Kitabı oku: «Strafrecht Besonderer Teil», sayfa 8
5. Fremdtötung und straflose Teilnahme an einer Selbsttötung
115Aus der Straflosigkeit des Suizids folgt, dass auch die Teilnahme an einer Selbsttötung wegen des akzessorischen Charakters der §§ 26, 27 StGB nicht unter Strafe steht. Wer beispielsweise einem Sterbewilligen eine Waffe reicht, mit der dieser den Suizid begeht, unterfällt schon deswegen keiner Beihilfestrafbarkeit, weil es an einer vorsätzlich und rechtswidrig begangenen Haupttat fehlt. Ebenfalls nicht strafbar ist die fahrlässige Mitverursachung eines eigenverantwortlichen Suizids bzw. einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung. Der BGH hatte in diesem Zusammenhang über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Polizeibeamter seine geladene Dienstpistole auf das Armaturenbrett seines PKWs legte, obgleich er wusste, dass seine Beifahrerin bereits mehrfach versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Dass die Beifahrerin die Pistole ergriff und sich damit erschoss, bewertete der BGH im Hinblick auf ihre Eigenverantwortlichkeit zutreffend nicht als strafbare fahrlässige Tötung durch den Polizeibeamten und verwies zur Begründung insbesondere auf den andernfalls drohenden Widerspruch zur Straflosigkeit der Teilnahme am Suizid: »Wer mit Gehilfenvorsatz den Tod eines Selbstmörders mitverursacht, kann nicht bestraft werden, weil der Selbstmord keine Straftat ist. Dabei gehört zum Gehilfenvorsatz, daß der Gehilfe weiß oder zumindest damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, es werde zum Tod des Selbstmörders kommen. Schon dies verbietet es aus Gründen der Gerechtigkeit, denjenigen zu bestrafen, der nur fahrlässig eine Ursache für den Tod eines Selbstmörders setzt. Er ist sich – bei bewußter Fahrlässigkeit – wie der Gehilfe der möglichen Todesfolge bewußt, nimmt sie aber im Gegensatz zu jenem nicht billigend in Kauf. Bei unbewußter Fahrlässigkeit fehlt das Bewußtsein der möglichen Todesfolge. Es geht nicht an, das mit einer solchen inneren Einstellung verübte Unrecht strafrechtlich strenger zu bewerten als die Tat desjenigen, der mit Gehilfenvorsatz |55|dasselbe Unrecht bewirkt, nämlich den Tod eines Selbstmörders mit verursacht.«[201]
116Wegen der fehlenden Strafbewehrtheit der Teilnahme an, bzw. der fahrlässigen Mitverursachung einer eigenverantwortlichen Selbsttötung, kommt in Fallkonstellationen, in denen der Todeseintritt auf das Zusammenwirken des Verstorbenen mit einer anderen Person zurückzuführen ist, eine Strafbarkeit nur in Gestalt einer vorsätzlichen und täterschaftlichen Begehungsweise in Betracht. Diese kann als unmittelbare, mittelbare und Unterlassungstäterschaft begegnen. Besteht im Rahmen einer Fallbearbeitung Anlass, die straflose Teilnahme an einer eigenverantwortlichen Selbsttötung von der strafbaren täterschaftlichen Fremdtötung abzugrenzen, sollte daher zumindest gedanklich geprüft werden, ob eine Strafbarkeit nach einer der nachfolgend skizzierten Fallgruppen in Betracht kommt.
