produktion. Vollzeitarbeitsplätze wurden abgebaut und die Zahl der Teilzeitarbeitsplätze erhöhte sich deutlich. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an der Gesamtzahl der Tätigen Personen stieg von gut fünf Prozent im Jahr 1970 auf fast 19 Prozent im Jahr 1987, mit steigender Tendenz in den folgenden Jahren. Dementsprechend verringerte sich der Anteil an Vollzeitbeschäftigten auf nur noch gut 80 Prozent in 1987.
Der massive Arbeitsplatzabbau bei der MAN GHH, der Thyssen Niederrhein AG und im Bergbau, oft beschönigend als „Freisetzung“ angekündigt, setzte sich ungebremst fort: Von 1980 bis zum Jahresende 1989 verlor Oberhausen allein in diesen drei Unternehmen über 9.700 Arbeitsplätze. Die Folge waren steigende Arbeitslosenzahlen, die im Februar 1988 mit 14.500 Arbeitslosen und einer Quote von 17,8 Prozent ihren traurigen Höhepunkt erreichten.
Neben den noch zu beschreibenden tiefgreifenden Veränderungen der Oberhausener Wirtschaftsstruktur war es auch ein Jahrzehnt der Symbole für den Niedergang der Montanindustrie. Zehntausende Oberhausener Bürgerinnen und Bürger beteiligten sich an den Massenprotesten für den Erhalt der Arbeitsplätze bei Thyssen Niederrhein. Die Menschen mussten Abschied nehmen vom Bergbau, der die Stadt und ihre Bewohner mehr als ein Jahrhundert geprägt hatte. Und sie mussten zur Kenntnis nehmen, dass die unternehmerischen Entscheidungen für zwei der wichtigsten Industriebetriebe, die MAN GHH AG und die Thyssen Niederrhein AG Oberhausen, nicht mehr in Oberhausen getroffen wurden.
Abb. 7: Sprengung des Hochofens A am 11. Juli 1980
Der Kampf um die Stahlarbeitsplätze in Oberhausen geht weiter
Die Hoffnung, dass mit der Inbetriebnahme des neuen Elektrostahlwerks im Februar 1980 die Stahlbasis in Oberhausen langfristig gesichert sei, sollte schon bald ins Wanken geraten. Die Konjunkturkrise zu Beginn der 1980er Jahre traf auch die deutsche Stahlindustrie hart und bedeutete aufgrund deutlicher Produktionsausfälle Kurzarbeit für viele Beschäftigte der Thyssen Niederrhein AG (WAZ, 17. Februar 1982).
Im Juni 1983 verdichteten sich Gerüchte über eine mögliche Stilllegung der Grobblechstraße. Zusammen mit den angeschlossenen Anlagen wären von dieser Maßnahme 1.500 Arbeitnehmer (WAZ, 10. Juni 1983) betroffen gewesen. Alle Appelle und Vermittlungsversuche, die in den nächsten Tagen von Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond, Oberstadtdirektor Dieter Uecker, den Parteien und dem Rat der Stadt, dem MdB Dieter Schanz ebenso wie vom IG-Metall-Bevollmächtigten Heinz Schleußer und dem Betriebsratsvorsitzenden Herbert Mösle an die Unternehmensleitung der Thyssen Niederrhein AG gerichtet wurden, waren letztlich erfolglos.
Überraschend schnell erfuhren TNO-Mitarbeiter und die Stadt ohne eine vorherige Information die befürchtete Entscheidung des Vorstandes der Thyssen Stahl AG, „daß die Grobblechstraße, das Presswerk und alle nachgeschalteten Vergütungsanlagen sowie das Plattierwerk schnellstens stillzulegen sind“ (WAZ, 1. Juli 1983). Am nächsten Tag protestierten 4.000 TNO-Mitarbeiter vor dem Werksgasthaus an der Essener Straße gegen den drohenden Arbeitsplatzabbau. Die Stimmung bei dieser Protestaktion beschrieb die WAZ am 2. Juli 1983 mit den Worten: „Hilflosigkeit, ohnmächtige Wut, Ratlosigkeit oder Resignation las man in den Gesichtern der Demonstrationsteilnehmer“.
