Kitabı oku: «Religion und Spiritualität in der Ich-Gesellschaft», sayfa 6

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Religiös-säkulare Konkurrenz in der Ich-Gesellschaft

Durch die Revolution der 1960er Jahre wurde das alte Regime religiös-säkularer Konkurrenz der Industriegesellschaft durch dasjenige der Ich-Gesellschaft ersetzt. In beiden Konkurrenzregimes finden wir religiös-säkulare Konkurrenz auf allen drei Ebenen: um Macht in der Gesellschaft, um Macht innerhalb von Gruppen/Organisationen/Milieus und um individuelle Nachfrage. Allerdings hat sich der zentrale Punkt, um den es sich in der Konkurrenz dreht, völlig verändert. Innerhalb des neuen Konkurrenzregimes besitzen Individuen vergleichsweise viele Ressourcen und viel Sicherheit. Auf dieser Basis entscheiden sie selbst über ihre eigene Ausbildung, Berufswahl, Partnerwahl, sexuelle Ausrichtung, ihren Lebensstil – und eben auch über Religion und Religiosität. Religiöse Zugehörigkeit wird damit als prinzipiell wählbar angesehen, und der Kirchenaustritt wird enttabuisiert. Die Individuen empfinden sich zunehmend weniger als von Geburt an Mitglied einer Gemeinschaft, sondern sehen sich zunehmend als «Kunden» gegenüber religiösen «Anbietern».159 Das heisst nicht, dass es in diesem Konkurrenzregime nicht auch religiös-säkulare Konkurrenzen um Macht geben könnte. Aber auch in solchen Fällen gehen die Menschen wie selbstverständlich von einer grundsätzlich individualistischen Weltsicht aus. |57|

Konkurrenzbeziehungen

Die sicherlich wichtigste Konkurrenzbeziehung im Konkurrenzregime der Ich-Gesellschaft ist die religiös-säkulare Konkurrenz um Nachfrage. Auf buchstäblich allen von ihnen ehemals monopolistisch bearbeiteten Gebieten zeigen sich den Kirchen und religiösen Gemeinschaften gegenüber nun säkulare Anbieter, die für ähnliche Güter werben. Ein erstes Gebiet dieser Konkurrenzbeziehung ist die Freizeit. Da die Normen, die die religiöse Praxis sicherten, ihre Bindekraft verloren haben, ist die religiöse Praxis zur «Freizeitentscheidung» geworden. Dies wirkt sich besonders stark auf die Gestaltung des Sonntags aus. Für viele Menschen ist der «Tag des Herrn» zum säkularen Weekend geworden. Freizeitkonkurrenz zeigt sich ferner sehr deutlich in Bezug auf Jugendliche. Die Kirchen hatten vom Ende des 19. Jahrhunderts an versucht, Freizeitangebote für Jugendliche aufzubauen, um so eine kontinuierliche Transmission der christlichen Inhalte zu garantieren. Diese Angebote sahen sich in den 1950er und dann extrem seit den 1960er Jahren einer starken Konkurrenz zu säkularen Freizeitangeboten aller Art ausgesetzt. Die Konkurrenz um Nachfrage zeigt sich zweitens auch stark in der Kindererziehung, in der Eltern sich die Frage stellen müssen, wie viel Raum der religiösen Erziehung gegenüber säkularer Erziehung und anderen Zeitverwendungsmöglichkeiten eingeräumt werden soll. Ein dritter Aspekt dieser Konkurrenz betrifft die «Nachfrage nach Berufen». Durch den Wirtschaftsaufschwung und die verbesserten Bildungschancen für breite Kreise der Bevölkerung ist der Beruf des Priesters oder Pastors vergleichsweise weniger attraktiv geworden. Dieser Beruf war früher eine der wenigen Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs für Kinder aus ärmeren und ländlicheren Gegenden. Mit dem Verschwinden dieses Vorteils ist die Attraktivität des kirchlichen Berufs gesunken.160 Ein vierter und letzter Bereich der Konkurrenz betrifft die Kasualien, die lange noch als die letzte Bastion der Kirchen galten. Sie werden in dem Mass konkurrenziert, wie säkulare Ritualberater auf den Plan treten.161

