Kitabı oku: «Schnittstellen», sayfa 6
Literatur
OSWALD, JANI: Babylon/Babilon. Pesmi/Gedichte. Klagenfurt/Celovec: Drava 1992.
PAHOR, BORIS: Der Schmetterling auf dem Kleiderhaken. In: Ders: Blumen für einen Aussätzigen. Slowenische Novellen aus Triest. Aus dem Slowenischen von Mirella Urdih-Merkú. Klagenfurt/Wien: Kitab 2004, S. 94–98.
BREDELLA, LOTHAR: Literarisches und interkulturelles Verstehen. Tübingen: Gunter Narr 2002 (=Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik).
ECO, UMBERTO: Zwischen Autor und Text. Interpretation und Überinterpretation. München: dtv 1996.
HONNEF-BECKER, IRMGARD (Hrsg.): Dialoge zwischen den Kulturen. Interkulturelle Literatur und ihre Didaktik. Baltmannsweiler: Hohengehren 2007 (= Diskussionsforum Deutsch, Bd. 24).
KLIEWER, ANNETTE: Interregionalität. Literaturunterricht an der Grenze zum Elsass. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2006.
KLIEWER, ANNETTE; MASSINGUE, EVA: Guck mal übern Tellerrand. Kinder- und Jugendliteratur aus den Südlichen Kontinenten im Deutschunterricht. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2006.
KRISTEVA, JULIA: Fremde sind wir uns selbst. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1990.
RÖSCH, HEIDI: Migrationsliteratur im interkulturellen Kontext. Eine didaktische Studie zur Literatur von Aras Ören, Aysel Özakin, Franco Biondi und Rafik Schami. Frankfurt: Verlag für Interkulturelle Kommunikation 1992 (= Interdisziplinäre Studien zum Verhältnis von Migrationen, Ethnizität und gesellschaftlicher Multikulturalität, Bd. 5).
DIES.: Bilderbücher zum interkulturellen Lernen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 1997.
DIES.: Perspektivenwechsel in der Deutschdidaktik. In: Griesmayer, Norbert; Wintersteiner, Werner (Hrsg.): Jenseits von Babylon. Wege zu einer interkulturellen Deutschdidaktik. Innsbruck/Wien/München: StudienVerlag 2000a (= ide-extra, Bd. 7), S. 35–49.
DIES.: Entschlüsselungsversuche. Kinder- und Jugendliteratur und ihre Didaktik im globalen Diskurs. Baltmannsweiler: SchneiderVerlag Hohengehren 2000b.
DIES.: Das interkulturelle Paradigma in Deutschdidaktik und Pädagogik. In: Rosebrock, Cornelia; Fix, Martin (Hrsg.): Tumulte. Deutschdidaktik zwischen den Stühlen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2001, S. 106–124.
WALDENFELS, BERNHARD: Topographie des Fremden. Studien zur Phänomenologie des Fremden. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1997 (= stw 1320).
DERS.: Vielstimmigkeit der Rede. Studien zur Phänomenologie des Fremden. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1999, 4. Aufl. (= stw 1442).
DERS.: Grundmotive einer Phänomenologie des Fremden. Frankfurt/M.: Suhrkamp 2006.
WELSCH, WOLFGANG: Transkulturalität. Die veränderte Verfassung heutiger Kulturen. 8 Texte zur Wirtschaft. http://www.zum-thema.com/www/home/print.php?p_id=409 [30.6.2008].
WINTERSTEINER, WERNER: als ich anderschdehn mange lanquidsch bin ich gell multikulturell. sprachliche grenz-überschreitungen bei ernst jandl und jani oswald. In: Schwob, Anton (Hrsg.): »Und gehen auch Grenzen noch durch jedes Wort«. Grenzgänge und Globalisierung in der Germanistik. Wien: Edition Präsens 2001 (= Stimulus. Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Germanistik 2001–2), S. 263–284.
DERS.: Poetik der Verschiedenheit. Literatur, Bildung Globalisierung. Klagenfurt: Drava 2006a.
DERS.: Transkulturelle literarische Bildung. Die »Poetik der Verschiedenheit« in der literaturdidaktischen Praxis. Innsbruck: StudienVerlag 2006b.