a) Abgrenzung strafloser Teilnahme zur Tötung in unmittelbarer Täterschaft
117Eine Strafbarkeit in unmittelbarer Täterschaft setzt gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB voraus, dass der Beteiligte die Tat selbst begeht. Entgegen der in anderem Zusammenhang existierenden Auseinandersetzung über die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme stimmen Literatur und Rechtsprechung darin überein, dass die Abgrenzung zwischen strafloser Teilnahme an einer Selbsttötung auf der einen und Fremdtötung in unmittelbarer Täterschaft auf der anderen Seite nach dem Kriterium der Tatherrschaft zu erfolgen hat.[202] Hiernach ist entscheidend, wer das zum Tode führende Geschehen tatsächlich beherrscht. Maßgeblicher Anhaltspunkt ist insoweit »die Art und Weise, wie der Tote über sein Schicksal verfügt hat. Gab er sich in die Hand des Anderen, weil er duldend von ihm den Tod entgegennehmen wollte, dann hatte dieser die Tatherrschaft. Behielt er dagegen bis zuletzt die freie Entscheidung über sein Schicksal, dann tötete er sich selbst, wenn auch mit fremder Hilfe.«[203] Eine Fremdtötung begeht hiernach, wer einem anderen eine tödlich wirkende Giftspritze setzt, während eine straflose Teilnahme vorliegt, wenn die Giftspritze lediglich überreicht und vom Suizidenten selbst gesetzt wird, da dieser dann die Tatherrschaft über den unmittelbar lebensbeendenden Akt innehat. Ergibt die Prüfung, dass die Tatherrschaft nicht dem Verstorbenen, sondern dem anderen Beteiligten zufiel, ist anschließend noch der Frage nachzugehen, ob ein Totschlag gemäß § 212 Abs. 1 StGB oder ein Fall der Tötung auf Verlangen nach § 216 StGB vorliegt.
|56|b) Abgrenzung strafloser Teilnahme zur Tötung in mittelbarer Täterschaft
118Trotz eigenhändiger Verursachung des Todes durch den Verstorbenen kommt eine Strafbarkeit des anderen Beteiligten in Form der mittelbaren Täterschaft in Betracht. Der Suizident handelt in dieser Konstellation als Tatmittler gegen sich selbst. Voraussetzung einer Strafbarkeit des Hintermanns wegen Totschlags in mittelbarer Täterschaft ist zweierlei: Der Verstorbene darf die zum Tod führende Handlung nicht eigenverantwortlich ausgeführt und der Hintermann muss das beim Suizidenten vorliegende Verantwortlichkeitsdefizit herbeigeführt oder ausgenutzt haben.[204]
aa) Fehlende Eigenverantwortlichkeit
119Unter welchen Voraussetzungen die Entscheidung des Verstorbenen, seinen Tod herbeizuführen, als freiverantwortlich zu bewerten und folglich eine mittelbare Täterschaft des Hintermanns ausgeschlossen ist, ist nicht abschließend geklärt. Dabei besteht im Ausgangspunkt weitgehende Einigkeit darüber, dass die Eigenverantwortlichkeit zu verneinen ist, wenn der Suizident über die unmittelbaren Folgen seiner Handlung irrt, er also nicht erkennt, dass er sich selbst das Leben nehmen wird. Dies wurde vom BGH in der viel zitierten »Sirius-Entscheidung« bestätigt. Dieser lag ein Fall zugrunde, in dem der Täter das weibliche Tatopfer veranlasste, sich in eine mit Wasser gefüllte Badewanne zu setzen und in diese einen eingeschalteten Fön fallen zu lassen, indem er sie davon überzeugte, sie werde hierdurch nicht ums Leben kommen, sondern sich im Körper einer Künstlerin wiederfinden. Zutreffend bejahte der BGH die Voraussetzungen einer mittelbaren Täterschaft kraft überlegenen Wissens, da das Tatopfer infolge der Täuschung des Täters schon nicht damit rechnete, überhaupt aus dem Leben zu scheiden: »Die Abgrenzung [zwischen strafbarer Tötungstäterschaft von strafloser Selbsttötungsteilnahme] hängt im Einzelfall von Art und Tragweite des Irrtums ab. Verschleiert er dem sich selbst ans Leben Gehenden die Tatsache, daß er eine Ursache für den eigenen Tod setzt, ist derjenige, der den Irrtum hervorgerufen und mit Hilfe des Irrtums das Geschehen, das zum Tod des Getäuschten führt oder führen soll, bewußt und gewollt ausgelöst hat, Täter eines (versuchten oder vollendeten) Tötungsdelikts kraft überlegenen Wissens, durch das er den Irrenden lenkt, zum Werkzeug gegen sich selbst macht.«[205]
