Kitabı oku: «Strafrecht Besonderer Teil», sayfa 13
c) Konkurrenzen
222Die Frage der Eigenständigkeit der Begehungsvariante des Quälens wirkt sich bei den Konkurrenzen aus. Nimmt man an, dass der Schutzbereich des § 225 StGB weiter geht als der des § 223 StGB und auch die seelische Integrität erfasst, dann besteht zwischen § 225 Abs. 1 StGB in der Variante des Quälens und einer Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB Tateinheit, da ihre Schutzrichtungen nicht deckungsgleich sind.[387] Subsumiert man hingegen nur körperliche Beeinträchtigungen unter den Begriff des Quälens, dann wird § 223 StGB wie bei den anderen Begehungsvarianten des § 225 StGB konsumiert und tritt deshalb gesetzeskonkurrierend zurück.[388]
d) Erfolgsqualifikation
223Es ist schließlich zu beachten, dass in Abs. 3 zwei Erfolgsqualifikationen geregelt sind, die durch ein Mindeststrafmaß von einem Jahr Freiheitsstrafe einen Verbrechenstatbestand darstellen. Es gelten die allgemeinen Regeln für Erfolgsqualifikationen[389].
7. Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB)
a) Einleitung
224Jede Schlägerei ist eine Mehrzahl von wechselseitigen Körperverletzungshandlungen. Schlimmstenfalls kommen versuchte oder vollendete Tötungshandlungen hinzu. Für beide Tatgruppen gibt es jenseits von § 231 StGB differenzierte Straftatbestände (§§ 223ff.; §§ 211ff. StGB). Dennoch hat der Gesetzgeber sich entschieden, dem Phänomen der Schlägerei eine eigene Norm zu widmen. Dies wird damit gerechtfertigt, dass die besondere Dynamik von Schlägereien, die sich schnell verselbstständigen kann, Anknüpfungspunkt für die Strafandrohung |101|ist. Die Norm ist daher ein »reines Gefährdungsdelikt«[390], der Täter wird »allein ›schon wegen‹ der Beteiligung an einer solchen Schlägerei bestraft. Da Schlägereien erfahrungsgemäß oft schwerwiegende Folgen haben, soll wegen dieser Gefährlichkeit schon der Beteiligung daran entgegengetreten werden, ohne daß es auf den – oft nicht möglichen – Nachweis der Ursächlichkeit gerade dieser Beteiligung für die schweren Folgen der Schlägerei ankäme […].«[391]
b) Objektiver Tatbestand
225Es kommt also, anders als etwa bei § 223 StGB, nicht auf die konkrete Verletzungshandlung an.[392] Stattdessen genügt, wenn eine Schlägerei oder ein von mehreren geführter Angriff zu einer schweren Körperverletzung gem. § 226 StGB oder dem Tod eines Menschen führt und der Beschuldigte sich daran beteiligt hat. War ihm diese Beteiligung (als Ganzes)[393] nicht vorzuwerfen – etwa weil er in Notwehr gem. § 32 StGB handelte – ist die Strafbarkeit ausnahmsweise bereits auf Tatbestandsebene ausgeschlossen (§ 231 Abs. 2 StGB).