Anmerkungen
1 Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen LehrerInnen und SchülerInnen bedanken, die uns an ihren Erfahrungen und Überlegungen haben teilhaben lassen: Hauptschule St. Ruprecht (Klagenfurt), eine Hauptschule in Südkärnten, Hauptschule Absberggasse Wien X, KMS Bruno Kreisky, Wien XI (Wien), Slowenisches Gymnasium (Klagenfurt).
2 Vgl. für eine ausführliche Darstellung der Entwicklung Wintersteiner 2006b, S. 27ff.
3 »Jaz« = Slowenisch für »Ich«.
4 Zu Oswalds Methode vgl. Wintersteiner 2001.
5 Mit »diesem Fall« ist wirklich nur diese ganz spezielle Situation in dieser Klasse gemeint, in der sich alle offensichtlich sofort mit Julka identifiziert haben, was wohl nicht zuletzt mit dem Erleben der zweisprachigen Situation im Lande zu tun hat. In einer anderen Klasse ist die Fremdheit des Textes vielleicht auf einer ganz anderen Ebene zu suchen. Wichtig ist nur, dass der literarische Text und das von ihm repräsentierte System nicht vollständig vom »Eigenen« absorbiert werden.
Susanne Hochreiter, Stefan Krammer
Literatur als Wissensvermittlerin?
So prägnant und plausibel der Titel unseres Aufsatzes auch klingt, so verweisen die hier zunächst so unbekümmert verwendeten Begriffe nicht nur auf komplexe Diskurse, sondern es werden ein Zusammenhang und Positionen suggeriert, die man infrage stellen, wenn nicht gleich zurückweisen muss. Wir müssen nicht nur fragen, was »Literatur« bedeutet, was »Wissen« meint und wie »Vermittlung« gedacht wird, sondern uns mehr noch dem berechtigten Vorwurf stellen, dass die inhärenten Annahmen, wie etwa jene von der Literatur, die kein Wissen ist oder hat, sondern nur eines vermitteln kann, und zwar eines, mag man weiter assoziieren, das in erster Linie wissenschaftlich gewonnen werden kann, so nicht stimmen:
Die Frage nach dem Verhältnis, der gegenseitigen Durchdringung von »Text« und »Wissen« ist nur vordergründig eine nach dem Verhältnis von Literatur und Wissenschaft. »Wissen« ist mehr als das in akademischen Institutionen zirkulierende, nach bestimmten Regeln und Methoden erhobene, angeordnete und gespeicherte Aussagenmaterial […]. (Horn 2003, S. 243)
Mit welcher Literatur und mit welchem Wissen man es zu tun hat und in welchem Verhältnis die beiden zueinander stehen – solange man sie überhaupt getrennt betrachten will – hat historisch verschiedene Antworten gefunden und ist auch jetzt alles andere als unumstritten. Es gibt gute Gründe, sowohl für die Literatur als auch für die gern mit ihr gemeinsam hinsichtlich ihrer Wissensproduktion bezweifelten Geisteswissenschaften1 einzutreten und Formen der Wissensproduktion in Rechnung zu stellen, die eben anderen (vor allem naturwissenschaftlichen) Disziplinen abgehen. Es ist die Rede von »Poesie und Wissen« (Schlaffer 1990), von »alternativem« (Hörisch 2007, S. 10) und gar »subversivem« Wissen, von der Fähigkeit der Literatur zum Dissens und von einer »Poetologie des Wissens« (Vogl 1997). Zugleich sehen wir in den gegenwärtigen (hochschul)politischen Entwicklungen die Berufung auf die etablierte Dichotomie von Geistes- und Naturwissenschaften und erkennen vor allem daran, wo Förderungsgelder hinfließen, dass das in der Theorie vielfach verabschiedete (Wuttke 2003, S. 7) Paradigma von den »erzählenden Wissenschaften«2 als sekundäre akademische Disziplinen fröhliche Urständ feiert.
Was aber bedeutet das für unsere Frage nach »Literatur als Wissensvermittlerin«? Welches Wissen meinen wir in Bezug auf Literatur? Und von welcher Literatur, von welchem Literaturverständnis ist die Rede?
