Kitabı oku: «Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4», sayfa 2

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Wiederaufbau – Neubauwohnungen – „Wohlstand für alle“

Mitte der 1950er Jahre war die Not der Nachkriegsjahre überwunden. Es überwog ein grenzenloser Optimismus. Schon im Januar 1956 wurde gemeldet, dass die Bombenschäden fast vollständig beseitigt waren. Nun war Oberhausen, verglichen mit den Nachbarstädten, mit 35 Prozent Gebäudeschäden noch glimpflich davongekommen. Dass aber ein Jahrzehnt nach Kriegsende „Trümmer in Oberhausen schon Mangelware“ wurden, dass der „Wiederaufbau zu 87 Prozent erledigt“7 war, erfüllte den Vorsitzenden des Bauausschusses, der diese Zahlen vermelden konnte, mit berechtigtem Stolz. Es war längst nicht mehr nur der Wohnungsbau, der großen Baufirmen und Handwerkern Arbeit verschaffte. Die größten Baustellen lagen 1956 im Zentrum von Alt-Oberhausen, in einem Kreis mit 500 Meter Radius um die Verkehrsspinne Schwartz-, Tannenberg- und Danziger Straße. Für die damals riesige Gesamtsumme von sechs Millionen DM wurde an Erweiterungsbauten für das Naturwissenschaftliche Gymnasium, am Amtsgericht und am Rathaus gearbeitet. Innerhalb des 500-Meter-Kreises lagen auch die weitgehend schon fertig gestellten Gebäude des wieder aufgebauten Theaters, des Hauptbahnhofs, der Christuskirche und des Staatlichen Gymnasiums sowie die Neubauten des Gesundheitsamtes und des Europahauses. Hinzu kam 1958 die Fertigstellung des Friedensplatzes mit seinen Bäumen und Wasserspielen und der Baubeginn am Litopalast als Rahmen für die Lichtburg.8 Nur knapp außerhalb des genannten Kreises lag das alte Geschäftszentrum Marktstraße, wo auch fieberhaft gebaut wurde, wo z. B. C&A Brenninkmeyer gerade ein neues Groß-Kaufhaus hochzog. Die bis 1956 getätigten Bauinvestitionen allein für Behörden- und Geschäftsgebäude im Stadtkern summierten sich auf mindestens 30 Millionen DM, trieben in diesem Bereich die Grundstückspreise nach oben, hatten aber, wie man hoffte, weite „Ausstrahlungen in das Oberhausener Geschäfts- und Wirtschaftsleben“.9 Mit der stürmischen Bautätigkeit einher ging das rasante Wachstum der Stadtsparkasse, die im Januar 1957 ihr neues, drei Millionen DM teures Gebäude an der Marktstraße eröffnete.10


Abb. 2: Das wieder aufgebaute Theater, 1949

Parkplatzprobleme waren die zwangsläufige Folge der vielen neuen Gebäude, die in der Innenstadt hochgezogen wurden, ebenso wie des stark ansteigenden PKW-Verkehrs: „‚Ruhender Verkehr‘ quillt über“, titelte der „Generalanzeiger“ 1957. Die Photos, die das Problem mit dem „ruhenden Verkehr“ illustrieren sollten, nimmt der heutige Leser eher mit Schmunzeln zur Kenntnis: Auf der Nohlstraße zählt man um die Mittagszeit etwa zehn geparkte Autos, auf der Gewerkschaftsstraße sechs, auf der Saarstraße neun und auf der Gutenbergstraße acht Fahrzeuge.11

Anders als im Umkreis der „Verkehrsspinne“ an der Schwartzstraße funktionierte im Oberhausener Norden die Bebauung nicht plangemäß. Zwar widersprach niemand den Parolen: „Unsere Zukunft liegt im Norden“ oder „Stadt wandert zum Wald“.12 Mancher träumte auch von einer Straßenbahnlinie bis zum Forsthaus Specht im Norden von Bottrop. Aber die Realisierung des am Buchenweg, im Sterkrader Norden, geplanten „Villenviertels“ kam nicht so recht voran. Dort sollte eigentlich attraktives Baugelände bereitgestellt werden, um Oberhausener Bürger, die viel Einkommenssteuer zahlten, in der Stadt zu halten. Die Erschließung dieses Geländes stagnierte aber, was den SPD-Fraktionsvorsitzenden Meinicke zu der bissigen Kritik veranlasste, Oberhausen sei in dieser Hinsicht noch „ein Dorf geblieben“. Wohlhabende bauwillige Einwohner neigten dazu, nach Mülheim, Kettwig oder Essen abzuwandern; diese Städte hätten „das Rennen gegen den Oberhausener Norden bisher klar gewonnen“. Der Kritiker Wilhelm Meinicke setzte in der Bauausschusssitzung durch, dass 40.000 DM für den Ausbau der Hagenstraße in Buschhausen verwendet wurden. Wohl nicht ganz zufällig lag dieses Projekt in seinem Wahlbezirk, was im „Straßenkampf“ um städtische Investitionen auch von den Genossen seiner eigenen Fraktion süffisant vermerkt wurde.13