Ende August 1983, inzwischen war von dem Verlust von 2.000 Arbeitsplätzen die Rede, forderte Oberbürgermeister van den Mond die Bürgerschaft und alle gesellschaftlichen Gruppen zum Protest auf mit den Worten: „Unsere ‚leisen‘ Töne haben bisher nicht geholfen, jetzt soll der Kampf um die Erhaltung der Arbeitsplätze mit allen friedlichen Mitteln aufgenommen werden“ (WAZ, 26. August 1983). 15.000 Bürger sowie Mandatsträger aus Nachbarstädten und eine Delegation der Henrichshütte in Hattingen versammelten sich daraufhin am 30. August 1983 auf dem Bahnhofsvorplatz zur größten Protestaktion seit der Schließung der Zeche Concordia. Neben dem Oberbürgermeister, dem IG-Metall Ortsbevollmächtigten Schleußer, dem örtlichen DGB-Vorsitzenden Willi Haumann und dem stellvertretenden TNO-Betriebsratsvorsitzenden Willi Victor appellierte auch Stadtdechant Gregor Rehne an den Thyssen-Vorstand mit den Worten: „Eine Wiege, die leersteht, ist Zeichen der Zukunftslosigkeit und der Hoffnungslosigkeit“ (WAZ, 31. August 1983).
Es folgten bange Wochen für die Beschäftigten bis zur TNO-Aufsichtsratssitzung am 24. November 1983, in der die Stilllegung der Grobblechstraße einschließlich Normaladjustage und des Preßwerks beschlossen wurde und damit der Abbau von 2.000 Arbeitsplätzen in Oberhausen endgültig feststand (WAZ, 26. November 1983).
Im September 1986 gab es erste Warnzeichen für den Fortbestand der Stahlproduktion in Oberhausen. Aber nur Wenige dürften schon damals die dramatische Entwicklung im Sommer des nächsten Jahres geahnt haben. Die Ausgangssituation für die TNO beschrieb der Vorstandsvorsitzende der Thyssen Stahl AG mit den Sätzen: „Allein in den letzten fünf Jahren haben wir bei Thyssen Niederrhein über eine halbe Milliarde Mark verloren“ und weiter: „Es ist nun einmal das Pech für Oberhausen, dass die Stadt mit dem Profilstahl an ein markt- und ergebnismäßig sehr schwaches Produkt gebunden ist“ (NRZ, 9. September 1986). Zu diesem Zeitpunkte war schon bekannt, dass die TNO ab 1. Oktober eine Betriebsabteilung der Thyssen Stahl AG in Duisburg werden und damit ihre Selbständigkeit verlieren würde.
Tabelle 6: Arbeitslose 1960 bis 2010
Quelle: Stadt Oberhausen, Bereich 4 - 5 Statistik und Wahlen
Die Gefahr für das Oberhausener Stahlwerk wurde schnell konkreter. Anfang Dezember informierte der Vorstandsvorsitzende, Dr. Heinz Kriwet, über den durch die schlechte Absatzlage bei Stahlprodukten erforderlichen Abbau von 1.100 Arbeitsplätzen im gesamten Unternehmen, der „mit Sicherheit auch Auswirkungen auf Oberhausen haben werde“ (NRZ, 6. Dezember 1986). Diese zunächst beschönigend angekündigten „auch Auswirkungen“ stellten sich im Februar 1987 als existenzbedrohend für den Stahlstandort Oberhausen heraus. Nur wenige Wochen nach der Bundestagswahl, die am 25. Januar 1987 stattfand, informierten Vorstandsmitglieder der Thyssen Stahl AG den Oberbürgermeister, den Oberstadtdirektor und den Ältestenrat der Stadt über die geplante Schließung weiterer Produktionsstätten in Oberhausen, die den ersatzlosen Abbau von 3.000 Arbeitsplätzen in Oberhausen bedeuten würde. Die Profildrahtstraße und die Drahtstraße sollten stillgelegt werden, das Elektrostahlwerk als Mini-Stahlwerk weiter bestehen bleiben, ebenso wie das Zementwerk (WAZ, 17. Februar 1987).