Vorliegender Beitrag nähert sich diesen Fragen in Form eines Dialogs, bei dem wir – die Autorin und der Autor – einander Stichworte liefern. Der Meinungsaustausch dreht sich im Kreis, als schwindelerregendes Moment ist dieser dem Text eingeschrieben. Die Argumentation läuft allerdings keineswegs immer rund. Denn die verschiedenen Ausführungen, die hier zur Sprache kommen, brechen oft genau dort ab, wo die/der jeweils andere ins Wort fällt, die Diskussion in eine andere Richtung lenkt, dabei neue Fragen aufwirft und diese womöglich dann auch wieder verwirft. Der Dialog ist aber in dem Sinne als produktiv zu sehen, indem die Aussagen der/des anderen ernst genommen und die Fährten, die das Gegenüber legt, aufgenommen werden. Wenn auch Abschnitt für Abschnitt die Perspektiven wechseln, so wird doch am Text weiter geschrieben, und zwar an einem Text, an einem gemeinsamen Text. Wer von beiden nun eigentlich welche Position einnimmt oder was zu sagen hat (um nicht zu sagen: das Sagen hat), wird dabei unwichtig. Denn die Stimme der/des anderen schreibt sich in den »eigenen« Text ein. Dementsprechend sind auch typografisch keine Markierungen gesetzt, wer hier eigentlich spricht. Zu unseren Stimmen mischen sich zudem auch noch jene aus der Literatur, die zum Thema befragt wird: wissenschaftliche wie auch belletristische. So verschmilzt auch die Metasprache des Beitrags mit der Sprache des literarischen Textes, über den nicht nur verhandelt wird, sondern der selbst redet. Als Kapitelüberschriften strukturieren die Textzitate den Beitrag, zeigen (meist) den Redewechsel an und unterbrechen dabei auch zugleich den Textfluss, die Argumentationslinien. Ein derartiger Text, der sich als Konglomerat aus verschiedensten Sprechakten versteht, bleibt oftmals auch offen in den Begrifflichkeiten, weil er sich nicht festlegt, aus Prinzip nicht festlegen möchte. Er spielt vielmehr mit den Begriffen und möchte dadurch einen Spielraum an der Schnittstelle zwischen Kultur- und Literaturwissenschaft wie auch ihrer Didaktik schaffen, in dem das Wissen (in) der Literatur und seine Vermittlung auch auf neue Weisen verhandelt werden kann.
anfang:
Wenn vom Wissen die Rede ist, und noch dazu vom Wissen (in) der Literatur, wird meist verschwiegen, was darunter zu verstehen ist. Die einen tun dann so, als würden sie es wissen, die anderen vermeiden trennscharfe Definitionen, arbeiten sich an der mehr oder minder widersprüchlichen Relation zwischen Literatur und Wissen ab, indem sie deren Konstruktionen entlarven. Als Referenz taucht dann meist Michel Foucault auf, der mit seiner Diskursanalyse nicht nur eine Ordnung der Diskurse und Dinge, sondern gleichsam eine Ordnung des (subversiven) Wissens archäologisch anlegt3, ferner auch Niklas Luhmann, der systemtheoretisch zuerst die Wissenschaft, dann die Kunst der Gesellschaft ordnet und diese durch Intersystemkommunikation operativ aneinander koppelt.4 Nicolas Pethes verschränkt beide theoretischen Positionen in produktiver Weise und destilliert dabei vier Aspekte von Wissen heraus, die der herkömmlichen Annahme vom Vorrang des wissenschaftlichen Wissensgehalts gegenüber seinen Kontexten, seinen Repräsentationen, seinen Formungen wie seinen Entdeckungen widerläufig sind: Historizität, Konstruktivität, Poetizität und Diskursivität (Pethes 2004, S. 366). Weil Literatur selbst ja als »widerläufige« Wissensformation betrachtet werden kann, bietet sich eine derartige Fokussierung geradezu an, um die Wissensbestände in literarischen Texten (be)greifbar zu machen. Wenn wir also nach dem Wissen (in) der Literatur fragen, gilt es dieses geschichtlich zu verorten, nach seiner Konstruktion wie auch poetologischen Verfasstheit zu befragen, und zu untersuchen, in welche Diskurse es eingebettet ist. Bei einer derartigen Konturierung des Wissens bleibt wohl dennoch als eine der größten Herausforderungen die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Wissenschaft und Literatur.
was ist das, was da so leuchtet?