226Eine Schlägerei wird definiert als »Streit mit gegenseitigen Körperverletzungen zwischen mindestens drei Personen.«[394] Es soll allerdings nicht erforderlich sein, dass drei Personen gleichzeitig kämpfen: »Eine Schlägerei ist auch dann anzunehmen, wenn nacheinander jeweils nur zwei Personen gleichzeitig wechselseitige Tätlichkeiten verüben, zwischen diesen Vorgängen aber ein so enger innerer Zusammenhang besteht, dass die Annahme eines einheitlichen Gesamtgeschehens gerechtfertigt ist.«[395]
227Ob die Beteiligten der Schlägerei »durch eigenes Verschulden in den Streit verwickelt wurden, ist dabei ohne Bedeutung. Das folgt aus dem Grundgedanken des § 231 StGB ebenso wie aus dem Wortlaut dieser Bestimmung. Bei tätlichen Auseinandersetzungen zwischen mehr als zwei Personen läßt sich in der Regel nur schwer ermitteln, wer einen bestimmten Verletzungserfolg verursacht und ob er dabei rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat. Der Gefahr, daß deshalb schwerwiegendes Unrecht ungesühnt bleiben müßte, begegnet die Vorschrift des [§ 231] StGB, indem sie schon die Beteiligung an einer tätlichen Auseinandersetzung als solche mit Strafe bedroht, wenn mehr als zwei Personen in den Streit verwickelt sind. Dem Grundgedanken dieser Bestimmung zuwiderlaufen würde es daher, wenn man für die Frage, ob es sich bei einer tätlichen Auseinandersetzung um eine Schlägerei im Sinne des [§ 231] StGB handelt, darauf abheben wollte, ob mindestens drei der mitwirkenden |102|Personen schuldhaft in sie hineingezogen wurden.«[396] Bei der Frage, ob zahlenmäßig überhaupt eine Schlägerei vorliegt, kommt es folglich nicht darauf an, ob die agierenden Personen in vorwerfbarer Weise Beteiligte der Schlägerei wurden (und sich somit strafbar gemacht haben). Auch ein Opfer, das einem der Angreifer in Notwehr einen Tritt verpasst, ist Beteiligter einer Schlägerei. Beschränkt es sich hingegen auf reine Schutzwehr, hält z.B. nur schützend seine Hände vor das Gesicht, ist dies noch kein Beteiligen im Sinne der Norm.[397]
228Beteiligen setzt aktive Teilhabe voraus, wobei jedoch ein gemeinsames Vorgehen, eine Gleichwertigkeit der Beiträge oder gar ein mittäterschaftliches Verhältnis der Beteiligten nicht erforderlich ist.[398] Ob auch reine Unterstützungshandlungen, z.B. das Anreichen von Waffen oder gefährlichen Gegenständen an die Kontrahenten, für die Erfüllung des Tatbestandes ausreichen, ist umstritten.[399] Es sollte im Einzelfall genau abgewogen werden, ob das Verhalten bereits zur Teilhabe an der Schlägerei führt, oder ob es so weit vorgelagert ist, dass ein Beteiligen im allgemeinen Sprachsinne nicht vorliegt.
229»Unter ›einem von mehreren gemachten‹ Angriff ist die in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielende Einwirkung von mindestens zwei Personen zu verstehen […]. Voraussetzung ist dabei, daß bei den Angreifenden Einheitlichkeit des Angriffs, des Angriffsgegenstandes und des Angriffswillens besteht […]. Das bedeutet nicht notwendig gemeinschaftliches Handeln als Mittäter […]. Erforderlich ist aber jedenfalls ein Zusammenwirken der Angreifer […].«[400] Es handelt sich folglich um ein Auffangtatbestandsmerkmal für Fälle, in denen zwar mit zwei Angreifern und einem Opfer drei Personen involviert sind, das Opfer allerdings keine Trutzwehr leistet und daher nicht Beteiligter im soeben beschriebenen Sinne ist. Ebenfalls erfasst sind Fälle, in denen es zwar drei oder mehr Angreifer gibt, es aber an der Wechselseitigkeit der Körperverletzung fehlt, da das oder die Opfer sich nicht wehren.[401]
230Die Schlägerei oder der von mehreren ausgeführte Angriff muss eine schwere Körperverletzung gem. § 226 StGB oder den Tod eines Menschen nach sich ziehen. Diese Voraussetzung ist jedoch kein Merkmal des objektiven Tatbestandes, sondern eine objektive Bedingung der Strafbarkeit.[402]
|103|c) Subjektiver Tatbestand
231Der Täter muss – wie immer – hinsichtlich der Merkmale des objektiven Tatbestandes (Schlägerei /von mehreren begangener Angriff, seine vorwerfbare Beteiligung) mindestens bedingten Vorsatz haben.[403] Den Eintritt der schweren Folge muss er hingegen nicht in seinen Vorsatz aufgenommen haben, sie wird als objektive Bedingung der Strafbarkeit deshalb im Gutachten auch erst nach dem subjektiven Tatbestand geprüft.