120Nach welchen Maßgaben die Eigenverantwortlichkeit des Suizidenten in Konstellationen zu beurteilen ist, in denen keine auf die unmittelbaren Folgen seiner Handlung bezogene Fehlvorstellung vorliegt, wird unterschiedlich beantwortet. Die sog. Exkulpationslösung will sinngemäß auf die §§ 19, 20, 35 StGB; 3JGG zurückgreifen und die Freiverantwortlichkeit immer nur dann verneinen, wenn sich der Suizident in einem Zustand bzw. einer Situation |57|befindet, in der er nach diesen Vorschriften für eine Fremdschädigung nicht verantwortlich wäre.[206] Demgegenüber sollen nach der Einwilligungslösung die Grundsätze, die für ein ernsthaftes Tötungsverlangen i.S.v. § 216 StGB gelten, analog heranzuziehen sein, mit der Folge, dass der Suizident dann nicht eigenverantwortlich handeln würde, wenn ein von ihm in der konkreten Tatsituation geäußertes Tötungsverlangen nicht als ernstlich i.S.v. § 216 StGB anzusehen wäre.[207] Zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen die Auffassungen insbesondere beim Vorliegen bloßer Motivirrtümer, die nicht die Voraussetzungen der §§ 19, 20, 35 StGB; 3JGG erfüllen, aber hinreichen, um einem Tötungsverlangen die Ernstlichkeit i.S.v. § 216 StGB zu nehmen. Wer sich beispielsweise das Leben nimmt, weil er der fälschlichen Äußerung seiner Lebensgefährtin vertraut, diese werde das Gleiche tun, handelt nach der Exkulpationslösung eigenverantwortlich, während die Eigenverantwortlichkeit nach der Einwilligungslehre zu verneinen ist.[208] Für die Einwilligungslösung spricht insbesondere, dass sie durch die Aufstellung strenger Anforderungen an die Freiverantwortlichkeit der Höchstrangigkeit des Rechtsguts Leben umfassend Rechnung trägt. Im Übrigen erscheint es auch dogmatisch überzeugend, die Wirksamkeit einer Verfügung über höchstpersönliche Rechtsgüter unter Heranziehung des Rechtsgedankens in § 216 StGB nach Einwilligungsgesichtspunkten zu beurteilen.[209]
121Kann nicht eindeutig geklärt werden, ob die Willensbildung des Suizidenten einwandfrei erfolgte und sein Handeln daher als eigenverantwortlich zu bewerten ist, ist nach dem Grundsatz in dubio pro reo zugunsten des anderen Beteiligten von einer Freiverantwortlichkeit auszugehen.[210]
bb) Herbeiführung oder Ausnutzung des Verantwortungsdefizits
122Mittelbare Täterschaft setzt weiterhin voraus, dass der Hintermann das Verantwortungsdefizit des Suizidenten selbst herbeigeführt oder ausgenutzt hat. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Hintermann durch seine Äußerungen oder Handlungen denjenigen Irrtum beim Vordermann verursacht, der diesen zu seiner Selbsttötung veranlasst. Zusätzlich kann eine Verantwortung des Hintermanns für das Verantwortungsdefizit des Vordermanns aber auch dadurch entstehen, dass er diesen durch Drohungen i.S.v. § 240 StGB zum Suizid bewegt.[211]
|58|c) Unterlassungstäterschaft
123Sind die Voraussetzungen eines unmittelbaren oder mittelbaren Begehungsdeliktes nicht erfüllt, ist zuletzt der Frage nachzugehen, ob eine Unterlassungstäterschaft desjenigen vorliegt, der nicht dagegen vorgeht, dass ein anderer seinen Selbsttötungsplan in die Tat umsetzt. Entsprechende Fallkonstellationen kennzeichnen sich typischerweise dadurch, dass der Sterbewillige den zum Tode führende Geschehensablauf bereits in Gang gesetzt hat (also beispielsweise eine Überdosis Schlaftabletten eingenommen hat) und ein anderer anschließend am Ort des Geschehens erscheint, aber untätig bleibt, obgleich das Leben des Sterbewilligen durch die Einleitung von Rettungsmaßnahmen noch gerettet werden könnte. Hinsichtlich des untätig Bleibenden könnten zum einen die Voraussetzungen eines Totschlags durch Unterlassen nach §§ 212 Abs. 1, 13 StGB und zum anderen diejenigen einer unterlassenen Hilfeleistung nach § 323c StGB vorliegen.