Ausgehend von der Annahme, dass sich die Relation zwischen Literatur und Wissenschaft »weder essentialistischen Grenzziehungen noch einem differenzlosen Einheitsphantasma« erschließe, schlägt Pethes vor, ihre »Unterscheidungen als Möglichkeiten zu verstehen, Texte zu lesen« (Pethes 2004, S. 369). Ihm geht es darum, den Standpunkt zu reflektieren, von dem aus »Wissen«, »Wissenschaft« und »Literatur« bestimmt und beschrieben werden. Texte seien dann als genuin »wissenspoetische« zu verstehen (Pethes 2004, S. 369). Wissenspoetik ist nach Pethes das Beobachten der jeweiligen »Anschlusskommunikation« an Texten – eben eine »wissenschaftliche« oder »literarische«. Auf diese Weise wird der so genannte »Transfer« von Wissen als Kopplung von Kommunikation verstehbar, die in beiden Richtungen möglich ist und stattfindet.
Nicolas Pethes betont zwei Implikationen: erstens die Vorläufigkeit der Zuordnung der Elemente zum Bereich Poetik oder Wissen und zweitens deren Verbundenheit mit der epistemologischen Figur des »Experiments«. Das Durchspielen von Möglichkeiten, das Aufzeigen möglicher Konsequenzen, das Konstruieren von Wissen sieht er dabei als das Potenzial der Literatur, die so den Mangel des »bloß Fiktiven« (Pethes 2004, S. 371) kompensiere und bestätigt damit Auffassungen, die von der Fragwürdigkeit des Wissens der Literatur ausgehen und die alte Trennlinie zur (Natur)Wissenschaft ziehen. Pethes hat Recht, wenn er sich gegen ein »Einheitsphantasma« ebenso wie gegen essentialistische Grenzziehungen ausspricht (Pethes 2004, S. 369), aber dass er »Wissen« und »Wissenschaft« in seinem Text immer wieder synonym verwendet, zeugt davon, dass er selbst zwar gegen das hierarchische Gefälle zwischen Wissenschaft und Literatur zu argumentieren sucht, aber die Anstrengung, die damit verbunden ist, nicht verhehlt. Es zeigt sich darin einmal mehr die Schieflage in der Auseinandersetzung: Nicht ohne Grund stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen »Wissenschaft« und Literatur nur vonseiten der Literatur.
Wenn sich Nicolas Pethes zur Demonstration seiner These auf Georg Büchners Woyzeck bezieht (Pethes 2004, S. 356f.), der für ihn eine gelungene literarische Anschlusskommunikation an wissenschaftliche Texte seiner Zeit darstellt5, dann stellt sich uns die Frage, ob sich die These nur dort verifizieren lässt, wo ein bestimmtes wissenschaftliches »Wissen« explizit beschrieben und – experimentierend – befragt wird und ob bzw. wie literarische Texte, die nicht unmittelbar erkennbar bestimmtes Wissen reproduzieren, auf »Wissen« rekurrieren.
leider
Wie wichtig die Positionierung zwischen Wissenschaft und Literatur auch sein mag, so scheint es doch ein wenig kurz gegriffen, Wissen allein innerhalb dieser beiden Systeme zu verhandeln. Wenn hier die Möglichkeiten der Wissensvermittlung qua Literatur diskutiert werden sollen, kann das Augenmerk nicht allein auf den Wissenstransfer von der Wissenschaft über Literatur gerichtet werden, sondern sind auch andere Wissensformationen (wie sie etwa in den Künsten, durch verschiedene Medien, aber auch etwa in administrativen Abläufen und durch Institutionen generiert werden) zu berücksichtigen, an deren Diskurse literarische Texte (möglicherweise) anschließen. In diesem Sinne soll und kann Literatur auch nicht bloß als Wissensvermittlerin im Dienste der Wissenschaft stehen, sondern ist als ein Glied der Kette, oder besser Verkettung von Wissensformationen zu sehen, »von denen keine als ursprünglich gedacht werden kann« (Vogl 1997, S. 121). Literatur bringt also unterschiedlichstes – auch nicht-wissenschaftliches – Wissen zur Sprache und bedient sich dabei verschiedener poetischer Entwürfe, um das, was sie weiß, zu verdichten. Der performative Charakter spielt dabei eine wesentliche Rolle. Nicht nur was gesagt wird, sondern zunächst dass es gesagt wird, ist entscheidend. Wenn Vogl davon ausgeht, »daß jede Wissensform einen eigenen performativen Charakter, eigene Formen der Darstellung und der Inszenierung entwickelt« (Vogl 1997, S. 121), bleibt die Frage, welche spezifischen Strategien die Literatur entwickelt, um »ihr« Wissen zur Aufführung zu bringen.
