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Das Fake News Genre

Seit dem Aufkommen der »Fake News«-Debatte bemühen sich zahlreiche WissenschaftlerInnen darum, den Begriff theoretisch einzuordnen und einheitliche Merkmale zu etablieren, mit welchen das Konzept Fake News definiert werden kann. Die Mehrzahl der AutorInnen ist sich dabei einig, dass das Fake News-Genre anhand von drei Merkmalen definiert werden sollte: 1. ein geringes Level an Faktizität, 2. ein pseudojournalistisches Design und 3. die Absicht zu täuschen.6

Ein geringes Level an Faktizität beschreibt die Tatsache, dass Fake News Informationen vermitteln, welche zu einem gewissen Grad falsch sind und somit zu Fehleinschätzungen führen können. Hierbei kann es Unterschiede darin geben, ob Fake News-Artikel ausschließlich erfundene Informationen oder nur teilweise falsche Inhalte beinhalten. Auch wahre Informationen, die in falschen Kontexten präsentiert werden, haben das Potenzial, LeserInnen in die Irre zu führen.

Des Weiteren sind Fake News-Artikel von ihrem pseudojournalistischen Design gekennzeichnet. Damit ist gemeint, dass sie so aufbereitet sind, dass sie aussehen wie Produkte sorgfältiger journalistischer Arbeit. Genauer gesagt, weisen sie klassische strukturelle Merkmale journalistischer Artikel auf: einen Titel, einen Textkörper und ein Bild. Jedoch werden durch die Präsenz von unwahren Inhalten journalistische Normen verletzt.

Ausgehend von der Annahme, dass niemand versehentlich falsche Informationen im Stil von Nachrichtenartikeln produziert, lässt sich als drittes Merkmal des Fake News-Genres die absichtliche Täuschung festhalten. Daher werden Fake News-Artikel als eine Form der Desinformation eingeordnet. Desinformation (engl. »Disinformation«) wird als falsche, unzutreffende oder irreführende Information definiert, die absichtlich erstellt wurde. Im Gegensatz dazu wird der Begriff der Fehlinformation (engl. »Misinformation«) verwendet, um falsche, unzutreffende oder irreführende Inhalte zu bezeichnen, welche unabsichtlich erstellt wurden (beziehungsweise bei welchen man keine Absicht nachweisen kann). Das bedeutet, dass Fake News-Artikel faktisch falsche Aussagen übermitteln – mit der Intention LeserInnen zu täuschen. Die Motive hierfür sind meistens finanzieller Gewinn oder politische Einflussnahme. Im Zusammenhang mit Fake News, welche zum Zweck der politischen Einflussnahme verbreitet werden, wird vor allem die nicht transparente Einmischung in Wahlen von ausländischen (insbesondere russischen) politischen Akteuren diskutiert.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der Fake News-Begriff vorwiegend verwendet werden sollte, um Nachrichten zu beschreiben, deren Inhalt zu einem gewissen Grad falsch ist und welche absichtlich verbreitet werden. Da es jedoch kompliziert ( ja, oftmals unmöglich) ist, Nachrichtenquellen eine Täuschungsabsicht nachzuweisen, verwenden WissenschaftlerInnen den Begriff überwiegend für Inhalte von sogenannten Fake News-Webseiten. Diese Webseiten werden ausschließlich zur Verbreitung von Fake News erstellt und tragen oftmals Namen, die entweder die Bezeichnung etablierter Nachrichtenagenturen imitieren (z. B. »The Political Insider« oder »The Denver Guardian«) oder sogar deren Namen verwenden und lediglich die URL verändern, wie beispielsweise die Fake News-Seite »abcnews.com.co« (die tatsächliche URL von ABC News lautet »abcnews.go.com«). Allerdings werden teilweise auch Inhalte von etablierten Medien als Fake News kategorisiert – beispielsweise propagandistische Nachrichten von Medien in Regierungsbesitz, bei welchen man der Regierung die Absicht der Täuschung der Bevölkerung zuschreibt.7