Religiös-säkulare Konkurrenz um Nachfrage führt zu wichtigen Effekten sowohl für Nachfragende als auch für Anbieter. Nachfragende wählen meist die Angebote, die ihnen am attraktivsten erscheinen. Da die säkularen Angebote sehr stark ausgebaut worden sind und zudem dank gestiegener Kaufkraft auch leichter erreichbar sind, kommt es bei vielen Individuen zu einem «säkularen Driften», d. h., sie gleiten langsam in säkulareres Fahrwasser. Oft geschieht dies weniger als bewusste Entscheidung gegen religiöse Angebote, als vielmehr als ein Nebenprodukt der Entscheidung |58| für säkulare Angebote. Die Tatsache, dass Individuen selbst über ihre religiös-säkulare Nachfrage entscheiden, führt ferner zu einer zunehmenden Individualisierung (die Individuen unterscheiden sich zunehmend in Bezug auf ihren individuell zusammengestellten religiös-säkularen «Warenkorb») und eine zunehmende Konsumorientierung (die Individuen betrachten die religiös-säkulare Welt zunehmend als «Angebote», die sie nach Leistung und Preis beurteilen. Für religiöse Anbieter bedeutet das neue Konkurrenzregime der Ich-Gesellschaft, dass sie grosse Anstrengungen unternehmen müssen, um «im Markt zu bleiben», d. h. um Menschen zu motivieren, Zeit, Energie und Geld für religiöse (und nicht für andere) Zwecke bereitzustellen. Kirchen versuchen daher zunehmend, verschiedene aus dem Marketing bekannte Strategien anzuwenden (z. B. Bedürfniserfassung, Qualitätssicherung, Werbung).162 Eine wichtige Strategie besteht auch darin, eine bestimmte Grösse zu erreichen, um im Konkurrenzkampf bestehen zu können (daher das Phänomen der Fusionen und Megachurches).163

Ein für die Religion in der Gesellschaft äusserst wichtiger Konkurrenzkampf, der bereits im 19. Jahrhundert begann und das ganze 20. Jahrhundert mit steigender Virulenz in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren durchzieht, bezieht sich auf die Emanzipation der Frauen.164 Während es im vorindustriellen Zeitalter normal war, dass sowohl Männer wie auch Frauen erwerbstätig sein konnten,165 führte die Industrialisierung, die fortschreitende Trennung von Wohn- und Arbeitsort und die Erfindung der bürgerlichen Familie zu einer starken arbeitsteiligen Trennung der Geschlechterrollen. In dieser Ideologie war der Mann für den Broterwerb ausser Haus zuständig, während die Frau sich zu Hause um die Kinder und den Haushalt kümmerte. Gerade die Tatsache, dass die Frau nicht zu arbeiten brauchte, zeigte den Status der Familie an. Männern und Frauen wurden hierbei unterschiedliche, «naturgegebene» Eigenschaften zugeschrieben: Männer waren rational, hart, mutig, entschieden und potenziell durch «Laster» gefährdet; Frauen waren mütterlich, zart, liebend, rein und fromm.166 Aufgrund dieser Ideologie waren Frauen von politischen und den meisten übrigen öffentlichen Tätigkeiten ausgeschlossen. Im Erwerbsleben konnten sie nur bestimmte Berufe ausüben, nur sehr begrenzt beruflich aufsteigen und erhielten normalerweise für gleiche Arbeit weniger Lohn. Im Eherecht waren sie dem Mann nicht gleichgestellt, |59| er hatte die finanzielle Hoheit und konnte darüber entscheiden, ob die Ehegattin berufstätig sein durfte oder nicht. Auch in Fragen der Sexualität herrschte keine Gleichberechtigung. Die Frauenbewegungen forderten in allen diesen Bereichen Gleichberechtigung. Für unser Thema ist interessant, dass die bürgerliche geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im 19. und frühen 20. Jahrhundert insgesamt zu einer Feminisierung der Religion führte.167 Einerseits wurde den Frauen eine Reihe von Betätigungsfeldern untersagt, die zu Religion in Konkurrenz hätten treten können und dies bei Männern auch tatsächlich taten (Erwerbsarbeit, Freizeitbeschäftigungen, Sport usw.), andererseits wurde ihnen als Gattin und Mutter eine Rolle geschaffen, die sich direkt auf die Vermittlung von Religiosität richtete. Die Frau hatte sich – insbesondere im Katholizismus – um die religiöse Erziehung der Kinder zu kümmern und als «Priesterin der Familie» zu walten. Wenn sie sich öffentlich betätigte, so hatte dies normalerweise karitativ zu geschehen.168 Im Kampf um Gleichberechtigung, der in der Schweiz langsamer als in anderen westeuropäischen Ländern vorankam, wurden diese beiden Grundpfeiler der bisherigen weiblichen Religiosität zerstört. Einerseits erstritten sich die Frauen gleiche politische, ökonomische und gesellschaftliche Rechte. So erhielten sie (wie gesagt im Vergleich sehr spät) 1971 das Stimmrecht, und 1981 wurde die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in die Verfassung aufgenommen. Das Eherecht von 1985 sieht den Mann nicht mehr als Familienoberhaupt.169 Andererseits wurden in der sexuellen Revolution der 1960er Jahre und in der darauffolgenden Frauenbewegung die bürgerlichen geschlechtsspezifischen Rollenbilder zerstört.170 Frauen wehrten sich vehement gegen die überkommenen Stereotypen und verwarfen die religiöse Legitimation dieses Rollenbilds. Der Kampf um neue Freiheiten und eine neue Identität konnte von Frauen interessanterweise nicht nur gegen Religion, sondern gerade mit Hilfe einer neuen, alternativen Spiritualität geführt werden, die in den 1960er Jahren entstand und in den 1970er Jahren zu voller Blüte gelangte. Im Effekt führten beide Entwicklungen dazu, dass die Frauen jetzt den gleichen die Religion konkurrenzierenden Faktoren ausgesetzt sind wie die Männer.