d) Objektive Bedingung der Strafbarkeit
232Nach § 231 StGB macht sich ein Beteiligter einer Schlägerei nur dann strafbar, wenn die Schlägerei zu einer schweren Körperverletzung gem. § 226 StGB oder zur Tötung eines Menschen geführt hat. »Diese Folge braucht als objektive Bedingung der Strafbarkeit […] nicht vom Vorsatz oder der Fahrlässigkeit eines der Beteiligten umfaßt zu sein […]. Sie braucht nicht einmal durch eine strafbare Handlung herbeigeführt worden zu sein, sondern kann auch auf einer durch Notwehr gerechtfertigten Handlung beruhen […]. Erforderlich ist insoweit lediglich, daß ein ursächlicher Zusammenhang im strafrechtlichen Sinn zwischen der Schlägerei (dem Angriff) und der schweren Folge besteht; auf eine Ursächlichkeit der einzelnen Tatbeiträge der Beteiligten kommt es nicht an.«[404]
233»In dieser Konstruktion des Straftatbestandes kommt zum Ausdruck, dass das sozialethisch verwerfliche Verhalten bereits in der Beteiligung an einer Schlägerei oder einem Angriff mehrerer besteht, weil dadurch erfahrungsgemäß so häufig die Gefahr schwerer Folgen geschaffen wird, dass die Beteiligung als solche schon strafwürdiges Unrecht darstellt […]. Die objektive Strafbarkeitsbedingung wirkt dabei nicht strafbarkeitsbegründend oder -verschärfend, sondern schränkt lediglich den Bereich des zu Bestrafenden aus kriminalpolitischen Gründen ein […].«[405]
234Es ist sogar möglich, dass derjenige, der die schwere Folge in Notwehr und damit straflos herbeigeführt hat, später wegen ihres Vorliegens selbst nach § 231 StGB bestraft wird. Der BGH hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, es bestünde keine Veranlassung, »denjenigen, der sich schuldhaft an einer Schlägerei beteiligt, nur deshalb straflos zu lassen, weil die – allein auf ihre Ursächlichkeit hin zu untersuchende – von ihm herbeigeführte objektive Bedingung der Strafbarkeit der Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs diente. Notwehr beseitigt die Rechtswidrigkeit, wo es auf sie ankommt. Ist allein die Ursächlichkeit von Bedeutung, spielt Notwehr keine Rolle. Eine allgemeine Bedeutung dahin, jegliches Tun in jeglicher Beziehung zu erlauben, sofern es nur der Abwehr eines lebensbedrohenden Angriffs dient, kommt § 32 StGB nicht zu.«[406]
235|104|Nach Auffassung des BGH genügt es für die Strafbarkeit nach § 231 StGB auch, wenn die schwere Körperverletzung oder Tötung bereits eingetreten war, als der Beschuldigte begann, sich an der Schlägerei zu beteiligen[407] oder wenn sie erst eingetreten ist, als der Beschuldigte seine Beteiligung bereits beendet hatte.[408]
236Tab. 7: Prüfungsaufbau § 231 StGB

8. Verstümmelung weiblicher Genitalien (§ 226a StGB)
237Nach dem Mitte 2013 eingeführten Straftatbestand des § 226a StGB wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft (Verbrechen!), wer die äußeren Genitalien einer weiblichen Person verstümmelt. Der Anwendungsbereich der Norm ist auf die äußeren Genitalien beschränkt[409], um medizinisch indizierte Eingriffe an inneren Organen wie der Gebärmutter oder den Eierstöcken von vornherein auszunehmen.[410] Durch die Verwendung des Begriffs der »weiblichen Person« sind sowohl Mädchen als auch erwachsene Frauen vom Schutzbereich der Norm umfasst. Systematisch handelt es sich um eine Qualifikation des § 223 StGB.[411]