Das Fake News Label

Inzwischen ist der Begriff Fake News zu einem negativ aufgeladenen Schlagwort geworden, das an die Zunahme von Falschinformationen in einem digitalisierten und fragmentierten Informationsumfeld erinnert. Gleichzeitig hat die damit verbundene Negativität den Begriff jedoch zu einer mächtigen Waffe für eine Reihe politischer AkteurInnen gemacht, die ihn nun benutzen, um etablierte Nachrichtenmedien, welche kritisch über ihre Politik berichten, zu diskreditieren. Oftmals wird der Begriff im Zusammenhang mit vermeintlich politisch verzerrter und unfairer Berichterstattung verwendet (engl. »media bias«). Somit ist Fake News zu einem Teil politischer Instrumentalisierungsstrategien geworden mit dem Ziel, das öffentliche Vertrauen in institutionelle Nachrichtenmedien als zentrale Bestandteile demokratischer politischer Systeme zu untergraben. Als politisches Instrument stellt das Fake News-Label Nachrichtenmedien als Institutionen dar, die bewusst Desinformation, mit der Absicht der Täuschung, verbreiten.8

Vorwürfe gegen vermeintlich ideologisch gefärbte Berichterstattung von PolitikerInnen sind kein neues Phänomen und gelten in der Kommunikationswissenschaft schon lange als Untersuchungsobjekt. So konnten Studien zeigen, dass Medienkritik von politischen Eliten dazu führen kann, dass die Bevölkerung Medienberichterstattung als politisch verzerrt9 und weniger vertrauenswürdig10 wahrnimmt. PolitikerInnen nutzen Medienkritik besonders dann als Strategie, wenn sie sich mit negativer Berichterstattung über ihre Person oder ihre Handlungen konfrontiert sehen.11 Allerdings ist das Ausmaß, in dem dies nach dem Aufkommen der Fake News-Terminologie geschieht, beispiellos und hat unter anderem die Vereinten Nationen dazu veranlasst, ihre Sorgen darüber zu erklären:

»Wir sind beunruhigt über Fälle, in denen Behörden die Medien verunglimpfen, einschüchtern und bedrohen, u. a. durch die Behauptung, die Medien seien ›die Opposition‹ oder ›lügen‹ und hätten eine versteckte politische Agenda, was das Risiko von Drohungen und Gewalt gegen Journalisten erhöht, das öffentliche Vertrauen in den Journalismus als Wächter der Öffentlichkeit untergräbt und die Öffentlichkeit in die Irre führen kann, indem die Grenzen zwischen Desinformation und Medienprodukten, die unabhängig nachprüfbare Fakten enthalten, verwischen.« 12

Darüber hinaus ist es wichtig zu verstehen, dass Nachrichtenmedien mit dem Fake News-Vorwurf nicht nur der ideologisch voreingenommenen oder sachlich falschen Berichterstattung beschuldigt werden, sondern dass ihnen eine absichtliche Täuschung vorgeworfen wird. Somit wird die journalistische Autorität (also das Recht angehört zu werden)13 und Legitimität bestritten. Selbstverständlich haben PolitikerInnen jegliches Recht, unzureichende mediale Berichterstattung zu kritisieren. In der Tat hat Medienkritik – in ihrem Idealzustand – eine wichtige demokratische Funktion, da sie dazu dient, die Qualität der Medien zu bewerten und zu kontrollieren, ob die Medien ihrer Rolle in demokratischen Gesellschaften gerecht werden.14 In diesem Sinne sollte Medienkritik stets eine Verbesserung des Journalismus anstreben. Um dies zu gewährleisten, sollten KritikerInnen einerseits explizite Argumente hervorbringen, die darlegen, inwiefern journalistische Berichterstattung oder Arbeitsweisen fehlerhaft sind beziehungsweise welche journalistischen Normen verletzt wurden. Andererseits sollte Medienkritik unhöfliche Sprache vermeiden,15 da der Hauptzweck von Unhöflichkeit darin besteht, andere davon abzuhalten, ihre Meinung offen zu äußern, und somit eine offene und produktive Debatte behindert wird.16 Das Fake News-Label wird jedoch in den meisten Fällen ohne Erklärungen, warum die beschuldigte Medienberichterstattung ungenau oder voreingenommen ist, verwendet. Darüber hinaus ist die Behauptung, mediale Berichterstattung sei nicht nur »falsch«, sondern »fake« (also »gefälscht« beziehungsweise »unecht«) unnötig unhöflich. Etwas als »gefälscht« zu bezeichnen negiert seine Funktion und impliziert, dass sein einziger Zweck darin besteht zu täuschen.17 Wie zuvor erläutert, plädieren viele WissenschaftlerInnen daher dafür, den Fake News-Begriff nur für Inhalte zu verwenden, bei welchen die Absicht zu täuschen nachgewiesen werden kann.