Ein weiterer Konkurrenzkampf innerhalb des Konkurrenzregimes der Ich-Gesellschaft betrifft die Stellung der (in den meisten Kantonen) als öffentlich-rechtliche Institutionen anerkannten Kirchen. Hier geht es nicht mehr um individuelle Nachfrage, sondern um Fragen der Macht und Einfluss auf die herrschende Ordnung |60| in der Gesellschaft. Da die Anzahl der Konfessionslosen und nicht christlich Religiösen steigt, erscheint die ausschliessliche Anerkennung der Landeskirchen als immer weniger legitim. Dadurch wird ihre Stellung – etwa durch säkularistische Gruppen oder nicht anerkannte religiöse Gemeinschaften – angreifbar.171 So hat es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Versuche gegeben, die Anerkennung der Landeskirchen in verschiedenen Kantonen zu stoppen oder aber an bestimmten Vorrechten zu rütteln. Die Kantone haben ihre Verfassungen denn auch schrittweise in Richtung einerseits einer Lockerung des Kirche-Staats-Verhältnisses und andererseits einer möglichen Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften angepasst. In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass die Grosskirchen in ihren Reaktionen auf die Konkurrenz eingeschränkt sind, denn im neuen Konkurrenzregime wird es nicht goutiert, wenn sie offen mit anderen Konfessionen oder Religionen um Herrschaft ringen. Sie können ihre öffentliche Stellung stärken, wenn sie sich für Themen einsetzen, die dem Gemeinwohl insgesamt dienen, z. B. für Frieden, interreligiösen Dialog und den Einsatz für die Menschenrechte.172

Schliesslich erkennen wir einen wichtigen Konkurrenzkampf rund um den Islam. Hier stehen sich Gegner eines als bedrohlich empfundenen Islams und Akteure gegenüber, die dem Islam die gleichen Rechte wie allen anderen Religionen in der Schweiz einräumen möchten. Die Aktivisten der Islamgegner setzen sich aus verschiedenen Gruppen zusammen: Rechtskonservative rund um die Schweizerische Volkspartei, politisch rechts stehende Mitglieder der evangelischen Freikirchen wie auch Feministinnen, denen die traditionellen Gendervorstellungen vieler Muslime ein Dorn im Auge sind. Die Aktivisten und Aktivistinnen der Islambefürworter setzen sich aus Vertretern der Grosskirchen, Praktikern des interreligiösen Dialogs wie auch Anhängern der multikulturellen Gesellschaft zusammen.173 Per Volksinitiative gelang es 2009 den Gegnern, ein Minarettverbot in der Schweiz durchzusetzen, das nun in Artikel 72 der Verfassung steht.174 Die meisten Befürworter der Anti-Minarett-Initiative lehnten Minarette dabei nicht aus religiösen Gründen ab. Vielmehr sahen sie Minarette als Symbole eines Phänomens, das ihrer Meinung nach die in der Schweiz herrschende Ordnung gefährde. |61|

2.4 Hypothesen

Wenn die allgemeine Theorie und die sozio-historische Konkretisierung der letzten Seiten zutreffen, müssten sie dann nicht auch empirisch zu beobachten sein? Diese Frage führt uns zu einigen zentralen Hypothesen, die wir im vorliegenden Buch testen werden. Wir unterscheiden Hypothesen in Bezug auf den Übergang zur Ich-Gesellschaft, individuelle Anpassungen, Grossgruppen (Milieus) und religiös-spirituelle Anbieter.