238|105|Anlass für die Einführung des neuen Straftatbestandes ist die weltweit, vor allem in afrikanischen Ländern noch heute praktizierte Tradition, die äußeren Geschlechtsorgane von Mädchen und Frauen zu »beschneiden«. Durch Migrationsbewegungen aus den entsprechenden Ländern kommt es auch auf dem Gebiet der Bundesrepublik zu derartigen Eingriffen[412]. Belastbare Zahlen über dieses Phänomen existieren nicht, allerdings schätzt die Hilfsorganisation »Terre des Femmes«, dass 2012 knapp 6.000 Mädchen und junge Frauen in der Bundesrepublik von Genitalverstümmelung bedroht waren.[413] Die Einführung des § 226a StGB wurde zum Teil kritisiert, da angesichts der anwendbaren §§ 223ff. StGB keine Schutzlücke bestünde und es sich u.a. deshalb um rein symbolisches (und damit eigentlich überflüssiges) Strafrecht handele.[414]
239Die Weltgesundheitsorganisation unterscheidet vier Formen der Genitalverstümmelung: Die teilweise oder vollständige Entfernung des äußerlich sichtbaren Teils der Klitoris und /oder der Klitorisvorhaut; die teilweise oder vollständige Entfernung des äußerlich sichtbaren Teils der Klitoris und der inneren Schamlippen mit oder ohne Beschneidung der äußeren Schamlippen; die Verengung der Vagina mit Bildung eines deckenden Verschlusses, indem die inneren und /oder die äußeren Schamlippen aufgeschnitten und zusammengefügt werden sowie alle weiteren Verletzungen der weiblichen Genitalien, die nicht medizinisch begründet sind, z.B. das Einstechen, Durchbohren, Einschneiden oder Abschaben von Genitalgewebe und das Ausbrennen oder Verätzen der Klitoris.[415] Sämtliche dieser Erscheinungsformen fallen unter den Gesetzesbegriff des Verstümmelns.[416] Er wird definiert als das gewaltsame Kürzen, schwere Verletzen, Entstellen oder übel Zurichten der äußeren Genitalien.[417] Von vornherein nicht erfasst sein sollen hingegen Intim-Piercings oder Schönheitsoperationen an den äußeren Geschlechtsorganen.[418]
240Die Rechtswidrigkeit könnte bei der Genitalverstümmelung – wie bei allen Körperverletzungsdelikten – wegen der Einwilligung der betroffenen Person gem. § 228 StGB entfallen. Erziehungsberechtigte können aber nicht wirksam einwilligen, da die Verstümmelung gegen das Kindeswohl verstößt (vgl. § 1631 Abs. 2BGB).[419] Den Minderjährigen selbst fehlt es an der erforderlichen Einsichtsfähigkeit.[420] Bei volljährigen, freiwillig einwilligenden Frauen müsste hingegen ein Verstoß gegen die guten Sitten (§ 228 StGB) vorliegen, |106|um trotz Einwilligung die Rechtswidrigkeit zu bejahen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Genitalverstümmelungen stets sittenwidrig sind, begründet dies aber nicht weiter.[421] Berücksichtigt man die herrschende Auslegung des § 228 StGB in anderen Zusammenhängen, überzeugt diese Position nicht. Zu Recht wird für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit primär auf das objektivierbare Kriterium der (Lebens)Gefährlichkeit der Verletzungshandlung abgestellt. Eine Genitalverstümmelung ist aber – jedenfalls wenn sie von einem Arzt durchgeführt wird – regelmäßig nicht lebensgefährlich. In solchen Fällen lässt eine Einwilligung der Betroffenen daher die Strafbarkeit entfallen.[422]
9. Leitentscheidungen
241LG Berlin, BeckRS 2010, 02070[423]; Durchsetzung der Ordnungsmaßnahme einer Lehrerin durch Ergreifen des Schülers; Züchtigungsrecht; Erheblichkeitsschwelle des § 223 StGB: Eine Lehrkraft weist ihren Schüler an, wegen seines Fehlverhaltens den Raum zu verlassen. Nachdem der Schüler dem nicht nachkommt, packt sie ihn am Arm und führt ihn aus dem Klassenzimmer. Durch den Griff entstanden Hämatome und der Schüler erlitt Schmerzen. – Das LG Berlin lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, da die Erheblichkeitsschwelle des § 223 StGB nicht überschritten sei. Zudem habe es sich nicht um eine Züchtigung gehandelt, sondern um die Durchsetzung einer Ordnungsmaßnahme.
