Kitabı oku: «Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4», sayfa 12

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Abb. 12: Klaus Wehling

5. Die 1990er Jahre: Die Neue Mitte Oberhausen – Aufbruch zu neuen Ufern der Stadtentwicklung

Nachdem das visionäre und in seiner Dimension die Vorstellungskraft vieler Oberhausenerinnen und Oberhausener übersteigende Shopping-Mal- und Freizeitprojekt Triple-Five (555) aus dem Jahr 1986 im Jahr 1988 am Widerstand von Nachbarn und Landesregierung gescheitert war, kennzeichneten vielfach Ratlosigkeit und eine unbestimmte Erwartung die Stimmungslage in Oberhausen zu Beginn der 1990er Jahre. Zaghaft lebte die Diskussion darum wieder auf, welche Nutzungen die zentralen ehemaligen Industrieflächen an der Essener Straße im Herzen der Stadt zukünftig bestimmen sollten. Das Scheitern der Dienstleistungspläne gab manchen Überlegungen der 1980er Jahre neuen Auftrieb: Ökologische Renaturierung als „Grüne Mitte“, oder vielleicht doch eher die Ansiedlung eines großen Industrieunternehmens? Schließlich hatten sich sowohl Volvo für ein LKW-Montagewerk als auch die Heidelberger Druckmaschinen AG, Weltmarktführer in ihrem Geschäftssegment, für die Neue Mitte Oberhausen als Standort interessiert. Doch die große Weltpolitik wirkte sich um 1990 unmittelbar auf die Perspektiven des Strukturwandels in Oberhausen aus. Mit der politischen und wirtschaftlichen Öffnung der Staaten des vormaligen Ostblocks verschoben sich die Wettbewerbsfähigkeiten in Europa. Und in Deutschland direkt zog die Aufnahme der DDR in die Bundesrepublik nach sich, dass fortan Industriestandorte im Osten mit geringeren Kosten als im Westen zugleich stark verbesserte Zugänge zu nationaler und europäischer Industrie- wie Infrastrukturförderung erhielten. S. war bereits im Jahr der deutschen Einheit 1990 klar: Eine große Industrieansiedlung wurde auf unabsehbare Zeit in Oberhausen vollkommen unwahrscheinlich, da international oder auch nur überregional agierende Mittel- wie Großunternehmen die neuen Bundesländer, Osteuropa oder Ostasien bevorzugen würden.

Zugleich war nach den großen Auseinandersetzungen um die Schließung der Großbetriebe am Stahlstandort Oberhausen während der 1980er Jahre absehbar, dass die Existenz der letzten verbliebenen Anlagen binnen weniger Jahre ebenfalls gefährdet sein würde, dass die Arbeitslosigkeit selbst nach Überschreiten des Maximums von 17,8 Prozent in 1988 dauerhaft auf einem hohen Niveau von um 14 bis 15 Prozent verbleiben dürfte und dadurch den sozialen Zusammenhalt der Stadtgesellschaft, insbesondere die Zukunftschancen der jungen Generationen tiefgreifend in Frage stellen könnte.

In die somit verständliche Ratlosigkeit in der Stadt, genährt von der Erfahrung mangelnder politischer Akzeptanz großer Shopping-Center im Land NRW sowie einer vermeintlich abnehmenden Rentabilität von Industrie überhaupt, schlug im März 1992 die Nachricht von einer erneuten Planung für ein großes Einzelhandels- und Dienstleistungsprojekt in der Oberhausener Öffentlichkeit wie eine Sensation ein. In Stadt und Politik vermischten sich Ansätze von Euphorie mit tiefgehender Skepsis, dass es wohl nicht anders kommen werde als 1988 bei „Triple Five“: Das Mittelzentrum Oberhausen würde seitens der Landesplanung keine Großinvestition mit Strahlkraft in das gesamte Ruhrgebiet genehmigt erhalten. Erst wer diese Verfassung der Oberhausener Stadtöffentlichkeit vor Augen hat, kann ermessen, wie sehr die Entwicklung, Durchsetzung und Realisierung des CentrO in nur etwas mehr als vier Jahren bis zur Eröffnung im September 1996 eine Erfolgsgeschichte darstellt, die als solche kollektiv in der Stadt erlebt wurde und Oberhausen seitdem grundlegend verändert hat.

