Kitabı oku: «Strafrecht Besonderer Teil», sayfa 4

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b) Besonders schwerer Fall

25§ 212 Abs. 2 StGB ordnet die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe an, wenn ein besonders schwerer Fall des Totschlags vorliegt. Dies ist dann anzunehmen, »wenn das in der Tat zum Ausdruck gekommene Verschulden des Totschlägers ebenso schwer wiegt wie das eines Mörders […]. Die Prüfung dieser Frage obliegt dem Tatrichter, der im Rahmen einer Gesamtwürdigung von Tat und Täter zu beurteilen hat, ob trotz Nichterfüllung des Mordtatbestandes sonstige unrechts- und schuldsteigernde Umstände vorliegen, die die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe rechtfertigen.«[55] Von Seiten des BGH wurden als Umstände, die einen besonders schweren Fall begründen können, etwa das Bestehen einer Vorstrafe wegen Totschlags, die Absicht des Täters, durch die Tötung ein zwar nicht strafbares, aber ihm unangenehmes Geschehen zu verdecken, sowie die Tötung der Ehefrau vor den Augen ihrer Kinder angesehen.[56] Grundsätzlich sollte ein besonders schwerer Fall nach § 212 Abs. 2 StGB wegen der Unbestimmtheit der Vorschrift und des damit einhergehenden schwer einzugrenzenden Anwendungsbereichs jedoch nur zurückhaltend angenommen werden.[57] Insbesondere würde es »in der Regel |13|dem Schuldprinzip widersprechen, wollte man den Täter, der aus subjektiven Gründen nicht wegen Mordes verurteilt werden kann, wegen der Nähe der objektiv vorliegenden Motive zu den niedrigen i.S.d. § 211 StGB auf dem Umweg über den besonders schweren Fall des Totschlags mit der dem Mörder zugedachten Strafe belegen.«[58] Nach diesen Maßstäben besteht insbesondere in universitären Prüfungsarbeiten in der Regel kein Anlass, auf die Strafzumessungsvorschrift in § 212 Abs. 2 StGB einzugehen.

c) Minder schwerer Fall

26§ 213 StGB normiert einen teilweise benannten Strafmilderungsgrund in Form eines minder schweren Falles. Ausdrücklich benannt ist der Fall, dass der Täter ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Misshandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden ist. Ob eine Misshandlung oder Beleidigung die erforderliche Schwere erreicht hat, ist nach objektiven, auf den Lebenskreis der Beteiligten bezogenen Kriterien zu beurteilen.[59] So genügen den »Anforderungen an eine schwere Beleidigung i.S.d. § 213 Alt. 1 StGB […] nur solche Provokationen, die auf der Grundlage aller dafür maßgebenden Umstände unter objektiver Betrachtung und nicht nur aus der Sicht des Täters als schwer beleidigend zu beurteilen sind; denn der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts und die unter den Voraussetzungen des § 213 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung menschlichen Lebens gebieten es, die Anforderungen an die Schwere der Beleidigung und auch der auf die tatauslösende Situation zulaufenden Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung nicht zu niedrig anzusetzen.«[60] Liegt eine hinreichende Provokation oder Misshandlung vor, ist der Täter durch diese dann ohne eigene Schuld zum Zorn gereizt, wenn er die Misshandlung bzw. Provokation nicht in ihm objektiv zurechenbarer Weise veranlasst hat und die Tötung auf durch die Provokation hervorgerufene Wut, Empörung oder einen vergleichbaren Gemütszustand zurückzuführen ist.[61] Für die Frage, ob der Täter auf der Stelle zur Tat hingerissen wurde, kommt es zuletzt darauf an, »ob die durch das vorausgegangene Verhalten des Opfers verursachte Kränkung oder Reizung des Täters im Tatzeitpunkt noch angehalten hat, zwischen diesen beiden Vorgängen also ein ›motivationspsychologischer Zusammenhang‹ besteht.«[62]

27Liegt der in § 213 StGB ausdrücklich benannte Strafmilderungsgrund nicht vor, kann eine Strafmilderung gleichwohl vorzunehmen sein, wenn sonst ein minder schwerer Fall gegeben ist. Hiervon ist dann auszugehen, wenn »das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden |14|Fälle in einem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist […]. In diesem Zusammenhang können auch die Vorgeschichte der Tat und die gesamten Beziehungen zwischen den Beteiligten von Bedeutung sein«[63]. In universitären Prüfungsarbeiten wird nur selten Anlass bestehen, auf die Voraussetzungen eines unbenannten minder schweren Falles einzugehen.