Emotionaler Höhepunkt der vielfältigen Aktionen im Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze bei Thyssen war der Stahlaktionstag am 18. März 1987 unter dem Motto „Stahltod – nein! Oberhausen muss leben“. 35.000 Menschen beteiligten sich am Schweigemarsch von der Essener Straße zum Hauptbahnhof, an der Spitze Oberbürgermeister van den Mond und Duisburgs Oberbürgermeister Josef Krings.
Aus Duisburg und Bottrop kamen Konvois mit mehr als 1.000 Fahrzeugen, Metallarbeiter aus vielen Stahlstandorten in Deutschland beteiligten sich ebenso wie Mitarbeiter der Stadtverwaltung, der EVO und der STOAG, Schulklassen, und Vertreter der Einzelgewerkschaften. Ihre Solidarität mit den Stahlarbeitern erklärten Ruhrbischof Franz Hengsbach in einem Grußwort, Superintendent Walter Deterding, der Vorsitzende des Oberhausener Einzelhandelsverbandes Kurt Löwenthal und der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Heinz Schleußer. Deutliche Worte richtete der IG Metall-Vorsitzende Franz Steinkühler an die Teilnehmer: „Wir wollen keine Elendsquartiere und Geisterstädte, wie sie der Wildwest-Kapitalismus in den US. geschaffen hat. Wir wollen Arbeit für alle und Gerechtigkeit für jeden“. Oberbürgermeister van den Mond appellierte eindringlich an die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft: „Erhaltet die Arbeitsplätze im Revier, streckt notwendige Anpassungsprozesse zeitlich und regional so, dass die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen in den Stahlstandorten möglich ist“ (NRZ, 19. März 1987).
Abb. 8: Aufkleber „Stahltod Nein“, gestaltet von Walter Kurowski
In einer Vielzahl von Konferenzen wurde in den nächsten Wochen versucht, die Umsetzung der Thyssenpläne zu verhindern. Aber weder die Bonner Stahlrunde am 31. März 1987, an der Bundeskanzler Helmut Kohl, Arbeitsminister Norbert Blüm und Wirtschaftsminister Martin Bangemann teilnahmen (NRZ, 1. April 1987), noch die Regionale Stahlkonferenz Rhein-Ruhr-Sieg, zu der Arbeitsminister Blüm und die Vertretungen von zwölf Stahlstandorten in NRW am 15. Mai zusammen gekommen waren sowie eine erneute Stahlrunde bei Bundeskanzler Kohl am 16. Mai 1987 brachten greifbare Ergebnisse (NRZ, 16. Mai 1987).
Die endgültige Entscheidung zu Gunsten des vom Thyssen Konzern vorgelegten Strukturkonzeptes fiel in der Aufsichtsratssitzung am 23. Juni 1987, in der der „neutrale Mann“, Alt-Bundespräsident Walter Scheel, dem Konzept zustimmte. Der lange befürchtete „Kahlschlag“ war damit besiegelt. In die allgemeine Betroffenheit mischten sich schon damals besorgte Stimmen zum Fortbestand der Stahlerzeugung in Oberhausen. Friedhelm Richter, Leiter des Vertrauenskörpers bei Thyssen sagte dazu: „Ein Elektrostahlwerk auf der grünen Wiese hat so gut wie keine Chance zu überleben“ (NRZ, 24. Juni 1987). Eine zutreffende Einschätzung, wie sich zehn Jahre später zeigen sollte, denn auch die gute Stahlkonjunktur am Ende der 1980er Jahre konnte letztlich die endgültige Schließung des Elektrostahlwerks im Jahr 1997 nicht verhindern. Am 23. Februar 1988, einen Tag vor der Montanrunde bei Bundeskanzler Kohl, erlebte das Ruhrgebiet unter dem Motto „1000 Feuer an der Ruhr“ mit einer 72 Kilometer langen Lichterkette von Dortmund bis Duisburg, an der sich auch in Oberhausen viele tausend Menschen beteiligten, „die wohl eindrucksvollste Demonstration der vergangenen Jahre“ (NRZ, 24. Februar 1988).