aa) Tötung durch Unterlassen
124Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Totschlags durch Unterlassen ist zunächst, dass der untätig Bleibende i.S.v. § 13 Abs. 1 StGB rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt, also eine auf die Verhinderung des Todeseintritts gerichtete Garantenstellung innehat. Hiervon könnte zum einen bei Ehegatten und Familienangehörigen, zum anderen aber auch bei Hausärzten u.ä. ausgegangen werden, die die Pflege des Sterbewilligen übernommen haben. Unabhängig von der Frage, welche Personen im Einzelfall eine auf die Verhinderung der Selbsttötung gerichtete Garantenstellung innehaben, ist in diesem Zusammenhang jedoch zu erörtern, ob im Fall eines eigenverantwortlichen Suizids die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines daneben untätig Bleibenden nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Hintergrund ist der Umstand, dass zumindest im Fall eines eigenverantwortlichen Handelns des Suizidenten allein dieser das zum Tode führende Geschehen beherrscht, ihm also die Tatherrschaft zufällt. Da dies zur Folge hat, dass sich derjenige, der den Suizidenten aktiv unterstützt (etwa in der Form, dass er ihm die Schlaftabletten besorgt und überreicht) nicht strafbar macht, leuchtet nicht ein, warum eine Person, die nicht gegen den bereits in Gang gesetzten Sterbeverlauf vorgeht und hierdurch den Willen des Suizidenten respektiert, einer strafrechtlichen Verantwortung unterfallen sollte.
125Trotz dieser grundsätzlichen Bedenken hat der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 1984 zu erkennen gegeben, dass er in entsprechenden Konstellationen eine Strafbarkeit des untätig Bleibenden aus einem unechten Unterlassungsdelikt prinzipiell für möglich erachtet. Zu beurteilen war ein Fall, in dem ein Arzt im Rahmen eines Hausbesuches erkannte, dass seine bereits bewusstlose 76-jährige Patientin Morphium und Schlafmittel in Selbsttötungsabsicht zu sich genommen hatte. Der Arzt unternahm nichts zu ihrer Rettung, da die Patientin ihm gegenüber mehrfach ausdrücklich ihren Sterbewillen bekundet hatte und der Arzt davon ausging, sie nicht ohne schwere Dauerschäden retten |59|zu können. Obgleich der BGH die Strafbarkeit des Arztes im konkreten Fall verneinte, wies er darauf hin, dass sich ein Garant in vergleichbaren Konstellationen grundsätzlich nach §§ 212 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB strafbar machen könne. Zur Begründung führte er aus, dass ab dem Moment, in dem »der Suizident die tatsächliche Möglichkeit der Beeinflussung des Geschehens (›Tatherrschaft‹) endgültig verloren hat, weil er infolge Bewußtlosigkeit nicht mehr von seinem Entschluß zurücktreten kann, […] der Eintritt des Todes […] allein vom Verhalten des Garanten [abhänge]. In dessen Hand [läge] es nunmehr, ob das Opfer, für dessen Leben er von Rechts wegen einzustehen hat, gerettet wird oder nicht. In diesem Stadium des sich […] oft über viele Stunden hinziehenden Sterbens [habe] dann nicht mehr der Selbstmörder, sondern nur noch der Garant die Tatherrschaft und, wenn er die Abhängigkeit des weiteren Verlaufs ausschließlich von seiner Entscheidung in seine Vorstellung aufgenommen hat, auch den Täterwillen.«[212] Zusammenfassend nimmt der BGH also einen (ggf. strafbarkeitsbegründenden) Tatherrschaftswechsel ab dem Zeitpunkt an, in dem der Suizident selbst nicht mehr einschreiten kann, der Garant aber noch in der Lage ist, den Todeseintritt zu verhindern.