d) Leitentscheidungen

28BGH NStZ 2009, 91; Tötungsvorsatz: Ein trinkgewohnter Wohnungsinhaber konsumiert mit einem Bekannten erhebliche Mengen Alkohol, bis er eine BAK von 3,55 ‰ aufweist. Nachdem der Bekannte ihn mehrfach beleidigt hat, führt der Wohnungsinhaber einem spontanen Entschluss folgend mit einer 75 cm langen und 1 kg schweren Eisenstange 6 kräftige Hiebe gegen den Rumpf des Bekannten aus. Der Bekannte erleidet Knochenbrüche im Bereich des Oberkörpers und an den Armen, bleibt aber ansprechbar. Der Wohnungsinhaber zögert zunächst aus Furcht vor Bestrafung, Hilfe zu rufen, informiert aber 7 Stunden nach Ausführung der Schläge den Rettungsdienst, der den Bekannten ins Krankenhaus einliefert. Dort stirbt der Bekannte 3 Wochen später infolge seiner Verletzungen. – Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhaltes hat der Wohnungsinhaber nicht vorsätzlich hinsichtlich des objektiven Tatbestandes des § 212 Abs. 1 StGB gehandelt, da keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er die Möglichkeit des Todes des Bekannten erkannt und billigend in Kauf genommen hat. Schläge auf den Rumpf eines Menschen lassen keinen Schluss auf einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz zu, da sie nicht ohne Weiteres zu Verletzungen führen, die mit hoher oder gar sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode führen. Dass die Schläge infolge eines spontanen Entschlusses auf die Beleidigungen erfolgten, deutetet ebenfalls nicht auf eine billigende Inkaufnahme des Todeseintritts hin, da zugunsten des Wohnungsinhabers davon auszugehen ist, dass er annahm, die Beleidigungen unabhängig von einer etwaigen Lebensgefährlichkeit der Schläge durch diese beenden zu können. Zuletzt deutet die erhebliche BAK trotz der Trinkgewohnheit des Wohnungsinhabers darauf hin, dass er die Möglichkeit des Todeseintritts nicht erkannte.

29BGH NStZ 2011, 339, 340; Minder schwerer Fall des Totschlags: Obgleich es zwischen dem Täter und seiner Lebensgefährtin häufig zu heftigen Auseinandersetzungen kommt, in denen der Täter sich nicht aggressiv verhält, während seine Lebensgefährtin ihm gegenüber gewalttätig wird, beziehen die beiden eine gemeinsame Wohnung. Dort wird die Lebensgefährtin wiederholt mit anderen Männern intim und bedroht den Täter mehrfach mit einem Schlagstock. Als es zwischen den beiden abermals zu einer Auseinandersetzung kommt, in deren Verlauf die Lebensgefährtin dem Täter Schläge und Tritte versetzt, versucht dieser vergeblich, die Wohnung durch die von seiner |15|Lebensgefährtin verschlossene Tür zu verlassen. Als seine Lebensgefährtin hierauf fortfährt, ihn zunächst mit einem Besenstiel und anschließend mit einem Antennenkabel zu schlagen, reißt der Täter ihr das Kabel aus der Hand und würgt seine Lebensgefährtin solange, bis diese verstirbt. Hierbei verspürt der Täter Wut, Aggression und Ohnmacht und will, dass seine Lebensgefährtin mit ihrem Verhalten aufhört. – Die Voraussetzungen des benannten minder schweren Falles nach § 213 Alt. 1 StGB liegen vor. Die über einen erheblichen Zeitraum andauernden Provokationen sowie die wiederholten ehrverletzenden Situationen erreichen bei objektiver Betrachtung einen Schweregrad, der das Entstehen von nachhaltiger Wut als verständliche Reaktion erscheinen lässt. Da der Täter zunächst vergeblich versucht hat, die Wohnung zu verlassen und die Tötung in unmittelbarem Zusammenhang mit den weiter andauernden Misshandlungen durch seine Lebensgefährtin erfolgte, ist ferner davon auszugehen, dass er gerade infolge seiner Wut und auf der Stelle zur Tat hingerissen wurde.