Ende 1989 beschäftigte Thyssen in Oberhausen nur noch knapp 1.500 Mitarbeiter und hatte damit seit Jahresbeginn 1980 fast 5.400 Arbeitsplätze abgebaut. Insgesamt verloren in Oberhausen allein im Bereich der Eisen- und Stahlerzeugung von 1961 bis 1989 rund 12.000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz.
Mit Osterfeld schließt die letzte Zeche in Oberhausen
Zu Beginn der 1980er Jahre ahnte wohl noch niemand, welche gravierenden Veränderungen schon bald den Oberhausener Bergbau treffen sollten. Am 7. Dezember 1981 wurde an der Vestischen Straße noch das neue Hallen-Kohlenmischlager in Betrieb genommen. Der 40 Meter hohe, freitragende Rundbau kostete 11,5 Millionen Mark und war einer der größten seiner Art in Deutschland (WAZ, 8. Dezember 1981).
Aber schon zwei Jahre später wirkten sich die Probleme des Stahlmarktes auch auf die Zeche Osterfeld aus. Zunächst waren 4.000 Bergleute auf der Zeche Osterfeld über mehrere Monate von Kurzarbeit betroffen. Im November 1983 beschloss der Aufsichtsrat der Ruhrkohle AG die Kohleförderung in Osterfeld um 3.300 Tonnen zu reduzieren und die Belegschaft bis zum Jahresende 1987 um 1.200 Bergleute zu verringern (WAZ, 18. November 1983). Die ersten Monate des Jahres 1984 sorgten für ein Wechselbad der Gefühle. Positive und negative Berichte zum Bergbau in Oberhausen folgten in kurzen Abständen. Nach der Reduzierung der Kohleförderung folgte eine Anpassung der Kokereikapazitäten, die für Oberhausen die Stilllegung der Kokerei Jacobi, von der 370 Mitarbeiter betroffen waren, zur Folge hatte. Auch diese Maßnahme konnte ohne Entlassungen durchgeführt werden (WAZ, 18. Januar 1984). Die Kokserzeugung auf Jacobi wurde Ende Juni 1984 eingestellt. Die von der Ruhrkohle AG geplanten Maßnahmen würden, so der Betriebsratsvorsitzende Bruno Willuweit, den Abbau von 2.000 Arbeitsplätzen im Oberhausener Bergbau in den nächsten Jahren bedeuten. Allein für 1984 waren 24 Feierschichten geplant, die zum Haldenabbau und zur Anpassung der Förderung an die Absatzmöglichkeiten beitragen sollten (WAZ, 25. Januar 1984).
Das Richtfest am neuen Fördergerüst der Zeche Osterfeld in Sterkrade veranlasste die WAZ am 4. April 1984 zu der, wie sich nur wenige Jahre später herausstellen sollte, mehr als optimistischen Überschrift: „Förderturm sichert Arbeitsplätze mittelfristig bis zum Jahr 2000“. Bergwerksdirektor Dr. Uwe Kugler äußerte sich in seiner Rede, neben der Erwartung einer längerfristigen Sicherung der Arbeitsplätze, auch zur Lehrstellensituation und teilte mit, dass die Zeche Osterfeld, damals der größte Ausbildungsbetrieb in Oberhausen, zukünftig weniger Lehrstellen anbieten werde.
Im Sommer 1987 verschlechterte sich die Situation im Bergbau dramatisch. Schon länger war die Stahlproduktion rückläufig, Erdöl und Erdgas waren als Energiequellen immer wichtiger geworden und in der Politik wurde heftig über die künftige Kohlepolitik in Deutschland gestritten. Anfang Juli 1987 kam die nächste schlechte Botschaft: Der Vorstand der Ruhrkohle AG hatte die Schließung der seit 1893 bestehenden Kokerei Osterfeld zum 31. März 1988 beschlossen. Betroffen waren rund 500 Beschäftigte. Entlassen werden sollte niemand, aber mit finanziellen Verlusten mussten viele rechnen, so der Betriebsratsvorsitzende Jörg Beckmann (NRZ, 2. Juli 1987).