126In der Literatur ist der Ansatz des BGH stets auf weitgehende Ablehnung gestoßen. Tatsächlich leuchtet nicht ein, warum auf der einen Seite eine gegen den Willen aufgedrängte ärztliche Heilbehandlung grundsätzlich unzulässig sein soll, sich der Sterbewillige aber auf der anderen Seite einer von ihm abgelehnten ärztlichen Rettungsaktion soll unterwerfen müssen, wenn er den Sterbevorgang selbst eigenverantwortlich in die Wege geleitet hat, ihn aber nunmehr infolge des Eintritts seiner Bewusstlosigkeit nicht mehr abbrechen kann.[213] Richtigerweise ist daher zumindest für den Fall, dass der Entschluss des Suizidenten als freiverantwortlich i.S.v. § 216 StGB anzusehen ist, seinem Selbstbestimmungsrecht der Vorrang gegenüber der Rettungspflicht eines Garanten einzuräumen und eine Strafbarkeit des untätig bleibenden Garanten aus §§ 212 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB abzulehnen. In diese Richtung deuten auch jüngere Entscheidungen der Strafverfolgungsorgane,[214] zu denen sich der BGH bislang aber noch nicht abschließend geäußert hat. Unter Berücksichtigung seiner jüngeren Rechtsprechung zum Behandlungsabbruch, die eine prinzipielle Bereitschaft erkennen lässt, einem ausdrücklich geäußerten Sterbewillen weitgehende Beachtung zukommen zu lassen, ist allerdings davon auszugehen, dass der BGH für den Fall, dass er erneut mit der Fragestellung konfrontiert wird, nicht an seiner Entscheidung aus dem Jahr 1984 festhalten würde.[215]
|60|bb) Unterlassene Hilfeleistung
127Aus den vorstehenden Erörterungen folgt unmittelbar, dass auch eine Strafbarkeit des untätig Bleibenden aus § 323c StGB im Fall des Nichteinschreitens gegen einen eigenverantwortlichen Suizid nicht anzunehmen ist. Richtigerweise ergibt sich dies bereits daraus, dass schon kein Unglücksfall i.S.d. Vorschrift vorliegt.[216] Demgegenüber handelt es sich nach Einschätzung des BGH bei einer freiverantwortlichen Selbsttötung zwar grundsätzlich um einen Unglücksfall, jedoch hält er sich die Möglichkeit offen, in entsprechenden Fallkonstellationen ein Einschreiten für unzumutbar zu erachten, wenn der untätig Bleibende Kenntnis vom Sterbewillen des Suizidenten hat.[217]
d) Leitentscheidungen
128BGHSt 19, 135, 137ff.; Abgrenzung zwischen strafloser Beihilfe zur Selbsttötung und unmittelbarer Fremdtötung: Nachdem einer Jugendlichen von ihren Eltern der Kontakt mit ihrem Lebensgefährten untersagt wurde, fasst sie den festen Entschluss, aus dem Leben zu scheiden. Der Lebensgefährte versucht zunächst erfolglos, sie umzustimmen, entscheidet sich aber schließlich dazu, mit ihr gemeinsam zu sterben. Sie begeben sich in den PKW des Lebensgefährten und nehmen dort Tabletten ein, die aber keine Wirkung zeigen. Hierauf schlägt der Lebensgefährte vor, die Abgase des Fahrzeugs ins Wageninnere zu leiten. Die Jugendliche erklärt, dies sei eine gute Idee und sie hoffe, dass sie nicht zu früh gefunden würden. Der Lebensgefährte schließt hierauf einen Schlauch an das Auspuffrohr an und führt diesen durch das linke Fenster in das Wageninnere. Anschließend tritt er das Gaspedal durch, bis