3. Mord (§ 211 StGB)
a) Einführung und verfassungsrechtliche Fragestellungen

30Einen Mord begeht, wer sämtliche Voraussetzungen eines Totschlags nach § 212 StGB erfüllt, d.h. einen Menschen vorsätzlich tötet, und hierbei zusätzlich eines der in § 211 Abs. 2 StGB abschließend aufgezählten Mordmerkmale aufweist. Die Verwirklichung eines Mordmerkmales hat zur Folge, dass der vom Täter verübte Totschlag als sozialethisch besonders verwerflich angesehen wird,[64] worauf das Gesetz mit der absoluten Strafdrohung der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe reagiert. Wie das BVerfG bereits zu einem frühen Zeitpunkt ausgeführt hat, darf die verhängte Freiheitsstrafe jedoch auch bei Verwirklichung eines Mordmerkmales nicht außer Verhältnis zur Schwere der Tat und der Schuld des Täters stehen.[65] Dies hat sich zum einen in der durch die Einführung des § 57a StGB erfüllten Forderung niedergeschlagen, dass »auch dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich eine Chance [verbleiben muss], je wieder der Freiheit teilhaftig zu werden. [Denn] das Rechtsstaatsprinzip [gebietet], die Voraussetzungen, unter denen die Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ausgesetzt werden kann, und das dabei anzuwendende Verfahren gesetzlich zu regeln.«[66] Wie im Übrigen trotz der allein vorgesehenen Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe dem verfassungsrechtlichen Schuld- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinreichend Rechnung getragen werden kann, wird unterschiedlich beantwortet, |16|wobei die Auseinandersetzung schwerpunktmäßig im Zusammenhang mit den Mordmerkmalen der Heimtücke und der Verdeckungsabsicht geführt wird.[67]

31Der Große Senat für Strafsachen des BGH hat in unmittelbarer Reaktion auf die Rechtsprechung des BVerfG entschieden, dass der sich im Zusammenhang mit § 211 StGB stellenden verfassungsrechtlichen Problematik mit einer Rechtsfolgenlösung zu begegnen sei. Hiernach soll der Täter zwar auch in den Fällen, in denen die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände unverhältnismäßig erscheint, wegen Mordes verurteilt, die Strafe jedoch nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB gemildert werden. Dass die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Vorschrift an sich nicht vorliegen, hält der Große Strafsenat in diesem Zusammenhang für unbeachtlich. Denn das BVerfG habe aufgrund »der Wertvorstellungen der Verfassung und des sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit […] eine Regelungslücke festgestellt, die zwar nicht als ursprüngliche ›planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes‹ […] angesehen werden [könne], die aber einer solchen Unvollständigkeit auf Grund eines Wandels der Rechtsordnung gleichzuachten [sei]. Die Behebung dieser Lücke [habe] das BVerfG dem BGH überlassen. Dem Großen Senat [sei] es nicht verwehrt, sie dadurch zu schließen, daß er in Heimtückefällen auf der Rechtsfolgenseite des Mordes (§ 211 I StGB) an die Stelle lebenslanger Freiheitsstrafe den Strafrahmen des § 49 I Nr. 1 StGB treten lässt, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, die das Ausmaß der Täterschuld erheblich mindern«[68]. Außergewöhnliche Umstände in diesem Sinne sollen beispielsweise eine vom Tatopfer verschuldete Konfliktsituation, lang andauernde Kränkungen sowie eine notstandsähnliche Tatsituation darstellen.[69] Abgesehen von dem Umstand, dass dieser von Seiten der Rechtsprechung gewählte Ansatz keinerlei Grundlage im Gesetz findet,[70] ist ihm insbesondere entgegenzuhalten, dass der Begriff der »außergewöhnlichen Umstände« wegen seiner weitestgehenden Unbestimmtheit kein verlässliches Kriterium für die Entscheidung konkreter Einzelfälle liefert.