Abb. 3: Das Europahaus, 1956

Bauland wurde in dieser Zeit bereits so knapp, dass im Bauamt damit begonnen wurde, die letzten Trümmergrundstücke und generell alle erschlossenen Flächen systematisch zu erfassen. Selbst über Enteignungen für den Fall, dass Grundstückseigentümer nicht selbst bauen wollten, wurde nachgedacht. Ob dies rechtlich überhaupt möglich war und ernsthaft erwogen oder nur als Drohung in den Raum gestellt wurde – allein die Erwähnung dieses Instruments mag die Grundstücksspekulation gebremst haben. Mit Erstaunen registrierten die Zeitgenossen in diesen stürmischen Aufbaujahren, mit wie wenig Eigenkapital man zum stolzen Besitzer eines Eigenheims werden konnte: Tausende bauten mit weniger als zehn Prozent eigenem Geld. Ein ganz besonders raffinierter Bauherr hatte es sogar mit nur 31,40 DM geschafft, sich ein Haus im Wert von 100.000 DM hinzusetzen. Das war der Stadtverwaltung aufgefallen, als dieser Herr die Ämter mit Beschwerden bombardierte.14

Ausdruck des neuen Wohlstandes war auch schon der Massentourismus, der Mitte des Jahrzehnts mit voller Wucht einsetzte. Tausende Oberhausener entflohen „der sommerlichstickigen Dunstglocke des Kohlenpotts“, die meisten noch ins Sauerland, an die Nord- oder Ostsee, in den Schwarzwald oder ins Allgäu. Zunehmend verkauften die Reisebüros aber schon Pauschalreisen nach Mallorca und zu anderen Zielen am Mittelmeer, insbesondere in Italien. Selbst Flugreisen kamen schon in Mode.15



Abb. 4: „Die Flucht ins Nasse!“ Bericht über das Freibad am Stadion Niederrhein, GA vom 27./​28. Juni 1959

Die meisten Dunstglocken-Flüchtlinge fanden während der allsommerlichen Hitzewellen jedoch immer noch ganz in der Nähe Zuflucht in den Freibädern. „Die Flucht ins Nasse!“ titelte der Generalanzeiger seinen Bericht über das Freibad am Stadion Niederrhein. „Wer zählt die Völker, nennt die Namen, die wasserlechzend hier zusammenkamen.“ Ein Luftbild diente als Beleg für die Notwendigkeit großer Freibäder: „Wir müssten sie heute bauen, wenn sie nicht bereits da wären.“16

Frauen in neuen Berufen

Noch rumpelten die alten Straßenbahnwagen, in denen der Fahrer stand und der Schaffner mit seinem Bauchladen Fahrscheine verkaufte und mit einem Seilzug die Glocke zur Abfahrt läutete, durch Oberhausens Straßen. Nicht nur Personen wurden mit diesen immer offenen Wagen transportiert, auch tonnenschwere Güterwaggons mit Kohle für die Stadtwerke zogen die guten alten Straßenbahntriebwagen durch die Mülheimer Straße.17 Im Personenverkehr brach im Herbst 1957 jedoch eine neue Zeit an: „Hundert Schaffnerinnen knipsen vom 1. Oktober an Ihren Fahrschein.“ Offenbar eine Sensation: Die Einstellung der Frauen als Schaffnerinnen. Die Photographen waren dabei, als sich ihre männlichen Kollegen an ihre Seite drängten, um ihnen zu zeigen, wie die Fahrscheine „geknipst“ wurden. Für die Oberhausener Schaffnerinnen deutete sich 1958 das Ende der alten, offenen Straßenbahnwagen an, mit ihren starren Achsen, die deshalb in den Kurven furchtbar quietschten. Die neuen Großraumwagen wurden vorgestellt mit bequemen Sitzen für den Fahrer und seinen Schaffner, der die Haltestellen jetzt über Lautsprecher ansagte, mit automatischen Türen, so dass niemand mehr auf- oder abspringen konnte, und mit einem gelenkigen Fahrwerk, damit es in den Kurven nicht mehr quietschte. 1959 nahmen die Stadtwerke die drei ersten hochmodernen Großraumwagen vom „Oberhausener Typ“ in Empfang.18 Doch dazu später!