Abb. 13: Planung für die „Grüne Mitte Oberhausen“, um 1985

Abb. 14: Wiedereinführung der Straßenbahn, festlich geschmückter Eröffnungszug

Im November 1991 hatte die britische Investorengruppe für Shopping- und Dienstleistungsimmobilien STADIUM auf ihrer Suche nach einem geeigneten Gelände für eine Shopping-Mall in Mitteleuropa mit rund 200 Einzelbetrieben höchst vertraulich Kontakt zur nordrheinwestfälischen Landesregierung aufgenommen. Die Besichtigung der noch-Industriegelände an der Essener und Osterfelder Straße ließ den Standort auf Rang eins der Standortwünsche von Investor Edwin – kurz Eddie – Healey klettern. Bereits im März 1992 wurde in enger Begleitung durch die Landesregierung ein Kaufvertrag mit der Thyssen Stahl AG und städtischen Beteiligungen als Zwischeneigentümern geschlossen. Am 25. September 1992 begannen die Abbrucharbeiten, der erste Schornstein wurde gesprengt.

Doch was hier als Neue Mitte Oberhausen errichtet und betrieben werden sollte, bedurfte der Vereinbarkeit mit dem Landesplanungsrecht, der Zustimmung durch die Landesregierung und den Bezirksplanungsrat der Bezirksregierung Düsseldorf, in dem kritische, zuweilen neidische oder doch häufiger ungläubige Nachbarn Sitz und Stimme hatten. Der Bezirksplanungsrat stimmte nach einem engagierten Appell von Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond, Oberhausen Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen, im Oktober 1992 zu. Danach erlangte der Bebauungsplan für das CentrO als wirtschaftliches Kernstück der Neuen Mitte Oberhausen im Oktober 1993 Rechtskraft und 1994 konnte der Grundstein gelegt werden. Im gleichen Jahr begannen Planung, Grunderwerb und Bau der neuen Trasse für den öffentlichen Nahverkehr: Ein Vierteljahrhundert nach der Stilllegung der Straßenbahn kehrte das Verkehrsmittel auf einer 9,4 Kilometer langen Strecke – davon 6,0 Kilometer auf vom Straßensystem unabhängigen ehemaligen Bahntrassen – von der Mülheimer Stadtgrenze im Süden über Hauptbahnhof und Neue Mitte bis zum Sterkrader Bahnhof im Norden nach Oberhausen zurück. Erneut in Rekordzeit, nach nur zweieinhalb Jahren, gelang pünktlich vor der CentrO-Eröffnung mit dem neuen Fahrplan der STOAG im Juni 1996 der zweite Start der Straßenbahn in der Oberhausener Stadtgeschichte. Das alles beruhte auf Entscheidungsprozessen und auf einer Projektentwicklung, die sich gründlich von den Bedingungen des Scheiterns im Jahr 1988 unterschieden. Gut möglich, dass die CentrO-Ansiedlung ohne die schmerzhaften Erfahrungen mit Triple Five niemals hätte gelingen können.


Abb. 15: Das CentrO als Baustelle, 1995

Das Projekt CentrO wurde kleiner, stadt- und regionalverträglicher, vor allem aber bunter, vielseitiger und städtebaulich besser in die Stadtlandschaft zwischen dem Alt-Oberhausener Siedlungsraum auf der einen Seite, der Emscher, dem Rhein-Herne-Kanal, Osterfeld und Sterkrade auf der anderen Seite integriert als Triple Five. Sowohl die ökonomische Vernunft einer Diversifizierung der Angebote vom Shopping bis zur Freizeitwirtschaft als auch die regionale Durchsetzbarkeit kennzeichneten die Neuen Mitte Oberhausen. Dadurch wurde sie jenes komplexe Stadtentwicklungsprojekt, das mit folgenden privatwirtschaftlichen Elementen Deutschlands erstes „Urban Entertainment Center“ darstellte:

■ das Einkaufszentrum mit 200 Einzelhandelsbetrieben auf 70.000 Quadratmetern Verkaufsfläche,

■ die Gastronomie-Promenade mit über 30 Anbietern,

■ die Coca-Cola-Oase mit weiteren 25 Gastronomie-Betrieben,

■ der CentrO-Freizeitpark mit Kinder- und Familienangeboten,

■ die Großveranstaltungshalle König-Pilsener-Arena mit rund 11.500 Plätzen und seit 1997 über 200 Veranstaltungen im Jahr,

■ das Multiplex-Kino mit neun Kino-Sälen und rund 2.000 Sitzplätzen,

■ ferner ein Hotel, ein Fitness-Center, eine Tennis- und eine Hockey-Anlage.