32Auch von Seiten der Literatur ist es bislang nicht gelungen, die durch die absolute Strafandrohung in § 211 StGB aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragestellungen einer zufriedenstellenden Lösung zuzuführen. Dies gilt zunächst für die Lehre der negativen Typenkorrektur, der zufolge trotz Verwirklichung eines Mordmerkmales eine Verurteilung wegen Mordes nicht erfolgen soll, wenn der Tatrichter unter Abwägung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu der Überzeugung gelangt, dass die Tatbestandsverwirklichung |17|nicht als besonders verwerflich anzusehen ist.[71] Entsprechend der bereits an der Rechtsprechung geäußerten Kritik liefert auch dieser Ansatz mit dem Merkmal der »besonderen Verwerflichkeit« kein hinreichend präzises Abgrenzungsmerkmal. Insbesondere ist der Lehre von der Typenkorrektur jedoch entgegen zu halten, dass nach ihr die Verwirklichung eines Mordmerkmales nur indizielle Bedeutung haben und die letztendliche Entscheidung über die Verurteilung wegen Mordes von einem moralischen Wertungsakt des Richters abhängen soll; dies ist mit dem Prinzip der Tatbestandsbestimmtheit nicht zu vereinbaren.[72] Soweit von anderer Seite vorgeschlagen wird, die absolute Strafdrohung durch die analoge Anwendung des § 213 StGB auf den Mordtatbestand zu umgehen, spricht hiergegen bereits der eindeutige Gesetzeswortlaut.[73]

33Als Ergebnis der vorstehend skizzierten Auseinandersetzung bleibt festzuhalten, dass auf Grundlage der gegenwärtigen Gesetzessystematik und entsprechend der in der Literatur vorherrschenden Auffassung die verfassungsrechtlich gebotene Einschränkung des § 211 StGB nur durch eine möglichst restriktive Auslegung der einzelnen Mordmerkmale erzielt werden kann.[74]

b) Die einzelnen Mordmerkmale

34Die einzelnen Mordmerkmale werden in § 211 StGB in drei Fallgruppen eingeteilt. Die 1. Gruppe erfasst Fälle, in denen das der Tötung zugrundeliegende Motiv besonders verwerflich erscheint. Demgegenüber folgt die gesteigerte Verwerflichkeit in der 2. Gruppe aus der Art der Tatausführung und in der 3. Gruppe aus der Zielsetzung des Täters. Bestehen in der Klausur Anhaltspunkte dafür, dass der Täter mehrere Mordmerkmale erfüllt haben könnte, ist auf sämtliche Tatbestandsvarianten einzugehen, auch wenn bereits die Prüfung des ersten in Betracht kommenden Mordmerkmales dessen Verwirklichung ergeben hat.

35Da die Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe an das Vorstellungsbild des Täters anknüpfen, werden sie von der ganz h. als täterbezogene besondere persönliche Unrechtsmerkmale des subjektiven Tatbestandes eingeordnet, mit der Folge, dass im Fall der Tatbeteiligung mehrerer § 28 StGB zur Anwendung gelangt.[75] Demgegenüber steht bei den Mordmerkmalen der 2. Gruppe die objektive Tatausführung im Vordergrund, so dass es sich um tatbezogene |18|Merkmale des objektiven Tatbestandes handelt, auf die § 28 StGB nicht anzuwenden ist. Bei der Erörterung dieser Mordmerkmale darf die Prüfung des Tatbestandsvorsatzes nicht vergessen werden.

36Abb. 1: Einteilung der Mordmerkmale


aa) Mordmerkmale der 1. Gruppe

37Die motivbezogenen Mordmerkmale der 1. Gruppe stellen subjektive Unrechtsmerkmale dar. Insoweit müssen dem Täter die äußeren Umstände bekannt und die Ziele bewusst sein, aus denen sich die besondere Verwerflichkeit seines Tötungsmotives ergibt.[76] Liegen einer Tötungstat mehrere Motive zugrunde, von denen nur eines als verwerflich anzusehen ist, kann der Täter gleichwohl nach § 211 StGB zu bestrafen sein. Allerdings beruht die vorsätzliche Tötung beim Vorliegen eines solchen Motivbündels nur dann auf dem einschlägigen Mordmerkmal, wenn »das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, welche der Tat ihr Gepräge geben«[77] dem Mordmerkmal entspringen. Tötet der Täter seine frühere Ehefrau, die ihn verlassen und sich einem neuen Mann zugewandt hat, kommt es für die Prüfung der Verwirklichung von § 211 StGB beispielsweise darauf an, ob die Tat primär auf Eifersucht und Wut oder auf die Enttäuschung über das »Verlassenwordensein« zurückzuführen ist, da Eifersucht und Wut einen niedrigen Beweggrund darstellen können, während dies für ein Gefühl der Enttäuschung zumindest dann nicht gelten würde, wenn diese im konkreten Fall nachvollziehbar ist (vgl. auch noch Rn. 46).[78]