In den meisten Fällen ist das Fake News-Label daher nicht als konstruktive Medienkritik anzusehen, sondern als ein Versuch, Medien als zentrale Institutionen in Demokratien zu delegitimieren.18 Solche Fake News-Vorwürfe sowie andere delegitimierende Arten der Medienkritik werden insbesondere von populistischen AkteurInnen hervorgebracht. Eines der Kernattribute des Populismus ist der Anti-Elitismus, der sich gegen politische und wirtschaftliche Eliten, aber auch gegen die Medien richten kann. Studien, die populistische Kommunikation analysierten, zeigten, dass antimedialer Diskurs regelmäßig von PopulistInnen verwendet und daher zum Standardrepertoire populistischer Kommunikationsstrategien gezählt wird.19 Medien als »Fake News« zu bezeichnen, kann also als ein charakteristisches Element der populistischen politischen Rhetorik angesehen werden, welche die Nachrichtenmedien als »pro-elitär« darstellt und die Rolle des Journalismus als vierte Gewalt untergräbt.

Das wohl prominenteste Beispiel für die Verwendung des Fake News-Labels ist US-Präsident Donald Trump, jedoch haben inzwischen PolitikerInnen weltweit diese Terminologie übernommen, um kritische Medien zu diskreditieren. Beispiele hierfür sind der venezolanische Präsident Nicolás Maduro, der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und der ehemalige österreichische Vize-Kanzler Heinz-Christian Strache.20