zwischenbericht:
Dass »Wissenschaft« Wissen generiert und bereit stellt, ist in der bisherigen Forschungsdebatte ebenso unwidersprochen wie die Wahrnehmung von »Wissenschaft« als Ganzes, als gleichsam monolithischer Block. Aber ist das so? Kann man etwa Niklas Luhmanns Modell vom »System« Wissenschaft ohne weiteres zustimmen? Stimmt es – selbst wenn man spezifischer von den mathematischen Wissenschaften sprechen wollte –, dass es um »wahr« oder »falsch« geht? Ist ein Modell, das so stark von den Fachdiskursen abstrahiert, für unsere Diskussion hilfreich?
»Literatur als Wissensvermittlerin?«: Das Thema hat eine Tendenz, im Kreis zu führen. Für hier und jetzt und unsere begrenzten Möglichkeiten möchten wir Folgendes zusammenfassend festhalten. Die Zugänge und Thesen zum Verhältnis zwischen Wissenschaft und Literatur sowie nach dem Wissen (in) der Literatur, die wir oben referiert haben, sind für uns in folgenden Dimensionen für die weitere Arbeit eine wichtige Grundlage: Sie verweisen auf die historische Entwicklung dieser Beziehungen, erklären das Gewordensein des gegenwärtigen Verhältnisses, fragen nach den Dimensionen des Wissens, etwa seiner sprachlich-performativen Qualität. Sie relativieren das Paradigma vom »wahren« Wissen der Wissenschaften und betonen zugleich das Potenzial und Vermögen der Literatur in der Reflexion von und der Kritik an Wissensformen und ihrer Produktion. Es geht also nicht länger um die Annahme eines einseitigen Einflusses auf die Literatur und nicht um eine Analogie oder ein Modell der Koevolution von Literatur und Wissenschaften, in dem die Unterschiede der disziplinären Felder zu verschwimmen drohen (Pethes 2004, S. 354). In der jüngeren Forschungsliteratur (z.B. Vogl 2002, Pethes 2004, Hörisch 2007) wird daher versucht, Literatur und Wissenschaften von einem »dritten« Standpunkt aus zu analysieren, der die Differenzen, Überlappungen, Interferenzen und Interdependenzen in der Wissensproduktion und -repräsentation der beiden Diskursbereiche auf gleicher Ebene auszumachen sucht. Für unsere anschließende Beschäftigung mit Elfriede Jelineks Roman Die Liebhaberinnen, den wir als Beispieltext gewählt haben, haben wir uns für zwei Zugänge entschieden. Wir greifen erstens die Figur des Experiments (Pethes 2004, S. 368–372) auf, die Wissenschaften und Literaturen der Moderne prägt und auch für Jelineks Arbeit zentral ist. Wir fokussieren zweitens auf die Performativität des Textes und fragen nach dem Wissen, das er »enthält«, das also in ihn eingegangen ist, und nach dem Wissen, das er hervorbringt.
am beispiel
So offensichtlich wie bei Büchners Woyzeck ist die Anschlusskommunikation an wissenschaftliche Texte im Fall von Jelineks Roman wohl nicht. Das ist es auch, was uns reizt, gerade diesen Text danach zu fragen, was er denn weiß und in welcher Weise er dieses Wissen aufzuführen vermag. Offensichtlich ist allerdings der durchgängige Tenor in den Rezensionen zu den Liebhaberinnen, die in besonderer Weise den Modellcharakter des Romans betonen. Beckmann spricht in seiner Buchbesprechung vom »Gegenstand Paula« (Beckmann 1975), Klausenitzer ebenso vom »sozialen Auf- und Abstieg zweier Gegenstände, die Brigitte und Paula heißen und wie Computer das ausspucken, was die Autorin beweisen will: soziale Ungerechtigkeit« (Klausenitzer 1976). Rohde bezeichnet Die Liebhaberinnen sogar als Sozialreport und empfiehlt den Sozialwissenschaftlern (und wohl auch den Sozialwissenschaftlerinnen), den Roman als solchen auch zu werten, denn »der Sarkasmus, sich ohne moralischen Abstand auf die manipulierte, vorgeprägte, in keinem Augenblick natürliche Innenwelt von Fabrikarbeiterinnen einzulassen, […] macht die Geschichte erst zum authentischen Dokumentarbericht« (Rohde 1976).