38|19|Abb. 2: Mordmerkmale der 1. Gruppe


39(1) Mordlust: Das Mordmerkmal der Mordlust erfasst Tötungen, die Ausdruck einer besonderen Missachtung fremden Lebens sind, da die Motivation des Täters (nahezu) ausschließlich darin besteht, einen anderen Menschen sterben zu sehen. Demnach tötet aus Mordlust derjenige, »dem der Tod des Opfers der einzige Zweck der Tat ist [und der] allein aus Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens handelt […] Mit diesem Mordmerkmal sollen Fälle erfaßt werden, bei denen weder ein in der Person des Opfers oder in der besonderen Tatsituation liegender Anlaß noch ein über den Tötungsakt selbst hinausgehender Zweck die Tat bestimmt.«[79] Exemplarisch sind Tötungen, die aus Langeweile, »Nervenkitzel« oder aus dem Vergnügen heraus begangen werden, dass es dem Täter bereitet, einem wehrlosen Menschen Schmerzen zuzufügen und einen anderen beim Sterben zu beobachten.[80]

40Da es dem Täter gerade auf die Erzielung eines Lustgewinns infolge der Tötung ankommen muss, muss er mit direktem Vorsatz hinsichtlich des Todeseintritts handeln.[81]

41(2) Befriedigung des Geschlechtstriebes: Zur Befriedigung des Geschlechtstriebes tötet, »wer das Töten als ein Mittel zur geschlechtlichen Befriedigung benützt. [Das Mordmerkmal] umfaßt sowohl den sog. Lustmord, bei dem der Täter in der Tötungshandlung selbst sexuelle Befriedigung sucht, als auch den Fall, daß er tötet, um das Opfer geschlechtlich zu mißbrauchen […]. Hierbei ist es unerheblich, ob der Täter von vornherein mit Tötungsvorsatz handelt oder ob er den Tötungsentschluß erst während der Tatausführung |20|faßt; es ist ferner unwesentlich, in welchem Zeitpunkt der Tod des Opfers eintritt«[82]. Erforderlich ist jedoch, dass das Tötungsopfer mit derjenigen Person identisch ist, auf die sich das sexuelle Begehren des Täters bezieht.[83] Ob der Täter die angestrebte sexuelle Befriedigung durch die Tathandlung tatsächlich erreicht, ist für die Tatbestandsverwirklichung demgegenüber unerheblich.[84] In der Klausurpraxis kommt diesem Mordmerkmal nur geringe Bedeutung zu.

42(3) Habgier: Tötungen, die aus Habgier begangen werden, kennzeichnen sich dadurch, dass der Täter einen persönlichen wirtschaftlichen Vorteil anstrebt, von dem er annimmt, ihn durch den Tod eines anderen erreichen zu können.[85] Demnach ist das Mordmerkmal erfüllt, »wenn sich die Tat als Folge eines noch über bloße ›Gewinnsucht‹ hinaus gesteigerten abstoßenden Gewinnstrebens um jeden Preis (insbesondere um den Preis des Todes des Geschädigten) darstellt.«[86] Typischer Beispielsfall ist der sog. Raubmord, bei dem die Tötungshandlung mit einem Raub zusammenfällt und die Tötung des Raubopfers erfolgt, um an die Beute zu gelangen bzw. diese ungestört sichern und verwerten zu können.[87] Im Übrigen ist ein Handeln aus Habgier immer dann anzunehmen, wenn die Tat Ausdruck eines rücksichtslosen Strebens nach wirtschaftlichen Vorteilen ist, was in der Regel bei Tötungen gegen Entgelt oder zum Zwecke der Erlangung einer Erbschaft der Fall ist.[88] Auf die Größe des vom Täter erstrebten Gewinns bzw. auf dessen tatsächliches Eintreten kommt es für die Tatbestandsverwirklichung nicht an.[89]