Der Anspruch der Neuen Mitte Oberhausen lautete, ein nachhaltiges Stadtentwicklungsprojekt zu bilden, das keineswegs allein den Zielen des privaten Großinvestors entsprach, sondern zugleich den ambitionierten Plänen der Kommune für Oberhausens Zukunft als zentraler Ort der Freizeitwirtschaft und des Tourismus im Ruhrgebiet gerecht werden konnte. Diese Philosophie konsequent umsetzend, besteht die Neue Mitte Oberhausen zusätzlich aus einer Vielzahl öffentlich betriebener oder initiierter Projekte. Diese sind:

■ der Gasometer Oberhausen, 1994 vom ehemals größten Gasspeicher Europas zur größten Ausstellungshalle der Welt umgebaut,

■ die Ludwig-Galerie Schloss Oberhausen, das renommierte Kunstmuseum, 1995 umgebaut und mit einer attraktiven Kombination aus populären und hochkulturellen Ausstellungen neu ausgerichtet,

■ die Sicherung und Attraktivierung des Kaisergartens mit dem einzigen vom Eintritt befreiten größeren Tiergehege im Ruhrgebiet,

■ das 1991 gegründete, später als Fraunhofer-Institut anerkannte Institut für Umwelt-, Energie- und Sicherheitstechnik, mith 430 Mitarbeitern im Jahr 2014,

■ das Technologie-Zentrum Umweltschutz, 1994 hervorgegangen aus dem um einen Neubau erweiterten vormaligen Casino „Werksgasthaus“ der Gutehoffnungshütte,

■ das Museumsdepot des LVR-Industriemuseums im Peter-Behrens-Bau, dem ehemaligen Hauptlagerhaus der GHH an der Essener Straße,

■ Radio NRW, der zentrale Programmproduzent für alle Lokalradiosender in NRW, seit 1992 Mieter in der ehemaligen Hauptverwaltung der GHH von 1873,

■ Haus Ripshorst im Gehölzgarten Ripshorst, das 1999 als Ökologische Station Ruhr West zum Informationszentrum des RVR und der Naturschutzverbände Nabu und BUND über den Emscher Landschaftspark wird,

■ der Yachthafen Marina Oberhausen, eröffnet im Jahr 2000, und

■ das Freizeitbad Aquapark der städtischen Beteiligung OGM an der Marina Oberhausen seit 2008.

Von der privaten Großinvestition in das CentrO, rund 500 Millionen Euro schwer, konzeptionell unverzichtbar erweitert um eine Vielzahl öffentlicher Projekte zur Ausgestaltung des Stadtentwicklungs- und Dienstleistungskonzeptes Neue Mitte Oberhausen mit einem Finanzvolumen von über 200 Millionen Euro, ging die gewünschte Wirkung auf die breit gefächerte Privatwirtschaft aus. Es entstand ein völlig neuartiger Wirtschaftsstandort mit einem ebenso neuartigen, hervorragenden Image. Die Neue Mitte Oberhausen wurde zum Flagschiff, zum Synonym für den Strukturwandel im Ruhrgebiet der 1990er Jahre. Die angestrebte Sogwirkung trat ein! Weitere Freizeitprojekte siedelten sich an:

■ das Sea Life Center, im Jahr der Eröffnung 2003 Deutschlands größtes Erlebnis-Aquarium,

■ der Klettersport-Hochseilgarten Tree-to-Tree am Gasometer ab 2005,

■ die Modellbahnwelt Oberhausen (MWO) an der Marina Oberhausen 2008,

■ die Hotels Tryp 1997 und B&B 2009,

■ der Ausbau des Musical-Theaters zum Metronom-Theater der Stage-Entertainment Group 2006,

■ und weitere folgen, wie das Lego Discovery Center udn der Ocean-Park der Merlin Group ab 2013.

Doch vor allem viele, viele Unternehmen mit breitester Branchenzugehörigkeit wählten die Gewerbeparks, die in einem Radius von nur einem Kilometer Luftlinie um das CentrO geschaffen wurden, als ihren Standort. Auf etwa 4.500 Arbeitsplätze im CentrO, im Einzelhandel und in der Gastronomie, folgten binnen rund zehn Jahren weitere etwa 7.500 Arbeitsplätze in seinem Umfeld. Erst diese Magnetwirkung bringt den geplanten und erzielten Erfolg und die Vielgestaltigkeit des Stadtentwicklungsprojektes Neue Mitte Oberhausen zum Ausdruck.31

Aber was waren nun die Voraussetzungen dieser wegweisenden, erfolgreichen und für manche Nachbarstadt im Ruhrgebiet vorbildlichen Standortentwicklung? Es genügte nicht, aus den Erfahrungen des Scheiterns von Triple Five gelernt zu haben, dass ein behutsames, gemeinsames Vorgehen mit der Landesplanung gefunden und regional argumentiert werden musste. Hinzu traten ein Investor, der die Bereitschaft zur kooperativen Gestaltung eines vielseitigen Projektes gemeinsam mit der Stadt einbrachte, und eine einmalig günstige, schlagkräftige Personalkonstellation an der Spitze von Stadt und Politik in Oberhausen, die entscheidend zur Umsetzung der Neuen Mitte Oberhausen und des CentrO in ihr beitrug.