Die Einstellung der Frauen war durch die Arbeitszeitverkürzung auf 45 Stunden pro Woche notwendig geworden.19 Die 45-Stunden-Woche im öffentlichen Dienst verstärkte aber nur einen Trend, der – ausgelöst durch den Wirtschaftsboom – seit längerem erkennbar war. Die Männer in den Redaktionsstuben der Zeitungen registrierten es mit Erstaunen: „Frauen erobern neue Berufe.“ In der Berufswelt angekommen, wiesen ihnen aber schon noch die Männer ihre Rolle zu, so z. B. der Krankengymnastin:

„Von manchen Ärzten mit einem gewissen Misstrauen betrachtet, hat sich die Krankengymnastin inzwischen zu einer Helferin des Arztes entwickelt. Nicht nur in der Chirurgie und der Orthopädie, sondern auch in der inneren Medizin, der Nerven- und vor allem der Kinderheilkunde wird sie heute bereits als Helferin des Arztes herangezogen.“

Großen Seltenheitswert hatte noch der Beruf der Bildmixerin für das Fernsehen: „Sie sitzen am Schaltbrett neben dem Regisseur und haben die Aufnahmen jeder Kamera vor sich.“ Häufiger war da schon der Beruf der Milchmixerin für die 370 deutschen Milchbars. Bei den Schneidern hatten die Frauen die Männer schon fast vollständig verdrängt. Neu war der aus den US. importierte Beruf der Zugsekretärin, die in Schnellzügen „von eiligen Geschäftsleuten“ Diktate aufnahm. „Übrigens haben diese Damen sehr große Heiratschancen, sehr viel größere als zum Beispiel die Damen, die berufsmäßig bei Schönheitskonkurrenzen aufkreuzen.“ Diese Anmerkung schien dem – natürlich männlichen – Journalisten nun doch wichtig zu sein.20 Der Weg zur Gleichberechtigung der Frauen in der Arbeitswelt – einem Ziel, das auch heute noch nicht überall erreicht ist – war damals noch sehr weit.


Abb. 5: „Hundert Schaffnerinnen knipsen vom 1. Oktober an Ihren Fahrschein“, GA vom 10. Juni 1958

Bude und Stammtisch

Ob der Beruf der Milchmixerin auch in Oberhausen vertreten war, ist nicht bekannt. Milchbars dürfte es, wenn überhaupt, nur wenige gegeben haben. Dafür gab es umso mehr „Büdchen“, oder „Trinkhallen“, wie sie offiziell hießen. Am Ende der 1950er Jahre wurden noch 320 im Stadtgebiet von Oberhausen gezählt. An Curry-Wurst dachte damals noch keiner, dafür gab es Rollmops und Kautabak. Flaschenbier durfte eigentlich nur zu Hause, nicht im Stehen an der Bude, getrunken werden. Aber die alten Verschlüsse der Bierflaschen waren so praktisch, dass wohl mancher Rollmops auch mit ein paar Schluck Bier hinunter gespült wurde.21 Der Trend zum Flaschenbier machte den Wirten in Oberhausen große Sorgen. „Die Stammtische sterben aus.“ Diese gute deutsche Tradition würde bald durch „das Fernsehbier“ verdrängt, so die Befürchtung mancher Wirte. Es gab aber auch hoffnungsfrohe Anzeichen: Die Heimatvertriebenen pflegten ihre Sehnsucht in neuen Stammtischrunden, die Kegelstammtische florierten wie eh und je und in manchen Kneipen eröffneten gar Frauen ihre eigenen Stammtischrunden.22 Ob die Oberhausener Gastwirte das „Aussterben der Stammtische“ wohl zum Vorwand nahmen, um die Getränkesteuer nicht mehr zu bezahlen? Der Kämmerer reagierte gelassen auf den Steuerstreik der Wirte, obwohl er mit einem Fehlbetrag von 400.000 DM rechnen musste. Zwei Gründe gab es für diese beeindruckende Gelassenheit: Erstens würde die Getränkesteuer im folgenden Etatjahr sowieso wegfallen, und zweitens konnte die Stadt Oberhausen derartige Fehlbeträge anscheinend noch gut verkraften.23