Übergang zur Ich-Gesellschaft

H1 Übergang zur Ich-Gesellschaft, Wirtschaftswachstum und religiöse Indikatoren. Es sollte nachweisbar sein, dass in den 1960er Jahren tatsächlich eine grosse Veränderung in verschiedenen Dimensionen vor sich ging (die wir den Übergang zur Ich-Gesellschaft bzw. den Wechsel des Konkurrenzregimes nennen). In diesem Zeitraum sollten wir gleichzeitig eine starke Steigerung des Lebensstandards für die grosse Mehrheit der Bevölkerung (Realeinkommen, persönliche Sicherheit, Mobilität, Freizeitoptionen) wie auch ein starkes Sinken religiöser Praxis finden.

H2 Übergang zur Ich-Gesellschaft und Kulturwandel. Die vor 1960 geborenen Individuen sollten sich in verschiedener kultureller Hinsicht deutlich von den später geborenen unterscheiden. Erstere sollten noch von einer starken, erzwungenen religiösen Sozialisierung berichten, die die Züge des alten Konkurrenzregimes trägt. Bei ihnen sollte man weniger Individualisierung, religiöse Konsumorientierung, eine stärkere konfessionelle Identität und eine geringere Ablehnung von anti-individualistischer Religion (sofern dies die eigene Religion betrifft) finden. Diese Personen sollten im Durchschnitt auch religiöser sein als spätere Generationen. Die in den 1940er Jahren geborene Generation sollte den Wechsel des Konkurrenzregimes oft als biografischen Bruch mit dem eigenen Elternhaus erfahren haben. Die späteren Generationen sollten von einer viel freieren religiösen Sozialisierung berichten und stärker Werte des neuen Konkurrenzregimes aufweisen.

H3 Übergang zur Ich-Gesellschaft und Geschlecht. Männer und Frauen sollten sich in verschiedener Hinsicht deutlich unterscheiden. Vor 1940 geborene Personen sollten noch von stark unterschiedlicher religiöser Sozialisierung für Jungen und Mädchen berichten. Die Frauen dieser Generationen sollten auch noch deutlich religiöser sein als die Männer. Zwischen 1940 und 1970 geborene Frauen sollten in erhöhtem Masse von einer Befreiung aus traditionellen religiösen Denkmustern und z. T. von Versuchen innerhalb der alternativen Spiritualität berichten. Bei Jahrgängen nach 1970 sollte |62| sich eine Angleichung in religiöser Hinsicht zwischen den Geschlechtern bemerkbar machen.

H4 Übergang zur Ich-Gesellschaft und Stadt/Land. Die Unterschiede zwischen Stadt und Land sollten sich in religiöser Hinsicht zunächst vergrössern, da der Übergang zur Ich-Gesellschaft (bzw. zum neuen Konkurrenzregime) in den Städten beginnt. In dem Mass, wie der neue Lebensstil sich von der Stadt aufs Land ausbreitet, sollten sich die Unterschiede wieder verringern.

Individuelle Anpassungen

H5 Säkulares Driften. Die Individuen sollten ein säkulares Driften zeigen, d. h., sie sollten – im Durchschnitt – weniger religiös werden. Dies, weil die Individuen seit den 1960er Jahren sehen, dass sie zu Religion nicht mehr gezwungen sind, dass sie viele Ressourcen und sehr viele säkulare Optionen haben und dass sie ihre Bedürfnisse ihrer Ansicht nach oft besser mit säkularen Institutionen befriedigen können. Säkulares Driften sollte insbesondere zwischen Generationen zu beobachten sein, da Religiosität und Spiritualität stark durch Sozialisierung beeinflusst werden und jede neue Generation in einer noch stärker durch säkulare Alternativen gekennzeichneten Welt aufwächst.

H6 Individualisierung und Konsumorientierung. Über die ganze Gesellschaft hinweg sollte in den letzten Jahrzehnten eine Zunahme der Individualisierung und Konsumorientierung zu beobachten sein, d. h., dass die Individuen zunehmend der Meinung sind, sie könnten und müssten in religiösen/säkularen Fragen selbst entscheiden und zunehmend die Optionen wählen, die ihnen subjektiv den grössten «Nutzen» oder die grösste «Befriedigung» verschaffen.

Grossgruppen

H7 Unterschiedliches Wachstum und Schrumpfen von Grossgruppen. Grossgruppen mit traditionell-christlicher Religiosität sollten schrumpfen; Grossgruppen mit distanzierter Religiosität und säkularen Ansichten sollten wachsen. Eine Grossgruppe mit alternativer Spiritualität sollte ab den 70er Jahren zu beobachten sein. Diese Hypothese setzt eine genauere Beschreibung der Grossgruppen voraus, was Gegenstand der Kapitel 3 bis 8 sein wird. |63|

Anbieter

Da unsere Untersuchung vor allem Daten über Individuen erhoben hat, können wir die aus unserer Theorie folgenden Hypothesen zu den religiösen und spirituellen Anbietern nur zum Teil und nur indirekt (v. a. in den Kapiteln 7, 8 und 9) prüfen. Wiederum fragen wir, was empirisch zu beobachten sein müsste, wenn unsere theoretische Beschreibung richtig sein sollte.