Heinz Schleußer

Geboren am 20. April 1936 in Oberhausen, gestorben am 12. Juli 2000. Heinz Schleußer arbeitete von 1954 bis 1963 als Betriebsschlosser im Hüttenwerk Oberhausen. Von 1969 bis 1987 war er Erster Bevollmächtigter und Geschäftsführer der IG Metall Oberhausen. 1957 trat Schleußer der SPD bei, 1975 wurde er in den Landtag von Nordrhein-Westfalen gewählt, wo er von 1981 bis 1988 finanzpolitischer Sprecher seiner Partei war. Im Mai 1988 berief ihn Johannes Rau als Finanzminister in sein Kabinett, dieses Amt übte er zwölf Jahre lang aus. Am 26. Januar 2000 trat er nach Vorwürfen in der Presse im Zusammenhang mit der „Düsseldorfer Flugaffäre“ von seinem Amt zurück; wenige Monate später starb er nach schwerer Krankheit.

Die sozialverträgliche Gestaltung des Strukturwandels im Ruhrgebiet und insbesondere in Oberhausen war die große Herausforderung seiner Amtszeit. Schleußer gehörte dem Aufsichtsrat der Thyssen AG und dem Verwaltungsrat der WestLB an. Die Marina am Rhein-Herne-Kanal in Oberhausen trägt seinen Namen.

Abb. 17: Heinz Schleußer


Abb. 18: Haus Ripshorst

Abb. 19: Das Freizeitbad „aqua park“


Abb. 20: Auarium „SeaLife“


Abb. 21: Metronom Theater

Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond, zugleich Vorsitzender der Verbandsversammlung des Kommunalverbandes Ruhrgebiet, leistete Vertrauensbildung in den Nachbarstädten. NRW-Finanzminister Heinz Schleußer beförderte die Unterstützung der Landesregierung. Michael Groschek als Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rat der Stadt warb engagiert für die Mehrheitsfähigkeit des Projektes in Einzelhandel, Wirtschaft und Bevölkerung vor Ort. Oberstadtdirektor Burkhard Drescher schließlich baute ein effektives Projektmanagement für die Durchführung von Genehmigungsverfahren und öffentlichen Investitionen auf. Ebenso gewährleistete Drescher durch sein gutes persönliches Verhältnis zu Eddie Healey die partnerschaftliche Abstimmung privater wie öffentlicher Planungen, aber auch, dass CentrO erheblich mehr wurde als sein englischer Vorläufer Meadow-Hall in Sheffield: Nämlich ein komplexes Freizeit- und Stadtentwicklungsprojekt statt eines bloßen Einkaufszentrums.

Jede Erfolgsgeschichte hat auch ihre Schattenseiten. Das liegt allein schon daran, dass im realen Leben niemals alle kühnen Pläne restlos gelingen können, die ambitionierte Entwickler aufstellen. Und ebenfalls treten die eine oder andere unerwünschte Nebenwirkung ein, die zu einer ausgewogenen Gesamtwürdigung eines so dynamischen Projektes wie der Neuen Mitte Oberhausen hinzu gehören. Es gab angestrebte Bausteine der Neuen Mitte, die nicht oder nicht vollständig erreicht wurden. Es stellten sich Wechselwirkungen der Neuen Mitte mit etablierten Stadtteilzentren, insbesondere mit der City von Alt-Oberhausen ein, deren kommunale Steuerung oder eher Beeinflussung Schwierigkeiten bereitete.