Die Problematik des Fake News-Begriffs

Der Begriff Fake News wurde von WissenschaftlerInnen unter anderem als »problematisch«,21 »unzureichend und irreführend«22 und »nicht hilfreich«23 kritisiert. Die Kritik an dem Begriff selbst und seiner inflationären Verwendung in öffentlichen Diskursen ist damit zu begründen, dass Fake News eine einheitliche Definition fehlt. 24 Fake News ist schwer zu definieren, da das Konzept »fake« von einer entsprechenden Auffassung von »real« oder »echt« abhängig ist. Dementsprechend erfordert das Konzept Fake News eine entsprechende Definition von »Real News«, realen Nachrichten. Eine solche Auffassung von legitimen und authentischen journalistischen Praktiken, die »echte« Nachrichten hervorbringen, gibt es jedoch nicht.25 Während andere Professionen weitgehend durch formale Merkmale gekennzeichnet sind, wie beispielsweise Lizenzierung, Bildungsanforderungen oder Mitgliedschaft in Berufsverbänden, fehlt es dem Journalismus an solchen kodifizierten, beruflichen Richtlinien.26 Stattdessen wird Journalismus durch eine Reihe kultureller Praktiken, informeller und oft impliziter Vereinbarungen über richtiges Verhalten und Normen definiert, die heute zunehmend vielfältig und umstritten sind.27 Pointiert ausgedrückt von Journalismus-Forscher Matt Carlson: »Wer Klempner sein will, braucht eine Lizenz. Wer Journalist sein will, braucht heutzutage eine Internetverbindung«.28 Resultierend aus der Problematik, legitime Nachrichten und Journalismus allgemeingültig zu definieren, variiert das Verständnis von Fake News. Daher wurde der Begriff auch als »fluid descriptor«29 (flüssiger Beschreiber) oder »floating signifier«30 (gleitender Bezeichner) bezeichnet – um zum Ausdruck zu bringen, dass die Bedeutung des Begriffs immer davon abhängt, wer ihn verwendet. Studien verdeutlichen die Variation im bürgerlichen Verständnis von Fake News. So zeigte eine wissenschaftliche Umfrage mit US-BürgerInnen im Jahr 2018, dass Republikaner und Demokraten völlig unterschiedliche Ansichten darüber haben, was als Fake News zu bezeichnen ist. Während Erstere hauptsächlich Mainstream-Medien (wie CNN) als Fake News bezeichnen, verbinden Demokraten eher rechte Sender (z. B. Fox News) sowie Aussagen von Donald Trump mit dem Begriff.31 In ähnlicher Weise wurde in einer anderen Studie analysiert, auf welche Weise US-BürgerInnen Fake News auf Twitter verwenden. Die Ergebnisse zeigen, dass Republikaner und Demokraten den Begriff einsetzen um Informationen von oppositionellen PolitikerInnen und Medien als falsch zu diskreditieren. 32 In einer europäischen Studie wurden Fokusgruppen-Interviews durchgeführt, in welchen die TeilnehmerInnen ebenfalls Fake News für sich definieren sollten. Hier variierten die Definitionen von »schlechtem« Journalismus, über Propaganda, Lügen von PolitikerInnen, Advertorials,33 bis hin zur pseudojournalistischen Desinformation (sprich dem Fake News-Genre). Die Autoren kommen daher zu dem Schluss, dass die Auffassung von Fake News in der Bevölkerung am ehesten mit »Nachrichten, denen man nicht glaubt« zu beschreiben sei.34 Auch JournalistInnen verwenden den Begriff in einer Vielzahl von Kontexten. So hat eine Inhaltsanalyse österreichischer Zeitungsartikel über Fake News gezeigt, dass JournalistInnen nicht nur im Zusammenhang mit Desinformation oder Medienkritik über Fake News berichten, sondern ihn vor allem als eine Art Modewort einsetzen, um zum Ausdruck zu bringen, dass etwas falsch ist.35

Der Begriff Fake News hat sich also zu einem Stilmittel entwickelt, um zum Ausdruck zu bringen, dass etwas falsch, beziehungsweise fragwürdig ist. Auch WissenschaftlerInnen verwenden den Begriff nicht einheitlich. So wird er beispielsweise in Titeln von Studien verwendet, deren Inhalt in keinem Zusammenhang mit Desinformation, Medienkritik oder Kommunikation im Allgemeinen steht (zum Beispiel »Ist erfolgreiches Hirntraining Fake News?«). 36 Andere verwenden ihn synonym zu den Begriffen »Post-Truth« und »alternative Fakten«, um die aktuelle Zeitperiode zu beschreiben, in welcher Fakten zunehmend umstritten zu sein scheinen (z. B. »Die Fake News-Ära«37). Dementsprechend steht Fake News mittlerweile für eine größere Debatte über die Instabilität im gesellschaftlichen Verständnis von Fakten.