43Nicht einheitlich beantwortet wird, ob der Täter auch dann aus Habgier handelt, wenn es ihm darum geht durch die Tötung eines anderen Aufwendungen zu ersparen. Dies wird teilweise mit dem Hinweis darauf verneint, dass der Tötung in »Vermögenserhaltungsabsicht« nicht zwangsläufig eine gesteigerte Verwerflichkeit innewohne, wie dies bei einer Tötung in »Vermögenserwerbsabsicht« der Fall sei.[90] Dem ist jedoch in Übereinstimmung mit der vorherrschenden Auffassung entgegen zu halten, dass »es nicht darauf ankommen [kann], ob der Täter einen tatsächlichen Gewinn erzielen oder nur Aufwendungen vermeiden will […]. Denn in beiden Fällen geht er in gleich rücksichtslos- und gewissenloser Weise darauf aus, seine Vermögenslage zu mehren.«[91] Zutreffend bejahte der BGH ein Handeln aus Habgier daher in |21|einem Fall, in dem der Täter seine ehemalige Lebensgefährtin getötet hatte, um von der Unterhaltspflicht für das von ihr erwartete Kind freizukommen.[92] Ebenso ist zu entscheiden, wenn der Tat die Absicht zugrunde liegt, einen Verlust zu vermeiden, was etwa dann anzunehmen ist, wenn der Täter einen anderen tötet, um zu verhindern, dass ihm die Beute aus einer vorangegangenen rechtswidrigen Tat abgenommen wird.[93]

44Umstritten ist ferner, ob der Täter auch dann aus Habgier tötet, wenn es ihm darum geht, einen rechtmäßigen Vorteil zu erzielen. Dies ist vor dem Hintergrund der gebotenen restriktiven Auslegung des Mordtatbestandes zu verneinen, obgleich der Gegenauffassung zuzugeben ist, dass die Durchsetzung von Ansprüchen durch die Tötung eines anderen aufgrund des offensichtlichen Missverhältnisses zwischen verfolgtem Ziel und eingesetztem Mittel sozialethisch in besonders hohem Maße zu missbilligen ist.[94] Insoweit wird in entsprechenden Fallkonstellationen häufig Anlass bestehen, die Voraussetzungen eines sonstigen niedrigen Beweggrundes zu prüfen.

45(4) Sonstiger niedriger Beweggrund: Ein Mordmerkmal der 1. Gruppe verwirklicht zuletzt, wer aus einem sonstigen niedrigen Beweggrund tötet. Die in § 211 Abs. 2 StGB gebrauchte einleitende Formulierung »sonst« verdeutlicht, dass die vorangestellten Merkmale spezielle Ausformungen von niedrigen Beweggründen darstellen. Als ersten Anhaltspunkt für die Interpretation des letzten Mordmerkmals der 1. Gruppe folgt hieraus, dass unter sonstigen niedrigen Beweggründen nur solche Motive zu verstehen sind, die eine vergleichbar verwerfliche Einstellung des Täters zum Ausdruck bringen, wie dies bei den Merkmalen der Mordlust, der Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebes sowie der Habgier der Fall ist. Vor diesem Hintergrund geht der BGH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Beweggründe dann als niedrig anzusehen sind, »wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung dieser Frage hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner Persönlichkeit zu erfolgen. Bei einer Tötung […] aus Wut oder Ärger kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen.«[95] Für die Fallbearbeitung in Klausur und Praxis lässt sich aus dieser weit gefassten Definition nicht viel mehr entnehmen, als dass es für die Prüfung der Voraussetzungen eines sonstigen niedrigen Beweggrundes |22|auf eine Gesamtwürdigung sämtlicher der Tatbegehung zugrundeliegenden Faktoren ankommt, worunter insbesondere die Umstände der Tat, die persönlichen Lebensverhältnisse des Täters sowie das Missverhältnis zwischen Tatanlass und -zweck fallen.[96] Im Übrigen ist wegen der generalklauselartigen Ausgestaltung dieses Merkmales dem Gebot der restriktiven Interpretation des Mordtatbestandes besondere Aufmerksamkeit entgegen zu bringen und ein sonstiger niedriger Beweggrund tendenziell nur in eindeutigen Fallkonstellationen anzunehmen.[97] Hierbei bietet es sich an, die Prüfung anhand der nachfolgend skizzierten Fallgruppen vorzunehmen, die von Seiten der Literatur auf Grundlage der zu § 211 StGB ergangenen Kasuistik entwickelt wurden.