Wie die Bierflasche so hatte auch die Milchflasche ihren Siegeszug angetreten. Nur sehr sparsame Hausfrauen kauften noch mit der Milchkanne bei einem der 90 ambulanten Milchmänner, die den Liter Milch vor der Haustür zwölf Pfennig billiger anboten. Warum die fleißigen Milchmänner ihre Existenzberechtigung vor Gericht verteidigen mussten, bleibt schleierhaft. 1960 konnten sie aber erst einmal aufatmen, als das Oberlandesgericht Düsseldorf – darüber kam nur noch der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht! – ihre Existenzberechtigung anerkannte.24

Flüchtlinge und andere Einwanderer

Der Jubel über das Ende der Wohnungsnot war 1956 wohl etwas verfrüht angestimmt worden. Die fieberhafte Bautätigkeit in allen Stadtteilen reichte auch in den späten 1950er Jahren noch nicht aus, um alle Menschen, die zuzogen, unterzubringen. Im Herbst 1958 „brandete“ die nächste „Berliner Flüchtlingswelle“ – so die Befürchtungen – nach Oberhausen. Den Städten wurde jeweils eine Quote zugeteilt – Menschen, für die in kurzer Zeit Wohnung und Arbeit gefunden werden musste. Während Oberhausen sich auf die „zehnte Quote“ einrichtete, hatte die Stadt die neunte Quote von insgesamt 3.000 Personen, die Anfang des Jahres 1958 angekommen waren „noch nicht verdaut“. Wegen der Masse der Flüchtlinge aus der DDR und weil damals Nordrhein-Westfalen noch als das reichste Bundesland galt, rechnete niemand damit, dass ein Einspruch gegen die „zehnte Quote“ irgendetwas bewirken würde.25

Gegen Ende der 1950er Jahre waren es vor allem die knapper werdenden Arbeitsplätze, die den Stadtoberen Kopfzerbrechen bereiteten. Das Wirtschaftswunder machte 1958 eine Verschnaufpause. Auf den Zechen des Reviers, auch in Oberhausen, waren über Pfingsten zum ersten Mal seit langem wieder Feierschichten verfahren worden. Anfang November 1958 kam die nächste Runde. Wieder standen für einzelne Tage die Räder auf den Fördertürmen still. Folge der Krise im Bergbau war, dass ein Teil der eben angeworbenen Ausländer schon wieder die Koffer packte, vor allem Ungarn, die nach dem Volksaufstand von 1956 geflohen waren und sich bei der schweren Arbeit unter Tage nie wohlgefühlt hatten. Keinen Weg zurück in den Tito-Staat gab es für die Jugoslawen, die in österreichischen Flüchtlingslagern angeworben worden waren. Aufatmend registrierte der „Generalanzeiger“ im April 1959: „Babylonisches Sprachengewirr in Oberhausen wird schwächer. […] Die Ausländergruppen im Oberhausener Bergbau […] schmelzen langsam dahin.“26 Wie lange man wohl noch an der Illusion festhielt, dass die „Gastarbeiter“ wieder abwandern würden?

Zwar stellte sich 1958 die Auftragslage bei Eisen und Stahl und in der verarbeitenden Industrie noch durchaus günstig dar, u. a. deshalb, weil man bei der GHH Sterkrade und bei Babcock große Hoffnungen auf den Reaktorbau setzte, aber Anfang 1959 zeigten sich auch dort erstmals seit dem Korea-Boom von 1952 wieder konjunkturelle Warnzeichen. Im Februar meldete die HOAG 100, die Ruhrchemie gar 400 Entlassungen.27 Im Rahmen „eiserner“ Sparmaßnahmen strich die HOAG für Arbeiter und Angestellte alle Produktionsprämien.28 Aber schon im August stellte die HOAG wieder 520 Leute ein, und im Dezember 1959 wurde an der Essener Straße mit großem Tamtam ein neuer Hochofen eingeweiht.29 Auch die Bergbau-AG „Neue Hoffnung“ tat so, als handele es sich für die Steinkohle nur um eine kleine Konjunkturdelle. Sie stellte im Herbst 1959 wiederum 400 Berglehrlinge und 350 Bergjungarbeiter neu ein. „Neue Hoffnung ruft den Nachwuchs.“ „Steinkohle – nach wie vor Grundlage unserer Wirtschaft“, so hieß es in den Werbeanzeigen.30