Wenn ein neuer Begriff in den öffentlichen Diskurs eintritt, ist es nicht ungewöhnlich, dass sein Gebrauch und seine Bedeutung debattiert werden. Zum Beispiel galt (und gilt teilweise immer noch) auch der Begriff Populismus aufgrund eines fehlenden Konsenses darüber, was genau mit dem Terminus beschrieben wird lange als umstritten. Sowohl in der akademischen Forschung als auch in der journalistischen Berichterstattung wird der Begriff oftmals verwendet, um unterschiedliche AkteurInnen zu bezeichnen. Die exzessive Verwendung von unzureichend definierten Terminologien ist problematisch, da Inkonsistenzen zwischen akademischen und landessprachlichen Begriffsverständnissen den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft behindern können, was den gesellschaftlichen Nutzen und Beitrag der Sozialwissenschaften für die Bürger beeinträchtigt.38 So führt die unscharfe Verwendung des Fake News-Begriffs zur Beschreibung einer Fülle von Konzepten, die nur lose mit Falschheit und Ungenauigkeit verbunden sind, möglicherweise dazu, dass Fake News vom Publikum als ein unverhältnismäßig wichtiges Problem wahrgenommen wird.39 Beispielsweise zeigte eine Umfrage im Jahr 2019, dass US-BürgerInnen Fake News als eine größere Bedrohung für ihr Land wahrnehmen als beispielsweise Rassismus, Terrorismus oder den Klimawandel.40 Die Forschung zu der tatsächlichen Reichweite von Fake News – und insbesondere zu der Frage, inwiefern Fake News Konsequenzen für bisherige politische Wahlen hatten – steht allerdings noch am Anfang.

Besorgniserregender ist jedoch die zuvor erwähnte Instrumentalisierung des Fake News-Labels. Da die Rhetorik politischer Eliten eine große Bedeutung für die Meinungsbildung der Bevölkerung hat, können solche Vorwürfe durchaus folgenreich sein. Wie oben erwähnt, hat bestehende Forschung gezeigt, dass Medienkritik von PolitikerInnen das Medienvertrauen der Bevölkerung verringern kann.41 Im spezifischen Fall von Fake News-Vorwürfen gibt es erste Studien, die zeigen, dass die bloße Präsenz des Begriffs in Nachrichtenartikeln42 oder auf Twitter43 ausreicht, um das Medienvertrauen für einige BürgerInnen zu verringern. Beispielsweise wurde in einer experimentellen Studie einer Gruppe von TeilnehmerInnen ein Auszug einer Diskussion auf Twitter gezeigt, in welcher der Begriff mehrmals vorkam. Eine zweite Gruppe las eine Diskussion ohne den Fake News-Begriff. Anschließend wurden alle TeilnehmerInnen zu ihrem Vertrauen in die Medien befragt. Im Vergleich hatten die TeilnehmerInnen in der Fake News-Diskurs-Gruppe ein durchschnittlich geringeres Medienvertrauen.44 Eine mögliche Erklärung für diese Effekte bietet das Konzept des Medien-Primings. Indem Medien in ihrer Berichterstattung bestimmte Themen hervorheben, machen sie bestimmte Kriterien bei der Bewertung von Themen leichter zugänglich. Wenn der Begriff Fake News in der Berichterstattung also regelmäßig im Kontext von Unwahrheiten im Nachrichtenumfeld verwendet – und gleichzeitig als Gefahr thematisiert – wird, kann dies dazu führen, dass BürgerInnen unbewusst Fake News mit den Kriterien »Falschinformation« und »Gefahr« abspeichern. Werden sie dann in anderen Kontexten mit dem Begriff konfrontiert, werden diese Kriterien in ihrem Gedächtnis »aktiviert« und können die Bewertung von als Fake News bezeichneten Informationen beeinflussen.45

Zwar befindet sich die Erforschung der Effekte des Fake News-Labels für die Medienwahrnehmung von BürgerInnen noch in den frühen Anfängen, sodass noch keine allgemeingültigen Aussagen über die Konsequenzen solcher Vorwürfe möglich sind. Nichtsdestotrotz sollte das potenzielle Risiko, dass das Fake News-Label ein wirksames Instrument zur Beeinflussung der Medienwahrnehmung (zumindest einiger) BürgerInnen sein könnte, Grund genug sein, die Verwendung des Begriffs zu überdenken – vor allem in Anbetracht dessen, dass er unabhängig vom Kontext, in dem er verwendet wird, keine intrinsische Bedeutung hat. Der Begriff Fake News ist nicht anwendbar, um alle Phänomene der Inkorrektheit in der Nachrichtenwelt zu erfassen. Stattdessen beschreibt er zwei sehr spezifische Fälle einer Krise in der Demokratie, die zunehmende Verbreitung von Desinformation einerseits (das Fake News-Genre) und wachsende delegitimierende Medienkritik andererseits (das Fake News-Label). Während ein völliger Verzicht auf den Begriff unrealistisch sein mag, sollte seine (weitere) Trivialisierung verhindert werden. Stattdessen sollte zu einer bewussteren Verwendung des Begriffs übergegangen werden, sowohl in der Wissenschaft als auch im Journalismus. Statt Fake News können aussagekräftigere Begriffe wie »Desinformation« oder einfach »falsche Nachrichten« verwendet werden.46