Die nächsten Monate waren im gesamten Ruhrgebiet geprägt von der Befürchtung, dass kurzfristig die Schließung weiterer Zechen beschlossen werden könnte. Die Kohlerunde am 11. Dezember 1987 in Bonn brachte dann die Gewissheit: Man verständigte sich auf eine weitere Anpassung der Fördermenge an den Absatz, was zwangsläufig auch den erneuten Abbau von Arbeitsplätzen bedeutete. Die Ruhrkohle AG handelte schnell. Nach der Sitzung des Aufsichtsrates am 21.Januar 1988 informierte der Vorstand in einer Presseerklärung über die Konsequenzen aus der Kohlerunde, die für Oberhausen das Ende der Zeche Osterfeld bedeutete. Dazu wörtlich: „Die Bergwerke Osterfeld in Oberhausen und Lohberg in Dinslaken werden bis 1993 zu einem Verbundbergwerk zusammengeführt. Nach Herstellung entsprechender Verbundgrubenbaue zum Nordschacht Osterfeld wird dann der Förderstandort Osterfeld aufgegeben“. Die endgültige Einstellung der Förderung erfolgte bereits 1992.
Langfristig würde dies den Verlust von weiteren 1.800 Arbeitsplätzen in Oberhausen bedeuten und auch die Zahl der Lehrstellen müsse gesenkt werden, so der Vorstandssprecher der Bergbau AG Niederrhein, Dr. Hans Messerschmidt, am 22. Januar 1988. Er verkündete ferner: „Außerdem wird allen, die nach dem 1. Januar dieses Jahres ihre Ausbildung beenden, nur noch Teilzeit-Beschäftigungen angeboten“. (NRZ, 22. Januar 1988). Es ist wohl das erste Mal gewesen, dass Auszubildenden im Bergbau in Oberhausen derartige Zukunftsperspektiven mitgeteilt wurden.
Für viele Bergleute bedeutete die Schließung der Zeche Osterfeld keine Veränderung, da sie weiterhin auf dem Nordschacht einfuhren. Andere erhielten einen neuen Arbeitsplatz auf einer anderen Zeche oder beendeten „finanziell abgesichert“ mit 50 oder 55 Jahren ihre Berufstätigkeit24.
Allein von 1980 bis zum Jahresende 1989 wurden in Oberhausen fast 1.900 Arbeitsplätze im Bergbau abgebaut. Niemand wurde entlassen oder „fiel ins Bergfreie“ wie die Kumpel sagten. Selbstverständlich gab es auch hier Demonstrationen und Arbeitsniederlegungen, aber sie waren nie vergleichbar mit den Massenaktionen der Metallarbeiter im Kampf um ihre Arbeitsplätze bei Thyssen.
Die GHH verliert den Konzernsitz an München
Im Mai 1982 herrschte Feierstimmung in Sterkrade, galt es doch das zweihundertjährige Jubiläum der Gründung der Hütte „Gute Hoffnung“ mit vielen Veranstaltungen und einem großen Spiel- und Sportwochenende am 15. und 16. Mai diesem besonderen Anlass entsprechend zu begehen. Der Ministerpräsident des Landes NRW, Johannes Rau, und Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond würdigten die Leistungen der Mitarbeiter und des Unternehmens im industriellen Strukturwandel. Unüberhörbar bei aller „Geburtstagsfreude“ waren jedoch auch die nachdenklichen Worte des Oberbürgermeisters über „die gegenwärtigen schwierigen Verhältnisse unserer Wirtschaft“ sowie von MAN-Vorstandsmitglied Hans-Dieter Meissner über die Folgen der veränderten Situation im Export mit der Konsequenz, „daß der Anteil der Fertigung in den eigenen Werkstätten rückläufig ist“ (WAZ, 15. Mai 1982, Verlagssonderbeilage 106, S. 2 und 3).