Während die Zuwanderung von Gastarbeitern von Anfang an auch mit Sorgen registriert wurde und die beginnende Abwanderung bei Manchem auch Stoßseufzer der Erleichterung auslöste, äußerten sich die Festredner zum 200. Geburtstag der GHH im Oktober 1958 durchweg positiv. Als in der Schlossgaststätte in feierlichem Rahmen an die Eröffnung der Antony-Hütte, der ersten Eisenhütte des Reviers, im Jahre 1758 erinnert wurde, sprachen die Oberbürgermeisterin Luise Albertz und der Oberstadtdirektor Anton Schmitz ausführlich über das rasante Bevölkerungswachstum der jungen Industriestadt, das zur Hälfte Ergebnis der ständigen Zuwanderung aus dem Osten Deutschlands und aus Polen war. „Aus dieser vielschichtigen Mischung zumeist lebenstüchtiger und wagemutiger Menschen, die ihre angestammte Heimat verließen, um hier einen neuen, besseren Lebensraum zu finden, ist eine neue Einheit geworden, das ‚Ruhrvolk‘. Es ist die menschliche Kraftquelle unseres Reviers.“31

Niemals sind in so kurzer Zeit, in einem Jahrzehnt, so viele Menschen nach Oberhausen zugewandert wie in den 1950er Jahren, nämlich rund 38.000 Heimatvertriebene und Flüchtlinge und zusätzlich mehr als 11.000 DDR-Flüchtlinge, insgesamt also fast 50.000 Menschen.


Jahr Heimatvertreibene und Flüchtlinge
1950 12.764
1951 16.580
1952 19.282
1953 23.687
1954 26.706
1955 29.285
1956 31.735
1957 34.942
1958 36.693
1959 37.296
1960 37.949

Tabelle 1: Gesamtzahl der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge 1950 bis 1960

Quelle: Stadt Oberhausen, Bereich Statistik und Wahlen, Zuwanderung in Oberhausen 1850 bis 2000, S. 37.

In den 1960er Jahren überlagerte die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte die beginnende Abwanderung Deutscher. Mit 260.570 Einwohnern erreichte Oberhausen 1963 seine höchste Einwohnerzahl, seitdem schrumpft die Bevölkerung.


Tabelle 2: Herkunftsländer der ausländischen Wohnbevölkerung 1960 bis 1970

Quelle: Stadt Oberhausen, Bereich Statistik und Wahlen, Zuwanderung in Oberhausen 1850 bis 2000, S. 52.

Die Bevölkerungsentwicklung in Oberhausen kann als durchaus typisch angesehen werden für die Bundesrepublik insgesamt. Die BRD wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Einwanderungsland. „Aufs Ganze gesehen ist die zweite Republik mit den schier zahllosen Problemen, die durch diese Bevölkerungsbewegungen aufgeworfen wurden, auf eindrucksvolle Weise umgegangen, doch noch ist völlig offen, wann sie sich endlich der Herausforderung durch Schrumpfung, Alterung und Migration stellen wird.“32 In Oberhausen, wie in der Bundesrepublik insgesamt, haben viele Gruppen bei der Eingliederung der Migranten ins „Ruhrvolk“ mitgeholfen: In erster Linie die Einwanderer selbst, die Kollegen am Arbeitsplatz, die Gewerkschaften, die Schulen und Kindergärten, Kirchengemeinden und in vielen Wohnbezirken die Nachbarn. Nach dem Ende der Vollbeschäftigungsphase, d. h. seit der ersten Ölkrise von 1973, stellten sich die Probleme der Integration der Einwanderer allerdings neu, häufig schwieriger dar.