Literatur

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1Für einen Überblick über die Historie von politischer Desinformation, siehe J. Posetti/A. Matthews: A short guide to the history of ›fake news‹ and disinformation, in: International Center for Journalists (7), 2018.

2G. Baym: The Daily Show: Discursive integration and the reinvention of political journalism, in: Political Communication (22), 2005, Nr. 3, S. 259-276.

3‹https://www.duden.de/rechtschreibung/Fake›.

4Z. B. C. Silverman: How The Bizarre Conspiracy Theory Behind »Pizzagate« Was Spread, 4.11.2016, ‹https://www.buzzfeed.com/craigsilverman/fever-swamp-election?utm_term=.wdMze3vLz3#.xul5e8gP58›.

5Für einen tiefer gehenden Überblick zur Definition und Einordnung des Fake News Phänomens siehe J. L. Egelhofer/S. Lecheler: Fake news as a two-dimensional phenomenon: a framework and research agenda, in: Annals of the International Communication Association (43), 2019, Nr. 2, S. 97-116; für weitere Informationen zur Problematik des Begriffs siehe J. L. Egelhofer/L. Aaldering/J. M. Eberl/S. Galyga/ S. Lecheler: From Novelty to Normalization? How Journalists Use the Term »Fake News« in their Reporting, in: Journalism Studies, 2020, S. 1-21.

6Siehe Egelhofer/Lecheler, 2019.

7So definieren z. B. Khaldarova und Panttimanche Nachrichten des russischen Fernsehsenders Channel One als Fake News, siehe I. Khaldarova/M. Pantti. Fake news, in: Journalism Practice (10), 2016, Nr. 7, S. 891-901.

8Siehe Egelhofer/Lecheler, 2019.

9G. R. Smith: Politicians and the news media: How elite attacks influence perceptions of media bias, in: The International Journal of Press/Politics (15), 2010, Nr. 3, S. 319-343.

10J. M. Ladd: Why Americans hate the news media and how it matters, Princeton 2012.

11Smith, 2010.

12UN, OSCE, OAS, & ACHPR: Joint Declaration on Freedom of Expression and Fake News, Disinformation and Propaganda, 2017, ‹http://www.osce.org/fom/302796?download=true7›.

13M. Carlson: Journalistic authority: Legitimating news in the digital era, New York 2017, S. 8.

14Siehe auch D. Cheruiyot: Popular criticism that matters: Journalists’ perspectives of »quality« media critique, in: Journalism Practice (12), 2018, Nr. 8, S. 1008–1018, aus dem Englischen übersetzt.

15Siehe auch Nayla Fawzi: Right-Wing Populist Media Criticism, in: Benjamin Krämer/Christina Holtz-Bacha (Hg.), Perspectives on Populism and the Media, Baden-Baden 2020, S. 39-56.

16Siehe z. B. F. Prochazka/P. Weber/W. Schweiger: Effects of civility and reasoning in user comments on perceived journalistic quality, in: Journalism studies (19), 2018, Nr. 1, S. 62-78.

17Siehe auch G. Lakoff: »How You Help Trump«, 2018, ‹https://medium.com/@GeorgeLakoff/how-you-help-trump-9d0139b9d4c9›.

18Siehe Egelhofer/Lecheler, 2019.