H8 Religiöses Marketing. Die Kirchen und religiösen Gemeinschaften sollten zunehmend religiöses Marketing einsetzen. Da sie bemerken, dass die Individuen nicht mehr Mitglieder sein müssen und es keine Religiosität sanktionierenden Normen mehr gibt, sind die Anbieter gezwungen, sich auf die Bedürfnisse der Individuen einzustellen. Hierfür werden sie vermehrt versuchen, die gleichen Techniken einzusetzen wie andere Organisationen (Marktforschung, Befragung, Milieustudien, Qualitätssicherung, Diversifizierung, Konzentration auf ein Kernprodukt, Werbung usw.)

H9 Megachurches und Fusionen. Um im Konkurrenzkampf vor allem mit den säkularen Anbietern bestehen zu können, werden viele Anbieter versuchen, eine kritische Grösse zu erreichen. Dies kann entweder durch das Anstreben einer Megachurch oder durch Fusionen von bestehenden Gemeinden geschehen.

H10 Akkomodierung vs. Abschliessung. Wollen die Anbieter viele Menschen ansprechen (z. B. «Volkskirchen» bleiben), so werden sie sich auf die Werte und Moralvorstellungen des neuen Konkurrenzregimes einstellen und diese langfristig übernehmen. Sie werden also die Freiheit der Einzelperson, die Menschenrechte, Gleichberechtigung von Mann und Frau usw. betonen. Ferner werden sie vom Versuch ablassen, das Verhalten und die moralischen Vorstellungen ihrer Mitglieder zu kontrollieren. Elemente der Ideologie von Anbietern, die nicht dem neuen Konkurrenzregime entsprechen, werden in der Gesellschaft als hochgradig illegitim erscheinen. Sind Anbieter nicht bereit, sich akkomodierend an das neue Konkurrenzregime anzupassen, so werden sie eine Form von sozialer Abschliessung verwenden müssen. Durch die Schaffung von geschlossenen Milieus oder sozialen Gruppen mit klaren Grenzen müssen sie ihre Mitglieder so stark abschotten, dass die Kritik von aussen den Mitgliedern nichts oder wenig anhaben kann.

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Soweit die Darstellung der Theorie und der aus ihr folgenden Hypothesen. Wer die Literatur kennt, wird bemerkt haben, dass die meisten der hier vertretenen Ideen nicht neu sind. Wir nehmen aber doch in Anspruch, eine neuartige Systematisierung vorzulegen, die in allgemeiner Weise aufzeigt, wie religiös-säkulare |64| Konkurrenz – in Verbindung mit anderen Faktoren – verschiedenste religiöse Phänomene erklären kann. Im Vergleich zu den bisher vorgestellten Theorien weist diese Theorie wie schon erwähnt verschiedene Vorteile auf. Indem sie den Beitrag der (individuellen und kollektiven) Akteure würdigt und die kausalen Mechanismen des Geschehens benennt, ist sie nicht nur beschreibend, sondern auch erklärend. Sie bleibt, mit anderen Worten, nicht bei einer Angabe beschreibender Etiketten wie «Säkularisierung», «Differenzierung», «Rationalisierung» oder «Individualisierung» stehen, sondern führt diese Prozesse auf wenige erklärende Grundmechanismen zurück. Gegenüber der Markttheorie liegt der Vorteil darin, dass intra-religiöse Konkurrenz als ein Spezialfall unter vielen anderen Möglichkeiten erkannt wird. Ausserdem ist die Theorie in der Lage, sowohl den säkularisierenden Makro-Trend als auch historische und geografische Unterschiede zu erklären. Sie erlaubt es, an den verschiedensten Punkten gewissermassen «in die Geschichte einzusteigen», um von dort aus die nächsten Etappen einsichtig zu machen.

Durch wie viel Evidenz wird aber diese Theorie gestützt? Dieser Frage widmen sich alle weiteren Kapitel. Die Kapitel 3–8 werden zunächst die Grossgruppen quantitativ und qualitativ beschreiben. Das Kapitel 9 wird dann die Erklärungsfrage wieder aufnehmen und zeigen, ob und wie diese Hypothesen empirisch verifiziert werden können. |65|

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