Wie berechtigt diese Mahnungen leider waren sollte sich in den folgenden Jahren schnell herausstellen, denn zwischen dem Jahresanfang 1982 und dem Jahresende 1984 wurden fast 1.900 Arbeitsplätze im technischen und kaufmännischen Bereich abgebaut. Den insbesondere durch die Konjunkturflaute der frühen 1980er Jahre ausgelösten Veränderungen der in- und ausländischen Märkte begegnete der MAN-Unternehmensbereich GHH Sterkrade sowohl produktbezogen als auch durch umfangreiche Investitionen. Die Produktionsstätten an der Bahnhofstraße wurden in den Bereich von Werk II und III westlich der Steinbrinkstraße verlagert und die Fertigung auf modernste Technologien umgestellt. „Diese Investitionen bedeuten, dass der Standort Sterkrade erhalten bleibt“, so MAN-Vorstandsmitglied Hans-Dieter Meissner (WAZ, 17. März 1984). Da nur das Verwaltungsgebäude an der Bahnhofstraße, in dem sich heute das Technische Rathaus der Stadt Oberhausen befindet, weiterhin genutzt werden sollte, konnte damit das bisherige Werksgelände zwischen Eichelkampstraße und Dorstener Straße in der Sterkrader Mitte städtebaulich neu gestaltet werden.
Von der seit 1984 wieder anziehenden Konjunktur profitierte auch die GHH und veranlasste im Februar 1985 den Vorsitzenden des GHH-Aktienvereins, Dr. Klaus Götte, zu einer positiven Einschätzung der weiteren Unternehmensentwicklung (WAZ, 6. Februar 1985). Die gute Wirtschaftsentwicklung war wohl auch der entscheidende Hintergrund für die Neuordnung des Konzerns mit nachhaltig negativen Folgen für Oberhausen, oder wie Dietrich Behrens deutlich schrieb: „Götte nutzte die Gunst der Stunde für den Konzernumbau auf Kosten von Oberhausen“25. Der von Götte entwickelten neuen Struktur, nämlich der Verschmelzung des GHH-Aktienvereins mit der MAN in Augsburg, stimmten die GHH-Anteilseigner am 17. April 1986 bei ihrer letzten Hauptversammlung in Oberhausen zu. Firmensitz des neuen Unternehmens, der „MAN Aktiengesellschaft“, wurde München. Nicht zuletzt der weltweit bekannte Name „Gutehoffnungshütte“ dürfte mit dazu beigetragen haben, dass der aus der MAN ausgegliederte Maschinen- und Anlagenbau als „MAN-Gutehoffnungshütte GmbH“ seinen Firmensitz in Oberhausen erhielt (WAZ, 18. April 1986).
Die Entscheidung für den Konzernsitz in München war in doppelter Hinsicht eine bittere Pille für Oberhausen. Die Gutehoffnungshütte hatte nicht nur im Wirtschaftsleben der Stadt und als Arbeitgeber einen herausragenden Stellenwert, sie war auch in den Herzen der Menschen als die „Wiege der Ruhrindustrie“ fest verankert. Da bisher die weltweit bekannte GHH mit der Stadt Oberhausen aufs Engste verbunden war, befürchtete Oberstadtdirektor Dieter Uecker „eine negative Signalwirkung des durch den Wegzug des Konzerns verursachten Prestigeverlusts für Oberhausen“26. Der gute Konjunkturverlauf in den späten 1980er Jahren und die durchgeführten Umstrukturierungen wirkten sich insgesamt positiv für die MAN-Gutehoffnungshütte AG aus. Der massive Abbau von Arbeitsplätzen kam in der Mitte des Jahrzehnts zum Stillstand, die Mitarbeiterzahl stabilisierte sich bis 1988 bei gut 4.600 Beschäftigten. Nach der Atomkatastrophe in Tschernobyl 1986 mehrten sich die Befürchtungen, dass diese auch Auswirkungen auf den nuklearen Apparatebau in Sterkrade haben könnte. Völlig zu Recht, denn im Juni 1988 informierte der Betriebsratsvorsitzende Lothar Pohlmann über den weiteren Abbau von 147 Arbeitsplätzen durch „Zusammenlegung von nuklearem Apparatebau sowie Fahrlader- und Industriebau“ (NRZ, 13. Juni 1988). Positive Bilanzzahlen veranlassten Ende 1988 den stellvertretenden Betriebsrats-Vorsitzenden Detlef Wagner zu der Aussage: „Der gesteigerte Auftragseingang im neuen Geschäftsjahr verspricht eine nachhaltige Beschäftigung und sichert bereits über 1989 hinaus die Arbeitsplätze in Sterkrade“ (NRZ, 19. Dezember 1988). Der Optimismus war leider nicht berechtigt, denn bei der MAN GHH in Sterkrade wurden auch in den folgenden Jahren Arbeitsplätze abgebaut, die Zahl der Mitarbeiter sank bis zum Jahresende 1989 auf nur noch gut 4.400 Beschäftigte. Insgesamt wurden damit vom 1. Januar 1980 bis zum Jahresende 1989 über 2.400 Arbeitsplätze abgebaut.