46Unter das Mordmerkmal des sonstigen niedrigen Beweggrundes sind zunächst Fälle zu subsumieren, in denen die Tat nicht mehr als verständliche Reaktion auf die Situation, insb. auf das Verhalten des Tatopfers erscheint.[98] So ist im Hinblick auf das einer Tötung häufig zugrunde liegende Motiv der Eifersucht vom Vorliegen eines niedrigen Beweggrundes dann auszugehen, wenn der Täter das Opfer tötet, weil er es nur »für sich« haben möchte, nicht jedoch, wenn er aus Verzweiflung handelt, die auf eine kurz zuvor erfolgte Trennung zurückzuführen ist.[99] Weitere Motive, die in der Regel als besonders verwerflich anzusehen sind, stellen Ausländerfeindlichkeit und Rassenhass sowie nicht nachvollziehbarer Neid oder Wut auf einen anderen dar.[100] Schwierigkeiten können in diesem Zusammenhang bei der Bewertung von Motiven begegnen, die auf Wertvorstellungen zurückzuführen sind, denen der Täter wegen einer Bindung an eine fremde Kultur verhaftet ist. Diskutiert wird die Problematik insbesondere in Fällen, in denen der Täter sich aus kulturell bedingten Gründen zur Blutrache oder zur Tötung eines Familienmitgliedes verpflichtet hält, das sich (vermeintlich) entgegen der Wertvorstellungen des eigenen Kulturkreises verhalten hat. Die in Literatur und Rechtsprechung mittlerweile vorherrschende Auffassung geht davon aus, dass die kulturelle Herkunft des Täters bei der anzustellenden Gesamtabwägung grundsätzlich außer Betracht zu bleiben hat. Vielmehr sei der »Maßstab für die Bewertung der Beweggründe […] den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der BR Deutschland zu entnehmen und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe, die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt«[101]. Ausnahmsweise soll in dieser Konstellation jedoch der subjektive Tatbestand des § 211 StGB zu verneinen sein, wenn der Täter so sehr in seinem Kulturkreis verhaftet ist, dass er »außer Stande [ist], die Bewertung seiner Handlungsantriebe |23|durch die deutsche Rechtsordnung als niedrig nachzuvollziehen«[102]. Von der Gegenauffassung wird demgegenüber die generelle Ausblendung des kulturellen Hintergrundes des Täters abgelehnt und darauf hingewiesen, dass nicht einzusehen sei, warum ausgerechnet diesem keinerlei Bedeutung für die anzustellende Gesamtabwägung zukommen soll.[103]

47Weiterhin ist eine Tötung aus einem sonstigen niedrigen Beweggrund auch dann anzunehmen, wenn der Täter aus krasser Eigensucht oder hemmungslosem Egoismus die Tötung eines anderen zur Erreichung seiner Ziele instrumentalisiert.[104] Dies nahm der BGH in einem Fall an, in dem der Täter durch die Tötung »bewusst seine frustrationsbedingten Aggressionen an einem unbeteiligten Opfer abreagiert«[105] hatte. Im Übrigen erfolgt eine Tötung auch dann aus krasser Eigensucht, wenn der Täter durch sie ein zwar nicht strafbares, aber von ihm als ehrenrührig eingestuftes Verhalten verdecken will, oder wenn es sich bei dem Tatopfer um den Ehepartner einer Person handelt, zu der der Täter selbst eine Liebesbeziehung unterhalten möchte.[106]