Seit der planerischen Entwicklung des Stadtentwicklungskonzeptes Neue Mitte in 1992, ausgehend vom TZU im Werksgasthaus, wurde angestrebt, den neuen Stadtteil mit einer Wohnbebauung zu ergänzen. Zu den kleinen Siedlungen Grafenbusch und Ripshorster Straße sollte vornehmlich auf dem Gelände der Marina, in geringerem Umfang ebenfalls an der Ripshorster Straße und auf dem Gelände des Stahlwerkes Oberhausen an der Osterfelder Straße eine Wohnbebauung hinzutreten. Jedoch vereitelten die eingeschränkte Lagegunst der Marina für Wohnen und das Scheitern von O.VISION die Verwirklichung der Wohnungsbauprojekte. Ferner war und wird weiterhin angestrebt, die Essener Straße als „Allee der Industriekultur“ sowie den Gewerbepark Centroallee mit Büroimmobilien für vielseitige Dienstleistungsnutzungen zu komplettieren. Spektakulär strebte Coca-Cola kurzzeitig in 1998 an, seine Deutschlandzentrale an der Kreuzung Essener-/​Osterfelder Straße zu errichten. Die Planung wurde zugunsten Berlins aufgegeben. Doch in 2011 fiel schließlich die Entscheidung von Bilfinger & Berger Power Services, dem vormaligen Energie-Anlagenbau von Babcock Borsig, eben dort den Firmensitz der Europazentrale zu errichten. Der stetige Ausbau der Essener Straße als „Allee der Industriekultur“ zum Standort für bürogestützte Dienstleistungen leistet inzwischen einen wichtigen Beitrag zur Dynamik und zur Diversifizierung der Neuen Mitte Oberhausen über ihre Bedeutung als Freizeit- und Einzelhandelsstandort hinaus. Davon gleich mehr.

Nachbarstädte, Einzelhandelsverbände und Industrie- und Handelskammern forderten wissenschaftliche Prognosen zu den Auswirkungen des CentrO auf den Einzelhandel der Stadtteilzentren im Ruhrgebiet. GFK, die Gesellschaft für Konsumforschung, und ISH/​Dr. Danneberg gaben Gutachten ab: Vorausgesehene Umsatzeinbußen bis zu eineinhalb Prozent galten als geringfügig, Verluste von bis zu drei Prozent als hinnehmbar und üblich im Rahmen allgemeiner konjunktureller Schwankungen. Angesichts solcher Bewertungen musste lediglich die City von Alt-Oberhausener empfindliche Auswirkungen befürchten. Nach günstigen Erwartungen würden sich die Folgen für die Innenstadt auf etwa drei Prozent beschränken, nach pessimistischeren Annahmen war jedoch mit Umsatzverlusten von rund zehn Prozent zu rechnen. Dessen ungeachtet stimmten Einzelhandelsverband und Kommunalpolitik dem Projekt zu. Was waren die Hintergründe?

Abb. 22: Das Entwicklungskonzept „Spirale“, Neue Mitte Oberhausen 1992

Der Strukturwandel im deutschen Einzelhandel hatte um 1970 eingesetzt. Der Versandhandel, Fachmarktzentren und die attraktiven Citys von Metropolen mit meist über einer halben Million Einwohnern vermochten ihre Position seitdem Stück für Stück zu verbessern. Unter den verschärften Wettbewerbsverhältnissen der Städtelandschaft Ruhr ging diese Entwicklung zu Lasten der kleineren Großstädte. Oberhausen wurde besonders betroffen, weil seine Raumstruktur in Folge der Städtezusammenlegung von 1929 Alt-Oberhausen zwar eine Zentral-Funktion für die Gesamtstadt zuwies, aber eben doch eine eher schwache Versorgungsfunktion für den Norden der Stadt und kaum Ausstrahlung über die Stadtgrenzen hinaus. Deshalb identifizierten Handel wie Politik in Oberhausen das CentrO als Chance und Herausforderung zugleich. Die Chance bestand in der Aussicht auf die Aufwertung als Einkaufsstadt in der Region, vielleicht gar mit so genannten „Überschwappeffekten“ neuer Kundengruppen in die City. Die Herausforderung indes erkannte man in der Gefahr eines beschleunigten Bedeutungsverlustes der Marktstraße und ihres Umfeldes, dem nur mit erhöhten Anstrengungen zur Attraktivitätssteigerung erfolgreich würde begegnet werden können. Burkhard Drescher, seit 1997 Oberbürgermeister, verband dieses Ziel mit der spektakulären Investitionsplanung in ein zwölf Meter hoch aufgeständertes, transparentes Dach von 475 Meter Länge über den Kernbereich der Marktstraße zwischen Altmarkt und Düppelstraße. Vor der Jahrtausendwende wurde darüber in der Stadt heftig und strittig diskutiert. Bau- und planungsrechtliche ebenso wie politische Bedenken ließen den Rat vom Dach Abstand nehmen. Seine möglichen Wirkungen waren höchst umstritten. Doch es blieb nicht bei einer Planung in Stahl und Glas. 1999 erfolgte die Ausweitung der Aufgaben der schon 1997 zur Tourismusförderung gegründeten TMO um das Stadtteilmarketing. Der zugleich gegründete Verein City O. Management ist seitdem bestrebt, die Interessen der Innenstadt zu bündeln und zu gemeinsamem Handeln zu organisieren. Von neuen Veranstaltungsformaten bis zu Investitionsprogrammen in Fassaden und in öffentliche Plätze reicht das Arbeitsspektrum der City-Verantwortlichen. Vieles wurde veranlasst, der schleichende Bedeutungsverlust des Einzelhandelsstandortes City jedoch nur abgebremst. Zu stark wirken die Strukturveränderungen im Einzelhandel, zu denen seit der Jahrtausendwende verstärkt der Internethandel und die Verlagerung der Publikumsgunst vom Kaufhaus zu den Shopping- wie den Fachmarkt-Zentren zählen. Und auch die übrigen Stadtteilzentren Oberhausens erlebten einen Schub an Aktivitäten sowohl der Stadt als auch der jeweils örtlichen Werbegemeinschaften, wie der STIG in Sterkrade, der Werbegemeinschaft Osterfeld und der IGS in Schmachtendorf. Verkehrsmaßnahmen, die bauliche Aufwertung von Einkaufsstraßen und vor allem die Attraktivitätssteigerung durch Festveranstaltungen bildeten für Kommune wie Öffentlichkeit ein gleichbedeutendes Maßnahmenbündel ergänzend zu den so genannten Strukturwandel-Projekten in der Neuen Mitte.