In dem 1975 erschienenen Roman Die Liebhaberinnen werden in der Tat die Geschichten von zwei Frauen und ihren Männern gleichsam als analytische Fallbeispiele vorgeführt: Da gibt es einerseits Brigitte, die als ungelernte Näherin in einer Miederfabrik arbeitet und als einzigen Karriere(aus)weg die Heirat mit Heinz sieht. Da gibt es andererseits die fünfzehnjährige Paula, die von der Schneiderlehre träumt und dann doch in den Hafen der Ehe mit Erich einläuft. Die HOCHZEIT (L 136–139) bildet nicht nur den Höhepunkt in deren Leben, sondern auch im Roman: Die Schicksale der beiden Paare werden dort zusammengeführt und auch textlich miteinander verschränkt. Mit Ausnahme des Kapitels brigittes weiteres schicksal (L 114–118) wie auch des NACHWORTs (L 155–157) werden die beiden Fälle separat verhandelt, und zwar abwechselnd in den einzelnen Kapiteln des Textes. Dort werden dann sowohl die Beobachtungen auf-, als auch die Entwicklungslinien nachgezeichnet und mit Kommentaren versehen. Brigitte und Paula werden gleichsam zu Studienobjekten, wie wir sie aus der Sozialforschung kennen, in der durch Fallanalysen explorativ und beschreibend Aussagen über Einzelpersonen oder Personengruppen getroffen werden. Den sprachlichen Gestus solcher Untersuchungen finden wir auch in Jelineks Roman: Handlungsabläufe werden detailliert aufgezeichnet, zumeist in aneinander gereihten Aussagesätzen; Annahmen über Entwicklungsverläufe werden getroffen und auch aussagelogisch begründet; Einzelbeobachtungen werden als repräsentative Daten dargestellt und auf allgemeingültige Aussagen übertragen. Aber auch einzelne Kapitelüberschriften des Romans suggerieren bereits den fallanalytischen Zugang: am beispiel paula (L 14), die unterschiede zwischen susi und brigitte / das eventuell gemeinsame zwischen susi und brigitte (L 80), zwischenberich: (L 123).
Den Falldarstellungen auf der Mikroebene der beiden Frauen geht ein vorwort (L 5ff.) voraus, in welchem das räumliche Setting beschrieben wird, in dem sich unsere Gewährspersonen aufhalten. Die Informationen, die hier geliefert werden, betreffen nicht nur die Geografie, sondern insbesondere auch das soziale Umfeld. So werden allgemeine Aussagen über das Verhalten der dort ansässigen Männer, Frauen und Kinder getroffen; doch sie sind nicht die alleinigen AkteurInnen, auch die Gebäude und Gegenstände werden als Personifikationen belebt, spielen ebenso eine wichtige Rolle innerhalb des sozialen Gefüges des beschriebenen Ortes. Ohne sich selbst einzumischen und dadurch das Setting zu verändern, nähert sich Jelineks ErzählerIn diesem als teilnehmende/r BeobachterIn, zoomt sich gleichsam immer näher heran, um das Forschungsfeld zunächst von der Distanz und schließlich im Detail ins Visier zu nehmen. Ausgehend von diesen ersten Beobachtungen wird schließlich auch die Hypothese formuliert, die dann anhand der beiden Falluntersuchungen bestätigt werden soll: »wenn einer ein schicksal hat, dann ist es ein mann. wenn einer ein schicksal bekommt, dann ist es eine frau.« (L 6) Inwiefern sich diese Behauptung als gültig erweist, zeigen schließlich die Geschichten von Paula und Erich wie Brigitte und Heinz. Vergleichend werden ihre Fälle nebeneinander gestellt, um Analogien und Widersprüche aufzuzeigen. Die Einzeluntersuchungen stehen aber nicht im Sinne einer Sozialreportage für sich selbst, sondern zielen auf Generalisierung. Paula und Brigitte (und mitunter auch Susi) stehen also metonymisch für das Schicksal, das eine Frau bekommt, Erich und Heinz für jenes, das ein Mann hat. Was in und durch Literatur exemplarisch verhandelt wird, dient als Voraussetzung für den induktiven Beweis, der die Hypothese zu bestätigen vermag.