das einströmende Kohlenoxyd ihm und der Jugendlichen das Bewusstsein nimmt. Während die Jugendliche verstirbt, kann der Lebensgefährte gerettet werden. – Der Lebensgefährte hat den Tod der Jugendlichen in unmittelbarer Täterschaft verwirklicht und ist nicht lediglich (strafloser) Gehilfe einer Selbsttötung. Die Abgrenzung zwischen strafloser Beihilfe an einer Selbsttötung und unmittelbarer Fremdtötung richtet sich nach dem Kriterium der Tatherrschaft. Diese fiel allein dem Lebensgefährten zu, da das zum Tode der Jugendlichen führende Einleiten des Kohlenoxyds ins Fahrzeuginnere allein von ihm beherrscht wurde. Da der Lebensgefährte durch das ausdrückliche und ernsthafte Verlangen der Jugendlichen zur Tötung bestimmt wurde, ist er jedoch nicht nach § 212 Abs. 1 StGB, sondern gemäß § 216 StGB zu bestrafen. Die Jugendliche hat insbesondere durch den Hinweis, dass das Einleiten der Abgase eine gute Idee sei und dass sie hoffe, dass sie nicht zu früh entdeckt werden, ihren Sterbewillen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Darüber hinaus hat der Lebensgefährte zwar auch seinen eigenen Tod angestrebt, sich im Hinblick |61|auf die Tötung der Jugendlichen aber ausschließlich von ihrem Wunsch leiten lassen, aus dem Leben zu scheiden.
129StA München I NStZ 2011, 345f.; Nichteinschreiten gegen eine Selbsttötung: Eine Alzheimer-Patientin beschließt, durch Selbsttötung aus dem Leben zu scheiden, bevor das Krankheitsbild vollständig ausgeprägt ist. Nachdem sie sich umfänglich informiert und ihren Tod von langer Hand geplant hat, trifft sich die Patientin am Abend des 28.2.2009 mit ihren erwachsenen Kindern. Im Anschluss an ein gemeinsames Essen nimmt die Patientin eine Überdosis Medikamente ein und legt sich kurze Zeit später schlafen. Als ihre Atmung gegen 0.30 Uhr flach und unregelmäßig wird, setzen sich die Kinder an das Bett der Patientin und halten deren Hand, bis sie gegen 0.41 Uhr verstirbt. Versuche, die Patientin zu retten, werden von den Kindern nicht unternommen. – Die StA München I verneinte einen hinreichenden Tatverdacht gegen die Kinder und stellte das gegen sie eingeleitete Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein. Zwar hätten Kinder gegenüber ihren Eltern grundsätzlich eine Garantenstellung inne, jedoch werde die sich daraus ergebende Garantenpflicht durch einen freiverantwortlich gefassten Selbsttötungswillen des Suizidenten eingeschränkt. Die Auffassung, die eine Pflicht zum Einschreiten ab dem Eintritt der Handlungs- bzw. Bewusstlosigkeit annehmen möchte, sei abzulehnen, da andernfalls der unauflösbare Wertungswiderspruch entstünde, dass ein Angehöriger oder Arzt straflos einen Suizidenten bei der Realisierung seines Tötungsentschlusses unterstützen dürfte (etwa indem er Gift besorgt), dann aber nach Einnahme des Giftes zur Rettung verpflichtet wäre. Da der Entschluss der Patientin, aus dem Leben zu scheiden, freiverantwortlich getroffen worden sei, käme sowohl eine Strafbarkeit aus §§ 212 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB als auch eine solche aus § 323c StGB nicht in Betracht.