GHH und MAN in Oberhausen – ein Industriestandort im Wandel der Zeit
MAN – weit über Deutschland und Europa hinaus genießen diese drei Buchstaben einen guten Ruf in der Welt. Deutsche Ingenieurskunst war es und ist es heute noch, die den Erfolg des Konzerns begründet. Nur wenige wissen, dass die ältesten Wurzeln der MAN und der ehemaligen GHH im Ruhrgebiet liegen, und zwar in Oberhausen – einem Industriestandort im Wandel der Zeit.
Vor mehr als 250 Jahren, im Jahr 1758, wurde im Oberhausener Stadtteil Osterfeld die St. Antony-Hütte gegründet, die einerseits als die Wiege der Ruhrindustrie gilt, andererseits als die älteste Wurzel der heutigen MAN Gruppe angesehen wird. Dem Standort Oberhausen ist der Konzern treu geblieben; mit MAN Diesel & Turbo ist ein Teil der MAN hier auch heute noch mit einem zentralen Produktionsstandort beheimatet. Rund 2000 Mitarbeiter fertigen in Oberhausen-Sterkrade Kompressoren und Turbinen für eine weltweite Kundschaft. Die Stadt Oberhausen und die MAN als einer der größten Arbeitgeber sind bis heute aufs Engste miteinander verbunden.
Seit der Gründung der St. Antony-Hütte hat auch der Oberhausener Standort des Unternehmens zahlreiche Fusionen und Zusammenschlüsse, zahlreiche Unternehmensnamen und mindestens ebenso viele Konzernlenker erlebt. Erst unabhängig voneinander, ab 1921 dann gemeinsam entwickelten sich dabei die Geschicke der beiden zentralen Vorläufer des MAN Konzerns. Auf der einen Seite war dies die süddeutsche M.A.N, deren Markennamen der Konzern aktuell trägt. Auf der anderen Seite stand die westdeutsche Gutehoffnungshütte (GHH), deren Namen besonders in Oberhausen noch heute in aller Munde ist.
Bis zum zweiten Weltkrieg prägte das Unternehmen rund zwei Jahrhunderte lang seinen Standort Oberhausen und der Standort das Unternehmen. Als größter Arbeitgeber mit in Friedenszeiten bis zu rund 32.000, in Kriegszeiten sogar bis zu 38.000 Beschäftigten, trug die GHH entscheidend zum Zusammenwachsen und zum Zusammenschluss der Stadt Oberhausen in ihren Grenzen seit 1929 bei. Wie für das Ruhrgebiet als Zentrum der deutschen Industrie- und Rüstungsproduktion insgesamt, so brachte der Zweite Weltkrieg auch für das Unternehmen gravierende Veränderungen mit sich. Nachdem die GHH Anfang der 1940er Jahre zunächst ihre Auslandsgesellschaften verlor, wurde sie ab 1945 vollständig unter die Kontrolle der alliierten Siegermächte gestellt und entflochten; die GHH in Oberhausen bestand zu diesem Zeitpunkt nur noch aus dem Sterkrader Werk.
Auch in den folgenden Jahren und Jahrzehnten war der stetige Wandel das einzig Kontinuierliche für den Konzern und seine verbliebenen Teile. Im Jahr 1950 erfolgte die Neuordnung der GHH, in dem die Hüttenwerke Oberhausen AG, die Bergbau AG Neue Hoffnung und Haniel & Cie. ausgegliedert wurden. 1952 wurden im Zuge der Neuordnung die weiterverarbeitenden Betriebe in die Gutehoffnungshütte Sterkrade AG umbenannt und die Gutehoffnungshütte war nur noch für den Maschinenbau zuständig.