48(5) Leitentscheidungen:BGHSt 29, 317, 318f.; Habgier: Ein Drogenkonsument begibt sich zu einem Bekannten, um von diesem Heroin zu erwerben. Der Bekannte fordert den Konsumenten auf, 100 € für 1g Heroin zu zahlen. Da der Drogenkonsument nicht über das Geld verfügt, das Heroin aber unter allen Umständen konsumieren möchte, sticht er mehrfach auf den Bekannten ein, um diesen zu töten und in den Besitz des Heroins zu gelangen. – Der Drogenkonsument hat das Mordmerkmal der Habgier verwirklicht. Unter Habgier ist ein Streben nach materiellen Gütern oder Vorteilen zu verstehen, das in seiner Hemmungs- und Rücksichtslosigkeit das erträgliche Maß weit übersteigt. Ein Streben nach einem beträchtlichen Gewinn ist nicht erforderlich, vielmehr reicht es aus, wenn der Täter von dem Verlangen getrieben ist, um jeden Preis und ohne jede Rücksicht irgend einen dem Opfer zustehenden Vermögensgegenstand zu erwerben. Der Annahme von Habgier steht daher nicht entgegen, dass es dem Drogenkonsumenten darum ging, Heroin mit einem Gegenwert von lediglich 100 € zu erlangen. Ferner ist es für die Tatbestandsverwirklichung ohne Belang, dass er das Heroin alsbald verbrauchen wollte, da die Verwertung des Heroins dessen vorhergehenden Erwerb voraussetzt. Der hiermit einhergehende zwischenzeitliche Besitz ist hinreichender Anknüpfungspunkt für das die Habgier begründende Gewinnstreben.

49BGH NStZ 2007, 522, 523; Mordlust: Angeregt durch Filme mit sadistischen Tötungsszenen gibt sich ein Jugendlicher über einen Zeitraum von |24|3 Jahren Tötungsphantasien hin, in denen er zunehmend die Täterrolle einnimmt. Als er an einem Vormittag unweit seines Wohnortes auf einen Bekannten trifft, beschließt er, seine Tötungsphantasien umzusetzen. Hierfür lockt der Jugendliche den ahnungslosen Bekannten in ein mit Bäumen bewachsenes Gelände und würgt diesen dort solange, bis der Bekannte bewusstlos zu Boden fällt. Hierbei verspürt der Jugendliche ein starkes Machtgefühl. Als er bemerkt, dass der Bekannte noch atmet, versetzt der Jugendliche ihm zahlreiche Tritte in den Kopfbereich, wobei er eine große Befriedigung darüber verspürt, einen Menschen zu töten. Der Bekannte verstirbt infolge der Verletzungen. – Der Jugendliche hat neben dem Mordmerkmal der Heimtücke auch dasjenige der Mordlust erfüllt. Ein Handeln aus Mordlust ist dann anzunehmen, wenn der einzige Zweck der Tathandlung die Tötung als solche ist. Dies ist hier der Fall, da der Jugendliche allein aus Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens handelte und weder in der Person des Opfers oder in der besonderen Tatsituation ein anderer Anlass für die Tatbegehung vorlag, noch mit der Tötung ein darüber hinausgehender Zweck verbunden war.

50BGH NStZ 2011, 35; Niedriger Beweggrund: Die Verlobte des Täters sucht seit längerer Zeit Kontakt zu anderen Männern und trennt sich in der Folge zweimal kurzzeitig wegen neuer Bekanntschaften. Während des Besuchs einer Diskothek, für dessen Kosten der Täter aufkommt, flirtet die Verlobte erneut mit einem Bekannten und verursacht durch den Konsum zahlreicher Getränke eine Rechnung, die nahezu 2/5 des monatlichen Einkommens des Täters beträgt. Nach Verlassen der Diskothek bricht die Verlobte infolge einer Kreislaufschwäche auf dem Parkplatz zusammen, wo sie von dem Bekannten versorgt wird. Hierauf fährt der Täter seine Verlobte und den Bekannten aus Eifersucht, aber vorrangig aus Angst, verlassen zu werden, mit seinem PKW an und nimmt hierbei schwere, auch tödliche Verletzungen in Kauf. Sowohl die Verlobte als auch der Bekannte überleben. – Hinsichtlich der versuchten Tötung der Verlobten sind die Voraussetzungen eines niedrigen Beweggrundes nicht erfüllt. Gefühlsregungen wie Eifersucht, Rache und Wut stellen nur dann einen niedrigen Beweggrund dar, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn die Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehren. Die Eifersucht des Täters kann jedoch nicht als »krankhaft übersteigert« angesehen werden, da die Verlobte diesem durch die wiederholte und teilweise in seiner Gegenwart erfolgende Kontaktaufnahme zu anderen Männern Anlass zu dieser gegeben hat. Darüber hinaus wurde die Eifersucht des Täters in der konkreten Tatsituation maßgeblich dadurch hervorgerufen, dass seine Verlobte in der Diskothek einen Großteil seines Monatsgehalts konsumierte und zeitgleich mit einem anderen Mann flirtete.

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