Ob es sich bei den Veränderungen der Stadtteilzentren um eine Schattenseite des CentrO handelte oder doch eher um einen unumgänglichen Bestandteil des Strukturwandels in Oberhausen im Zeitalter nach Kohle, Eisen und Stahl – das mag von Befürwortern wie Kritikern des CentrO seit 1992 kontrovers beurteilt werden: Die Schaffung der Neuen Mitte Oberhausen hatte tiefgreifende Auswirkungen auf das Zentrengefüge der Stadt Oberhausen und verlangte daher nach planerischen Antworten der Kommune. Oberhausens City verfügte im Vergleich zu anderen Großstädten ohnehin traditionell über eine eher schwache Versorgungsfunktion für die Gesamtstadt. Das lag sowohl an der nur mäßigen Kaufkraft der Arbeiterbevölkerung als auch an einem Stadtraum, der nicht um die Innenstadt, sondern um die Werke der Gutehoffnungshütte gewachsen war. Sterkrade als größtes Stadtteilzentrum profitierte zudem über ein halbes Jahrhundert nach 1955 von der so genannten Suburbanisierung, der Ausdehnung von Vororten im Norden mit Wohnvierteln vornehmlich für Mittelschicht-Familien. Während die Einwohnerschaft Alt-Oberhausens von 1963 bis 2010 von rund 128.000 auf 93.000 absank, erhöhte sich Sterkrades Bewohnerschaft von gut 77.000 auf über 85.000 in 2001, betrug aber auch 2010 noch fast 83.000. Dieser Trend minderte die Bedeutung des Stadtteils Alt-Oberhausen und darüber die Chancen der Innenstadt auf Zentralität. Somit verlangten nicht allein die Neue Mitte, sondern auch die Besonderheiten der Oberhausener Raumstrukturen nach einem neuen Zentrenkonzept, einer Neuorientierung auf die Zukunft.


Abb. 23: Animation für ein Dach auf der Marktstraße

In den 1990er Jahren jedoch waren die Eindrücke des CentrO offenbar zu frisch, um sich dieser großen Aufgabe mit aller Konsequenz zuzuwenden. Stattdessen erfolgte die Verarbeitung von Erfahrungen der Veränderung im intensiven öffentlichen Diskurs. Die Stadtgesellschaft Oberhausen bewies auch damit ihre Stärke und Lebendigkeit. Nach der Jahrtausendwende aber wurden wichtige Schritte auf dem Weg zu einem neuen Zentrengefüge getan: 2001 mit dem Masterplan für die Neue Mitte Oberhausen von Albert Speer, vor allem aber 2006 mit dem Stadtentwicklungskonzept zum Regionalen Flächennutzungsplan (RFNP). Von nun an wurde der Neuen Mitte ausdrücklich die Funktion des erstrangigen Versorgungsstandortes im Handel zugewiesen, während die City von Alt-Oberhausen der zentrale Ort für öffentliche Dienstleistungen war, jedoch auch die Stadtteilzentren von Sterkrade, Osterfeld und Schmachtendorf eine bedeutende Funktion in ihren jeweiligen Teilräumen bestätigt erhielten.