Seit 1966 verstärkte man das Know-how als Engineering-Konzern, der ehemalige Montankonzern wurde weiter umstrukturiert. 1969 wurde die Gutehoffnungshütte Sterkrade Aktiengesellschaft vom Gutehoffnungshütte Aktienverein an die MAN AG verkauft und somit bereits damals eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der MAN. Mitte der 1980er Jahre wurden dann die Anteile der GHH-Eigentümerfamilie Haniel aufgegeben und von der Allianz und Commerzbank übernommen.
Abb. 9: Von der GHH gebaute Fördermaschine für die Zeche in Tongschan (1897)
Abb. 10: Luftbild der Werksanlagen 2010
Nach dieser wechselvollen Geschichte mit weiteren Übernahmen und Zusammenschlüssen erfolgte im Jahr 1986 die Verschmelzung der süddeutschen M.A.N. auf die westdeutsche Gutehoffnungshütte Aktienverein AG zur MAN Aktiengesellschaft. Der Stammsitz des verschmolzenen Unternehmens war fortan München, die einzelnen Unternehmensbereiche wurden aufgeteilt, während die Bezeichnung GHH aus dem Namen des verschmolzenen Konzerns verschwand.
Der Name GHH überdauerte zunächst in den Bezeichnungen verschiedener Konzernteile, so auch in der 1996 gegründeten GHH BORSIG Turbomaschinen GmbH, in die die Turbomaschinen-Aktivitäten der Berliner Borsig AG übernommen und integriert wurden. Es folgten weitere Umbenennungen: zunächst in MAN Turbomaschinen AG GHH BORSIG und wenige Jahre später in MAN GHH BORSIG, bevor aus dem Zusammenschluss mit der schweizerischen Sulzer Turbo die MAN Turbomaschinen AG GHH BORSIG entstand. 2003 verschwand dann die Bezeichnung GHH komplett aus dem Firmennamen. Der Name wurde in MAN Turbomaschinen AG und später kurzerhand in MAN Turbo AG geändert – der verkürzte Sprachgebrauch hatte sich längst bei Kunden und Mitarbeitern durchgesetzt.
Für mehrere Jahre verblieb der Stammsitz des (Teil-)Konzerns am Standort Oberhausen, bis im Jahr 2010 durch die Fusion mit einem MAN-Schwesterkonzern, der MAN Diesel, auch dies Geschichte wurde und die MAN Diesel & Turbo S. entstand. Im Zuge dieses Zusammenschlusses fiel die Entscheidung über den Standort der Zentrale auf den Stammsitz der größeren Schwester in Augsburg, einem weiteren traditionsreichen Standort der süddeutschen MAN.
In Oberhausen, dem letzten GHH-Standort, wurden nicht erst seit dieser Zeit Turbinen und Kompressoren hergestellt. Unter dem Oberbegriff Turbomaschinen zusammengefasst, werden diese Maschinen hier in Sterkrade bis heute für eine Vielzahl von industriellen Anwendungen entwickelt und gefertigt. Als Teil des MAN Konzerns und als Teil deutscher Industriegeschichte erlebte der Oberhausener Standort seinen jüngsten Meilenstein im Jahr 2011. Im November des Jahres stockte die Volkswagen Gruppe, schon vorher der größte Einzelaktionär der MAN, ihre Anteile an der MAN auf über 50 Prozent auf. Ein Konzern mit über 250-jähriger Historie – und mit ihm auch sein Oberhausener Standort – ging damit weiter in die Volkswagen Gruppe über und wurde Teil eines noch größeren deutschen Industriegiganten.
Die MAN als Marke und die heutige MAN Diesel & Turbo als Teilkonzern gehören damit nun zu einem Konglomerat mit weltweit über 500.000 Mitarbeitern. Der Weg von der Eisenhütte St. Antony und der Gutehoffnungshütte/GHH über die MAN Gruppe bis hin zu einem Teil der Volkswagen Gruppe war von zahlreichen Meilensteinen geprägt. Ein bedeutender Teil dieser deutschen Industrie- und Technikgeschichte wurde dabei im Ruhrgebiet am Standort Oberhausen geschrieben.