Die Werke der GHH nach dem Krieg – nach wie vor Grundlage der Wirtschaft in Oberhausen

Zwar war das Wirtschaftsleben der Stadt wie vor dem Krieg unverändert von „der Großindustrie“ geprägt. Durch die „Entflechtung“ unter der britischen Besatzung hatten sich aber die Strukturen grundlegend geändert. Schon im Dezember 1945 wurden alle Zechen des Ruhrgebiets der North German Coal Control (NGCC) unterstellt, das bedeutete für die GHH die Herauslösung aller Zechen aus dem Konzern. Im August 1946 wurde der GHH-Aktienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb und die GHH Oberhausen AG der Treuhandverwaltung der North German Iron and Steel Control (NGISC) unterstellt. Hermann Reusch, der Sohn des Firmenpatriarchen Paul Reusch, übernahm also schon einen gestutzten Konzern, als er am 23. Januar 1947 Vorstandsvorsitzender wurde. In seinem kompromisslosen Kampf gegen Entflechtung, Entnazifizierung, Sozialisierung und Montan-Mitbestimmung gebärdete er sich noch einige Zeit als Sprecher der ganzen Ruhrindustrie, steigerte sich aber im Verlauf der 1950er Jahre in eine „Wagenburgmentalität“ hinein – in Frontstellung auch gegen die Regierung Adenauer – und wurde später, als er z. B. die Hauptversammlung des GHH Aktienvereins immer auf „Kaisers Geburtstag“, den 27. Januar legte, zu einer eher „skurrilen“ Figur.33 Hermann Reusch konnte nicht verhindern, dass am 8. Februar 1947 durch die Treuhandverwaltung der NGIS. die „Hüttenwerke Oberhausen AG (HOAG)“ gegründet, die alte GHH dadurch in drei Teile aufgespalten wurde: Südlich des Rhein-Herne-Kanals lagen die Eisen- und Stahlwerke der HOAG, überwiegend nördlich davon die Zechen und in Sterkrade das einzige Werk der Weiterverarbeitung, das zugleich noch den Namen GHH trug. Als 1949 die Bundesrepublik gegründet wurde, war die HOAG der größte Stahlerzeuger der neuen Republik. Maßgeblich geleitet wurde die HOAG in den Anfangsjahren vom Arbeitsdirektor Karl Strohmenger, der auf Vorschlag der IG Metall in den Vorstand berufen worden war. Unter seiner Leitung wurde die paritätische Mitbestimmung eingeführt: Im Aufsichtsrat der HOAG saßen ab 1951 fünf Vertretern der Arbeitgeber fünf Arbeitnehmervertreter gegenüber. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich eine intime persönliche Feindschaft zwischen Karl Strohmenger und Hermann Reusch.

Alle Versuche, die Entflechtung des GHH-Konzerns rückgängig zu machen, scheiterten. Am 28. Mai 1952 wurden die ehemaligen GHH-Zechen in eine neue Einheitsgesellschaft überführt, die den Namen „Bergbau-AG Neue Hoffnung“ erhielt, nachdem die GHH gegen den Namen „Bergbau-AG Gute Hoffnung“ ihr Veto eingelegt hatte. Konsequenterweise wurden auch die Namen des alten Konzerns geändert: Ab Juli 1953 gab es nur noch den „Gutehoffnungshütte Aktienverein“, und aus der „Gutehoffnungshütte Oberhausen AG“ wurde gleichzeitig die „Gutehoffnungshütte Sterkrade AG“. Die alte Eigentümerfamilie Haniel besaß zwar in den Nachfolgegesellschaften weiterhin die Aktienmehrheit, ihre Stimmrechte unterlagen jedoch Beschränkungen. 1959 übernahm die im Nachkriegsboom höchst erfolgreiche HOAG die schon kriselnden Zechen der Bergbau-AG „Neue Hoffnung“. Diese Fusion war aber nicht die Rückverflechtung des „vertikal“, von der Rohstoffgewinnung bis zum fertigen Produkt durchorganisierten Konzerns, wie er Hermann Reusch vorschwebte. Nachdem alle Bemühungen um eine „Wiedervereinigung“ des Vorkriegskonzerns endgültig gescheitert waren, richtete sich der ganze Zorn von Hermann Reusch auf die Montanmitbestimmung. Als er sie im Januar 1955 bei der Hauptversammlung in Nürnberg als „das Ergebnis einer brutalen Erpressung durch die Gewerkschaften“ bezeichnete, folgten 800.000 Metallarbeiter und Bergleute im Revier aus Protest gegen diese verbale Entgleisung dem Aufruf zu einem eintägigen Warnstreik.34 Im verschneiten Oberhausen traten am 14. Januar 12.000 HOAG-Mitarbeiter, einen Tag später 16.000 Bergleute der „Neuen-Hoffnung“-Zechen in den Streik.35 Diese selbstbewusste Machtdemonstration der Gewerkschaften zeigte besser als alles andere, dass der GHH-Chef in der Mitte der 1950er Jahre längst nicht mehr der unumschränkte Herrscher „der Großindustrie“ in Oberhausen war – wie vor dem Krieg zu Zeiten seines Vaters Paul Reusch.