Tabelle 7: Bevölkerungsentwicklung Oberhausen gesamt und nach Stadtbezirken 1960 bis 2010

* Rückschreibung auf Grund der Volkszählung vom 6. Juni 1961

** Fortschreibung auf Grund der Volkszählung vom 27. Mai 1970

Quelle: Stadt Oberhausen, Bereich 4 - 5 Statistik und Wahlen

Durch die Veränderungen des Stadtraumes im Zuge des Strukturwandels gerieten auch kleinere Stadtteile verstärkt in das Blickfeld der städtischen Öffentlichkeit. Vorbild für viele andere Stadtviertel im Land Nordrhein-Westfalen, aber auch für Lirich, Tackenberg und die Innenstadt von Alt-Oberhausen wurde das Knappenviertel als Musterbeispiel für einen „Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf“. Von 1996 bis 2002 nahm das Knappenviertel am gleichnamigen Landesprogramm teil, erhielt über zehn Millionen Euro für rund 200 Einzelprojekte und schuf die Grundlagen für eine lebenswerte Zukunft. Die über 6.000 Bewohner des Stadtteils im Südosten der Neuen Mitte waren vom Sterben der Stahlindustrie besonders hart betroffen. Einkommen sanken, Einzelhandel und Handwerk gerieten in die Krise. Mit dem Stadtteilprojekt gelang dann die aktive Einbindung zahlreicher Bewohner in die Projekte der Wohnumfeldverbesserung, der Aufwertung von Freizeitangeboten und in die Stärkung der lokalen Ökonomie. Die Koordination der Projekte leistete ein Beirat unter dem tatkräftigen Vorsitz des späteren Oberbürgermeisters Klaus Wehling. S. steht die Initiative der Gewerbetreibenden K.In. O e. V. (Knappen-Initiative-Oberhausen) bis heute für gelungene Nachhaltigkeit und bürgerschaftliches Engagement als Ausfluss der Stadtteilarbeit. 2002 erhielt das Knappenviertel den „Preis Soziale Stadt“ des Landes NRW.32

Mit ihren Auswirkungen auf das innere Gefüge der Stadt Oberhausen stellte die Neue Mitte Oberhausen die lokale Identität vieler Oberhausenerinnen und Oberhausener in Frage. Zu sehr prägte die polyzentrale Struktur mit den drei recht eigenständigen Stadtbezirken das Bewusstsein der Menschen. Das Bedürfnis nach persönlicher Lebensorientierung griffen führende Kommunalpolitiker der 1990er Jahre, wie die Oberbürgermeister van den Mond und Drescher, die Fraktionsvorsitzenden Groschek (SPD) und Eckhold (CDU) mit ihrer Aussage auf, der Strukturwandel müsse und werde die Menschen wirtschaftlich und sozial auffangen, er müsse ihnen zugleich aber auch persönlichen Halt in ihrer Identität, in ihrem Heimatgefühl, in ihrer Lebensplanung geben. Die Oberhausener Bürgerschaft sollte im Strukturwandel „mitgenommen“ werden. Dem entsprachen die kommunalen Zielsetzungen nach einer neuen Identität der Stadt als Tourismus-Hauptstadt des Ruhrgebiets und nach einem Gleichklang städtebaulicher Aktivitäten in den vier Stadträumen Alt-Oberhausen, Sterkrade, Osterfeld und Neue Mitte.