242BayObLG, NJW 1999, 372; Sittenwidrigkeit einer Einwilligung in die Körperverletzung durch Dritte: Das Aufnahmeritual einer Jugendgang besteht darin, dass der Anwärter sich zwei Minuten lang von drei Gangmitgliedern schlagen und treten lassen muss. Der Bewerber darf sich wehren und jederzeit einen Abbruch des Rituals verlangen. Ein 15-jähriger unterzog sich dieser Behandlung freiwillig, um in die Gang aufgenommen zu werden, und erlitt erhebliche Verletzungen. Die Gangmitglieder hatten auch gegen den Kopf getreten und nicht mit den Attacken aufgehört, als der 15-jährige bereits am Boden lag. – Das BayObLG ging davon aus, dass die Tat sittenwidrig und damit gem. § 228 StGB nicht einwilligungsfähig war. Das Ritual sei insbesondere nicht vergleichbar mit einem sportlichen Wettkampf, da der 15-jährige den drei Tätern massiv unterlegen gewesen sei und es an Schutzvorrichtungen gefehlt habe.
243BGHSt 53, 55[424];Einwilligung in Todesgefahr hat keine rechtfertigende Wirkung: Vier junge Männer verabreden sich zu einem illegalen Autorennen auf einer vierspurigen Bundesstraße. Sie fahren mit zwei Autos, jeder ist abwechselnd Fahrer oder Beifahrer. Bei einem sehr riskanten Überholmanöver kommt es zu einem schweren Unfall, einer der Männer, der auf dem Beifahrersitz |107|saß, stirbt. – Der BGH bejahte eine fahrlässige Tötung. Er stellt zunächst fest, dass es sich nicht um eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung handelte (dann entfiele die objektive Zurechenbarkeit des Taterfolgs), da der Verstorbene als Beifahrer nicht die Herrschaft über das Geschehen hatte. Auch eine Rechtfertigung gem. § 228 StGB komme nicht in Betracht, weil eine Einwilligung in eine Todesgefahr gegen die guten Sitten verstoße und unwirksam sei. Dafür sei es unerheblich, dass die Todesgefahr sich sogar realisiert hatte.
244BGH NStZ 2006, 506[425]; Stoffe des alltäglichen Bedarfs als andere gesundheitsschädliche Stoffe iSd. § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB: Ein vierjähriges Mädchen schüttet versehentlich Salz statt Zucker in seinen Pudding. Zu »erzieherischen Zwecken« zwingt seine Mutter es, den Pudding dennoch zu essen. Sie weiß nicht, dass Kochsalz bereits ab einer niedrigen Dosierung zum Tode führen kann. Das Mädchen stirbt an der Kochsalzvergiftung. – Das Landgericht hatte die Mutter lediglich wegen einfacher Körperverletzung verurteilt. Der BGH änderte den Schuldspruch und erkannte auf gefährliche Körperverletzung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB. Die Norm erfasse auch Stoffe des täglichen Bedarfs, wenn ihre Beibringung mit der konkreten Gefahr einer erheblichen Schädigung im Einzelfall verbunden ist. Dass die Mutter sich einer Todesgefahr nicht bewusst war, sei dafür unwesentlich, da sie jedenfalls eine vorübergehende gesundheitliche Schädigung des Kindes in Kauf genommen habe.
245LG Bonn, BeckRS 2012, 03545[426]; Gezieltes Anhauchen eines Anderen mit Zigarettenrauch stellt bereits körperliche Misshandlung und Gesundheitsschädigung iSd. § 223 Abs. 1 StGB dar: Der Angeklagte hatte einen Polizeibeamten, der vor seiner Haustür stand, den Rauch seiner Zigarette ins Gesicht geblasen, der mit »spürbar feuchter, d.h. mit Spuke-Partikeln [sic] versetzte[r] Atemluft« verbunden war. Der Beamte schlug den Mann daraufhin schmerzhaft ins Gesicht. – Das LG sprach den wegen Körperverletzung im Amt angeklagten Polizisten frei. Er habe in Notwehr gehandelt, da es sich bei dem »Anhauchen« um eine Körperverletzung gehandelt habe. Das Anblasen mit Zigarettenrauch und Spuckeanteilen gegen das Gesicht sei über die Grenze hinzunehmender Bagatellen hinaus geeignet, das körperliche Wohlbefinden und die Gesundheit zu beeinträchtigen. Die Gesundheitsbeeinträchtigung resultiere dabei sowohl aus den karzinogenen Anteilen des Zigarettenrauches als auch aus den potentiellen Viren und Bakterien in der Körperflüssigkeit »Spucke«.