19Für Überblicke siehe F. Esser/A. Stępińska/D. Hopmann: Populism and the media. Cross-national findings and perspectives, in: T. Aalberg/F. Esser/C. Reinemann/J. Stromback/ C. De Vreese (Hg.), Populist political communication in Europe, New York 2016, S. 365-380.

20Eine Übersicht der Fake News-Vorwürfe von PolitikerInnen weltweit ist hier aufbereitet: ‹https://www.nytimes.com/interactive/2019/11/30/opinion/editorials/fake-news.html›.

21J. Albright: Welcome to the era of fake news, in: Media and Communication (5), 2017, Nr. 2, S. 87, (aus dem Englischen übersetzt).

22HLEG (2018): A multi-dimensional approach to disinformation. Report of the independent High level Group on fake news and online disinformation. ‹https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/news/final-report-high-level-expert-group-fake-news-and-online-disinformation›. S. 10, (aus dem Englischen übersetzt).

23C. Wardle: Fake news. It‘s complicated, 2017, ‹https://medium.com/1st-draft/fake-news-its-complicated-d0f773766c79›, (aus dem Englischen übersetzt).

24siehe auch J. Habgood-Coote: Stop Talking About Fake News!, in: Inquiry 62 (9-10), 2019, S. 1033-1065.

25Baym, 2005.

26M. Carlson: Introduction: The Many Relationships of Journalism, in: M. Carlson/S. C. Lewis (Hg.), Boundaries of journalism: Professionalism, practices and participation, London 2015, S. 1-26.

27Baym, 2005.

28Carlson, 2015, S. 8, (aus dem Englischen übersetzt).

29M. Carlson: Fake News as an Informational Moral Panic: The Symbolic Deviancy of Social Media During the 2016 US Presidential Election, in: Information, Communication & Society (19), 2018, Nr. 13, S. 1879-1888.

30J. Farkas/J. Schou: Fake News as a Floating Signifier: Hegemony, Antagonism and the Politics of Falsehood, in: Javnost – The Public (25), 2018, Nr. 3, S. 298-314.

31S. van der Linden/C. Panagopoulos/J. Roozenbeek: You are fake news: political bias in perceptions of fake news, in: Media, Culture & Society (42), 2020, Nr. 3. S. 460-470.

32J. Brummette/M. DiStaso/M. Vafeiadis/M. Messner: Read All About It: The Politicization of »Fake News« on Twitter, in: Journalism & Mass Communication Quarterly (95), 2018, Nr. 2, S. 497-517.

33Als Advertorials bezeichnet man eine Form der Werbung, welche so aufgemacht ist, dass sie den Eindruck vermittelt, es handle sich um redaktionelle Nachrichtenartikel.

34R. K. Nielsen/L. Graves: »News you don’t believe«: Audience perspectives on fake news, Reuters Institute for the Study of Journalism, 2017.

35Siehe Egelhofer et al., 2020.

36‹https://journals.lww.com/­neurotodayonline/­Fulltext/2017/04060/­Is_Successful_Brain_­Training_Fake_News__.6.aspx›.

37Albright, 2017.

38T. Bale/S. van Kessel/P. Taggart: Thrown Around with Abandon? Popular Understandings of Populism as Conveyed by the Print Media: A UK Case Study, in: Acta Politica (46), 2011, Nr. 2, S. 111-131.

39Siehe Egelhofer et al., 2020.

40‹https://www.journalism.org/­2019/06/05/­many-americans-say-made-up-­newsis-a-critical-problem-­that-needs-to-be-fixed/›.

41Siehe z. B. Ladd, 2012.

42A. Guess/B. Nyhan/J. Reifler: »You’re Fake News!« The 2017 Poynter Media Trust Survey, ‹https://poyntercdn.blob.core.windows.net/­files/­PoynterMediaTrustSurvey2017.pdf›.

43E. Van Duyn/J. Collier: Priming and fake news: The effects of elite discourse on evaluations of news media, in: Mass Communication and Society (22), 2019, Nr. 1, S. 29-48.

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25 mayıs 2021
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