Das gewachsene Selbstbewusstsein der Gewerkschaften war ohne Vollbeschäftigung in einer fast schon überhitzten Konjunktur nicht denkbar. Im Sommer 1955 waren in Oberhausen „nur noch 447 Männer ohne Arbeit“.36 Bei den Frauen waren noch 1.232 arbeitslos gemeldet, aber diese Zahl schaffte es nicht in die Schlagzeilen. Besonders spürbar war der Arbeitskräftemangel im Bergbau: „Aber woher weitere 1500 Bergleute nehmen?“ titelte der „Generalanzeiger“ Ende Juli.37 Die Bergbau-AG „Neue Hoffnung“ schüttete in diesem Sommer vier Prozent Dividende aus. Im Herbst wurde auch die Zeche „Franz Haniel“ als „Oberhausens nördlichste Industriebastion“ vereinnahmt. Zwar auf Bottroper Gebiet gelegen, sei diese Zeche „in allem doch unzweifelhaft unserer Stadt zugehörig“. Seit drei Jahren sei das Zechengelände eine riesige Baustelle. Vor allem ein modernes Kraftwerk wurde 1954 fertiggestellt. „Die Haniel-Schächte werden, auf allerdings weitere Sicht beurteilt, in die erste Reihe der Oberhausener Großbetriebe gehören.“38 Mit dieser Prognose lag der Journalist gewaltig daneben, aber 1955/​56, auf der Welle des historisch letzten Steinkohlebooms reitend, vernebelte ein grenzenloser Optimismus vielen den Blick. Die Concordia AG warb im Januar 1956 junge Bergleute mit besonderen Schichtprämien an.39 Gegenüber Ausländern war aber selbst der DGB anfangs noch misstrauisch: Man befürchtete, dass Kommunisten, z. B. aus Italien, in die Betriebe eingeschleust werden könnten.40 Ab Sommer 1956 wurden für den Ruhrbergbau Tausende von Italienern angeworben.41 Ein Jahr später wurden sogar 500 Japaner für den Bergbau ins Ruhrgebiet geholt.42 Modernisierung und Rationalisierung im Bergbau fanden ihren sinnfälligsten Ausdruck, als „Bubi“, Oberhausens letztes Grubenpferd, auf der Zeche Alstaden in Rente ging. Seit 1943 malochte der braune Wallach auf der Zeche Alstaden und legte dabei unter Tage angeblich eine Strecke zurück, die dem doppelten Erdumfang entsprach – so jedenfalls stand es in der Zeitung.43 Ein halbes Jahr später, an Pfingsten 1958, zwang der Absatzmangel die Oberhausener Zechen, die ersten Feierschichten einzulegen, erst bei Concordia, wo 13 Tagesförderungen auf Halde lagen, dann auch auf den Zechen der „Neuen Hoffnung“ und auf Alstaden.44 Erstmals wurde die Konkurrenz des Erdöls als preiswertem Brennstoff spürbar. Es würde nie mehr so sein wie früher. Dass dies der Anfang vom Ende des deutschen Steinkohlenbergbaus war, machte sich allerdings noch niemand klar.

Ein gewaltiger Boom, gerade auch in der „alten“ Schwerindustrie, Vollbeschäftigung, Mitbestimmung in den Aufsichtsräten der großen Konzerne und Massenstreiks zur Verteidigung dieser Errungenschaften gehörten jetzt ganz selbstverständlich zur Arbeitswelt der Industriestadt Oberhausen. Das war eine neue Erfahrung für die meisten Flüchtlinge, die nach 1945 in Oberhausen gelandet waren, aber auch für die Heimkehrer aus der Gefangenschaft, die überwiegend in den 1920er Jahren ja noch Kinder gewesen waren. Gleichzeitig blieben die menschlichen Kriegsfolgen noch lange präsent, auch als der beginnende Wirtschaftsaufschwung sie langsam aus dem Bewusstsein verdrängte.

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22 aralık 2023
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