Ende des 20. Jahrhunderts präsentierte sich die Oberhausener Wirtschaft im Vergleich zur Situation zehn Jahre zuvor deutlich verändert. Der beinahe vierzig Jahre anhaltende Schrumpfungsprozess der Beschäftigung wurde erstmals gestoppt und seit 1998 in ein langsames, jedoch seitdem stetiges Wachstum umgekehrt. Während die Anzahl der in Oberhausen wohnhaften, erwerbstätigen Personen zwischen 1987 und 1997 bei gut 80.000 stabil blieb, stieg sie danach von 1998 bis 2001 wieder auf über 83.000 an. Der Umbau der Strukturen hatte sich mit erhöhter Geschwindigkeit fortgesetzt. International agierende mittelständische Industrieunternehmen der Informationstechnologie wie Lennord & Bauer sowie B&W sind ebenso entstanden wie drei namhafte Marketing-Agenturen, die für Konzerne wie Audi oder Porsche globale Kampagnen durchführen: Bergmann, Bassier, Kindler, dann Benning, Gluth & Partner sowie Move Elevator. Diese Unternehmen repräsentieren seit der Jahrtausendwende ebenso wie Firmen in der Immobilien-Entwicklung, in der Gebäudereinigung oder wie Dienstleistungen für die Klinikwirtschaft die Leistungskraft der unternehmensnahen Dienstleistungen in Oberhausen. Der Abbau von Arbeitsplätzen in der Produktion wurde erstmals durch den Aufbau im tertiären Sektor vollständig ausgeglichen. Dies verbesserte die Eintrittschancen des Standortes in die Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts. Weitreichende Pläne wurden um die Jahrtausendwende dazu mit dem Projekt O.Vision Zukunftspark entwickelt. Sie leiteten eine weitere Phase in der Geschichte des Oberhausener Strukturwandels ein.33

„Überzeugungsarbeit in Oberhausen und im Ruhrgebiet für die Neue Mitte“

Interview mit Friedhelm van den Mond (Teil 4)

In den 1990er Jahren erfolgten die entscheidenden Weichenstellungen für den Oberhausener Strukturwandel von einer Montanstadt hin zu einer Einkaufs- und Dienstleistungsstadt. Die Neue Mitte Oberhausen und die Internationale Bauausstellung Emscherpark, IBA, waren die zentralen Meilensteine dieses Prozesses. Welche Unterstützung haben Sie als Oberbürgermeister in der Planungsphase durch die Nachbarstädte, den Kommunalverband Ruhrgebiet und das Land NRW erfahren?

Die Nachbarstädte waren nicht begeistert. Denn die Neue Mitte, das CentrO, hatte ja einen Vorlauf mit dem Projekt Triple Five in den Jahren 1986 bis 1989. Und als die Forderungen von Triple Five, wie z. B. Öffnungszeiten von 24 Stunden, im Werksgasthaus ein Spielcasino, bekannt wurden, da wurde ja selbst uns klar, dass die nicht zu erfüllen waren. Wir andererseits wollten, mussten ja bis zuletzt auch gegenüber der Landesregierung an Triple Five fest halten. Wir konnten doch nicht sagen, wir wollen das nicht. Wir wollten uns doch eine Option offen halten, um zu sagen, wenn das nächste gute Projekt kommt, das könnt ihr uns nicht kaputt machen. Aber die Nachbarstädte, denen ja auch bewusst war, was Triple Five gefordert hatte, die fürchteten mit CentrO würde was Ähnliches passieren.

Ohne die politische Unterstützung von Heinz Schleußer wäre das Ganze nicht über die Bühne gegangen. Die Nachbarstädte waren zumindest zurückhaltend. Der KVR war eigentlich neutral. Groß unterstützt wurden wir von Kurt Löwenthal, der bei der Einzelhandelsgruppe und auch bei der IHK dafür gesorgt hat, dass die zugestimmt haben. Ohne deren Zustimmung wäre das ja nicht möglich gewesen. Die Internationale Bauausstellung (IBA) hat uns nicht unbedingt bei der Neuen Mitte unterstützt, sie hat aber auch nicht gebremst. Karl Ganser war wirklich jemand, der sich für Oberhausen engagiert hat. Man verbindet ihn zu schnell nur mit dem Gasometer, für den der Karl gekämpft hat. Aber Karl Ganser hatte eigentlich eine andere Vorgehensweise. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Karl Ganser: Wir hatten uns im Ruhrland verabredet und als Karl Ganser kam, war er schon zwei Stunden durch die Stadt gelaufen. Er hat dann gesagt: Mit dem Gasometer, das kriegen wir ja wohl in die Reihe. Aber den Bahnhof, den müssen wir doch nach hinten mit einem Ausgang nach Nordwest zum Altenberg-Gelände öffnen. Und die IBA hat ganz stark daran mitgewirkt, dass der Bahnhof nach hinten geöffnet wurde. Nur damit war doch das jetzige Industriemuseum überhaupt erst möglich. Wenn dieser Riegel da geblieben wäre, dann hätte doch niemand im Traum daran gedacht, da so etwas aufzubauen. Also Karl Ganser muss ich sagen, hat Oberhausen in all diesen Fragen wirklich gut geholfen und das Land NRW hat uns auch unterstützt. Das ging ja aus dem Ablauf der ganzen Grundstücksverhandlungen hervor.

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22 aralık 2023
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9783874683203
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