|108|III. Delikte gegen die persönliche Freiheit (Lea Voigt)
1. Einleitung
246Die §§ 232 bis 241a StGB schützen das Rechtsgut der persönlichen Freiheit. Dabei geht es jedoch nicht um »die Freiheit« an sich, sondern spezifische Freiheitsdimensionen, etwa die Fortbewegungsfreiheit (Freiheitsberaubung, § 239 StGB), die allgemeine Freiheit zur Willensbildung und -betätigung (Nötigung, § 240 StGB), die Freiheit, von keinem anderen abhängig zu sein (Menschenhandel, §§ 232, 233 StGB), oder die Freiheit, von niemandem für seine Zwecke beherrscht zu werden (Menschenraub, §§ 234, 239a StGB; Geiselnahme, § 239b StGB).[427] Einige Tatbestände des Abschnitts – etwa der Menschenraub oder die Nötigung – waren bereits in den Vorläufern des StGB enthalten.[428] Andere sind erst in den letzten Jahren hinzugekommen, etwa die Nachstellung gem. § 238 StGB (»Stalking«) und die Zwangsheirat gem. § 237 StGB[429]. Der Einführung beider Normen ging eine vor allem durch Massenmedien vermittelte gesellschaftliche Debatte über die vermeintliche Zunahme der nun strafbaren Verhaltensformen voraus, verbunden mit dem Ruf nach staatlicher Intervention. Ob das Strafrecht tatsächlich das richtige Mittel ist, bzw. ob es dafür eines neuen Tatbestandes bedarf, wird von Teilen der Literatur besonders bezüglich § 238 bezweifelt.[430]
247Im Folgenden werden nur einige Tatbestände aus dem Abschnitt erläutert, die in der universitären Ausbildung relevant sind. Es ist allerdings ratsam, zumindest einmal alle Normen des Abschnitts zu lesen, damit man weiß, welche Tatbestände es überhaupt gibt.
2. Nötigung (§ 240 StGB)
a) Einleitung / Rechtsgut
248§ 240 StGB schützt das Rechtsgut der persönlichen Freiheit, worunter die Möglichkeit zur freien Willensbildung und -betätigung verstanden wird.[431]
249Allerdings wird die persönliche Freiheit im gesellschaftlichen Alltag in vielerlei Hinsicht eingeschränkt, da sie dort auf Grenzen stößt, wo sie mit der Freiheit anderer Menschen kollidiert. Es ist deshalb nicht jede Einschränkung |109|der Willensbildung und -betätigung strafwürdig. Der strafrechtliche Schutz der persönlichen Freiheit ist auf bestimmte, intensive Formen der Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit beschränkt:[432] »Der Gesetzgeber wollte in § 240 StGB nicht jede Zwangseinwirkung auf den Willen Dritter unter Strafe stellen. Andernfalls [würden] auch zahlreiche Verhaltensweisen, die im Sozialleben, etwa im Erziehungswesen, in der Arbeitswelt oder im Verkehrsbereich, teils erforderlich, teils unvermeidlich sind, der Strafdrohung unterfallen. Um das zu vermeiden, hat er sich nicht damit begnügt, das pönalisierte Verhalten als Nötigung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu beschreiben, sondern die Strafbarkeit einer derartigen Handlung von der Wahl bestimmter Nötigungsmittel abhängig gemacht, nämlich Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel.«[433] Es ist also nicht jede Nötigung zu einem bestimmten Verhalten – etwa die Drohung, dass man jemanden nicht noch einmal einladen wird, wenn er seinen Teller nicht leer isst – tatbestandsmäßig, weil es an dem spezifischen Nötigungsmittel fehlt. Nicht wieder eingeladen zu werden ist weder Gewalt, noch ein empfindliches Übel gem. § 240 Abs. 1 StGB.
250Neben den Anforderungen an das Nötigungsmittel kann die Strafbarkeit wegen Nötigung auch daran scheitern, dass die Nötigung nicht gem. Abs. 2 verwerflich ist (»Verwerflichkeitsklausel«). Wenn zum Beispiel ein Inkassounternehmen damit droht, dass es ein Mahnverfahren einleiten wird, wenn der Schuldner eine (rechtmäßige) Forderung nicht begleicht, handelt es sich zwar durchaus um eine Drohung mit einem empfindlichen Übel. Es ist aber dennoch ein mit der Rechtsordnung in Einklang stehender Vorgang, der nicht als verwerflich angesehen wird.[434]